Rede von
Dr.
Norbert
Blüm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich wundere mich immer, warum der Blutkreislauf der Sozialdemokraten immer merklich steigt, wenn ich hier rede. Ich habe das noch nie verstanden.
— Meine Damen und Herren, ich habe doch zur Sache geredet, wenn ich vom Dachlatten-Börner gesprochen habe; das ist doch eine handfeste Sache!
Die Erfindung der Dachlatte stammt doch nicht von mir.
Meine Damen und Herren, ich trage das hier gar nicht mit Schadenfreude vor, sondern eher mit großem Respekt vor der großen Tradition der Arbeiterbewegung und mit Trauer darüber, daß die SPD in Gefahr steht, aus dieser Tradition auszusteigen und möglicherweise auch noch die Gewerkschaften anzustecken.
— Ja, ich lese in Gewerkschaftszeitungen. Ich lese in meiner Gewerkschaftszeitung, in der Zeitung der IG Metall:
Die Schmidt-Zeit ist zu Ende, die SPD kann wieder nach vorn blicken. — Wenn das keine Ansteckungsgefahr für die Gewerkschaften ist!
Meine Damen und Herren, dabei glaube ich — und ich appelliere an alle meine Kolleginnen und Kollegen, auch an meine sozialdemokratischen Kollegen —: Gewerkschafter können nicht einer Aussteigerphilosophie verpflichtet sein.
Nein, ich glaube, die Ausbeutung verfällt immer wieder auf neue Varianten. Das Aussteigertum ist eine neue Variante der Ausbeutung.
Der neue Trick des Klassenkampfes heißt Spaltung zwischen einer schicken, alternativen Schickeria und den treuen Malochern; die einen bezahlen das Sozialsystem, und die anderen leben davon. Auch das ist eine Klassengesellschaft.
Meine Damen und Herren, wir plädieren für Realismus. Wir plädieren für Wachstum. Wie könnten Arbeitnehmer auf Wachstum verzichten! Das würde j a bedeuten, daß all unsere Wünsche erfüllt wären. Eine solche Philosophie kann nur aus dem Bewußtsein sehr saturierter Mitbürger oder ihrer Söhne und Töchter entspringen.
„Null und nichts" war nie ein Ziel der Arbeiterbewegung.
— Wissen Sie, wenn Sie das Null-Wachstum als erstrebenswert ansehen,
dann denke ich an jenen Autobesitzer, dessen Automotor defekt ist und der strahlend verkündet, das Auto sei nun sehr energiesparend und umweltfreundlich. Es fährt dann eben aber nicht mehr.
So ähnlich ist das mit dem Null-Wachstum. Wir brauchen Wachstum auch, um Arbeitsplätze zu schaffen. Woher sollen denn Arbeitsplätze kommen, ohne daß neue Bedürfnisse da sind und befriedigt werden!
Dabei geschieht das Wachstum nicht durch Reden, auch nicht durch meine Rede. Die Arbeitnehmer haben immer ein feines Gespür dafür gehabt, wo gehandelt und wo nur geredet wird. Reden ist Silber, Handeln ist Gold; das ist ein altes Motto der Arbeiterbewegung.