Rede von
Ludwig
Stiegler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar, daß noch Gelegenheit ist, einige Sätze zur Lage der Region an der Grenze, von Flensburg bis Passau, zum Zonenrandgebiet, zu sagen. Ich meine, es ist notwendig, an diese Probleme zu erinnern, da sie dem Ministerium für innerdeutsche Beziehungen als besonderer Auftrag anvertraut worden sind. Wir können alle miteinander nicht die Augen davor verschließen, daß die Zonenrandpolitik in eine gewisse Stagnation, in manchen Fällen sogar in eine gewisse Krise geraten ist — bei allem guten Willen der unmittelbar Beteiligten.
Ich erinnere an die Stagnation der Mittel auch in diesem Jahr. Ich erinnere daran, daß die Zonenrandförderung in den Fachausschüssen nicht mehr die Priorität hat wie früher. Die Kollegen der Union haben z. B. beim Steuerentlastungsgesetz 1984 die Zonenrandpräferenz — leider — trotz eines Antrags der SPD-Fraktion nicht passieren lassen; sie haben sie ausdrücklich abgelehnt und einen Prüfauftrag gegeben. Ich bedaure es, daß sich das innerdeutsche Ministerium hier nicht hat durchsetzen können.
Ich erinnere an die Diskussion, die uns im Verkehrsbereich hinsichtlich der Auseinandersetzung um die Strecken der Deutschen Bundesbahn, um die Ausbesserungswerke Weiden und Fulda und überhaupt um die Frage bevorsteht: Was hat die Bundesregierung mit dem Zonenrandgebiet vor? In ihrem neuen Verkehrskonzept, in der Kabinettsvorlage steht, das Zonenrandgebiet solle angemessen berücksichtigt werden. Ich frage Sie: Was heißt das? Es sind keine Ausgleichsmittel da, und es herrscht eine babylonische Sprachverwirrung.
Der Parlamentarische Staatssekretär im innerdeutschen Ministerium sagt dankenswerterweise, die Zonenrandförderung geht vor. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium sagt, das Bundesbahngesetz geht vor. Der Bundesbahn-Vorstand sagt: Wir werden von Fall zu Fall entscheiden, und wenn es Geld kostet, geht das Bundesbahngesetz vor. Ich glaube, es wird höchste Zeit, daß sich das Kabinett hier endlich entscheidet und klarmacht: gilt nun die Priorität der Zonenrandförderung, oder gilt sie nicht? Ich wünsche dem innerdeutschen Ministerium beim Gerangel innerhalb der Koalition recht viel Erfolg und bitte, darauf zu achten, daß die Infrastruktur der Bundesbahn im Zonenrandgebiet nicht zerschlagen wird. Das sind keine tagespolitischen Entscheidungen, sondern es ist eine Jahrhundertentscheidung, ob die Infrastruktur bleibt.
Ich erinnere schließlich daran, daß im Raumordnungsbericht der Bundesregierung das Zonenrandgebiet kaum vorkommt. Es wird zwar in einer Randnotiz erwähnt, aber der innerdeutsche Minister kommt mir beinahe vor wie der alte Cato, der sein „Ceterum censeo" zwar noch draufdrücken kann; aber es hat lange gedauert, bis Karthago endlich zerstört war, und es wird noch länger dauern, bis das Zonenrandgebiet angemessen berücksichtigt ist.
Wenn es darum geht, bei der Behördenansiedlung dem Zonenrandgebiet gerecht zu werden, dann bitte ich gerade die Kollegen der Union: Setzen Sie sich gegenüber Ihren eigenen Leuten durch!
Es ist ein Skandal, wie die Haushälter der Union
gegen das einstimmige Votum des Innerdeutschen
Ausschusses die Verwaltungsschule der Bundesan-
3000 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Stiegler
stalt für Arbeit nicht im Zonenrandgebiet haben wollen.
Dort große Treueschwüre, aber dann kriegt der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit Fernschreiben, daß er es anders machen soll. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen, gerade in der CSU.
— Herr Dr. Bötsch, gerade Sie hätten es nötig, Ihre Zonenrand-Leute zu unterstützen und dem Michael Glos hier einmal den Marsch zu blasen.
Und wie wackelt die Bundesregierung bei IURIS, das wir nach Kassel haben wollen! Der Bundesjustizminister zögert, der Bundesarbeitsminister weiß nicht so recht, was er will.
Hier ist es notwendig, daß die Bundesregierung nicht nur schöne Reden hält — die hält sie zur Zonenrandförderung —, sondern daß sie tatsächlich etwas tut.