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ID1004304300

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    Vokabeln: 6
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    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/43 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 43. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 Inhalt: Verzicht des Abg. Haase (Kassel) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . 3009A Eintritt des Abg. Stockhausen in den Deut- schen Bundestag 3009A Bestimmung der Abg. Dr. Miltner und Dr Unland als stellvertretende Mitglieder im Gemeinsamen Ausschuß 3009 B Gedenkworte für die Opfer des Flugzeugunglücks in Madrid 3099 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 —Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/634, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 10/635, 10/659 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 3009D, 3043 A Dr. Vogel SPD 3012 B, 3053 D Dr. Dregger CDU/CSU 3023 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 3034 A Hoppe FDP 3039 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 3055 A Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 3055 C Wischnewski SPD 3056 B Genscher, Bundesminister AA 3062 B Reents GRÜNE 3069 A Dr. Althammer CDU/CSU 3071 A Dr. Mitzscherling SPD 3076 A Präsident Dr. Barzel 3023 D Namentliche Abstimmung 3079C, D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/644, 10/659 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 und Art. 20c des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/655 — Frau Traupe SPD 3082 A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 3086 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3089 B Dr. Weng FDP 3091 B Leonhart SPD 3094 B Löher CDU/CSU 3097B Voigt (Sonthofen) fraktionslos 3098 C Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 3099 B Namentliche Abstimmung . . . . 3102D, 3103A Nächste Sitzung 3104 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3105*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3009 43. Sitzung Bonn, den 7. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Büchner (Speyer) * 7. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haehser 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Jaunich 7. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann* 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. Schreiner 9. 12. Schulte (Unna)* 8. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Stratmann 7. 12. Verheyen 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich will dem zweiten besonders gern zustimmen. Aber wir brauchen doch nicht darüber zu streiten, daß Sie wie Ihre Amtsvorgänger und wie der Verteidigungsminister heute angesichts der Absichtserklärung mit der unerhört politischen Außenwirkung, auch im Bündnis und vor allen Dingen gegenüber den Vereinigten Staaten, bei uns um diese Steigerungsraten geworben haben: im Parlament und im Haushaltsausschuß. Das ist doch wohl die Wahrheit und die Wirklichkeit. Ich wollte nur sagen: Wir alle können uns doch aus diesem Stück eigener Vergangenheit nicht herausstehlen wollen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    In unserer Rechtsordnung gibt es so etwas wie eine Pflicht zum Handeln nach vorangegangenem Tun. Alle, auch die SPD, sollten das für ihr politisches Verhalten verinnerlichen.
    Stellt sich denn die Frage nach der Glaubwürdigkeit, nach der eigenen Identität nicht auch in ähnlicher Weise auf dem Feld der Wirtschafts- und Finanzpolitik? Mit der neuen Koalition haben sich ja keine neuen Welten aufgetan, und Wunder sind ja auch nicht zu vollbringen.

    (Dr. Apel [SPD]: Nein, das ist wahr!)

    Die Zielvorstellungen, unter denen diese Regierung und diese Koalition ihre Arbeit leisten, gab es nämlich auch schon bei Schmidt, Matthöfer und Lambsdorff.
    Die großartige Haushaltsrede von Hans Matthöfer vom 16. September 1981 bleibt unvergessen. Das war die Wende. Unvergessen bleibt aber auch, daß wir unsere Zielvorgaben in den letzten Jahren weniger und weniger einhalten konnten. Hier allerdings hat es eine radikale Umkehr gegeben. Der Haushaltsvollzug 1983 hat es jedem gezeigt. Bei den Haushaltsansätzen wird nicht mehr optimistisch hasardiert, sondern risikobewußt und realitätsbezogen Vorsorge getroffen.
    Die Argumentation des früheren Bundeskanzlers, der Staat dürfe in seiner Vorausschau nicht zu pessimistisch sein, weil pessimistische Grundannahmen die Stimmung in der Wirtschaft negativ beeinflußten, war trügerisch. Der Vertrauensschaden, der entstand, als unzureichend oder überhaupt nicht etatisierte Risiken Wirklichkeit wurden und immer neue Löcher im Haushalt aufrissen, war gewaltig.
    Der Vollzug des Haushalts 1983 zeigt, daß wir wieder festen Boden unter den Füßen haben. Allen Katastrophenmeldungen zum Trotz gibt es in die-
    3042 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Hoppe
    sem Jahr keinen Nachtragshaushalt mit steigendem Kreditbedarf, sondern die Neuverschuldung wird über ca. 4 Milliarden DM niedriger liegen, als in der Kreditermächtigung ausgewiesen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wirtschaftspolitische Fürsorge und haushaltspolitische Vorsorge greifen also. Auf dieser Basis kann der Haushalt 1984 aufbauen.
    Die jetzt vorliegende Fassung des Haushaltsentwurfs schafft durch einschneidende Zugriffe bei den Ausgaben zusammen mit den Verbesserungen auf der Einnahmenseite die Voraussetzungen dafür, daß die Verschuldung gegenüber dem Regierungsentwurf noch einmal um knapp 4 Milliarden DM abgesenkt werden konnte. Das ist ein beachtliches Ergebnis.
    Und doch sollten wir uns vor Selbstbelobigung hüten.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist wahr!)

    Es ist nicht die Zeit, sich selbst auf die Schultern klopfend durch die Lande zu laufen. Wir drosseln schließlich nur die Neuverschuldung, und das auf einem sehr hohen Niveau. An Schuldenabbau wagt schon niemand mehr zu denken. Aber es muß doch wohl immer noch daran gedacht werden. Der Weg dahin bleibt dornig, und die Risiken und Gefahren sind unübersehbar. Die Verführer, die uns von diesem Pfad der Konsolidierung weglocken wollen, sitzen mitten unter uns, und sie sitzen nicht nur in der Opposition.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schily [GRÜNE]: Wo sitzen sie denn?)

    Meine Damen und Herren, als ich im September 1979 von dem gefährlichen Potential der Staatsverschuldung sprach und es mit einer tickenden Zeitbombe verglich, bezifferte sich die Gesamtverschuldung des Staats auf rund 420 Milliarden DM, und die Schulden des Bundes wurden mit 210 Milliarden DM angegeben. Ende 1983 werden die Schulden des Bundes auf über 340 Milliarden DM und die Gesamtverschuldung auf weit über 650 Milliarden DM angestiegen sein. Bei diesen Zahlen kann wahrlich keine Freude aufkommen.
    Dabei haben wir in den letzten Jahren gespart und eingesammelt und Jahr für Jahr zugegriffen. Beginnend mit dem Subventionsabbaugesetz 1981, der Operation '82, durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 und durch die jetzigen Eingriffe mit den Begleitgesetzen 1984 sind insgesamt, grob summiert, 35 Milliarden DM an Entlastung zusammengekommen. Wir haben zu registrieren, daß auf der einen Seite Kritik beim Bürger aufwallt wegen der ihm zugemuteten Belastung und daß auf der anderen Seite die Schulden immer noch anwachsen.
    Angesichts dieses Dilemmas kommt man sich als Finanzpolitiker wirklich wie ein Hamster im Laufrad vor. Es ist daher in einer solchen Situation durchaus verständlich, wenn man sich dadurch Lichtblicke verschaffen will, daß man sich anderen, nämlich steuerpolitischen Entscheidungen oder dem Familienlastenausgleich zuwendet; denn dies verheißt letztlich Zustimmung, Zuspruch und Zuversicht.

    (Zuruf von der FDP: Sehr menschlich!)

    Meine Damen und Herren, bei dem wichtigen Steuerthema geht es mir darum — es muß uns eigentlich allen darum gehen —, ein notwendiges, unverzichtbares Steuerentlastungskonzept nicht zu vermurksen, und zwar nicht schon von Anfang an.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Wir gefährden nämlich ein Gesetzeswerk unnötig, wenn wir uns mit einer Fristsetzung unter Zugzwang begeben.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/CSU)

    Solange nicht endgültig Klarheit über Inhalt, Umfang und Finanzierbarkeit besteht, sollten die Geschenkpakete noch nicht zur Post gebracht werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

    Das Steuerentlastungspaket 1980, das uns mit seinen Folgen und seiner schadenstiftenden Wirkung allen noch in den Anzügen stecken müßte, mahnt zur Vorsicht. Meine Damen und Herren, die Haushaltspolitiker aller Fraktionen hielten damals das 16-Milliarden-Projekt für nicht finanzierbar. Sie wollten damals die Entscheidung auf die Tarifkorrektur beschränken. Aber wegen der frühzeitigen Ankündigung und Festlegung der damaligen Koalition und den übertrumpfenden Forderungen der Opposition nahm das Unglück seinen Lauf.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Die Haushaltspolitiker mußten sich mit Goethe sagen lassen: „Wer in schwankenden Zeiten schwankend gesinnt, mehret das Übel."
    Man fühlte sich gegenüber dem Wähler im Wort und wollte Wort halten. Das traurige Ergebnis dieser vermeintlich standhaften Politik sollte für uns alle eine Lehre sein. Hüten wir uns also vor voreiligen Festlegungen!
    Wenn sich die Freien Demokraten erneut zur Priorität der Konsolidierung in der Finanzpolitik bekennen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir alle!)

    dann fühlen wir uns dabei durch die Tatsache ermutigt, daß seit dem Regierungswechsel ein wirtschaftlicher Erholungsprozeß in Gang gekommen ist. Die realistische und konsequente Haushaltspolitik, für die wir dem Finanzminister dankbar sind und für die wir ihm auch weiterhin unsere Unterstützung zusagen, trägt Früchte.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Vogelbeeren!)

    Selbst am Arbeitsmarkt ist eine Trendwende zum
    Positiven festzustellen. Meine Damen und Herren,
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3043
    Hoppe
    ich werde mich aber davor hüten, bereits jetzt von einem Durchbruch zu sprechen.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Magendurchbruch!)

    Es ist doch zu konstatieren, daß die Politik aus ihrer Orientierungslosigkeit herausgefunden hat und daß die Wirtschaft offensichtlich bereit ist, auf Orientierungshilfen zu reagieren.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deshalb gilt es jetzt konsequent zu bleiben. Konsolidierung wird nicht gepredigt, weil Sparen eine Lust an sich ist. Für so töricht sollte uns niemand halten. Wir sind keine Sparneurotiker, aber wir sind sparsam. Nur durch sparsamen Haushaltszuwachs, durch weitere Umschichtungen vom konsumtiven in den investiven Bereich kann die Haushaltspolitik ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung und zur Beschaffung von Arbeitsplätzen leisten. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bin ich gern ein Preuße. Dem Geld des Steuerzahlers, das wir treuhänderisch verwalten, wird das jedenfalls gut bekommen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen in dieser Debatte möchte ich ein Wort des Dankes an den Kollegen Vogel für seine Gratulation zur Verleihung des Karl-Valentin-Ordens in München sagen. Ich habe mich über diese Ehrung sehr gefreut, und ich bin erfreut darüber, daß er das ebenso empfunden hat.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der SPD: Wir alle!)

    Nach seiner heutigen Rede ist mir allerdings klar, warum der Urmünchener Jochen Vogel den KarlValentin-Orden noch nicht erhalten hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dieser Orden soll j a, wenn ich es recht verstanden habe, in der großen und bedeutenden Tradition Karl Valentins für Humor und Fröhlichkeit des Herzens verliehen werden.

    (Lachen bei der SPD)

    Davon war heute in diesem Beitrag wirklich nichts zu spüren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist Ihnen in der SPD überhaupt abhanden gekommen. Deswegen sitzen Sie auch auf den Oppositionsbänken; um das einmal klar und deutlich zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Es spricht der Enkel von Karl Valentin!)

    Meine Damen und Herren, ich will auf die teilweise wilden Angriffe des Oppositionsführers nicht eingehen. Wenn ich den Text richtig gelesen habe, hat er es ja selbst so empfunden, denn ganz am Ende kam noch eine Bemerkung, die das Ganze etwas abschwächen sollte. Zu zwei Bemerkungen will ich aber doch eine kurze Anmerkung machen.
    Herr Kollege Vogel, es mutet mich und weite Teile der deutschen Öffentlichkeit eigenartig an, daß Sie überhaupt das Wort „Führungskraft" in den Mund nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will Ihnen einmal aus dem Erlebnis der letzten Wochen ein Beispiel von Führungskraft nennen. Wir — diese Bundesregierung, diese Koalition, ich selbst als Bundeskanzler — haben das international gegebene Wort meines Amtsvorgängers und seiner Regierung, der seinerzeit auch Sie angehörten, eingelöst. Wir haben es zum versprochenen Zeitpunkt, auf den Tag, eingelöst. Das nenne ich Führungskraft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und jetzt frage ich Sie ganz einfach: Was haben Sie denn in diesen Monaten getan?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Flucht ergriffen!)

    Ihre Haltung in dieser zentralen Frage der deutschen Politik war undurchsichtig. Wir hatten doch — und es lohnt sich, das Protokoll nachzulesen — am Donnerstag vor der Bundestagswahl am 6. März gemeinsam mit dem Kollegen Genscher und dem Kollegen Franz Josef Strauß die übliche Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten. Sie haben in dieser Debatte trotz intensiven Befragens Ihre Position nicht klargelegt. Diejenigen in der SPD und in der SPD-Wählerschaft, die glaubten, daß der Kurs Helmut Schmidts etwas gilt, konnten sich am Abend dieser Debatte mit dem Gefühl zum Schlaf niederlegen, die Partei, der sie in der Vergangenheit ihr Vertrauen gegeben hatten und vielleicht am kommenden Sonntag wieder geben würden, werde zum NATO-Doppelbeschluß stehen. Wenn Sie, der Sie jetzt dauernd von Klarheit, Offenheit und Redlichkeit reden, an diesem Abend dem deutschen Publikum und den Wählern gesagt hätten, am Vorabend der Bundestagswahl, was Sie in diesen Tagen auf Ihrem Parteitag beschließen würden, säßen Sie — dies ist meine Schätzung — mit wenigstens 40 Mandaten weniger in diesem Hause, als Sie das heute tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Abgeordneter Vogel, ich mache diesen Vorwurf in der SPD nicht Herrn Bahr und Herrn Brandt. Deren Position war immer klar. Sie haben eine Position des Opportunismus eingenommen, die Ihnen jede Chance nimmt, über Führungskraft überhaupt nachzudenken.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Spüren Sie denn nicht selber, wie es auf die Deutschen, wie es auf unsere internationalen Partner, unsere Freunde und Gesprächspartner wirken muß, wenn Sie nach wenigen Monaten der Opposition
    3044 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    mit nur noch 3 % der Delegierten Ihres Parteitages in einer zentralen deutschen politischen Frage, der der Sicherheitspolitik, der des NATO-Doppelbeschlusses, die Position Helmut Schmidts vertreten? Das zeigt doch, wie hier Veränderungen stattgefunden haben. Mehr will ich dazu gar nicht sagen.
    Zum zweiten: Herr Kollege Vogel, machen Sie sich bitte über die Stabilität dieser Bundesregierung gar keine Sorgen!

    (Zuruf von der SPD: Das Pfeifen im Walde!)

    An Ihrer Stelle würde ich über die Zukunft der SPD nachdenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dies hielte ich staatspolitisch und parteipolitisch gleichermaßen für nützlich. Sie haben doch die Chance, fast jede Woche hier in diesem Hause zu probieren, ob diese Regierung, ob die Koalition von FDP, CSU und CDU eine stabile Mehrheit hat. Ich lade Sie dazu ein. Sie probieren es doch auch immer wieder. Das Ergebnis ist Ihnen bekannt.
    Wenn Sie nun an den Wähler appellieren: Herr Kollege Vogel, ich habe da keine Probleme. Ich habe weder Probleme mit der Demoskopie noch mit der öffentlichen Meinung noch mit anderem. Verehrter Herr Kollege Vogel, Sie können einen wahren Zitatenschatz hier bringen, und doch ist die Mehrheitssituation in diesem Lande für mich ganz klar. Wir probieren das bei nächster Gelegenheit gemeinsam wieder aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Erlauben Sie mir noch ein Wort zur Diskussion um den Bundeswirtschaftsminister. Die Staatsanwaltschaft in Bonn hat im Februar 1982 gegen Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff und andere Personen ein Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsannahme im Zusammenhang mit dem sogenannten Flick-Verfahren eingeleitet. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat der Deutsche Bundestag am 2. Dezember, also vor wenigen Tagen, die Immunität des Abgeordneten und Bundesministers Graf Lambsdorff aufgehoben.
    Bereits am 29. November hatte die Staatsanwaltschaft, vertreten durch sechs Staatsanwälte, in den Räumen der Bundespressekonferenz eine Pressekonferenz abgehalten, in der sie über Gegenstand und Beweismittel für die Erhebung der öffentlichen Klage berichtete. Der Bericht erstreckte sich auf das Ermittlungsverfahren gegen Graf Lambsdorff, obwohl die Immunität noch nicht aufgehoben und damit die Erhebung einer öffentlichen Klage gar nicht möglich war.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Mißachtung des Parlaments!)

    Keiner der Betroffenen war zu dieser Stunde der Pressekonferenz im Besitz der Anklageschrift.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Unglaublich!)

    Meine Damen und Herren, das muß man hier noch einmal deutlich aussprechen: Der Abgeordnete Graf Lambsdorff hat bis heute, bis zu dieser Stunde noch keine Anklageschrift erhalten.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Unerhört! — Unglaublich!)

    Herr Abgeordneter Vogel, empfinden nicht auch Sie die Ungeheuerlichkeit

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Von Tandlers Aussagen!)

    dieses Vorganges?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Der EinserJurist Vogel! — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Da wird monatelang ein unbescholtener Mitbürger, ein um das Land verdienter Mann, der seine Pflicht getan hat, öffentlich heruntergezogen, und er hat nicht die geringste Chance, die Punkte aus dieser Anklage wirklich kennenzulernen.

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Weil sie ihm politisch nichts anhaben können!)

    Meine Damen und Herren, diese Pressekonferenz stellt ein ungewöhnliches Ereignis in der deutschen Prozeßgeschichte dar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ihre Justizschelte auch, Herr Bundeskanzler!)

    — Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, daß ein Professor der Rechte, Herr Professor Ehmke, das, was ich hier soeben gesagt habe — eine reine Darstellung von Tatsachen, die ich als ungewöhnlich und ungeheuerlich bezeichnet habe —, schon als „Justizschelte" qualifiziert. Wo sind wir eigentlich hingekommen, wenn man nicht mehr Tatbestände aussprechen darf?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] — Schily [GRÜNE]: Was sagen Sie zu Herrn Tandler? — Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Was ist mit Tandler?)

    Der oberste Ankläger des Bundeslandes Hessen — der Kollege Dregger hat mit Recht schon darauf hingewiesen —, Generalstaatsanwalt Horst Gauf, weist darauf hin, daß es eine Sache der Fairneß gewesen wäre, daß der Angeschuldigte Kenntnis von der Anklageschrift hat, bevor die Staatsanwaltschaft eine Pressekonferenz gibt. Ich verstehe wirklich nicht, meine Damen und Herren von der SPDFraktion, warum wir uns über diesen doch selbstverständlichen Ausdruck von Rechtskultur nicht einigen können. Das hat doch überhaupt nichts mit Personen zu tun.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Scheinheiligkeit! — Gegenruf des Abg. Dr. Waigel [CDU/CSU]: Was ist hier los?)

    Es ist doch ein ganz unerträglicher Vorgang. Die Bundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof unterrichtet die Öffentlichkeit grundsätzlich erst nach Zustellung der Anklageschrift, und zwar in schriftlicher Form. Graf Lambsdorff hat nach seiner Erklä-
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3045
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    rung erst im Zusammenhang mit der Pressekonferenz erfahren, daß er wegen eines Tatvorwurfs angeklagt werden soll, der im Ermittlungsverfahren nicht gegen ihn erhoben wurde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

    Meine Damen und Herren, ich muß dies sagen: Diese Pressekonferenz reiht sich in die Vielzahl von Merkwürdigkeiten ein, welche bei diesem Verfahren zu beobachten waren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wohl wahr!)

    Es gab zahlreiche Indiskretionen, die bis zur wörtlichen Veröffentlichung von Ermittlungsakten reichten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Welche Zufälle!)

    Öffentliche Verdächtigungen, Vermutungen, Vorverurteilungen haben ein Klima geschaffen — das muß doch jeder erkennen —, das einen fairen Prozeß erschwert.
    Der Untersuchungsausschuß des Landtages von Nordrhein-Westfalen — die Kollegen dort haben sich ja bei diesem Sachverhalt einige Mühe gemacht —, der die Indiskretionen aufklären sollte, hat in seinem Abschlußbericht vom 25. Oktober 1983 hierzu ausgeführt — ich zitiere —:
    Die Veröffentlichungen stellen aber auch Eingriffe in vertraulich geführte Ermittlungen dar, die möglicherweise den Gang des Verfahrens selbst gefährden können und geeignet sind, Beschuldigte in der Öffentlichkeit bloßzustellen, obwohl bis zum Abschluß des Verfahrens die Vermutung ihrer Schuldlosigkeit für sie spricht.
    Herr Kollege Ehmke, etwas anderes habe ich mit anderen Worten nicht gesagt. Wieso ist es dann eine Schelte der Justiz, was hier der Untersuchungsausschuß feststellt?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Ablenkung!)

    Meine Damen und Herren, es ist eine Errungenschaft der rechtsstaatlichen Strafrechtspflege, daß jemand als unschuldig gilt, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist.

    (Beifall des Abg. Schily [GRÜNE] — Schily [GRÜNE]: Da haben Sie recht!)

    — Wissen Sie, Herr Abgeordneter, Ihr Beifall , an dieser Stelle bedeutet für mich das, was ich bei all Ihren Ausführungen bisher erlebt und gedacht habe.

    (Schily [GRÜNE]: Was heißt denn das? Eine Unschuldsvermutung hätte Ihnen schon früher einfallen können und nicht erst jetzt, wo es um einen Minister geht, Herr Bundeskanzler! Das haben Sie erst jetzt kennengelernt!)

    Dieser Gedanke hat auch Eingang gefunden in
    Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze
    der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in
    Art. 14 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte, der weltweit gilt.

    (Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

    — Schon allein, daß Sie Mitbürger mit dem Begriff Sorte belegen, zeigt Ihre Denkweise.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es wird oft darauf hingewiesen, daß für eine Person, die herausragende öffentliche Verantwortung trägt, besondere Maßstäbe gelten. Dies kann jedoch nicht heißen, daß fundamentale Prinzipien des Rechts beeinträchtigt werden dürfen. Ein Bundesminister hat nicht mehr Rechte als jeder andere Bürger; er hat aber auch nicht weniger Rechte als jeder andere Bürger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Er hat das Recht zurückzutreten!)

    Diese Prinzipien enthalten nicht nur Regeln des Rechts, sie sind auch Ausdruck unserer Rechtskultur. In alten Demokratien wie in England haben der Schutz von strafgerichtlichen Verfahren und das Gefühl für einen fairen Prozeß stets eine besondere Rolle gespielt. Ich denke, wir sollten daraus lernen.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Und aus Tandler sollten wir lernen!)

    Ich verschweige nicht meine Betroffenheit, daß ich als Bundeskanzler einer Presseerklärung entnehmen muß, daß die Staatsanwaltschaft gegen einen Bundesminister schwere Vorwürfe erhebt. Ich habe erwartet, daß mich der zuständige Justizminister über die Absicht der Klageerhebung und ihre wesentlichen Gründe unterrichtet. Ich bin erstaunt, Herr Abgeordneter Dr. Vogel, daß Sie als früherer Bundesjustizminister, in besonderer Weise mit geltendem Recht und Rechtskultur unseres Landes vertraut, ohne daß Sie die Chance hatten, die Anklageschrift zu kennen, bereits öffentlich den Rücktritt verlangt haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Vielleicht hat er die Akte!)

    Sie haben mit diesem Verhalten den vielen Verdächtigungen eine weitere schwerwiegende Vorverurteilung hinzugefügt.

    (Schily [GRÜNE]: Wie viele Vorverurteilungen haben Sie selber zu verantworten? Nehmen Sie dazu einmal Stellung!)

    Meine Damen und Herren, auf der gleichen Linie liegt auch Ihre Absicht, die Entlassung des Ministers zu verlangen. Ich sage ganz deutlich: Ich habe keinen Grund, an der Integrität des Bundeswirtschaftsministers zu zweifeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Sie sprechen ihn frei!)

    Die Erhebung der öffentlichen Klage ist unter den gegebenen Umständen ein schwerwiegender Vorgang. Ich muß jedoch darauf bestehen und fordern, daß sowohl der Bundeswirtschaftsminister als auch ich selbst die Gelegenheit erhalten, an Hand der Anklageschrift das Ergebnis des Ermittlungs-
    3046 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    verfahrens zu würdigen. Vom Ergebnis dieser Würdigung werden dann selbstverständlich die weiteren Entscheidungen abhängig sein.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Sehr gut! — Dr. Vogel [SPD]: Das ist ein Fortschritt!)

    — Herr Kollege Vogel, wenn Sie sich noch einen Funken von Fairneß bewahrt haben: Das ist ein streng rechtsstaatliches Verhalten und nichts anderes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Von Rechtsstaat verstehen Sie wirklich nichts! Sie zeigen ein schizophrenes Verhalten! Das ist kein Rechtsstaat, sondern ein Flick-Staat; schauen Sie einmal auf Ihren Konten nach!)

    Die Generalaussprache über den Etat des Bundeskanzlers gibt dem Hohen Haus Gelegenheit, über die Wegstrecke zu diskutieren, die wir seit meiner Wahl zum Kanzler am 1. Oktober 1982 zurückgelegt haben. Ich stelle fest, daß wir das, was wir damals in meiner ersten Regierungserklärung ankündigten, wahrgemacht haben. Wir sind auf diesem Weg weiter gekommen, als wir selber zu hoffen wagten.

    (Schily [GRÜNE]: Was ist mit Herrn Tandler?)

    Wir haben das Vertrauen unserer Bündnispartner in die Verläßlichkeit der Bundesrepublik Deutschland wiederhergestellt.

    (Schily [GRÜNE]: Wir vermissen ein Wort zu Herrn Tandler, Herr Bundeskanzler!)

    Wir haben am 22. November mit dieser Grundentscheidung im Blick auf den NATO-Doppelbeschluß eine wichtige Entscheidung, eine Entscheidung von historischer Tragweite getroffen.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Kein Wort zu Tandler!)

    Gleichzeitig haben wir die Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarn

    (Schily [GRÜNE]: Wir warten immer noch auf ein Wort zu Herrn Tandler, Herr Bundeskanzler!)

    und in besonderem Maß das Geflecht der Beziehungen zum anderen Teil Deutschlands, zur DDR, ausgebaut und verbessert. Das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ist gewachsen. Sie ist der Aufgabe gerecht geworden, die an der Nahtstelle zwischen Ost und West in der Mitte Europas wahrzunehmen ist.
    Ich will heute darauf verzichten, zur Außen- und Sicherheitspolitik erneut Stellung zu nehmen. Denn wir haben seit Mai dieses Jahres immerhin in acht großen Debatten Gelegenheit gehabt — auch ich selbst —, zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Ich möchte mich aus diesem Grund vor allem den Fragen der Innen-, der Wirtschafts- und der Sozialpolitik zuwenden.
    Die Bundesregierung hat, bestätigt durch das Wählervotum am 6. März, den ersten und entscheidenden Schritt einer politischen Wende vollzogen.
    Wir haben in schwierigster Lage die Konsolidierung des Staatshaushalts eingeleitet. Erstmals mit dem Haushalt 1984 wird wieder das Gebot des Art. 115 des Grundgesetzes erfüllt werden. Die staatlichen Investitionen werden wieder höher sein als der Betrag der Neuverschuldung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist nicht irgendein finanztechnischer Vorgang. Wenn es richtig ist, daß wir die Verfassung und die Gesetze unseres Landes ernst zu nehmen und daß wir als Mitglieder der Bundesregierung — das gilt insonderheit für den Bundesfinanzminister und den Bundeskanzler — unseren Amtseid auch in bezug auf diesen Artikel unserer Verfassung geschworen haben, dann haben wir unser Versprechen eingelöst. Das, Herr Abgeordneter Vogel, ist ein Beweis für Zuverlässigkeit. Das ist auch ein Beweis dafür, daß wir gegebene Versprechen halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Regierungsprogramm der Koalition der Mitte hat in diesen wenigen Monaten die Herausforderung angenommen, die sich für die Bundesrepublik Deutschland für die vor uns liegenden Jahre ergibt. Wir wollen unseren Platz als eine der führenden Industrienationen der Welt behaupten. Wir wollen und müssen den Ausgleich zwischen Anspruch und Leistung und zwischen Gegenwart und Zukunft wiederherstellen. Wir wollen und müssen der jungen Generation unseres Landes eine lebenswerte Zukunft sichern.
    Nun, meine Damen und Herren, was haben wir übernommen? Ich kann Ihnen nicht ersparen, auch das in Ihre Erinnerung zu rufen.

    (Schily [GRÜNE]: Ach, schon wieder die Erblast! Ich erblasse!)

    In diesen wenigen Monaten wurde vieles bewegt. Aber als wir vor 13 Monaten ins Amt kamen, befand sich das Land in der schwersten Krise seit der Nachkriegszeit.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Abgrund!)

    — Der Abgrund ist vermieden worden, weil Sie von dieser Bank verschwunden sind. Das ist die Realität in der Bundesrepublik.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Weite Teile der Wirtschaft waren gelähmt, die Dynamik war zerstört. Wir liefen Gefahr, den Anschluß an die internationale Entwicklung der Märkte und der Technik zu verpassen.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Da muß sogar Herr Genscher lachen!)

    Unser Bruttosozialprodukt stagnierte seit Jahren. Die Massenarbeitslosigkeit hatte sich strukturell verfestigt. Sie wuchs allein im Jahre 1982 um über 500 000. Die unerträgliche Steuer- und Abgabenlast hatte die Ertragskraft der Unternehmen geschwächt. Ein hohes Zins- und Inflationsniveau verhinderte notwendige Sachinvestitionen. Die Finanzgrundlagen der sozialen Sicherungssysteme waren zerrüttet, ihre Reserven aufgezehrt.
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3047
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Meine Damen und Herren, ich will es Ihnen wegen der Kürze der Zeit ersparen, zu wiederholen, was mein Amtsvorgänger in seiner mit Recht berühmt gewordenen Rede vor Ihrer Fraktion vor der Sommerpause des vergangenen Jahres Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, daß der Refrain seiner Ausführungen war: „Das ist aber mit euch nicht zu machen." Mit „euch" war die SPD-Fraktion gemeint, die die Hauptverantwortung für die Lage, die wir vorgefunden haben, zu übernehmen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Staat war drauf und dran, handlungsunfähig zu werden. Und Sie fahren doch fort, Sie haben doch nichts dazugelernt. Sie haben 13 Jahre lang Ansprüche geweckt, Leistungen versprochen, die aus den Erträgen unserer Arbeit nicht zu finanzieren waren, und heute haben wir wiederum das gleiche gehört.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das, was wirklich Erblast war, gefährlichste Erblast, kann man am besten mit dem Begriff des Zukunftspessimismus, ja, sogar der Zukunftsangst bezeichnen. Daß weite Teile der jungen Generation zutiefst verunsichert sind, geht doch auf diese Politik zurück, indem Sie den Jungen versprochen haben, was Sie niemals halten konnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Lehrstellen!)

    In den letzten Wochen haben Sie einmal mehr deutlich gemacht, wohin die Reise mit Ihnen gegangen wäre. Nationalistische und neutralistische Strömungen, ein dumpfer Antiamerikanismus und die sich in der SPD entwickelnde Kritik am NATODoppelbeschluß hatten doch Zweifel überall in der Welt an unserer Bündnistreue und an unserer Bündnisfähigkeit geweckt.
    Meine Damen und Herren, es war fünf Minuten vor zwölf, als die Koalition der Mitte vor 13 Monaten die Verantwortung übernahm. Es ging darum, die rasante Talfahrt des Landes aufzuhalten und in den entscheidenden Feldern der Außen-, der Innen-, der Sicherheitspolitik, der Wirtschafts- und Sozialpolitik durch Stabilität und politische Vernunft wieder Vertrauen und Zukunftsperspektive zurückzugewinnen.

    (Bindig [SPD]: Die Arbeitslosigkeit steigt weiter!)

    — Ich würde als Sozialdemokrat in dieser Debatte das Wort Arbeitslosigkeit wirklich nicht in den Mund nehmen. Denn was haben Sie denn getan in den letzten 13 Jahren in der Strukturpolitik,

    (Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Sie Schwätzer!)

    in Bremen,

    (Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Sie Schwätzer!)

    in Dortmund und anderswo? Was haben Sie denn getan in Bonn und in diesen Ländern?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)