Herr Kollege, Sie werden am Ende meiner Rede die Bewertung dessen, was Sie von mir erwarten, erhalten. Ich bitte also um etwas Geduld.
Ich sprach von der einen Aufgabe, die klaren Vorrang hat, nämlich die Verteidigung sicherzustellen. Zum anderen aber hat auch der Verteidigungsetat auch seinen Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen zu leisten. In einer Zeit, in der wir allen Bürgern Opfer zumuten, kann auch der Verteidigungsetat vom Zwang zur Sparsamkeit nicht ausgenommen werden. Dazu bekenne ich mich, und ich sage aus Überzeugung: Gerade der Verteidigungsminister hat ein überragendes Interesse an soliden Finanzen und einer gesunden Wirtschaft; denn nur geordnete Staatsfinanzen und eine florierende Wirtschaft erlauben es uns auf Dauer, die Verteidigungskraft der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten.
Außerdem: Soziale und wirtschaftliche Sicherheit einerseits und militärische Sicherheit andererseits bilden keinen Gegensatz, sondern bedingen einander. Der Bürger muß überzeugt sein, daß es sich lohnt, unsere wirtschaftliche und soziale Ordnung zu verteidigen.
Der vorliegende Verteidigungsetat 1984 wird beiden Zielen gerecht. Er erhält die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes, und er dient zugleich dem Gebot der Stunde, nämlich dem sparsamen Umgang mit Steuergeldern. Darum sage ich guten Gewissens: Dieser Verteidigungsetat kann sich sehen lassen. Er kann sich zum einen vor dem Hinter-
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Bundesminister Dr. Wörner
grund unserer Verteidigungsnotwendigkeiten und zum anderen auch vor dem Hintergrund unserer Bündnisverpflichtungen sowie vor dem Hintergrund unserer angespannten Finanzlage sehen lassen.
Aber nicht nur das, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition; er kann sich auch an dem messen lassen, was wir zu Zeiten unserer Opposition hier gesagt haben. Ich habe immer wieder erklärt und gefordert: Der Verteidigungsetat muß sich in erster Linie an der Bedrohung orientieren, nicht nur an der Finanzlage.
Dieser Haushalt entspricht dieser Forderung. Er wächst mit 2,4% stärker als der Gesamtetat des Bundes. Daran wird deutlich, welch hohen Rang die Bundesregierung der Sicherheit unserer Bürger beimißt. Natürlich — ich gestehe das gern —: Die Zuwachsrate ist knapp bemessen. Es steht außer Frage, daß ich mir mehr gewünscht hätte. Ich sage auch hier wieder an die Adresse der Kollegen von der SPD: Würden wir Ihren Kürzungsanträgen folgen, wäre ich nicht in der Lage, im Jahre 1984 die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Ich habe es mir vortragen lassen und inzwischen nachgeschaut. Ich will Ihnen hier einige der Folgen nennen, die eintreten würden, wenn wir Ihren Anträgen folgten.
Was den Bereich der Beschaffung betrifft, müßten wir Eingriffe in laufende Beschaffungen vornehmen, was entsprechende Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft hätte.
Überdies bitte ich, zu berücksichtigen, daß wir dann anschließend noch teurere Waffensysteme kaufen müßten. Das gilt für Schiffe, für Fahrzeuge und auch für Panzer. Beispielsweise — um das herauszugreifen — bliebe die Versorgung mit Arzneimitteln und Sanitätsgerät unzureichend. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden sind. Da muß doch dringend etwas verbessert werden.
Würden wir den Anträgen zu Forschung und Entwicklung folgen, dann würde das bedeuten, daß wir auf jedes neue Entwicklungsvorhaben verzichten müßten. Wir haben im letzten Jahr nicht umsonst eine Trendwende bei Forschung und Entwicklung eingeleitet. Wenn wir das nicht durchhalten, hängt unsere Industrie ab. Wir würden eines Tages sehr viel mehr Geld für Lizenzen ausgeben müssen, als .wir jetzt ausgeben müssen, wenn wir Forschung .und Entwicklung in dem nötigen Umfang betreiben.
Ganz abgesehen davon möchte ich einmal wissen, wie Sie sich im internationalen Bereich mit einem Verteidigungsetat noch sehen lassen könnten, dessen Zuwachsrate unter die fast aller anderen NATO-Staaten abgesunken wäre.
Daher sage ich: Wir können und werden Ihren Anträgen nicht folgen.
Im übrigen müssen Sie sich entscheiden, was Sie uns vorwerfen: entweder daß wir zuwenig oder daß wir zuviel tun.
Es geht nicht an, daß Sie uns draußen im Lande vorwerfen, wir handelten nach der Devise „Kanonen statt Butter", und hier bei der Beratung des Etats der Bundeswehr erklären, wir täten zuwenig. Nur eines von beiden kann richtig sein.
Die pauschale Steigerungsrate des Etats wird im übrigen noch wesentlich aussagekräftiger und eindrucksvoller, wenn man sie im einzelnen analysiert. Dann stellt man fest, daß die verteidigungsinvestiven Ausgaben kräftig wachsen:
Forschung und Entwicklung um 5,6 %, Beschaffungen um 5 %, militärische Anlagen um 10,2 %.
Vergleicht man diese Steigerungsraten mit der außergewöhnlich niedrigen Inflationsrate, so stellt man fest, daß wir in all diesen Feldern bei realen Steigerungsraten um oder über 3 % liegen. Wir können also dem Bündnis gegenüber mit Befriedigung verzeichnen, daß wir unsere Verpflichtungen einlösen.
Der Verteidigungsetat des Jahres 1984 erlaubt es mir, die bei meinem Amtsantritt angekündigte Schwerpunktsetzung konsequent fortzusetzen. Ich habe bei meinem Amtsantritt das Schwergewicht auf die Verbesserung der Personallage gelegt. Diese Akzentverlagerung war nötig, um die Einsatzbereitschaft, die Motivation der Soldaten zu stärken, ohne die das beste Material wertlos wäre.
Als weitere Ziele hatte ich mir gesteckt: Einmal sollte der Betrieb der Streitkräfte, vor allem im Bereich Ausbildung und Übung, gewährleistet werden. Ich kann sagen: Der Etat 1984 erlaubt das in vollem Umfang. Zweitens sollten die Ansätze für Forschung und Entwicklung verstärkt werden. Auch dies verwirklicht der Etat 1984. Schließlich war und bleibt es unser Ziel, die Einsatzfähigkeit der neuen Waffensysteme durch Beschaffung notwendigen Peripheriegeräts zu verbessern. Auch dieses Ziel kann ich mit dem Etat 1984 verwirklichen.
Nun aber zu der Schwerpunktbildung Nummer eins, der Personallage. — Ich greife Ihren Zwischenruf sehr gern auf. — Im Vordergrund stand
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und steht für uns die Beseitigung des chronischen Fehls der Bundewehr an längerdienenden Soldaten, vor allem an Unterführern.
Es beträgt derzeit immer noch 16 000. Dies hat aus zwei Gründen Priorität. Einmal kann man die jungen Wehrpflichtigen nur dann sinnvoll ausbilden, wenn man die Zahl der Unterführer erhöht; denn davon hängt die Ausbildung ganz wesentlich ab. Zum zweiten: Alle Probleme, die wir in den 90er Jahren wegen der geburtenschwachen Jahrgänge haben werden, können nur gelöst werden, wenn wir hinreichend Freiwillige in den Streitkräften haben. Daher haben wir schon im letzten Jahr den Ansatz um 3 000 Stellen erhöht. Wir erhöhen im Jahre 1984 noch einmal um 4 500. Wir haben das Ziel, bis zum Jahre 1987 auf 266 000 zu gelangen.
Ich kann nur sagen: Das heißt man Einlösen seiner Versprechungen. Hier deckt sich Anspruch und Wirklichkeit.
Ich bin noch nicht einmal so unfreundlich, Herr Kollege Leonhart, Ihnen in Erinnerung zu rufen, daß Sie in einer Zeit, als die Bewerberlage sehr gut war und Sie die Probleme kannten, 8 000 Stellen in diesem Bereich gestrichen haben. Aber lassen wir das. Ich habe überhaupt kein Problem dabei, mich Ihrer Forderung nach Übereinstimmung von Anspruch und Wirklichkeit zu stellen.
Ich möchte noch ein Wort zum Verwendungsstau sagen. Das ist mit Sicherheit das drängendste Problem, vor dem sich die Armee im Augenblick sieht. Ich will Ihnen sagen: Auf die Dauer läßt sich die Einsatzbereitschaft dieser Armee nur halten, wenn wir eine angemessene Altersstruktur bei den Führern, vor allen Dingen auf der unteren Ebene, haben. Ich habe großes Verständnis für Oberfeldwebel und für Hauptleute, die überwiegend noch 56 Stunden Dienst und mehr in der Woche leisten, die nicht verstehen können, daß es nicht gelingen sollte, eine ihren Leistungen und ihrem Können angemessene Verwendung und Laufbahngestaltung sicherzustellen.
Nur, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: Trotz aller Diskussion, trotz aller Ankündigungen ist bis zum Regierungswechsel auf diesem Sektor nichts geschehen. Wir haben dafür gesorgt, daß endlich etwas zur Milderung des Verwendungsstaus unternommen wird.
Nachdem mit 350 Planstellen im diesjährigen Haushalt etwa 1 500 Verwendungen ermöglicht worden sind,
sind für 1984 250 zusätzliche Planstellen vorgesehen. Das sind wieder tausend Personalbewegungen. Das reicht natürlich nicht aus, das sind zwar erste Schritte, aber diesen Schritten werden andere folgen. Aber wir haben gehandelt, und Sie haben geredet. Das ist der Unterschied.