Ich will das zu Ende führen.
Seit zwölf Monaten haben wir diese Frage eigentlich alle zwei, drei Wochen im Bundestag gestellt. Auch heute ist auf diese Frage keine Antwort gekommen.
Graf Lambsdorff hat eine Rede gehalten, die mehr einem Oppositionsabgeordneten entsprochen hätte, der die von der SPD gestellte Bundesregierung kritisiert. Für den Stahlbereich — Saarstahl und die übrigen Standorte: Bremen, Ruhrgebiet, Siegerland, Niedersachsen — hat er nicht eine Antwort gehabt.
Vergleichbares, wenn nicht Schlimmeres ist aus dem Werftenbereich zu berichten. Für den Werftensektor hat die Bundesregierung, hat der Bundeskanzler in Bremen vor einiger Zeit eine Garantie gegeben, bei der Fusion der Bremer Werften Unterstützung zu leisten. Und nun? Vor etwa zehn Tagen hat die Bundesregierung diese Garantie zurückgenommen.
Sie läßt jetzt die Bremer Landesregierung in ihrer Entscheidung allein. Auch hier wächst sich die Verweigerung der Industriepolitik
durch die Bundesregierung zu einer Krise, nein, zu einem wirklichen Chaos aus.
Ich darf hier zitieren, was gestern Betriebsräte der Bremer Werften an Herrn Kohl geschrieben haben. Sie können daran feststellen, welche Enttäuschung bei den Arbeitnehmern in den Betrieben herrscht. Sie schreiben:
Am 4. März in Bremen und am 18. Juli in Bonn hat der Bundeskanzler uns persönlich, den Betriebsräten der betroffenen Werften und Vertretern der IG Metall, konkrete Hilfe für die Werften zugesagt. Voraussetzung sei, so sagte der Bundeskanzler, daß Werftvorstände ein von der Treuarbeit befürwortetes Konzept vorlegten. Diese Vorbedingung ist von Eigentümern und Werftvorständen inzwischen erfüllt worden. Der Bundeskanzler hat am 18. Juli 1983 erklärt, seine Autorität im Bundeskabinett einzusetzen, um die unterschiedlichen Interessen der Fachminister Lambsdorff und Stoltenberg für eine Lösung der bremischen Werftprobleme zu gewinnen.
Ich kann nur sagen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, hier hat sich Lambsdorff mit seinem Nein für eine zukunftsorientierte Industriepolitik für den Standort Bremen durchgesetzt, und die Leute in den Bremer Werften stehen jetzt nach Monaten erneut vor dem Nichts. Das ist die Tatsache.
— Herr Koschnick hat gesagt, und zwar vor dem Wahltag in Bremen, daß er weiß, daß eine Kapazitätsanpassung in Bremen notwendig ist.
Koschnick hat gesagt: Ich bin bereit, das mitzutragen, wenn durch eine Fusion und entsprechende Rationalisierungsmaßnahmen im Werftenbereich von Bremen eine der Absatzlage entsprechende Anpassung stattfindet.
Er hat allerdings auch gesagt, daß die Finanzen des Landes Bremen nicht ausreichen, um diesen Anpassungsprozeß zu finanzieren. Er hat sich damals auf entsprechende Zusagen der Bundesregierung verlassen. Nach dem Gespräch in der vorletzten Woche hat die Bundesregierung diese Zusage zurückgezogen.
Meine Damen und Herren, hier ist ein Stück Industriepolitik zugunsten einer dogmatischen, ideologisierten Ablehnung jeder Industriepolitik in der Bundesrepublik Deutschland geopfert worden.
Die vierte Grundfrage lautet — auch dazu gibt es von Ihrer Seite nach meiner Überzeugung keine ausreichende Antwort —: Wie erhalten wir in diesem Land bei einer Verschärfung der Arbeitsmarktprobleme und der sozialen Konflikte den sozialen Frieden, den sozialen Konsens? Ich habe schon erwähnt, wie Bundeskanzler Kohl auf die Forderung — auf eine tarifpolitische Forderung, muß ich hinzufügen — der IG Metall reagiert hat. Es war in der ,,Bild"-Zeitung. Er hat gesagt, die 35-Stunden-Woche sei absurd, töricht und dumm. Das hat er zu Beginn einer tarifpolitischen Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gesagt. Ich kenne keinen Eingriff in dieser Schärfe — da schließe ich Herrn Erhard und Herrn Adenauer ausdrücklich mit ein — in eine konkrete Tarifauseinandersetzung seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland.
Unabhängig davon, wie Sie zur 35-Stunden-Woche stehen — da gibt es unterschiedliche Meinungen bei Ihnen und in allen Teilen der Bevölkerung, im Arbeitnehmerlager und auch im Bereich der Arbeitgeber —, frage ich Sie: Wie will eine Regierung
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3183
Roth
in einer derartigen Situation, da sich der Tarifkonflikt zuspitzen wird, Mittler sein, grüner Tisch sein, Organisator des grünen Tisches, eine Institution, die die Leute zusammenbringt, die dann, wenn sich der Konflikt zuspitzt, auch zum Kompromiß hinführen kann, wenn am Anfang eines Tarifkonflikts der staatliche Teil, der noch gar nicht gefordert ist, einseitig, allein und ausschließlich auf seiten der Arbeitgeber sein Interesse gesichert sieht?
— Rufen Sie doch nicht empört hier dazwischen, sondern gehen Sie in die nächste Fraktionssitzung der CDU/CSU und machen Sie Ihrem Bundeskanzler klar, daß der Eingriff des Staates in dieser Phase einer Tarifauseinandersetzung nur zu einer Verschärfung des sozialen Klimas und nicht zu einer Lösung der sozialen Konflikte führen kann.