Herr Abgeordneter Glombig, mir tut es schrecklich leid. Wir können darüber gern anschließend weiter diskutieren. Ich habe sehr wenig Redezeit, und wir haben heute noch etliche Redner, denen ich die Redezeit nicht wegnehmen möchte.
Sogar der Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung hat diese Politik zur Sanierung der Rentenfinanzen mit einem positiven Votum belegt. Er konstatiert, daß diese Politik verhindert, daß Arbeitnehmer über steigende Abgabenlast nicht nur eine steigende Alterslast, sondern auch eine überproportionale Verbesserung des Lebensstandards der Altersrentner finanzieren würden, daß also diese Politik dazu beiträgt, daß genau dies nicht passiert. Meine Damen und Herren, wir wollen doch verhindern, daß in einigen Jahren Opa das Studium des Enkels finanziert, weil Vater die Rente von Opa finanziert. Eine solche Gesellschaft würde man zu Recht als eine Taschengeldgesellschaft bezeichnen. Das allerdings wollen wir nicht. Wir wollen auch weiterhin die Leistungsgesellschaft.
Dem gleichen Ziel der langfristigen Sicherung der Rentenfinanzen trägt auch die veränderte Anspruchsvoraussetzung für die Inanspruchnahme von Invalidenrenten Rechnung. Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrenten hatten sich zu einer Art vorgezogenem Altersruhegeld entwickelt. Dem galt es Einhalt zu gebieten. Denn dies wäre nicht systemgerecht. Wir wollen, daß die Rentenversicherung wieder systemgerecht wird und auch in der Zukunft systemgerecht ausgestaltet bleibt.
Wir sind sehr froh, daß es in den Ausschußberatungen noch gelungen ist, mit einer Verbesserung der Übergangsregelung dafür zu sorgen, daß hier keine verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriffe in Besitzstände vorgenommen werden, sondern daß es möglich sein wird, mit einem monatlichen Beitrag von 83 DM die Anspruchsvoraussetzungen aufrechtzuerhalten. Dies allerdings entspricht unseren Vorstellungen von einer Absicherung der Alterseinkommen auf eigenverantwortlicher Basis auch für die Selbständigen in unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, es ist viel darüber diskutiert worden, ob die Eingriffe in das Behindertenrecht vertretbar sind oder nicht. Ich möchte nur einen Punkt herausgreifen: die kostenlose Beförde-
3200 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
Frau Dr. Adam-Schwaetzer
rung Behinderter im Personennahverkehr. Ich glaube, daß wir auch in der Bevölkerung sehr viel Verständnis dafür gefunden haben und finden werden, daß eine Kumulation von Vergünstigungen, die sehr danach aussieht, daß hier mit der Gießkanne ausgeteilt wird, abgeschafft wird.
Ich möchte allerdings auch noch auf eines hinweisen. Wir haben uns im Ausschuß sehr viel Mühe damit gegeben, mögliche Härten zu vermeiden. Deshalb haben wir noch einige Regelungen — z. B. bezüglich der Region Köln/Bonn — zusätzlich in das Gesetz eingefügt. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, daß wir davon ausgehen, daß die drei Privatbahnen in der Nähe von Hamburg, um die es noch in den Ausschußberatungen ging, die Möglichkeit erhalten, zu S-Bahnen aufgestuft zu werden, damit diejenigen, die diese Privatbahnen benutzen müssen, auch in den Genuß der Vergünstigungen des Behindertenrechts, so wie es jetzt gestaltet wird, kommen.
Wir haben mit dieser Formulierung die Gewährung von Vergünstigungen für die Personen durchgesetzt, die unsere Hilfe und unsere Solidarität wirklich brauchen. Daß eine Konzentration dieser Sozialleistungen notwendig war, wird ja auch von bestimmten Sozialdemokraten nicht bestritten.
Ich möchte nur einmal daran erinnern, daß es der sozialdemokratische Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gewesen ist, der gesagt hat, daß es nicht möglich ist, eine Vergünstigung der kostenlosen Beförderung so weiter fortzuführen, wie es in der Vergangenheit getan worden ist.
Meine Damen und Herren, eine realistische Beschäftigungspolitik als Bestandteil der Sozialpolitik muß dem wirtschaftlichen Strukturwandel Rechnung tragen. Es ist ja heute auch wieder viel davon die Rede gewesen, was alles an negativen Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels an die Wand gemalt werden kann. Ich möchte aber nicht verhehlen, daß wir uns alle Mühe geben müssen und unser Augenmerk vor allen Dingen darauf richten müssen, daß wir auch die Chancen der neuen Technologien für die Schaffung neuer Arbeitsplätze nutzen müssen.
Das Heil kann nicht allein in Arbeitszeitverkürzung gefunden werden. Ich kann ja verstehen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie mit großem Glück nun wieder Arm in Arm mit den Gewerkschaften in Richtung auf eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich marschieren.
Dieses Gefühl kann ich ja gut verstehen. Aber fragen Sie doch einmal in Betrieben nach, und zwar
bei den Arbeitnehmern, nicht bei den Gewerkschaftsfunktionären, was sie davon halten, wenn die 35-Stunden-Woche eingeführt werden soll.
Die werden Ihnen nämlich sehr genau sagen,
daß sie nicht daran glauben, daß so etwas bei vollem Lohnausgleich durchgesetzt werden kann, weil sie nämlich ganz genau wissen, daß das auf die Rentabilität ihrer Betriebe geht, und sie wollen ihren Arbeitsplatz auch in der Zukunft sichern.
— Ja, darüber können wir uns ja unterhalten, wer von uns häufiger mit Arbeitnehmern redet.
Arbeitnehmer wissen, daß die 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich zumindest ein Risiko für ihre Arbeitsplätze darstellt. Und dann fragen Sie einmal nach, wie viele Arbeitnehmer bereit sind, eine 35-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich zu haben. Da nämlich werden sie Ihnen sagen, daß die 200 bis 300 DM, die sie im Monat weniger hätten, wenn Sie das durchsetzen würden, nicht gerne verkraften wollen. Und warum, so frage ich Sie, sind denn nicht eigentlich die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen Vorreiter in dem gesamten Bereich der Wochenarbeitszeitverkürzung,
Coop hat sich geweigert. Andere gemeinwirtschaftliche Unternehmen tun es auch nicht. Ja, warum tun die es denn nicht? Bei all den Fehlern, die sie in der Vergangenheit gemacht haben, in diesem Punkt können sie heute auch wieder rechnen.
Wir setzen eher auf eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Eine Vorruhestandsregelung ist ein Angebot an die Tarifpartner und muß es auch sein.
Die absolut notwendige Voraussetzung einer solchen Vorruhestandsregelung ist allerdings, daß sie auf freiwilliger Basis erfolgt,
denn nur so kann den unterschiedlichen Anforderungen in der Struktur von Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben Rechnung getragen werden. Mit allem, meine Damen und Herren, was wir hier beschließen, wollen wir ja nicht, daß zusätzliche Arbeitsplätze gefährdet werden, sondern wir wollen die Regelungen so gestalten, daß sie von denjenigen, die einen Vorteil davon haben wollen, auch angenommen werden. Da gibt es eben ganz klare Aussagen, daß eine solche Vorruhestandsregelung zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit nicht überall in der gleichen Weise unproblematisch angewandt werden kann.
Den Entwurf der Bundesregierung werden wir sehr sorgfältig prüfen. Ich bin ganz sicher, daß wir nach einer ausgiebigen Diskussion im Ausschuß hier eine vernünftige Regelung, die ein wirkliches
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Angebot an die Tarifvertragsparteien darstellt, verabschieden werden.
Die SPD will auch in der Zukunft nicht davon ablassen, Beschäftigungsprogramme, Arbeitszeitgesetze, Vorruhestandsregelungen mit viel Bürokratie, 35-Stunden-Woche, alles Regelungen, die den Wettbewerb einschränken, durchzusetzen. Alles das, meine Damen und Herren, knebelt die Betriebe. Deshalb lassen Sie mich mit einem Zitat von Lincoln schließen, daß auf diese Situation sehr gut paßt:
Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt, ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, nicht helfen, indem ihr die ruiniert, die sie bezahlen.
Das, meine Damen und Herren, wird das Prinzip unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik auch in der Zukunft sein.