Daß die Zahl der Erwerbstätigen absinkt, ist richtig. Im übrigen habe ich nicht gesagt, wir hätten die Arbeitsmarktentwicklung im Griff.
— Es ist ein entscheidender Indikator; es ist ein Spätindikator, wie jeder weiß, in der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung — leider —, und er gibt die ersten Anzeichen einer etwas trostreicher aussehenden Perspektive. Es gibt noch überhaupt keine Anzeichen, daß wir das Problem gelöst hätten, daß wir es voll im Griff hätten. Deswegen sage ich hier und habe es immer gesagt: Wir können es ohne Wachstum nicht schaffen. Wachstum allein wird aber nicht ausreichen. Wir brauchen das bekannte Bündel von Maßnahmen.
— Gut. Vielen Dank, daß Sie mir mit der Zwischenfrage dazu Gelegenheit gegeben haben.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin versucht darzulegen, daß ich hier ein Konzept der sozialdemokratischen Opposition nicht sehen kann. Aber es fehlt auch, so glaube ich, an der Fähigkeit zur ökonomischen Analyse. Wenn die Analyse nicht stimmt, kann auch das Konzept nicht stimmen.
Herr Kollege Vogel, Sie haben gestern gesagt, es sei ungewiß — — Auf Wiedersehen.
— Wir haben ja gestern gehört, wie sehr Sie an München hängen. Das ist völlig in Ordnung.
Herr Kollege Vogel, Sie haben gestern gesagt, es sei ungewiß, ob der Aufschwung kommt. Sie haben dafür auch noch den Sachverständigenrat zitiert. Bitte lesen Sie das Gutachten einmal genau. Dort steht nicht nur, daß sich die wirtschaftliche Lage merklich gebessert hat. Dort steht auch, daß die Aufwärtsentwicklung weiter anhalten wird. Nach Meinung des Sachverständigenrates ist die Gefahr eines konjunkturellen Rückschlags gering. Der Rat ist sogar der Meinung — nachzulesen in Ziffer 273 —, daß „durchaus positive Überraschungen möglich" sind.
Eines ist ganz sicher; das ist gestern schon gesagt worden. Wenn wir noch in der alten Koalition ein solches Gutachten erlebt hätten, wären wir — jedenfalls ich — jubelnd durch die Lande gezogen: Das muß doch wohl zugegeben werden.
Ich glaube, Sie müssen sich mit den Argumenten
des Sachverständigenrates etwas sorgfältiger auseinandersetzen. Ich neige in der Tat nicht zu Pessimismus, sondern bin für Zuversicht in allen Lebenslagen.
In die Kategorie „ungenaue Analyse" gehört auch Ihre Aussage, die Konsolidierung bremse den Aufschwung. Genau das Gegenteil ist der Fall. Sie können das Monat für Monat nachvollziehen. Auch hier empfehle ich die Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten. Aus der Sicht des Sachverständigenrates stehen auch für die Zukunft der Konsolidierungsstrategie konjunkturpolitische Rücksichten nicht entgegen.
Nun ist sicherlich eines richtig, und diese Erfahrung machen wir auch diesmal: Immer ist es so, daß in einer konjunkturellen Aufwärtsentwicklung die Stimmung den tatsächlichen Fakten, den Zahlen, mit einem zeitlichen Abstand folgt. Beim Abschwung ist es übrigens ganz genauso. Da bleibt die Stimmung länger zuversichtlich, während die Fakten und Daten schon nach unten weisen.
Dies ist auch dieses Mal der Fall. Aber wenn Ihnen die Arbeitsplätze so sehr am Herzen liegen, was ich j a überhaupt nicht bestreite — das muß ich auch Herrn Stratmann sagen —, dann kann es doch nicht unsere Aufgabe sein, Pessimismus zu verbreiten und diese Entwicklung einer sachgerechten Stimmung auch noch zu verhindern.
Dazu kommt, meine Damen und Herren — das sei ganz unbestritten —, daß die Krisenbranchen die Stimmung in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt, ganz besonders in bestimmten Regionen, überschatten. Ich glaube nicht, daß wir heute hier über Stahl reden sollten, denn wir haben in der vorigen Woche eine Stahldebatte gehabt. Natürlich spielt aber auch der Posten „Subventionen für die Stahlindustrie" im Haushalt meines Ministeriums eine ganz unerfreulich große Rolle. Unerfreulich, sage ich, weil ich nicht so schrecklich gerne der Obersubventionsverwalter der Bundesrepublik bin, weil ich andererseits aber auch sehen muß, daß es ohne das nicht geht.
Herr Kollege Vogel, gestern hat es eine interessante Korrektur in Ihren Ausführungen gegeben. Sie haben den Vorstandsvorsitzenden einer der stahlerzeugenden Gesellschaften zitiert, der gesagt hat — ich will nur den einen Satz wiederholen —: „Es muß eine handfeste Initiative geben, und die kann nur Bonn bieten." Das geht dann noch ein bißchen weiter. Diese handfeste Initiative, die da gemeint ist, kenne ich: Bar Kasse in größeren Beträgen!
3142 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
— Aber natürlich, Sie kennen das sehr gut. Ich verhandle in den letzten Monaten in dieser Frage sehr viel.
Sie haben dann zum Schluß gefragt, Herr Vogel: „Wollen Sie das auch als verkappten Klassenkampf abtun?" Das will sicher keiner, ich jedenfalls nicht. In Ihrem Manuskript hat gestanden: „Wollen Sie das auch als verkappten Sozialismus abtun?" Da wäre ich schon eher bereit, darüber nachzudenken; aber das haben Sie dann gestern korrigiert.