Rede von
Horst
Gobrecht
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nein.
Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1984 hat die Bundesregierung in der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit außerordentlich hoher Arbeitslosigkeit und nach wie vor — trotz aller Kohl-Garantien — vielen fehlenden Ausbildungsplätzen für die junge Generation gesellschaftspolitisch wie wirtschaftspolitisch einen grundfalschen Ansatz gewählt. Steuerpolitik muß in einer solchen Zeit im Rahmen eines Gesamtkonzepts eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik flankieren, die bestehende Arbeitsplätze sichert, neue Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft, gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilisiert und fördert und arbeitsplatzschaffende Investitionen auslöst.
Mit winzigen Ausnahmen tut das die Regierungskoalition mit dem Steuerentlastungsgesetz 1984 nicht. Im Gegenteil: Es werden Steuermilliarden verplempert. Eine Beschäftigungswirkung vermuten bei diesem Gesetz selbst Ihnen sehr wohlgesonnene Journalisten nicht mehr, und Investitionen werden nur insoweit angesprochen, als vergangene Investitionen nachträglich begünstigt werden.
Schauen wir uns einige Bereiche etwas genauer an, und beginnen wir mit der eben genannten Senkung der Vermögensteuer! Wir Sozialdemokraten halten dieses milliardenschwere Steuergeschenk
an die Großwirtschaft aus vielen verschiedenen Gründen für total verfehlt. Daß dieses Milliardengeschenk auch noch aus der Mehrwertsteuererhöhung, die die Verbraucher tragen müssen, bezahlt wird, ist für uns besonders empörend. Aber diese Art der Umverteilung der Mehrwertsteuergroschen der vielen in das Vermögen der wenigen ist j a geradezu ein klassisches Beispiel für Ihre Umverteilungspolitik.
— Das ist so, Herr Kollege.
Doch abgesehen von dieser sozialen Schlagseite des Vermögensteuergeschenks und abgesehen davon, daß diese Milliarden weder Erweiterungsinvestitionen auslösen noch die wirtschaftliche Nachfrage beleben werden, wirkt dieser Steuerverzicht selbst im Bereich der Wirtschaft, auf den Sie ja zielen, ungerecht und kontraproduktiv.
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Posser hat auf Grund einer Untersuchung in seinem Bundesland schon nachgewiesen, daß die Vermögensteuersenkung überwiegend betrieblichem Großvermögen zugute kommt.
Nach dieser Fallermittlung — ganz konkret — erhalten vermögensteuerpflichtige Großunternehmen mit einem Vermögen von über 50 Millionen DM, die nur 0,7 % dieser Gruppe der Vermögensteuerpflichtigen ausmachen, etwa 60 % der Vermögensteuersenkung, die Sie vorgesehen haben.
Da Prozentsätze aber immer so allgemein wirken, wird dieser Hinweis viel plastischer, wenn man die Riesensummen aus dieser Vermögensteuersenkung für die Großwirtschaft — und hier vornehmlich für die kapitalstarken Unternehmen; nicht etwa für kapitalschwache Unternehmen oder gar für solche in Problembereichen — einmal in konkreten Zahlen ausdrückt. So macht die jährliche Steuerersparnis für einen Betrieb mit 250 000 DM Betriebsvermögen nur 785 DM aus. Bei einem Betrieb mit 10 Millionen DM Betriebsvermögen schlägt die Entlastung mit 12 970 DM und bei einem Betrieb mit 100 Millionen DM Betriebsvermögen mit 125 470 DM zu Buche. Sie sehen also ganz genau die Kopflastigkeit zu Lasten der kleinen Betriebe.
— Sie haben das unter dem Stichwort getan, Sie wollten die Wirtschaft entlasten, Sie wollten vor allem eine Mittelstandspolitik betreiben. Wenn das überhaupt sinnvoll sein soll, wenn überhaupt etwas in Erweiterungsinvestitionen gehen soll, muß es in solche Bereiche gehen, in denen es in der Theorie wirklich Investitionen auslösen könnte. Das ist hier überhaupt nicht der Fall.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3203
Gobrecht
Hier werden frühere Investitionen entlastet. Den Großen, die langfristige Investitionspläne haben, die auch bei einer Entlastung aus der Vermögensteuer um 125 000 DM überhaupt nichts Neues investieren, die keinen Ausbildungsplatz und keinen Arbeitsplatz schaffen werden, werden Millionenbeträge hinterhergeschmissen.