Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wieczorek und ich haben gestern beim Herrn Bundespräsidenten vereinbart, heute fair zu debattieren. Er hat sich im großen und ganzen daran gehalten — bis auf die letzten Passagen. Helmut Wieczorek, mein Kompliment und herzlichen Dank!
Meine verehrten Damen und Herren, die Beratungen über den Haushalt 1984 und die Begleitgesetze werden heute in der zweiten Lesung und morgen in der dritten Lesung abgeschlossen. Ich verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich Ihnen schon jetzt sage, daß wir Haushaltspolitiker unter Berücksichtigung der Ausgangslage mit dem Ergebnis der Haushaltsberatungen sehr zufrieden sind.
Denn ich habe es persönlich noch im September 1983, bei Beginn der Beratungen im Haushaltsausschuß, nicht für möglich gehalten, daß wir im Soll mit einer Neuverschuldung in Höhe von 33,6 Milliarden DM abschließen könnten.
Damit will ich gern und gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß in den nächsten Jahren noch viel zu tun bleibt.
3124 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
Carstens
Die Arbeit der Konsolidierung ist in der Tat noch nicht beendet. Die Fraktionen wie die Bundesregierung können sich darauf verlassen, daß die Haushaltspolitiker der Koalition wie schon in diesem Jahr bei der Beratung des Haushalts 1984 weiter ihren Dienst tun.
Ich kann als Sprecher unserer Fraktion für den Haushaltsbereich mit Fug und Recht behaupten, daß die Bundesfinanzen endlich wieder fest unter Kontrolle sind.
Schon im Jahr 1984 wird erstmals seit 1980 die durch Art. 115 des Grundgesetzes gesetzte Kreditgrenze um mehr als 1,5 Milliarden DM unterschritten.
Sehr erfreulich ist, daß die Konsolidierung mit einer wirtschaftlichen Belebung einhergeht. Herr Kollege Wieczorek, ich verwende die Worte „wirtschaftliche Belebung". Diese ist nicht zuletzt durch unsere Konsolidierungspolitik initiiert. Das ist in diesem Zusammenhang das Bedeutende und Besondere. Aus Pessimismus im Lande ist Optimismus geworden. Dieser Optimismus der Bevölkerung ist durch und mit Fakten begründet.
Die Regierung Kohl/Genscher besteht doch erst ein gutes Jahr. Aber bereits heute sind erstaunliche Erfolge zu verzeichnen.
Wir von der Union und der FDP verlangen einiges von der Bevölkerung.
Aber die Opfer der Bevölkerung sind nicht umsonst gewesen; die Erfolge stellen sich ein. Für diese Politik der Konsolidierung und der Erfolge steht der Name Gerhard Stoltenberg, und dem gebührt höchstes Lob.
Lob gebührt ebenfalls den Beamten seines Hauses und allen, die uns zugearbeitet haben. Herr Minister, reichen Sie also bitte einen Teil dieses Dankes Ihren Beamten weiter.
Um so mehr freut es uns, daß wir den schon guten Haushaltsentwurf der Bundesregierung im Haushaltsausschuß noch erheblich verbessern konnten. Da bedanke ich mich vor allem bei den Kollegen der FDP. Wir haben einen Koalitionspartner — Herr Kollege Weng, vielleicht darf ich es Ihnen sagen —, von dem man sagen kann, daß dieses nicht leichte Finanzpaket von ihm bis auf Punkt und Komma mitgetragen worden ist. Dafür einen ganz herzlichen Dank!
Dieser Dank geht auch an unsere Fraktion; das darf ich hinzufügen. Es ist in der Tat nicht leicht, derartige Beschlüsse durchzuziehen, die finanzpolitische Linie durchzuhalten und einzuhalten. Wir haben es geschafft. Wir haben uns darum bemüht, und die Fraktion hat wie ein Mann gestanden —
mit allen Frauen in der Fraktion, meine verehrten Damen und Herren.
Wenn ich mir ansehe, was die Kollegen von der SPD noch vor kurzem prognostiziert haben, dann muß ich schon sagen, daß sie sich wohl noch ganz in der Gewohnheit ihrer Regierungstätigkeit bewegten, wo es mit den Staatsfinanzen immer weiter bergab ging.
Der Finanzminister hat soeben schon einiges zitiert, bezogen auf den Haushalt 1984. Herr Dr. Stoltenberg, man kann noch andere Zitate bezüglich der Erwartungshaltung der Genossen für die Jahre nach 1984 hinzufügen.
Hier kann ich berichten, daß die Kollegen Walther und Wieczorek noch am 9. Februar unter Angabe ihres Namens zum Ausdruck gebracht haben — ich zitiere —: „Die Nettokreditaufnahme in den Jahren 1984 bis 1986 wird sich jeweils deutlich über 40 Milliarden DM bewegen."
Das ist dann — so steht es hier — von Haushaltsfachleuten der SPD noch einmal am 3. Mai wiederholt worden; aber da hat man sicherheitshalber die Namen weggelassen; man war sich wohl nicht mehr so ganz sicher.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie werden sich wohl daran gewöhnen müssen, daß es in unserem Lande wieder eine seriöse, verläßliche und solide Haushaltspolitik gibt.
Da mutet es einen schon komisch an, wenn hier von Verschleuderung des Bundesvermögens im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung von Veba gesprochen wird. Lieber Helmut Wieczorek, ich darf Ihnen sagen, daß wir die 700 Millionen DM — um die geht es ja in etwa — eingestellt haben zur Zurückführung der Neuverschuldung. Das haben wir genauso mit den Bundesbankgewinnen gemacht. Sicherlich nicht zuletzt haben die uns geholfen, unter die von Art. 115 festgelegte Grenze herunterzukommen. Aber wir geben dieses Geld, das neu kommt, in die Haushaltsführung 1984 hinein. Wir geben es nicht neu aus, sondern wir halten unser Wort und sagen, die Bundesbankgewinne dienen einzig und allein zur Zurückführung der Neuverschuldung.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3125
Carstens
Bevor ich jetzt auf weitere Fragen eingehe, möchte ich aus innerer Überzeugung und ganz ehrlich und aufrichtig den Kollegen der SPD, überhaupt der Opposition, für die Art und Weise danken, wie sie mit uns bei den Beratungen im Haushaltsausschuß umgegangen sind, wie sie die vereinbarten Termine eingehalten haben, wie wir uns darauf verlassen konnten genauso, wie sich in der Vergangenheit die SPD auf unsere Zusagen verlassen konnte. Es ist sehr angenehm, dies auch in die Zukunft hinein weiterführen zu können. Der Vorsitzende Rudi Walther, den ich gerade ansehe, wird gern bestätigen, daß das Arbeiten im Haushaltsausschuß kaum zu ertragen wäre, wenn wir uns nicht menschlich so gut verständen, wie wir uns verstehen. Deswegen einen herzlichen Dank namens der Haushaltsgruppe an die Kollegen der Opposition.
Aber, Herr Kollege Wieczorek, ich muß noch auf einen Punkt zurückkommen, den Sie insonderheit angesprochen haben, nämlich darauf, daß Sie vermerkten, die Koalition sei zu einem Zeitpunkt auseinandergegangen, als sie sich über die Neuverschuldung in Höhe von rund 30 Milliarden DM nicht mehr habe verständigen können. Das kann j a wohl nicht ganz stimmen. Insofern hörte die Fairneß zumindest in einem Teilbereich der Rede auf.
Es ist unbestritten, darüber gibt es gar keinen Zweifel, daß wir Ende 1982, wenn wir nicht die Gesetze beschlossen und durchgesetzt hätten, die wir durchgesetzt und beschlossen haben, eine Finanzlücke in Höhe von 55 Milliarden DM gehabt hätten, wobei der Bundesbankgewinn in Höhe von 11 Milliarden DM noch gar nicht berücksichtigt ist. Das gesamte Volumen, das zur Finanzierung anstand, betrug also 66 Milliarden DM. Das haben wir nun heruntergedrückt und sind dabei, es noch weiter auf 33,6 Milliarden DM herunterzudrücken, wobei der Bundesbankgewinn in dieser Berechnung nur noch 9 Milliarden DM ausmacht.
Wir haben die Ansätze der mittelfristigen Finanzplanung erheblich verbessern können, in diesem Haushalt um 4 bis 5 Milliarden DM — der Herr Finanzminister hat es eben gesagt —, und für den Etat 1984 wird es wieder so irgendwo bei 4 Milliarden DM liegen, wenn man die Zahlen mit denen vergleicht, die wir in der mittelfristigen Finanzplanung erst vor einigen Monaten angenommen haben.
Ich sage das mit einer gewissen inneren Freude. Man merkt es mir auch sicherlich an. Da darf man auch die Frage aufwerfen: Wie wäre es denn weitergegangen, wenn die politische Wende nicht gekommen wäre?
— Herr Kollege Hoffmann, wir hätten weiterhin mit D-Mark und nicht mit Rubel bezahlt — wenn ich Ihren Zwischenruf richtig verstanden habe —, aber die D-Mark wäre immer weniger wert gewesen. Wir hätten eine rasante Neuverschuldung erlebt.
Die Zinssätze wären sicherlich wieder auf 12 oder 13 % gestiegen. Und was das für die Konjunktur, für die Wirtschaft bedeutet hätte, kann jeder, der hier sitzt, selber erkennen. Das hätte bedeutet, daß die Arbeitslosigkeit weiter in Richtung auf 3 Millionen, 4 Millionen angestiegen wäre, so, wie es noch vor ein, zwei Jahren prognostiziert worden war. Das stimmt jetzt nicht mehr, weil die richtige Politik gemacht wird und wir schon im Laufe des Jahres 1984 etwas von der hohen Arbeitslosigkeit herunterkommen werden.