Sehr verehrter, lieber Herr Franke, einige sind da, andere sind nicht da. Ich habe mich mit der Regierung auseinanderzusetzen.
Im übrigen wissen meine politischen Freunde natürlich, was ich zu sagen habe; deswegen ist es — —
Deswegen ist es mir eigentlich wichtiger, daß diejenigen zuhören, von denen ich mir eine Chance erhofft habe, daß vielleicht das eine oder andere Argument bei ihnen hängen bleibt. Das könnte ja auch passieren in einer sozialpolitischen Auseinandersetzung.
Wir wissen nicht so recht, wie der Kurs dieser Bundesregierung in der Sozialpolitik aussieht, welchen Stellenwert sie ihr beimißt. Wir werden darauf achten, Herr Minister Blüm, wie Sie weiter verfahren wollen und ob Sie weiter dem Drehbuch Ihrer Kollegen George und Albrecht folgen wollen. Wer
3170 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
Frau Fuchs
wie Herr Bundesarbeitsminister Blüm die Mitbestimmung als die größte Erfindung des sozialen Friedens bezeichnet, der muß deutlich sagen, wie er z. B. zur Sicherung der Montanmitbestimmung steht.
Wer wie Sie sagt, daß wir starke Gewerkschaften brauchen, wird daran gemessen werden, wie er es mit der Tarifautonomie hält.
Ich habe nicht gehört, Herr Bundesarbeitsminister Blüm, daß Sie sich gegen die Beschlüsse der Bundesregierung in Sachen ARBED-Saarstahl verwahrt haben.
Sie haben zugelassen, daß nicht nur die Arbeitnehmer erneut einen Beitrag leisten müssen, Sie haben auch dafür gesorgt, daß ARBED-Saarstahl als Voraussetzung für den Abschluß eines Haustarifs den Austritt aus dem Arbeitgeberverband erklärt hat.
Dies haben Sie nicht verhindert, Herr Bundesarbeitsminister. Sie haben dazu beigetragen, Gewerkschaftsrechte und Tarifautonomie einzuschränken.
Ich verstehe das ja sogar. Der Herr Bundesarbeitsminister muß sich darauf einstellen, daß er den Weg von Herrn George geht, den Weg von Herrn Lambsdorff geht, den Weg von Herrn Albrecht geht; denn die Wahlen zum Bundestag sind lange vorbei,
die Bundestagung der Sozialausschüsse auch.
Jetzt kehrt die CDU zur Realität zurück und das heißt auch für Herrn Blüm: auf den Kurs von Lambsdorff, George und Albrecht. Das ist Ihre Politik, Herr Bundesarbeitsminister.
Und dann komme ich zum Vorruhestandsgeld. Warum machen Sie das eigentlich jetzt? Sie machen es doch, weil Sie mit Herrn George und mit Herrn Albrecht diese Vorruhestandsrechtsregelung als Druckmittel benutzen wollen, um die Gewerkschaften in ihrem Kampf um die 35-Stunden-Woche zu behindern;
sonst würden Sie doch wie wir Sozialdemokraten deutlich machen, daß alle Formen der Arbeitszeitverkürzung gleichberechtigt nebeneinanderstehen.
Eine solche Erklärung hat der Deutsche Gewerkschaftsbund von Ihnen noch nicht zu hören bekommen. Ich erinnere mich an eine Debatte hier im
Bundestag, in der Sie gesagt haben, die Politik der 35-Stunden-Woche sei die Politik der Dampfwalze. Sie wollen diese Vorruhestandsregelung deshalb, um ein Druckmittel gegen die Gewerkschaften zu haben, die sich für die 35-Stunden-Woche als Ziel entschieden haben.
Sie werden von uns nicht erwarten, daß wir diese Mißgeburt als einen ernsthaften Versuch werten, den Tarifvertragsparteien eine vernünftige Vorruhestandsregelung anzubieten. Mit 65% ist das Versorgungsniveau zu gering. Auch der staatliche Finanzierungsanteil ist zu gering. Durch den Ausschluß der 58jährigen wird die arbeitsmarktpolitische Wirkung verfehlt.
Rentenversicherungsbeiträge, meine Damen und Herren, werden in geringerer Höhe weitergezahlt, so daß die späteren Rentenansprüche erheblich gemindert sind. Wir können eine solche Regelung nicht akzeptieren.
Und dann wollen Sie den Arbeitsschutz abbauen. Es ist sehr interessant für mich, wie Sie jetzt versuchen, an das Arbeitszeitrecht, an Arbeitsschutzrechte heranzugehen, wie sie sich im Grunde auch hier auf den Weg begeben, Arbeitnehmerrechte abzubauen. Graf Lambsdorff hat heute morgen gesagt, die Schutzwürdigkeit der arbeitenden Menschen an ihrem Arbeitsplatz dürfe nicht so groß sein, daß damit Einstellungen verhindert würden. Ich finde das eine eigenartige Philosophie. Wieso wird es, wenn einem arbeitenden Menschen, der einen Arbeitsplatz hat, der Kündigungsschutz genommen wird, für einen Arbeitslosen leichter, einen Arbeitsplatz zu finden? Ich habe das nie begriffen. Für mich ist das Ziel klar, das Sie damit verfolgen: Sie wollen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nutzen, um mühsam erreichte Arbeitnehmerrechte abzubauen. Das ist Ihre Politik.
Sie wollen es ausgerechnet mit der Arbeitszeitordnung erreichen.
Sie wollen nicht nur hier Regelungen abbauen, sondern Sie wollen auch noch, daß der Gesundheitsschutz nicht mehr als staatliche Aufgabe begriffen, sondern den Tarifvertragsparteien aufgelastet wird. Das würde die Verabschiedung des Staates aus der Gesundheitspolitik bedeuten. Das irreführende Stichwort heißt dann „Selbstveranwortung der Tarifvertragsparteien". Was sich dahinter versteckt, ist sehr durchsichtig. Sie wollen den Staat aus der gesetzlichen Verantwortung herauslösen, und Sie wollen dafür sorgen, daß Arbeitnehmer
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Frau Fuchs
unterschiedlichen Regelungen ausgeliefert sind.
Das ist Ihre Politik, Herr Bundesarbeitsminister.