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ID1004404900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/44 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 44. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 —Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/638, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/653 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/657 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/647, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 10/686, 10/716 —Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/687 — Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksachen 10/281, 10/535, 10/723 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/639, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/677 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/696 — in Verbindung mit Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen 10/640, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/641, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/724, 10/733 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/725 — Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der unmittelbaren Kostenbeteiligung der Versicherten an der Krankenhaus- und Kurbehandlung (Selbstbeteiligungs-Aufhebungsgesetz) — Drucksache 10/120 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/675 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/676 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion der SPD Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit — Drucksachen 10/189, 10/704 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Hoss und der Fraktion DIE GRÜNEN Sofortmaßnahme: Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung — Drucksachen 10/205, 10/698 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Mutterschaftsurlaub — Drucksachen 10/358 Nr. 64, 10/706 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen 10/645, 10/659 — in Verbindung mit Haushaltsgesetz 1984 — Drucksachen 10/658, 10/660 — Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU . 3109B, 3205 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3109C Wieczorek (Duisburg) SPD 3118A Carstens (Emstek) CDU/CSU 3123 D Stratmann GRÜNE 3128 B Dr. Weng FDP 3133 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3136 D Frau Simonis SPD 3144 B Glos CDU/CSU 3150 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 3154 D Vizepräsident Stücklen 3156 C Frau Fuchs (Köln) SPD 3165A Dr. Friedmann CDU/CSU 3171 D Frau Potthast GRÜNE 3175A Frau Seiler-Albring FDP 3176B, 3248 B Roth SPD 3178C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 III Wissmann CDU/CSU 3183 D Hoss GRÜNE 3186 A Dr. Haussmann FDP 3189 D Sieler SPD 3191 D Präsident Dr. Barzel 3194A Jagoda CDU/CSU 3195A Vizepräsident Frau Renger 3195 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 3198 D Gobrecht SPD 3201 B Frau Dr. Vollmer GRÜNE 3208 B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 3210 C Grünbeck FDP 3212 B Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 3213C Schulhoff CDU/CSU 3218 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 3220 D Frau Zutt SPD 3223 C Bredehorn FDP 3226 A Kiechle, Bundesminister BML 3227 D Hauck SPD 3230 B Dr. Hoffacker CDU/CSU 3232 C Eimer (Fürth) FDP 3236 B Jaunich SPD 3237 A Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 3239 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3244 A Roth (Gießen) CDU/CSU 3245 D Walther SPD 3249 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 3250 B Vizepräsident Wurbs 3258 C Namentliche Abstimmungen . 3254 B,C, 3256 B,C Nächste Sitzung 3258 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3259* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Heyenn (SPD) nach § 31 Abs.1 GO 3259* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3107 44. Sitzung Bonn, den 8. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gerstl (Passau) * 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haase (Fürth) * 9. 12. Haehser 9. 12. Handlos 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Dr. Kreile 8. 12. Lemmrich* 9. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Dr. Müller* 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann* 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. von Schmude 9. 12. Schreiner 9. 12. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 9. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Verheyen 9.12. Voigt (Frankfurt) 9. 12. Weiskirch (Olpe) 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung des Abg. Heyenn (SPD) nach § 31 Abs.1 GO Zur Abstimmung über den Einzelplan 11 erkläre ich hiermit, daß ich aus den von Sprechern meiner Fraktion dargelegten Gründen nicht zustimmen kann. Ich begrüße jedoch, daß es auf Betreiben meiner Fraktion eine interfraktionelle Einigung darüber gegeben hat, wie sichergestellt werden kann, daß die drei im Hamburger Verkehrs-Verbund einbezogenen Linien der Eisenbahngesellschaft Altona, Kaltenkirchen, Neumünster (AKN) auch künftig von Behinderten unentgeltlich in Anspruch genommen werden können. Ich begrüße weiter, daß die Fraktionen von CDU/CSU und FDP verbindlich erklärt haben, eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, wenn der jetzt gemeinsam vorgesehene Weg nicht zum Ziel führt. Die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD haben sich darauf geeinigt, im Rahmen der Aussprache zum Einzelplan 11 folgende Erklärung zu Protokoll zu geben: Die Fraktionen gehen übereinstimmend davon aus, daß die obersten Landesbehörden in Hamburg und Schleswig-Holstein die drei in den Hamburger Verkehrsverbund einbezogenen Linien der Eisenbahngesellschaft Altona, Kaltenkirchen, Neumünster (AKN) als S-Bahnen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Schwerbehindertengesetz anerkennen. Durch diese Entscheidung der zuständigen Landesbehörden soll sichergestellt werden, daß Behinderte auch künftig diese Linien, die eine Reihe von S-Bahnmerkmalen aufweisen, unentgeltlich in Anspruch nehmen können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Der Herr Präsident hat mich von der Antwort dispensiert. Dafür bin ich ihm dankbar, weil ich die Preisverleihungsregeln nicht genau beherrsche. Das will ich nun wirklich gerne den Bayern unter sich überlassen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist ganz gewiß richtig, daß die Arbeit — nachdem das, was wir bisher geleistet haben, die ersten Früchte trägt, was zeigt, daß wir auf dem richtigen Wege sind — noch längst nicht getan ist. Es liegt noch eine Wegstrecke harter Arbeit und schwerer Entscheidungen vor uns.

    (Dr. Spöri [SPD]: Wie ist es mit der Tarifreform?)

    — Wie bitte?

    (Zuruf von der SPD: Wann kommt nun die Tarifreform? — Dr. Spöri [SPD]: Sie sagen: 1986, Stoltenberg sagt: 1988!)

    — Ja, ich will die Frage gern beantworten. Genau dieselbe Situation, die wir zwischen Wirtschafts- und Haushaltspolitikern in der alten Koalition gehabt haben — der Herr Kollege Hoppe hat gestern auf diesen Widerspruch hingewiesen —, haben wir in der neuen. Konjunkturpolitisch, wirtschaftspolitisch, tarifpolitisch wäre mir eine Tarifreform zum 1. Januar 1986 sehr willkommen, aber ich habe immer — vor allem in einer Rede vor zehn Tagen — hinzugefügt — was nachzulesen ist —:

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie sind ein Rückversicherer!)

    unter der Voraussetzung, daß die Konsolidierungsaufgabe gelöst ist.
    Nach dem Gutachten des Sachverständigenrates und nach dessen Berechnungen zur Rückführung des strukturellen Defizits per Ende 1985 bin ich sehr zuversichtlich, daß wir eine solche Plattform finden können. In dieser Zuversicht mag ich mich von dem einen oder dem anderen unterscheiden. Nach meiner alten Erfahrung unterscheide ich mich in dieser Zuversicht immer — und das verstehe ich völlig; das ist gewissermaßen ressortgebunden — von dem zurückhaltenderen Bundesfinanzminister. Das muß und wird auch diesmal der Fall sein.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das war ein beeindrukkender Rückzug!)

    — Das ist kein beeindruckender Rückzug, sondern
    es wird dabei bleiben, daß ich meine Position vertrete, wenn die volkswirtschaftlichen, finanzpoliti-
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3143
    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    schen und haushaltspolitischen Voraussetzungen und Bedingungen zu diesem Zeitpunkt gegeben sind. Wenn nicht, ist das nicht zu verantworten. Die Konsolidierungsaufgabe ist nach all dem, mit dem wir hier angetreten sind, die Aufgabe Nummer eins.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich denke, wir haben uns mit großer Intensität dem Stichwort zu nähern, das man modernerweise „Deregulierung" nennt, und wir haben nicht nur die mit diesem Stichwort beschriebene Aufgabe zu sehen, sondern sie auch zu lösen. Ich bin — das wissen Sie — nie ein Anhänger und Vertreter von „Reaganomics" gewesen.

    (Roth [SPD]: Uuuh!)

    — Doch, doch, Herr Roth! Ich weiß ja nicht, ob dieser fröhliche Urlaut das jetzt bestätigen oder bezweifeln sollte. Ich bin nie ein Anhänger von „Reaganomics" gewesen, aber in diesem einen Punkt des Abbaus von Regulierungen und hinderlichen Vorschriften sehe ich eine wesentliche Grundlage dafür, daß die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten zurückgegangen ist. Eine solche Grundlage ist nicht die Defizitpolitik und nicht die Laffer-Kurve, wohl aber der Abbau von Regulierung oder Überregulierung. Hier ist einiges zu tun, und hier müssen wir, meine Damen und Herren, auch den Mut haben, uns die Schutzgesetze anzusehen, die wir in Zeiten der Vollbeschäftigung für richtig, für sinnvoll, für nützlich gehalten haben, die übrigens
    wir alle miteinander befürwortet haben, bei denen man sich aber heute fragen muß, ob sie in Zeiten geänderter Verhältnisse am Arbeitsmarkt nicht nur noch denjenigen schützen, der Arbeit hat, und sich zu Lasten dessen auswirken, der Arbeit sucht. Das kann nicht sein!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Alles in allem komme ich zu dem Ergebnis, daß die Politik der Bundesregierung richtig ist.

    (Zander [SPD]: Sehr überraschend!)

    — Es freut micht, daß Sie das überrascht. Manchmal glaubt man gar nicht, mit welch einfachen, aber deutlichen Feststellungen man Überraschung auslösen und Freude machen kann, meine Damen und Herren.

    (Zustimmung bei der FDP)

    Mit großem Interesse habe ich zu einem bestimmten Punkt eine kritische Anmerkung meines verehrten Amtsvorgängers Karl Schiller gelesen. Es ist vielleicht richtig, daß wir von dem Augenblick an, als wir hier an die Arbeit gegangen sind, das eigene Haus in Ordnung zu bringen — so habe ich das schon früher formuliert, und ich bin mit dieser Bemerkung bei hohen und höchsten Stellen nicht immer auf Wohlgefallen gestoßen —, unsere Aufmerksamkeit sehr, sehr wesentlich auf das Innere, auf unsere bundesdeutsche Wirtschaft, konzentriert haben. Und Karl Schiller meint: Ihr müßt ein bißchen auch an die Außenwirtschaft, nach außen denken. Dieses Land kann es allein nicht schaffen, so eingebunden wie wir sind.

    (Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

    — Ja, früher haben wir den inneren Bereich vielleicht zu sehr übersehen und zuviel nach außen gesehen, manchmal auch mit dem Hintergedanken, jedenfalls der Gefahr, daß man sich mit den berühmten exogenen Umständen, mit denen, die von außen kamen, entschuldigte.

    (Zurufe von der SPD)

    Deswegen meine ich, daß wir uns im außenwirtschaftlichen Bereich — bei GATT, in der Europäischen Gemeinschaft, auf den Weltwirtschaftskonferenzen und was es an derlei Veranstaltungen sonst noch gibt — in der Tat sehr darauf konzentrieren, daß wir sehr intensiv darum kämpfen müssen, daß die Freiheit internationaler Wirtschaftsbeziehungen nicht weiter eingeengt wird, sondern erhalten bleibt und — wo immer es geht — ausgebaut wird. Das berühmte Rollback des Protektionismus. Über die Verschuldungsproblematik ist heute gesprochen worden. Protektionismus im allgemeinen ist noch nicht erwähnt worden, jedenfalls habe ich es nicht gehört. Hier gibt es bedrohliche Entwicklungen, und zwar sowohl innerhalb der Europäischen Gemeinschaft als auch bei unseren amerikanischen Partnern. Ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland ist aufgerufen, sich dem entgegenzustellen.
    Ich bin im Prinzip auch sehr damit einverstanden, Herr Kollege Mitzscherling, daß Sie gestern gesagt haben, die Währungsprobleme müßten angesprochen werden. Aber ich befürchte: Unter den gegenwärtigen politischen Umständen sind die Vorschläge, die Sie uns gemacht haben, nicht von — ich will nicht unfreundlich sein und sagen: nicht von großem Realitätssinn — einer großen Erfolgschance getragen. Glauben Sie, meine Damen und Herren, auf dem Hintergrund von Athen denn im Ernst, daß zur Zeit die Möglichkeit besteht, Großbritannien dem Europäischen Währungssystem beitreten zu lassen?

    (Zurufe von der SPD)

    Ich sehe das nicht. Glauben Sie in der Tat, meine Damen und Herren, daß wir eine Chance haben — an die ich ohnehin nicht glaube —, irgend etwas zu tun, um ein dem System von Bretton Woods angenähertes Weltwährungssystem wieder zu institutionalisieren? Wenn wir keine Konvergenz der Wirtschaftspolitiken erreichen — weltweit und vor allem in Europa —, dann kann es nicht funktionieren. Wenn wir sie aber erreichen, dann brauchen wir keine währungspolitischen Institutionen. Sie sind dann zwar eine Erleichterung, vielleicht eine Verbesserung, vielleicht ein Zusammenhalt, eine Leitplanke, aber sie sind nicht die eigentliche Voraussetzung. Man fängt nicht mit den Mechanismen an, sondern man muß mit der zugrunde liegenden Politik anfangen, und die läuft doch nach wie vor — wir wissen es — auseinander.
    Eines muß ich hier klarstellen. Unser Kollege Helmut Schmidt hat nach einer heutigen Meldung
    3144 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    der „Financial Times" in Washington verkündet, daß die Vereinigten Staaten etwa in zwei Jahren mit Kapitalverkehrskontrollen europäischer Länder, auch durch die Bundesrepublik, rechnen müßten. Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen: Das kommt für unsere Entscheidungen für unsere Politik nicht in Frage, nicht in Betracht. Wir werden nicht zu Kapitalverkehrskontrollen übergehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Ich habe vorhin die Frage gestellt, ob wir die Rezepte der 60er Jahre anwenden. Ich bin der Meinung: nein. Wir werden nicht in allen Fällen die damals bewährten, erfolgreichen Rezepte anwenden. In der Grundhaltung allerdings, meine Damen und Herren, sage ich ein deutliches Ja zu den Prinzipien, die die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland leistungs- und wettbewerbsfähig gemacht haben — aber nicht nur aus Gründen der Effizienz. Die Soziale Marktwirtschaft, zu der sich diese Regierung, die Koalition der Mitte bekennt, ist für uns nicht nur ein System zur Verbesserung der Zahlen — auch und vor allem der Arbeitsplätze —, zur Erhöhung der Umsätze, für eine vernünftige Leistungsbilanz und was es sonst noch alles an Kenndaten gibt, sondern sie ist für uns auch das Wirtschaftssystem, in dem sich die Leistungsfähigkeit des einzelnen — hervorgerufen und hervorgelockt durch Wettbewerb, der im übrigen immer noch die genialste Kontrolle wirtschaftlicher Macht ist, die je erfunden worden ist — am besten entfalten kann. Diese Leistungsfähigkeit, auf die wir setzen, kann nur in diesem System — frei von Bevormundungen, frei von Beschränkungen — zum Zuge kommen; auf sie bauen wir. Mit der Hilfe unserer Bürger wird es uns dann auch möglich sein, die immer noch vor uns liegenden Probleme zu bewältigen.
    Danke für Ihr Zuhören.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Simonis.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Heide, sprich langsam!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, daß dem wirtschaftspolitischen Sprecher der CSU angesichts der Ausführungen des Wirtschaftsministers nichts anderes einfällt, als sich Sorge darüber zu machen, ob der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU den Valentin-Preis verdient hat oder nicht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: ... der SPD!)

    Wenn das alles ist, was euch bewegt, dann wundere ich mich über die schlechte Wirtschaftspolitik der Rechts-Mitte-Koalition weiß Gott nicht mehr.

    (Schulhoff [CDU/CSU]: Er meint Ihren Fraktionsvorsitzenden!)

    — Weiß ich, weiß ich.
    Aber nun zu dem, was uns eigentlich bewegen sollte: nicht der Karl-Valentin-Preis, sondern die Wirtschaftspolitik dieser Regierung.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Valentin!)

    Nahezu sintflutartig bricht seit einiger Zeit über das erstaunte Publikum eine Fülle skeptischer, halbguter, warnender bis euphorischer oder sogar sehr guter Prognosen über die Entwicklung der deutschen Wirtschaft herein, witzigerweise meist auf der Seite des Wirtschaftsteils in dem direkt nebenan steht, was die einzelnen Wirtschaftsverbände über ihren Bereich auszusagen haben, beispielsweise der Tiefbau, der uns mit Entlassungszahlen überrascht, der deutsche Reedereiverband, der die schlechteste wirtschaftliche Lage seines Verbandes seit Jahren beklagt, der Maschinenbau usw. usw. Das mag natürlich nur die verwirren, die beide Seiten der Zeitung lesen. Die anderen, die nur den einen Teil, wo das Positive steht, lesen, sind zu sehr an dem neuen Gesellschaftsspiel der Medizinmänner der wirtschaftswissenschaftlichen Zunft beteiligt, nämlich: Kommt der wirtschaftliche Aufschwung? Und so spielen wir nun seit längerem: Er kommt. Er kommt vielleicht. Er kommt vielleicht ein bißchen. Er kommt, wenn wir besonders brav sind. Er kommt; aber er geht sofort wieder. Er kommt; aber ganz schwachbrüstig.

    (Beifall bei der SPD)

    Und letztlich: Auch wenn wir ganz brav sind und er im nächsten Jahr nicht kommt, haben wir festgestellt, daß wenigstens bei Art und Zahl der wirtschaftlichen Prognosen ein Aufschwung stattgefunden hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er ist doch schon da!)

    Außerdem: Die Medizinmänner der wirtschaftswissenschaftlichen Zunft bleiben im Gespräch. Sie verdienen an ihren Konjunkturvoraussagen, ob sie sich nun gegenseitig widersprechen, ob sie nachgebessert werden, ob sie korrigiert werden müssen. Das Parlament hört zum Teil gar nicht mehr zu bei diesen Prognosen. Auch die Bevölkerung läßt das meiste an sich vorbeirauschen. Zu den einzigen, die es zur Kenntnis nehmen, gehört beispielsweise die „Wirtschaftswoche", die am 25. November 1983 lakonisch feststellt: Merkwürdige Berechnungen!, und die uns den seltsamen Weg der Entstehung dieser Prognosen erklärt. Sie kommt zu dem Ergebnis, es sei wohl die Fernsehfreudigkeit des Kieler Wirtschaftsprofessors Norbert Walter gewesen, dem wir diesen Aufschwung zu verdanken haben, denn er habe mal wieder in die Zeitungen oder ins Fernsehen gewollt.

    (Zuruf der CDU/CSU: Ein guter Mann!)

    Natürlich macht die Bundesregierung in dieser Situation das einzige Vernünftige, was auch wir gemacht hätten: Sie sucht sich das Angenehmste heraus

    (Stratmann [GRÜNE]: Das hätten Sie gemacht!)

    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3145
    Frau Simonis
    1 und macht darüber hinaus dieses einmütige Jubilieren auch noch zu einer Tugend zwischen den Koalitionspartnern. Normalerweise fliegen zwischen den Koalitionspartnern die Fetzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist das Ihre Erfahrung?)

    Wenn man sich beispielsweise mal anguckt, was der bayerische Landesvater von der Wirtschaftspolitik des im Moment amtierenden Wirtschaftsministers hält, so kann das, was Minister Stoltenberg heute morgen gesagt hat, doch nicht im Ernst angenommen werden. Sie sind sich doch in keinem einzigen Punkt einig, weder zwischen den Koalitionspartnern noch innerhalb ihrer eigenen Partei, wohin die Reise überhaupt gehen soll.

    (Beifall bei der SPD)

    Woher überhaupt alle Beteiligten außer aus tiefem Glauben an die eigene Überzeugung, daß man sich nie irren kann, den Mut nehmen, auf Prognosezüge aufzuspringen, bleibt mir ein Rätsel.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Luftbrücke!)

    1978 waren von 29 projizierten Daten 28 schlichtweg ein Flopp. Das ist eine Trefferquote, die, wenn Sie sie auf die Dauer im Lotto anwenden würden, Sie zu einem armen Mann machen würde.

    (Beifall bei der SPD)

    1980 sagten vier der fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute ein reales Wachstum von 2,5 % voraus, eine Inflationsrate von unter 4 % und eine Abnahme der Arbeitslosenzahl. Einen Monat später ging der Sachverständigenrat diesen Voraussagen noch mit einem weiten Schritt voraus. Er sagte eine Wachstumsrate von 2,5 % bis 3 % und eine Verringerung der Arbeitslosenzahl um 50 000 voraus. Das kommt mir so bekannt vor. Ich habe das Gefühl, die Wirtschaftsinstitute kupfern bei sich selber ungeniert ab, kassieren bei uns und wundern sich nicht einmal, daß ihre Prognosen nicht eintreten.

    (Beifall bei der SPD)

    Insoweit, Kollege Dregger, habe ich natürlich gestern auch Ihren Mut bewundert, uns diese Zahlen hier vorzubeten. Warten wir erstmal ein Jahr in Ruhe ab, ob das alles so eintritt. Ich halte es mit Churchill: Ich glaube an keine Statistik, die ich nicht selber zusammengelogen habe.

    (Beifall bei der SPD)

    Das dürfte, denke ich, in diesem Fall mehr als sonst stimmen.

    (Schulhoff [CDU/CSU]: Ihre Politik der 13 Jahre!)

    Nun geht es hier nicht darum, daß wir am Ende recht gehabt haben wollen. Denn kein Mensch kann Schadenfreude darüber haben, wenn Arbeitslosigkeit und schleppende Wirtschaftsaktivitäten sich fortsetzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hört sich bei Ihnen aber so an!)

    Aber ich kann nur sagen: Ihr Wort in Gottes Ohr!
    Denn wenn ich daran denke, was heute morgen in
    der Zeitung zu lesen ist, daß der Präsident des Sparkassenverbandes, Geiger, gesagt hat, wir müßten damit rechnen, daß die Sparquote abnehme und in vielen Bereichen die Investitionstätigkeit nicht in Gang komme, dann fehlt mir einfach die Zuversicht, die Sie ausstrahlen. Erst recht fehlen uns von der SPD die Zuversicht und der Optimismus, die Sie ausstrahlen, wenn in der Bundesrepublik über 2 Millionen Menschen langsam, aber sicher in eine Dauerarbeitslosigkeit hineinwachsen und in dieser Dauerarbeitslosigkeit 30 % der registrierten Arbeitslosen nicht einen Pfennig an Unterstützung bekommen.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wer hat die Arbeitslosigkeit wohl verursacht?)

    Ich gehe jetzt einmal von der These aus, daß davon besonders Frauen betroffen sind. Innerhalb der EG sind über 12 Millionen Menschen ohne Arbeit.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Daran war die SPD wohl überhaupt nicht beteiligt?!)

    Im Bereich der OECD sind es noch mehr.
    Was Sie hier betreiben, ist eine Meisterleistung an Verdrängung. Ich bedaure, daß darauf alle möglichen Leute hereinfallen.

    (Beifall bei der SPD)

    Statt weinerlich zu sein, wie Sie mir zurufen, wäre es vernünftiger, von dem blinden Optimismus Abstand zu nehmen, der durch wenig gerechtfertigt ist, und Ihren Glauben an die uralte Tante Marktwirtschaft durch vernünftige Tatsachenanalysen zu ersetzen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Man muß sich einmal allein den vorgelegten Einzelplan 09 anschauen. Da liegen die Unwägbarkeiten wie Fußangeln nur so herum. Dabei müßte dem Finanzminister eigentlich schlechtwerden.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Der ist sehr widerstandsfähig!)

    Ich kann nur hoffen, daß sich bei dem Einzelplan des Wirtschaftsministers nicht dieselben Prognosetreffer herausstellen, wie es sich beispielsweise bei dem verhält, was in Athen passiert ist. Wie ist denn die Truppe der Aufrechten nach Athen losgereist? Kosten senken — strukturelle Verbesserung — keine müde Mark mehr! Wie ist die Truppe wiedergekommen? Stück für Stück mit blassem und langem Gesicht — 4 Milliarden dazu — keine Strukturverbesserung — außer Spesen nichts gewesen!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wenn das, was Sie uns als erfolgreiche internationale und nationale Wirtschaftspolitik hier vorgeführt haben, allein bei Einzelplan 09 nur bruchstückweise eintrifft, dann kann ich nur sagen: Dann gute Nacht! Dann wird es wirklich schwierig. Dann müssen wir uns alle zusammen warm anziehen.

    (Dr.-Ing Kansy [CDU/CSU]: Aber doch nicht in der Nacht! — Heiterkeit!)

    Der Präsident der Arbeitgeberverbände, Otto Esser, hat uns auch gleich einen Ausweg gewiesen. Offensichtlich haben in der Zwischenzeit nicht nur die Regierungen das Sagen, sondern die Präsiden-
    3146 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
    Frau Simonis
    ten von Arbeitgeberverbänden oder Industrieverbänden bestimmen die Richtlinien der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Otto Esser rechnet vor, daß bei einem Wachstum des realen Bruttosozialprodukts von etwa 3 % und einer Produktivitätsrate von 2 bis zirka 2,5 % die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten fünf Jahren um 1 Million erhöht werden würde. Das bedeutet im Klartext: Wir müssen zwölf Jahre warten, um den jetzigen Bestand der Arbeitslosen abzubauen. Das ist wirklich schon eine abenteuerliche Zugrundelegung von Zahlen. Nicht einmal die ansonsten durch nichts getrübten Wachstumsprognosen der fünf Weisen gehen von einem Zeitraum von zwölf Jahren aus, in dem sie eine Wachstumsrate von real 3% jährlich voraussagen. Außerdem ist in höchstem Grade fraglich, ob wir bei der zunehmenden Rationalisierung zwölf Jahre lang annehmen dürfen, daß der Produktivitätsfortschritt jeweils immer unter der Wachstumsrate liegt. Im übrigen steht in dieser ganzen Berechnung nicht ein einziges Wort darüber, daß allein 1984 die Zahl derjenigen, die zusätzlich in Arbeitsplätze untergebracht werden müssen, rund 100 000 beträgt. Dort steht auch kein Wort darüber, wie man das Wachstum erreichen soll, außer daß das natürlich auf dem Wege der sozialen Marktwirtschaft gehen soll.

    (Glos [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal, wie wir es erreichen sollen!)

    Gestern hat Herr Genscher — übrigens heute unterstützt von Herrn Lambsdorff — gesagt, daß die Entsparung, die als Folge der rücksichtslosen Kaufkraftbeschneidung allein dazu führe, daß der Konsum aufrecht erhalten werde, etwas ganz Tolles sei. Es sei nämlich der Beweis dafür, daß die Bevölkerung Mut in die Zukunft und in die Wirtschaftspolitik dieser Regierung habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU) — Halt, halt!

    Mein Kollege Claus Grobecker, der jetzt leider nicht mehr da ist, hätte nun gesagt: Grundkurs I bei den Gewerkschaften: wenn man investieren will, muß man wohl irgendwo sparen. Das habe ich so gelernt, als ich an der Uni war. Wenn man nicht spart und gleichzeitig investieren will — Sie sagen ja, daß das passieren wird — und den Konsum steigern will, dann muß sich das entweder in der Inflationsrate niederschlagen oder es wird nicht investiert oder es passiert irgend etwas anderes, was in Ihrer Berechnung nicht berücksichtigt ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wenn Sie das alles viel besser können, dann machen Sie es doch selber!)

    Nach dem, was sich im Moment darstellt, scheint mir dies richtig zu sein: Erstens wird der Konsum aufrechterhalten, und zwar nicht weil die Leute gern entsparen, sondern weil sie ihren Konsum nicht mehr herunterfahren können.

    (Beifall bei der SPD)

    Zweitens fehlen uns damit die Mittel zu Investitionen, und folgerichtig wird im Moment in der Bundesrepublik auch nicht investiert. Das wird übrigens auch von Herrn Geiger so gesehen.
    Wenn Sie sich mal allein angucken — nur ganz kurz und so nebenbei ist das vorhin gesagt worden —, was wir an Sektoren und Branchen und Regionen haben, in denen im nächsten Jahr Entlassungen von mehreren tausend anstehen, dann frage ich mich in der Tat wiederum: Woher nehmen Sie Ihren Optimismus? Von Berlin bis Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen über das Saarland, ein Gürtel von Bremen bis herunter in den Süden — ich höre mal bei Baden-Württemberg auf —, wo wir jeden Tag die neuesten Tartarenmeldungen bekommen, daß wieder Tausende von Arbeitnehmern entlassen werden sollen. Vom — ich nenne jetzt nicht die Firmen — Maschinenbau bis zu den Werften, vom Bereich der Ausstattungsgüter bis zu vielen anderen Bereichen, wird mit Entlassungen gedroht, und zwar nicht immer nur mit einer, sondern gleich mit Tausenden. Wenn diese Arbeitslosen wieder vor den Türen der Bundesanstalt stehen, kann Ihre Berechnung mit der Überweisung an die Bundesanstalt nicht stimmen, es sei denn, Sie planen insgeheim wieder, die Arbeitslosenhilfesätze zu senken.
    Folgerichtig geht bei diesen Voraussagen die Steuervorausschätzung, an der ja die Bundesregierung beteiligt ist, davon aus, daß wir für 1984 bei den Lohneinkommen mit 12 bis 13 Milliarden DM weniger an Kaufkraft rechnen müssen. 12 bis 13 Milliarden DM sind dann also weniger in den Taschen der Arbeitnehmer. Dadurch verringert sich im übrigen auch die Einnahmenseite beim Bund. Für die angebotsfixierte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist dies womöglich sogar noch ein Erfolg. Wenn man jedoch die ganzen übrigen Kahlschlagsanierungen im Sozialbereich zuzieht, über die andere Kollegen besser und mit sehr viel Wissen reden können, dann gehört entweder Naivität, schlichter Glaube oder Zweckoptimismus dazu, von einem dauerhaften Aufschwung zu reden.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich glaube, daß man wirtschaftliche Tatbestände unterschiedlich bewerten darf. Das muß in einem Parlament mit so unterschiedlichen Mitgliedern möglich sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Es ist auch durchaus legitim, wenn Angehörige dergleichen Denkschule einmal auf der wirtschaftswissenschaftlichen Seite, dann wieder auf der Regierungsseite sich ihre Argumente zum Beweis der Richtigkeit ihrer eigenen Thesen gegenseitig zuspielen. Ich glaube aber auch, daß es intellektuelle Fairneß gebietet, die Existenz krisengeschüttelter Branchen wenigstens zur Kenntnis zu nehmen

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    und nicht so zu tun, als ob es das alles nur in den Alpträumen von wahlkreisinteressierten Abgeordneten gäbe. Es ist doch nicht das Problem von Herrn Wolfram alleine, daß wir in der Kohle Probleme haben. Und es ist doch nicht das Problem der
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3147
    Frau Simonis
    norddeutschen Abgeordneten, daß es in den Werften kriselt. Keineswegs sind auch nur NordrheinWestfalen oder das Saarland daran interessiert, die Stahlfrage hochzuschaukeln. Das sind reelle, existierende Probleme der deutschen Wirtschaft.

    (Beifall bei der SPD)

    Was tut der Wirtschaftsminister in diesen Branchen?

    (Zuruf von der SPD: Gar nichts!)

    Bei den Werften spielt er Schiffeversenken. Ich weiß nicht, ob Sie dieses alte Schülerspiel kennen. Da macht man so ein Blatt in die Mitte und sagt blindlings irgendeine Zahl in einem vorgezeichneten Kästchen auf der anderen Seite, und der andere schreibt auf: Getroffen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Was für ein Unsinn! — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das ist so, wie Klein-Erna sich das vorstellt!)

    So machen Sie Wirtschaftspolitik. Da gibt es kein Konzept, da gibt es nichts, woran man überhaupt erkennen könnte, was Sie sich bei der Schiffahrt auch nur ungefähr vorstellen,

    (Beifall bei der SPD)

    sondern Sie hauen blindlings zu in der Hoffnung, daß irgendwo am Ende — —

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Primitiver geht es wirklich nicht!)

    3) — Na, gucken Sie sich mal an, was in Norddeutschland, allein in Bremen, bei den Großfusionen der Werften vorgegangen ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ergebnis Ihrer Politik!)

    Sie hauen blindlings zu in der Hoffnung, der Stärkere wird am Ende übrig bleiben. Dieses Totschlageargument der selbstheilenden Kräfte des Marktes bewirkt bei uns in Norddeutschland, aber nicht nur dort, bewirkt in Bremen, bewirkt in Berlin, bewirkt in Nordrhein-Westfalen, bewirkt im Saarland Arbeitslosigkeit, und zwar erschreckend zunehmende Arbeitslosigkeit und offenbart zweitens auch Ihren Mangel an Erkenntnisfähigkeit.
    Es sind doch nicht die Löhne, nicht einmal die Lohnnebenkosten, es ist auch nicht das Verhalten der Arbeitnehmer, die beispielsweise dem Stahloder dem Schiffbau zu schaffen machen, sondern es ist die geradezu unverfrorene Subventionspolitik unserer europäischen Partner in diesen Bereichen, die, wenn wir mithalten wollen und nicht ganze Branchen vor die Hunde gehen lassen wollen, auch uns — ich gebe Ihnen das j a gerne zu — in der Subventionspolitik zum Teil zu unvernünftigem Handeln zwingen. Aber entweder, Herr Bundeswirtschaftsminister — — Nun ist er weg.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Er hat Angst vor Ihnen! — Glos [CDU/CSU]: Sie haben ihn erschreckt, Frau Kollegin! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP — Heiterkeit)

    Entweder hat ihn der Kummer oder die Interessenlosigkeit hinausgetrieben, beides ist gleichermaßen — —(Zuruf von der CDU/CSU: Ihre Rede hat
    ihn hinausgetrieben!)