Rede von
Dr.
Alfred
Dregger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Was die von der Opposition geforderte Lambsdorff-Debatte angeht, so meine ich: Zu dem, was die hessische Staatsanwaltschaft Angeschuldigten allgemein zugesteht, scheint die Opposition in diesem Hause einem Kollegen gegenüber nicht bereit zu sein. Graf Lambsdorff ist bis heute die Anklageschrift noch nicht zugestellt — eine erstaunliche Tatsache;
ich finde: eine atemberaubende Tatsache.
Ich meine, Graf Lambsdorff hat Anspruch darauf — wie jeder andere hier —, erstens die Anklageschrift in Ruhe zu studieren, zweitens seine Schlußfolgerungen daraus zunächst mit seinem Parteivorsitzenden und dann mit dem Bundeskanzler zu erörtern, ehe er selbst Entschlüsse fast. Solange das
3024 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
Dr. Dregger
nicht der Fall war, halte ich Angriffe gegen ihn hier in diesem Hause für stilwidrig.
Deshalb werden wir diesen Antrag, Herr Vogel, ablehnen.
Meine Damen und Herren, unsere Politik für Deutschland ist vor allem eine Politik für den Frieden
und für die Wiedergesundung unseres Landes.
Unser Beschluß vom 22. November zur Sicherheitspolitik hat den Frieden in Europa sicherer gemacht. Davon bin ich überzeugt.
Erstens. Jeder weiß jetzt: Wir sind nicht erpreßbar, weder durch inneren noch durch äußeren Druck. Diese Festigkeit dient dem Frieden.
Zweitens. Wir halten Wort. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, Großbritannien und die anderen Verbündeten können sich ebenso fest auf uns verlassen, wie wir uns auf sie verlassen.
Diese Verläßlichkeit dient dem Frieden.
Drittens. Gegenüber der Sowjetunion lassen wir unsere Politik von zwei Maximen leiten: von der Bereitschaft zur Zusammenarbeit und vom Willen zur Selbstbehauptung.
Übrigens, Herr Kollege Vogel: Sie haben in Ihrer Rede die Frage aufgeworfen, warum denn der Bundeskanzler noch nicht auf die große Rede von Helmut Schmidt in der letzten Sicherheitsdebatte geantwortet habe. Die Frage muß doch an Sie gestellt werden; denn Helmut Schmidt befand sich doch mit uns in Übereinstimmung und nicht mit seiner eigenen Fraktion.
Diese Ihre Anmahnung war ebenso überraschend wie Ihre Feststellung, es habe nie einen Konsens in der Stationierungsfrage gegeben.
Meine Damen und Herren, es hat die ganzen Jahre unter sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen hindurch einen Konsens zum NATO-Doppelbeschluß zwischen der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung und der Opposition gegeben.
Wir haben die Regierung Schmidt immer voll in der Sicherheitspolitik unterstützt. Der Konsens ist zunächst innerhalb der SPD aufgekündigt worden. Sie haben Helmut Schmidt im Stich gelassen, und dann wurde jetzt die letzte Konsequenz in der Sicherheitsdebatte gezogen.
Auch Sie haben dann wieder das wenig konkretisierte Wort von den neuen Strategien verwendet. Sie haben zunächst gemeint, das sei in erster Linie psychologisch, politisch und ökonomisch zu verstehen, haben dann aber auch zugestanden, daß es eine militärische Komponente gäbe. Sie haben dann davon gesprochen, es komme darauf an, die Nuklearschwelle anzuheben. Das ist völlig richtig. Wenn die Sowjetunion aber nicht bereit ist, ihre konventionelle Übermacht in Europa zu begrenzen — dazu war sie j a bisher nicht bereit —, ist doch das, was Sie und wir wünschen, nur zu erreichen, indem wir die konventionellen Streitkräfte stärker machen, d. h. mehr Mittel für den Militärhaushalt zur Verfügung stellen. Wollen Sie denn das? Wenn Sie das nicht wollen, ist es doch ein Luftgebilde, wenn Sie von neuen Strategien sprechen.
Noch eine letzte Bemerkung betreffend SaudiArabien. Was Sie dazu gesagt haben, war besonders erstaunlich.
Bundeskanzler Schmidt hat bei seinem Besuch in Saudi-Arabien in der Tat ganz konkrete Erwartungen im Hinblick auf die Lieferung von Leopard-IIPanzern geweckt. Er hat dann gemerkt, daß er das in seiner eigenen Fraktion nicht durchhalten könne. Er hat dies dann auch gegenüber den Saudis, stolzen Leuten, zugeben müssen. Um das gegenüber Saudi-Arabien wiedergutzumachen, hat er damals auf der Rückfahrt von Dschidda nach Deutschland einige Äußerungen über die Israelis getan, die dann auch noch die deutsch-israelischen Beziehungen belastet haben. Er hat beide verprellt, die Saudi-Arabier und die Israelis. Das war wirklich kein Meisterstück von Außenpolitik.