Ich will dem zweiten besonders gern zustimmen. Aber wir brauchen doch nicht darüber zu streiten, daß Sie wie Ihre Amtsvorgänger und wie der Verteidigungsminister heute angesichts der Absichtserklärung mit der unerhört politischen Außenwirkung, auch im Bündnis und vor allen Dingen gegenüber den Vereinigten Staaten, bei uns um diese Steigerungsraten geworben haben: im Parlament und im Haushaltsausschuß. Das ist doch wohl die Wahrheit und die Wirklichkeit. Ich wollte nur sagen: Wir alle können uns doch aus diesem Stück eigener Vergangenheit nicht herausstehlen wollen.
In unserer Rechtsordnung gibt es so etwas wie eine Pflicht zum Handeln nach vorangegangenem Tun. Alle, auch die SPD, sollten das für ihr politisches Verhalten verinnerlichen.
Stellt sich denn die Frage nach der Glaubwürdigkeit, nach der eigenen Identität nicht auch in ähnlicher Weise auf dem Feld der Wirtschafts- und Finanzpolitik? Mit der neuen Koalition haben sich ja keine neuen Welten aufgetan, und Wunder sind ja auch nicht zu vollbringen.
Die Zielvorstellungen, unter denen diese Regierung und diese Koalition ihre Arbeit leisten, gab es nämlich auch schon bei Schmidt, Matthöfer und Lambsdorff.
Die großartige Haushaltsrede von Hans Matthöfer vom 16. September 1981 bleibt unvergessen. Das war die Wende. Unvergessen bleibt aber auch, daß wir unsere Zielvorgaben in den letzten Jahren weniger und weniger einhalten konnten. Hier allerdings hat es eine radikale Umkehr gegeben. Der Haushaltsvollzug 1983 hat es jedem gezeigt. Bei den Haushaltsansätzen wird nicht mehr optimistisch hasardiert, sondern risikobewußt und realitätsbezogen Vorsorge getroffen.
Die Argumentation des früheren Bundeskanzlers, der Staat dürfe in seiner Vorausschau nicht zu pessimistisch sein, weil pessimistische Grundannahmen die Stimmung in der Wirtschaft negativ beeinflußten, war trügerisch. Der Vertrauensschaden, der entstand, als unzureichend oder überhaupt nicht etatisierte Risiken Wirklichkeit wurden und immer neue Löcher im Haushalt aufrissen, war gewaltig.
Der Vollzug des Haushalts 1983 zeigt, daß wir wieder festen Boden unter den Füßen haben. Allen Katastrophenmeldungen zum Trotz gibt es in die-
3042 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
Hoppe
sem Jahr keinen Nachtragshaushalt mit steigendem Kreditbedarf, sondern die Neuverschuldung wird über ca. 4 Milliarden DM niedriger liegen, als in der Kreditermächtigung ausgewiesen.
Wirtschaftspolitische Fürsorge und haushaltspolitische Vorsorge greifen also. Auf dieser Basis kann der Haushalt 1984 aufbauen.
Die jetzt vorliegende Fassung des Haushaltsentwurfs schafft durch einschneidende Zugriffe bei den Ausgaben zusammen mit den Verbesserungen auf der Einnahmenseite die Voraussetzungen dafür, daß die Verschuldung gegenüber dem Regierungsentwurf noch einmal um knapp 4 Milliarden DM abgesenkt werden konnte. Das ist ein beachtliches Ergebnis.
Und doch sollten wir uns vor Selbstbelobigung hüten.
Es ist nicht die Zeit, sich selbst auf die Schultern klopfend durch die Lande zu laufen. Wir drosseln schließlich nur die Neuverschuldung, und das auf einem sehr hohen Niveau. An Schuldenabbau wagt schon niemand mehr zu denken. Aber es muß doch wohl immer noch daran gedacht werden. Der Weg dahin bleibt dornig, und die Risiken und Gefahren sind unübersehbar. Die Verführer, die uns von diesem Pfad der Konsolidierung weglocken wollen, sitzen mitten unter uns, und sie sitzen nicht nur in der Opposition.
Meine Damen und Herren, als ich im September 1979 von dem gefährlichen Potential der Staatsverschuldung sprach und es mit einer tickenden Zeitbombe verglich, bezifferte sich die Gesamtverschuldung des Staats auf rund 420 Milliarden DM, und die Schulden des Bundes wurden mit 210 Milliarden DM angegeben. Ende 1983 werden die Schulden des Bundes auf über 340 Milliarden DM und die Gesamtverschuldung auf weit über 650 Milliarden DM angestiegen sein. Bei diesen Zahlen kann wahrlich keine Freude aufkommen.
Dabei haben wir in den letzten Jahren gespart und eingesammelt und Jahr für Jahr zugegriffen. Beginnend mit dem Subventionsabbaugesetz 1981, der Operation '82, durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 und durch die jetzigen Eingriffe mit den Begleitgesetzen 1984 sind insgesamt, grob summiert, 35 Milliarden DM an Entlastung zusammengekommen. Wir haben zu registrieren, daß auf der einen Seite Kritik beim Bürger aufwallt wegen der ihm zugemuteten Belastung und daß auf der anderen Seite die Schulden immer noch anwachsen.
Angesichts dieses Dilemmas kommt man sich als Finanzpolitiker wirklich wie ein Hamster im Laufrad vor. Es ist daher in einer solchen Situation durchaus verständlich, wenn man sich dadurch Lichtblicke verschaffen will, daß man sich anderen, nämlich steuerpolitischen Entscheidungen oder dem Familienlastenausgleich zuwendet; denn dies verheißt letztlich Zustimmung, Zuspruch und Zuversicht.
Meine Damen und Herren, bei dem wichtigen Steuerthema geht es mir darum — es muß uns eigentlich allen darum gehen —, ein notwendiges, unverzichtbares Steuerentlastungskonzept nicht zu vermurksen, und zwar nicht schon von Anfang an.
Wir gefährden nämlich ein Gesetzeswerk unnötig, wenn wir uns mit einer Fristsetzung unter Zugzwang begeben.
Solange nicht endgültig Klarheit über Inhalt, Umfang und Finanzierbarkeit besteht, sollten die Geschenkpakete noch nicht zur Post gebracht werden.
Das Steuerentlastungspaket 1980, das uns mit seinen Folgen und seiner schadenstiftenden Wirkung allen noch in den Anzügen stecken müßte, mahnt zur Vorsicht. Meine Damen und Herren, die Haushaltspolitiker aller Fraktionen hielten damals das 16-Milliarden-Projekt für nicht finanzierbar. Sie wollten damals die Entscheidung auf die Tarifkorrektur beschränken. Aber wegen der frühzeitigen Ankündigung und Festlegung der damaligen Koalition und den übertrumpfenden Forderungen der Opposition nahm das Unglück seinen Lauf.
Die Haushaltspolitiker mußten sich mit Goethe sagen lassen: „Wer in schwankenden Zeiten schwankend gesinnt, mehret das Übel."
Man fühlte sich gegenüber dem Wähler im Wort und wollte Wort halten. Das traurige Ergebnis dieser vermeintlich standhaften Politik sollte für uns alle eine Lehre sein. Hüten wir uns also vor voreiligen Festlegungen!
Wenn sich die Freien Demokraten erneut zur Priorität der Konsolidierung in der Finanzpolitik bekennen,
dann fühlen wir uns dabei durch die Tatsache ermutigt, daß seit dem Regierungswechsel ein wirtschaftlicher Erholungsprozeß in Gang gekommen ist. Die realistische und konsequente Haushaltspolitik, für die wir dem Finanzminister dankbar sind und für die wir ihm auch weiterhin unsere Unterstützung zusagen, trägt Früchte.
Selbst am Arbeitsmarkt ist eine Trendwende zum
Positiven festzustellen. Meine Damen und Herren,
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ich werde mich aber davor hüten, bereits jetzt von einem Durchbruch zu sprechen.
Es ist doch zu konstatieren, daß die Politik aus ihrer Orientierungslosigkeit herausgefunden hat und daß die Wirtschaft offensichtlich bereit ist, auf Orientierungshilfen zu reagieren.
Deshalb gilt es jetzt konsequent zu bleiben. Konsolidierung wird nicht gepredigt, weil Sparen eine Lust an sich ist. Für so töricht sollte uns niemand halten. Wir sind keine Sparneurotiker, aber wir sind sparsam. Nur durch sparsamen Haushaltszuwachs, durch weitere Umschichtungen vom konsumtiven in den investiven Bereich kann die Haushaltspolitik ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung und zur Beschaffung von Arbeitsplätzen leisten. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bin ich gern ein Preuße. Dem Geld des Steuerzahlers, das wir treuhänderisch verwalten, wird das jedenfalls gut bekommen.