Zunächst, Herr Kollege Hoffmann: Es ist so, wie ich sage. Das brauchen Sie gar nicht in Zweifel zu ziehen.
Wenn Sie nun auf die Zahlen in der mittelfristigen Finanzplanung abheben, kann ich nur vermuten, daß Sie bei den Ausführungen des Bundesfinanzministers nicht im Saal gewesen sind; denn der hat schon deutlich gemacht, daß es erhebliche Unterschiede zwischen dem gibt, was man haushaltspolitisch in der Finanzierung sicherstellt, und dem, was man wirtschaftspolitisch erwartet.
Herr Kollege Hoffmann, ich glaube, daß damit die Frage abschließend beantwortet worden ist.
Meine verehrten Damen und Herren, wir haben es uns bei den Beratungen im Haushaltsausschuß in der Tat nicht leicht gemacht. Nachdem wir unsere Klausurtagung in Berlin abgeschlossen hatten, haben wir die Parole ausgegeben: Es geht nun mit Rasierklinge und Lupe an die Haushaltsansätze.
Und es war für uns Ehrensache, nicht in sozial brisante Bereiche einzugreifen. Wir haben die einzelnen Ressorts durchforstet. Das hat jeder Minister zu spüren bekommen.
Wir hatten uns vorgenommen, noch zusätzlich 1 Milliarde DM hereinzuholen. Und dieses Ziel ist überschritten worden. Wir haben mehr gekürzt, wir haben mehr gespart — aber da, wo es vertretbar, ja, ich sage, in der jetzigen Situation notwendig war.
3126 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
Carstens
Dort haben wir mit Hilfe des Bundesfinanzministers weiter gespart.
Ja, wir waren sogar in der Lage, noch die erkennbaren zusätzlichen Risiken aufzufangen, mit in den Haushalt einzustellen, so daß ich hier die Vorhersage wage — als Haushaltspolitiker soll man vorsichtig sein mit Vorhersagen —: Genau wie 1983 werden wir mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch 1984 keinen Nachtragshaushalt benötigen, es sei denn, was niemand vorhersehen kann, es käme zu ganz ungewöhnlichen Ereignissen, die einen Nachtragshaushalt erforderlich machten. Bei einem normalen Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung, so, wie er prognostiziert wird, wird sich das deutsche Volk für 1984 auf diese Haushaltszahlen einstellen können. Sie werden nicht verändert werden, und wenn, dann im Laufe des Jahres zugunsten der Bundesregierung und nicht zu ihrem Nachteil.
Wir haben auch noch Möglichkeiten gesehen, einige Zeichen zu setzen. Zum Beispiel haben die Fraktionen durchgesetzt, daß die vorgesehene Schlechtwettergeld-Regelung durch eine andere, wie ich meine, bessere Regelung ersetzt worden ist. Beim Mutterschaftsgeld haben wir eine andere Variante beschlossen. Wir haben aber zum Beispiel auch bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur 20 Millionen DM zur Bekämpfung neuartiger Waldschäden zur Verfügung gestellt. Dafür haben wir das Geld zur Verfügung gestellt, weil wir solche Maßnahmen für nötig halten. Besonders erfreut bin ich darüber, daß wir eine Gelegenheit gefunden haben, das so wichtige Existenzgründungsprogramm noch einmal nicht unerheblich aufzustocken; denn es ist ungeheuer wichtig, daß jetzt vor allen Dingen junge Menschen den Mut haben, sich selbständig zu machen.
Zum Stahl- und Werftenbereich brauche ich jetzt nichts hinzuzufügen, weil das sicherlich noch im Laufe der Debatte neu aufgegriffen werden wird.
Ich will aber noch einen Punkt ansprechen, der mir persönlich sehr zusetzt. Ich hoffe, daß Sie Verständnis dafür haben, wenn ich dieses Thema mit allem gebotenen Ernst anspreche. Wir haben, und zwar einvernehmlich mit der FDP, 25 Millionen DM für eine neue Bundesstiftung „Mutter und Kind" zum Schutz des ungeborenen Lebens eingestellt. Für die Folgejahre ist vorgesehen, sogar 50 Millionen DM bereitzuhalten. Das hierfür erforderliche Gesetz muß Anfang 1984 noch debattiert und beschlossen werden.
Wir wollten gerade in dieser so sensiblen Frage einen ersten Schritt tun. Ich freue mich, daß wir ihn einvernehmlich mit der FDP tun konnten.
Mit diesem ersten Schritt wollten wir deutlich machen, daß wir in der Frage Schutz des ungeborenen
Lebens nicht zu neuen Straftatbeständen, nicht zu neuen Androhungen greifen wollen. Vielmehr wollen wir den in Bedrängnis geratenen Frauen, die schwanger sind und sich mit dem Gedanken tragen, abzutreiben, mit Hilfsprogrammen der Bundesregierung beistehen.
Wir möchten alles tun, damit diese Frauen in die Lage versetzt werden, in Liebe und Zuneigung ihr Kind zur Welt zu bringen und es nicht abzutreiben, es nicht abzutöten. Es ist schlimm, daß es in unserem Land noch so viele Abtreibungen gibt, die mit sozialer Indikation begründet werden.
Ich habe darum gebeten, dieses Thema mit dem gebotenen Ernst zu behandeln. Ich weiß nicht, ob alle Kollegen wissen, was denn heute, am 8. Dezember, für ein Tag ist. Einige der Kollegen sehen mich fragend an. Heute ist ein hoher Marienfeiertag der Kirche. Ich freue mich, daß gerade an diesem Tag dieses Thema in dieser Weise angesprochen werden kann. Ich bin sicher, daß viele Menschen in Deutschland, die diese Debatte im Radio und im Fernsehen verfolgen, Sorgen und Nöte im Zusammenhang mit dieser Frage, mit dieser Problematik haben. Ich sage als harter Haushälter: Wenn Sie uns unterstützen wollen, auch in den nächsten Jahren weitere Schritte in dieser Frage zu tun, empfehle ich Ihnen aufrichtigen Herzens, in dieser Sache einmal zu beten. Vielleicht überrascht es Sie, daß ein harter Haushaltspolitiker so weich werden kann.
Aber in dieser Frage ist es mir ehrlich darum zu tun, in dem erwähnten Sinne voranzukommen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit gerade bei diesem Thema, meine verehrten Damen und Herren.
Es ist viel davon die Rede gewesen — man hat nicht unrecht, wenn man das sagt —, daß wir der Bevölkerung einiges an Belastungen zugemutet haben. Das Jahr 1983 ist für viele in unserem Lande durchaus schwierig gewesen. Aber wir haben uns bemüht, möglichst viele in die Sparmaßnahmen einzubeziehen, möglichst viele daran zu beteiligen, weil es dann für die einzelnen leichter ist. Es ist schon gesagt worden, daß z. B. beim Kindergeld die normal verdienenden Familien von den Kürzungen nicht betroffen sind. Vielmehr haben wir Einkommensgrenzen eingeführt. Wir haben z. B. dafür gesorgt, daß die Renten und die Sozialhilfe nicht gekürzt werden, sondern daß nur der Zuwachs gemindert wird. Wir wollten möglichst gerecht und ausgewogen handeln.
So wird es auch 1984 weitergehen. Das, was wir in diesen Tagen beschließen, wird ja erst noch auf die Bevölkerung zukommen. Ich bitte deshalb jetzt schon um Verständnis dafür, daß auch diese Runde noch erforderlich gewesen ist. Aber auch jetzt sind
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3127
Carstens
wir wieder darum bemüht gewesen, sozial und ausgewogen zu handeln. Das gilt z. B. für die Senkung des Arbeitslosengeldes, von der nur die Ledigen und nicht die Familienväter betroffen sind. Das ist auch wieder ein Akt sozialer Gerechtigkeit und Ausgewogenheit. Diese Maßnahmen sind nun einmal nötig, um unser Land endlich wieder nach vorne zu bringen, heraus aus dem Sumpf von Arbeitslosigkeit, Schulden und Pessimismus. Das wird mit diesen Maßnahmen erreicht.
Schon jetzt geht es wieder aufwärts in unserem Land. Es kann mit Recht behauptet werden, daß es schon Bände spricht, was der Sachverständigenrat zum Ausdruck gebracht hat. Aus Pessimismus ist Optimismus geworden.
Dieser Optimismus wird in unserer Bevölkerung weiter um sich greifen, wenn das, was die Sachverständigen für das Jahr 1984 voraussagen, im Laufe des Jahres 1984 so eintrifft, so daß die Zustimmung zu unseren Konsolidierungsmaßnahmen noch zunehmen wird.