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ID1004219100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2865A Begrüßung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für das Flüchtlingswesen, Poul Hartling 2955 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. Dezember 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Sasbach und Marckoldsheim — Drucksache 10/252 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 10/688 — 2865 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zweiten Protokoll vom 17. Februar 1983 zur Änderung und Ergänzung des Abkommens vom 22. April 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei einigen anderen Steuern — Drucksache 10/461 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/694 — 2865 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Feuerschutzsteuergesetzes — Drucksache 10/556 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/714 — 2865 D Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/631, 10/659 — . . . . 2866 A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/632, 10/659 — Conradi SPD 2866 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 2867 C Seiters CDU/CSU 2868 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/633, 10/659 — . . . . 2868 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/636, 10/659 — und Art. 23, 24, 24a, 25 und 25a des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/656, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 10/654 — Kühbacher SPD 2869 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 2872 D Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2878 A Dr. Hirsch FDP 2881 D Dr. Schmude SPD 2885 C Dr. Laufs CDU/CSU 2889A Schäfer (Offenburg) SPD 2893 B Baum FDP 2896 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 2898 D Namentliche Abstimmung 2904 C Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksachen 10/637, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksachen 10/646, 10/659 — Helmrich CDU/CSU 2906 C Schmidt (München) SPD 2908 D Kleinert (Hannover) FDP 2911 B Schily GRÜNE 2912 C Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 2914 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 10/642, 10/659 — Hoffmann (Saarbrücken) SPD 2916 C Metz CDU/CSU 2920 B Drabiniok GRÜNE 2922 C Hoffie FDP 2924 C Dr. Dollinger, Bundesminister BMV . . 2926 C Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksachen 10/643, 10/659 — Dr. Friedmann CDU/CSU 2928 B Paterna SPD 2930 B Hoffie FDP 2933 B Frau Reetz GRÜNE 2934 D Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 2936 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksachen 10/649, 10/659 — und Art. 26 a des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — Müntefering SPD 2939 B Echternach CDU/CSU 2942 A Sauermilch GRÜNE 2944 D Gattermann FDP 2946 D Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 2948 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/651, 10/659 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2952 C Vosen SPD 2955 B Dr.-Ing. Laermann FDP 2958 D Frau Dr. Bard GRÜNE 2961 A Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 2962 D Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/652, 10/659 — Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 III und Art. 22 des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — Vogelsang SPD 2966 B Dr. Rose CDU/CSU 2968 B Dr. Jannsen GRÜNE 2971 B Neuhausen FDP 2972 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 2974 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/648, 10/659 — Brück SPD 2977 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 2980 C Frau Gottwald GRÜNE 2983 B Frau Seiler-Albring FDP 2985 B Dr. Hauchler SPD 2987 D Dr. Pinger CDU/CSU 2991 A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 2993 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/650, 10/659 — Heimann SPD 2997 B Stiegler SPD 2999 B Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 3000 C Schneider (Berlin) GRÜNE 3003 A Ronneburger FDP 3005 A Windelen, Bundesminister BMB . . . 3006 D Nächste Sitzung 3008 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3008 B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2865 42. Sitzung Bonn, den 6. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Schlaga 6. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. Schreiner 9. 12. Voigt (Frankfurt) ** 6. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. Dr. Wörner 6. 12. ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ursula Seiler-Albring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brück, wenn Sie den vorgelegten Haushalt zur Grundlage Ihrer Ausführungen machen, haben Sie nun wirklich, wie ich meine, keinen Anlaß zu ideologischem Schattenboxen. Ich bin sicher, Herr Brück, daß Sie das im Grunde auch so sehen, daß nämlich die von allen Fraktionen dieses Hauses formulierten Grundsätze zur Entwicklungspolitik vom 5. März 1982, die Sie j a auch angesprochen haben, noch immer Gültigkeit haben. Die Probleme, die im Rahmen des Einzelplans 23 zur Lösung anstehen, bedürfen, so meine ich, ohnehin intensiver gemeinsamer Anstrengungen.
    Ähnlich wie Frau Gottwald möchte ich gerne einige grundsätzliche Ausführungen zur Entwicklungspolitik machen. Daß ich zu anderen Schlüssen kommen werde, wird Sie nicht überraschen. Frau Gottwald, daß Sie der Bundesregierung gern etwas ans Bein geben möchten, kann ich aus Ihrer Situation noch verstehen; aber das Wort vom „Kriegstreiber Israel" ist meines Erachtens ungezügelte Polemik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das hätte gerügt werden müssen! — Zurufe von den GRÜNEN)

    Die wirtschaftliche Situation der Länder der Dritten Welt hat sich im vergangenen Jahr drastisch verschlechtert. Hohe Zinsen am Kapitalmarkt, der weiter steigende Dollarkurs, rückläufige Nachfrage nach ihren Produkten haben die Überschuldung der Länder der Dritten Welt in bedrückende Höhen getrieben. Der Umfang der mittel- und langfristigen Auslandsverbindlichkeit dieser Länder aus öffentlichen und privaten Quellen erreichte 1982 mehr als 600 Milliarden US-Dollar. Dieses ist mehr als besorgniserregend, da immer neue Schulden zum Begleichen der alten aufgenommen werden müssen, da immer mehr Zinsen fällig werden, bevor die eingeleiteten strukturellen Anpassungsmaßnahmen die Chance hätten, sich positiv auszuwirken.
    Ein Zehntel der Weltbevölkerung lebt auch heute noch in absoluter Armut und Not. Diese Zahl wird eher zunehmen, als daß man in absehbarer Zeit nachhaltige Verbesserungen erwarten könnte.
    Der Entwicklungshilfeetat steigt auch 1984 wieder überproportional, und zwar auf 6,4 Milliarden DM. Aber, meine Damen und Herren, wir stehen heute vor der Notwendigkeit, uns Rechenschaft darüber abzulegen, ob — und falls nicht, aus welchen Gründen — unsere Entwicklungspolitik ihr Ziel, die wirtschaftliche und soziale Lage der Menschen in der Dritten Welt zu verbessern, erreicht hat oder überhaupt erreichen kann.
    Lange Zeit hatte es zumindest in den westlichen Industrieländern als selbstverständlich gegolten, daß die Entwicklung der Länder der Dritten Welt durch die Herausbildung wirtschaftlicher und politischer Strukturen forciert werden könnte, die denen in den westlichen Industrieländern ähneln. Inzwischen stellen diese Länder zunehmend die Frage, ob wir Industrieländer tatsächlich ein erstrebenswertes Vorbild darstellen.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

    Die Entwicklungsländer bemühen sich immer stärker, Wege und Ziele ihres Entwicklungsprozesses
    besser in Einklang mit den gewachsenen heimi-
    2986 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
    Frau Seiler-Albring
    schen sozialen und kulturellen Traditionen zu bringen.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Die Bundesregierung behindert es immer mehr!)

    Es ist eine Ernüchterung im Hinblick auf die Zeiträume eingetreten, in denen Unterentwicklung überwunden werden kann.
    Halten wir fest: In den klassischen Industrieländern vollzog sich der Prozeß der Industrialisierung über mehrere Generationen. In der entwicklungspolitischen Diskussion der vergangenen Jahrzehnte trifft man aber oft auf die Vorstellung, die Entwicklungsländer könnten vergleichbare Entwicklungserfolge, diese großen Sprünge, binnen einer oder zwei Generationen erzielen. Von einigen wenigen Entwicklungsländern abgesehen — auch hier muß man Fragezeichen setzen —, haben sich diese Erwartungen als gefährliche Illusion erwiesen. Dabei konnten die Entwicklungsländer seit 1950 bemerkenswerte Wachstumserfolge verzeichnen. Das Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer war stärker als das der klassischen Industrieländer. Das Ausmaß der erzielten Fortschritte ist um so bemerkenswerter, als in den meisten Entwicklungsländern wichtige Bedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung, Ausbau der Infrastruktur, Ausbildung der Bevölkerung, die in den klassischen Industrieländern vor dieser Zeit geschaffen worden waren, nicht gegeben waren.
    Trotz unbestreitbarer Erfolge haben sich die entwicklungspolitischen Probleme weltweit verschärft. Folgende Gesichtspunkte sind festzuhalten:
    Entwicklungsländer haben um so geringere Fortschritte erzielen können, je ärmer sie waren. Die in traditioneller Manier auf die Finanzierung von Investitionsprojekten zielende Entwicklungshilfe wird natürlich von den Ländern leichter umgesetzt, die bereits über eine gute Wirtschafts- und Verwaltungsinfrastruktur verfügen und in denen eigene Konzepte die örtliche Entwicklung begünstigen. Gerade aber die Länder, die ihre Entwicklung sehr rasch haben vorantreiben können, überfordern durch die damit verbundenen tiefgreifenden Umwälzungen zunehmend die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Anpassungsfähigkeit und -bereit-schaft weiter Teile ihrer Bevölkerung.
    Ein besonders gravierendes Problem bildet in diesem Zusammenhang das anhaltend rasche Wachstum der Bevölkerung in den Ländern der Dritten Welt: Die Lebenserwartung ist dort seit Jahrzehnten stark gestiegen, die Geburtenraten beginnen sich dieser Entwicklung erst allmählich anzupassen.
    Wenn man also davon ausgeht, daß Unterentwicklung durch eine Mehrzahl von Faktoren verursacht ist, müssen die komplexen Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen, technologischen, sozialen, kulturellen, politischen und ökologischen Faktoren ermittelt werden und in die Konzeption unserer entwicklungspolitischen Zielvorstellungen Eingang finden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Einführung z. B. neuer Technologien nützt nichts, wenn nicht auch institutionelle Reformen wie etwa eine Agrarreform durchgeführt werden. Wir müssen die Grundidee der Entwicklungshilfe, der Hilfe zur Selbsthilfe, neu überdenken.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Es mehren sich Anzeichen, daß die Gewöhnung an Entwicklungshilfe in manchen Empfängerländern auf längere Sicht gegenläufig wirken kann. Die Aktivität der einheimischen Bevölkerung ist auf Grund der umfangreichen Hilfsleistung in extremen Fällen rückläufig. Hier ist es wie auch sonst bei Subventionen: Wer auf Dauer alimentiert wird, gerät in die Versuchung, von eigenen notwendigen Anstrengungen abzulassen.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Lassen Sie mich abschließend einige Kriterien nennen, an denen sich die Entwicklungspolitik der Zukunft nach Meinung meiner Fraktion ausrichten muß. Dabei werden Sie feststellen, meine Damen und Herren, daß wir uns hier durchaus in der Kontinuität unserer Politik bewegen.
    Wir lehnen weiterhin jeglichen Versuch ab, den West-Ost-Konflikt in die Nord-Süd-Politik hineinzutragen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Einteilung in sogenannte gute und schlechte Entwicklungsländer ist untauglich. Die Mittelvergabe darf nicht zur Prämie für politisches Wohlverhalten degenerieren.

    (Beifall bei der SPD — Bindig [SPD]: Das halten Sie bei der FDP aber mal durch! — Zurufe von den GRÜNEN)

    — Aber Herr Bindig, lassen Sie sich doch überraschen!

    (Schwenninger [GRÜNE]: Mehr Rückgrat!)

    Die Mittelvergabe hat sich vielmehr primär an der Befriedigung von Grundbedürfnissen der Menschen in der betreffenden Region auszurichten. Nichts, meine Damen und Herren, darf uns daran hindern, auf Menschenrechtsverletzungen empfindlich zu reagieren.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Regelverletzungen einer Regierung dürfen aber nicht zu einer zusätzlichen Bestrafung der betroffenen Länder und Völker werden, indem man einem solchen Land und seiner Bevölkerung selbst eine grundbedürfnisorientierte Entwicklungshilfe verweigern würde.

    (Bindig [SPD]: Sehr gut!)

    Entwicklungshilfe und Außenpolitik dürfen nicht gegenläufig sein, sondern sollen sich in enger Abstimmung zwischen den Koalitionspartnern sinnvoll und kooperativ ergänzen. Ich möchte in diesem Zusammenhang dem Minister ausdrücklich dafür danken, daß er hier heute mit seiner Zusage für
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2987
    Frau Seiler-Albring
    Nicaragua ein Zeichen in diesem Sinne gesetzt hat.

    (Beifall bei der FDP)

    Unsere Politik, meine Damen und Herren, muß die Selbständigkeit der Staaten der Dritten Welt fördern, die Blockfreiheit in diesen Ländern stärken. Weder sollten wir die Systeme der politischen Unterdrückung, gleich, welcher Provenienz — das bitte ich einmal eindeutig zu beachten —, stabilisieren noch versuchen, unser an westlichen Normen orientiertes Wertesystem anderen Ländern auf alle Fälle und um jeden Preis aufzupfropfen.
    Auch in Zeiten angespannter Haushaltslage ist es im Interesse unserer Glaubwürdigkeit im NordSüd-Dialog unsere Pflicht, unsere entwicklungspolitischen Leistungen einzuhalten und den Rahmen nach Möglichkeit auszuweiten, wobei bei der Planung des Mitteleinsatzes verstärkt die jeweiligen sozialen, kulturellen und geographischen Bedingungen und Gegebenheiten der jeweiligen Entwicklungsländer stärker zu berücksichtigen sind.
    Im Zielkonflikt, Frau Gottwald, zwischen dem Verzicht auf Lieferbindungen einerseits, für die es ja gute Gründe gibt — die langfristigen Interessen auch der deutschen Wirtschaft auf den Weltmärkten, die Absage an protektionistische Tendenzen —, und dem Kriterium Beschäftigungswirksamkeit angesichts der hohen Arbeitslosigkeit bei uns zu Lande andererseits — was auch unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz unserer Entwicklungshilfepolitik in der Bevölkerung von Wichtigkeit ist — sollte man versuchen, einen Mittelweg zu beschreiten, der bei der Entscheidung über ein Projekt die Priorität des entwicklungspolitischen Nutzens für das Empfängerland betont, und erst dann eine Auswahl der Projekte mit Beschäftigungswirksamkeit auch für die Bundesrepublik treffen.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Dies dürfte angesichts des 1982 erreichten deutschen Auftragsanteils an entwicklungspolitischen Maßnahmen von 82 % im Grundsatz auch kein Problem sein.
    Meine Damen und Herren, Entwicklungspolitik soll nach unserem Selbstverständnis die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der Länder der Dritten Welt verbessern und das Nord-Süd-Gefälle mildern. Entwicklungspolitik ist aber nicht zuletzt auch Politik zur Stabilisierung und Sicherung des Friedens.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Des NATO-Friedens!)

    Deshalb muß es uns sehr nachdenklich stimmen, wenn wir hören, daß die Aufwendungen der Staaten der Dritten Welt für ihre militärischen Zwecke — oft zu Lasten ihrer Entwicklungsaufgaben — ständig ansteigen und daß der Anteil der Entwicklungsländer an den weltweiten Rüstungsausgaben, der 1965 noch bei 6 % lag, heute mehr als 15% beträgt.

    (Zuruf der Abg. Frau Gottwald [GRÜNE])

    — Frau Gottwald, wir haben Ihnen auch zugehört. Seien Sie doch so nett, auch zuzuhören; ich bin gleich fertig.
    Meine Damen und Herren, wenn wir im Grundsatz übereinstimmen, daß Entwicklungspolitik der Sicherung des Friedens dient, muß es uns bedenklich stimmen, daß die Länder des Ostblocks Entwicklungspolitik offensichtlich nur im Zusammenhang mit Militärhilfe sehen.

    (Frau Gottwald [GRÜNE]: Jetzt kommt das schon wieder!)

    Das steht im krassen Widerspruch zu den sonst bei jeder Gelegenheit auftauchenden Beteuerungen, daß die Staaten des Warschauer Paktes besonders friedensliebend seien.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Auch die Argumentation, die Staatshandelsländer seien für die Misere in den Entwicklungsländern nicht verantwortlich, überzeugt nicht. Es geht doch nicht um die Haftbarmachung von etwaigen Schuldigen, sondern um unmittelbare humanitäre und dann erst wirtschaftliche oder technologische Hilfe. Leider müssen wir feststellen, meine Damen und Herren, daß in manchen Regionen der Dritten Welt, in denen sich die Sowjetunion einmal besonders stark engagiert, Kalaschnikows in weit höherem Maße vorhanden sind als Schraubenschlüssel.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Und zur amerikanischen Militärhilfe sagen Sie nichts!)

    Nein, meine Damen und Herren, Entwicklungspolitik, wie wir sie sehen, wie wir sie definieren, dient dem Ziel, das Verständnis für die Probleme der Dritten Welt bei uns zu fördern, die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in den Entwicklungsländern zu verbessern, Konflikte abzubauen und den Frieden in dieser Region sichern zu helfen.
    Wir Freien Demokraten werden dem Einzelplan 23 unsere Zustimmung geben.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauchler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Ingomar Hauchler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat im Mai dieses Jahres stolz verkündet, die Bundesregierung wolle ihre Entwicklungshilfe überdurchschnittlich steigern, obwohl sie im Gesamthaushalt zu schmerzhaften Sparmaßnahmen gezwungen sei. Und siehe da — Herr Brück hat darauf hingewiesen —: Die Baransätze des Einzelplans 23 steigen tatsächlich überproportional. Hat er also Wort gehalten, der Minister?

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Hat er!) Nein, meine Damen und Herren.


    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Doch, hat er!)

    2988 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
    Dr. Hauchler
    Er führt uns ein Täuschungsmanöver vor.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Denn der Maßstab zur Beurteilung des entwicklungspolitischen Engagements — das wissen Sie ganz genau — ist ja nicht das, was 1984 von den Mitteln, die die sozialliberale Regierung zugesagt hat, abfließt. Maßstab ist vielmehr das, was diese neue Regierung 1984 an neuen Zusagen an Entwicklungsländer gibt. Und da wird, wie in kaum einem anderen Ressort, gekürzt, was die Sohle hält.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das nehmen Sie sofort zurück! — Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das ist doch eine Politik der Wechselreiterei!)

    — Das kann ich nicht zurücknehmen, weil es die Wahrheit ist.
    Die Bundesregierung will mit der Steigerung des Baransatzes die Tatsache verstecken, daß sie die Entwicklungshilfe mit dem Haushalt 1984 tatsächlich massiv einschränkt. Was scheinbar als Wohltätigkeit daherkommt, entpuppt sich bei näherem Zusehen als Propagandatrick. Was als Kontinuität verkauft wird, bedeutet in Wahrheit den Bruch mit der bisherigen Entwicklungspolitik. Herr Schröder, es ist einfach nicht wahr, wenn Sie sagen, daß die Entwicklungspolitik der Bundesregierung auf der gemeinsamen Entschließung aller Parteien dieses Hauses beruht; das ist nicht zu halten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es widerspruchslos hingenommen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir werden beweisen und in der Öffentlichkeit klarmachen, daß die Entwicklungspolitik der neuen Regierung eine Abkehr von globaler Verantwortung und eine Hinwendung zu einer realpolitisch verbrämter, skrupelloser Politik des Eigeninteresses ist.

    (Beifall bei der SPD — Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wir werden zeigen, daß das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter diesem Bundeskanzler zur Marketing-Agentur deutscher Wirtschaftsinteressen degeneriert.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Repnik [CDU/CSU]: Das glauben Sie ja selbst nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Koalitionsfraktionen steigen mit diesem Haushalt aus dem Konsens aus, der zwischen allen Parteien dieses Hauses in der Entwicklungspolitik bestanden hat.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Mäßigen Sie sich! — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine Jungfernrede!)

    Als Sie am 5. März mit uns gemeinsame entwicklungspolitische Grundsätze beschlossen, waren Sie noch mit uns einig, daß die ärmsten Länder, die Deckung der Grundbedürfnisse und die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit Vorrang genießen. Damals hoben Sie noch die Bedeutung multilateraler Hilfe hervor, betonten noch, daß die Länder der Dritten Welt ihren eigenen Entwicklungsweg gehen müßten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Damals waren auch für Sie die sozialen Auswirkungen von Entwicklungsprojekten und die Verwirklichung der Menschenrechte noch zentrale Kriterien für die deutsche Entwicklungshilfe.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Richtig, auch heute noch!)

    Damals noch wollten Sie sich im Internationalen Währungsfonds dafür einsetzen, daß bei der Kreditvergabe entwicklungspolitische Ziele nicht außer acht gelassen werden.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Richtig, auch heute noch!)

    Das war vor eineinhalb Jahren.
    Und was tun Sie jetzt? Ich will Ihnen sagen, was Sie jetzt tun:
    Erstens. Sie fahren die Entwicklungshilfe insgesamt drastisch herunter.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch nicht!)

    Herr Schröder sprach von der besonderen Nähe, von neuer Qualität. Das ist alles richtig. Da stimmen wir Ihnen zu. Da muß einiges verbessert werden. Aber, wissen Sie, ohne Geld geht es auch nicht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr habt es ja ausgegeben!)

    Zweitens. Sie kürzen am meisten bei den ärmsten Ländern.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Stimmt auch nicht!)

    Deren Anteil an den Mitteln für finanzielle Zusammenarbeit sinkt von 31,1 % im letzten Jahr auf, sage und schreibe, 18,5 % bei den Verpflichtungsermächtigungen.

    (Kuhlwein [SPD]: Hört! Hört! Den Ärmsten wegnehmen, das ist die Politik der CDU/ CSU!)

    Dafür steigt der Anteil der bessergestellten Entwicklungsländer: Ägypten, Indien, Indonesien, Israel. Dies schlägt jeder Menschlichkeit ins Gesicht.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Drittens. Sie scheren sich nicht mehr darum, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Unglaublich!)

    Oder wie können Sie es rechtfertigen, daß der Staat der Todesschwadronen, El Salvador, 1984 ganz neu in den Kreis der Empfängerländer aufgenommen wird, daß bei Diktatur- und Folterregimen wie den Philippinen und der Türkei nicht gekürzt wird? Wie erklären Sie sich das?

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Dafür Benin, Guayana, Mozambique!)

    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2989
    Dr. Hauchler
    Herr Bundesminister, Sie sagten kürzlich: „Wir werden Freunde wie Freunde behandeln." Sind Marcos und die türkischen Generäle Ihre Freunde?

    (Schwenninger [GRÜNE]: Vor falschen Freunden kann man nur warnken!)

    Viertens. Sie vermindern den Anteil der multilateralen Hilfe der UNO und erhöhen den Anteil der bilateralen Hilfe. Geschieht das allein aus Effizienzgründen?

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sehr gut, ja!)

    Steckt dahinter nicht eine ganz neue Innovation, Ihre Innovation, die Absicht nämlich, die Entwicklungsländer direkter zu politischem Wohlverhalten zu zwingen?

    (Dr. Holtz [SPD]: Das ist es! — Schwenninger [GRÜNE]: Wes Brot ich eß, des politisch Lied ich sing!)

    Fünftens. Sie kürzen dort, wo Entwicklungsländer einen eigenständigen wirtschaftlichen und sozialen Weg beschreiten. Bei Nicaragua sperren Sie die zugesagten 40 Millionen DM.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Stimmt auch nicht!)

    In Tansania betreiben Sie den ganz großen Kahlschlag; Sie streichen 70 % der bisherigen Zusagen.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Sauerei!)

    Ist Ihnen eigentlich alles verdächtig, was nicht am Wesen der westlichen Kapitalkultur genesen will?

    (Beifall bei der SPD — Frau Gottwald [GRÜNE]: Natürlich, claro!)

    Hat das nicht mit Ideologie zu tun? Hat das nicht damit zu tun, daß Sie den gemeinsamen Weg verlassen und ideologischen Ballast aufbauen?

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Gewiß nicht!)

    Und dafür gibt's reichlich dort, wo multinationale Konzerne ein geeignetes Feld für Profit und Rohstoffausbeutung finden, etwa in Zaire.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ein Gruselkabinett ist das!)

    Sind Sie, Herr Kollege Warnke, bei Zaire so spendabel, weil Ihr bayerischer Sponsor den Herrn Mobutu so sehr sympathisch findet, den afrikanischen Staatspräsidenten, der die dicksten Schweizer Konten unterhält?

    (Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU]: Woher wissen Sie denn das?)

    Sechstens. Sie haben entgegen Ihrer früheren Erklärung keine Hemmungen, sich in das Boot des Internationalen Währungsfonds zu setzen. Sie machen also die Politik mit, bei der sich eine von den internationalen Großbanken gesteuerte Behörde zur Supermacht der Dritten Welt aufwirft.

    (Beifall bei der SPD)

    und ohne Rücksicht auf soziale Belange oder politische Destabilisierungen über Wohl und Wehe der
    Entwicklungsländer entscheidet. Wenn Sie die bila-
    terale deutsche Hilfe zuerst versteckt und dann kürzlich offen durch eine Weisung im Ministerium von der Gefügigkeit gegenüber dem IWF abhängig machen, geht dies nach dem Motto „Wer nicht pariert, den Bankerott riskiert."

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Singen Sie doch gleich die Internationale! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Siebtens. Sie billigen, daß der IWF für das reichste Land Afrikas, die sogenannte Republik Südafrika binnen kurzer Zeit 3 Milliarden Kredit lokkermacht, während für Tansania eine halbe Milliarde nach vierjährigen Verhandlungen noch zu viel ist.

    (Zuruf von der SPD: Ein monetärer Skandal!)

    Steht das rassistische Südafrika der Bundesregierung so viel näher als Tansania,

    (Schwenninger [GRÜNE]: Natürlich!)

    das in ganz Afrika am meisten für die Gesundheit, Ernährung und Bildung der Masse seiner Bevölkerung getan hat?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ist es denn wirklich wahr, was die „Wirtschaftswoche" schreibt, daß nämlich das Entwicklungsministerium „Straußens heimliches Außenministerium" ist? Wann, Herr Kollege Warnke, müssen Sie selbst auch offiziell räumen?

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Achtens. Sie können nicht genug tun, um die aus Steuergeldern finanzierte staatliche Entwicklungshilfe zum Zugpferd für ausländische Privatinvestitionen zu machen und so den Akzent zu verlagern von langfristiger struktureller Wirtschaftsförderung in den Entwicklungsländern hin zu kurzfristigem Interesse der Kapitalländer an hohen Privatrenditen und schnellem Rücktransfer von Kapital. Warum ziehen Sie eigentlich nicht die Konsequenzen daraus, daß ein Entwicklungsweg, der einseitig auf das Spiel der Marktkräfte setzt, in vielen Ländern gescheitert ist: in Brasilien, in Mexiko, in Venezuela, in Argentinien, in Chile? Warum ziehen Sie die Konsequenzen nicht?
    Schließlich: Sie binden die staatliche Entwicklungshilfe zunehmend daran, daß deutsche Unternehmen daran verdienen. Wenn wir als SPD auch grundsätzlich begrüßen, daß deutsche Firmen bei Lieferungen berücksichtigt werden — —

    (Aha! bei der CDU/CSU)

    — Das begrüßen wir selbstverständlich. Das haben wir immer getan. Aber das darf nicht zur Folge haben, daß führende Konzerne sich den Markt der Entwicklungsländer aufteilen und dann hohe Renditen und Preise einstreichen. Das darf nicht dazu führen, daß wir Technologien exportieren, die in den Entwicklungsländern nicht gehandhabt werden
    2990 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
    Dr. Hauchler
    können und zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit führen?

    (Zuruf von der FDP: Wollen Sie, daß die Verluste machen? Oder was wollen Sie?)

    Und wie stark wirkt seit der Regierungsübernahme der Rechtskoalition die deutsche Industrie eigentlich selbst ein auf die Auswahl der Entwicklungsprojekte? Wie stark ist dieser Einfluß?

    (Zurufe von der SPD und der CDU/CSU)

    Und wie souverän ist eigentlich Herr Minister Warnke in dieser Frage noch? Kollege Warnke, sind Sie noch unabhängiger Entwicklungsminister? Oder sind Sie in erster Linie Handlungsreisender im Auftrag der deutschen Industrie?

    (Zurufe von den GRÜNEN — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich will nicht verkennen, daß auch Mitglieder der Regierungskoalition nach wie vor an dem alten Konsens in der Entwicklungspolitik festhalten, daß auch viele von ihnen Bauchschmerzen haben, wenn sich das Entwicklungsministerium zur Außenhandelsstelle des Lambsdorff-Ministeriums mausert.

    (Zuruf von der SPD: Da kann man nur „warnken"!)

    Ich will auch zugeben, daß manches, was die sozialliberale Koalition an Vernünftigem auf den Weg gebracht hat, weiterhin in Ihren Reden propagiert wird: Grundbedürfnis zuerst, Akzent auf ländliche Entwicklung, Förderung von regenerierbaren Energiequellen usw. Aber die Fakten, die von der neuen Regierung gesetzt werden, beweisen leider, daß alle diese Gesichtspunkte von zwei neuen beherrschenden Akzenten überlagert werden.
    Erstens, die Entwicklungspolitik wird in den Händen der neuen Regierung zum Instrument einer neuen Handels- und Investitionsoffensive der westlichen Industriestaaten. Entwicklungshilfe wird zum Transport-, Lock- und Drohmittel für „Freiheit und Ordnung", wie Sie sie, aber nicht wir meinen. Da gibt es wenig Rücksicht auf einen eigenständigen Weg afrikanischer, asiatischer, lateinamerikanischer Staaten, keine Beachtung kultureller Identitäten.

    (Zuruf von der FDP: Fragen Sie mal die Bétroffenen!)

    Glauben Sie ja nicht, daß sich die SPD hier zu Ihrem Komplizen macht.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren von der CDU/CSU und FDP, wer souveränen Staaten seine ordnungspolitischen Vorstellungen aufdrängen und sie über Hilfe von sich abhängig machen will: handelt der nicht nach wie vor kolonialistisch?

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wollen Sie wirklich, daß am Ende die ganze Welt unseren Tanz ums goldene Kalb mittanzt?

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Sagen Sie also nicht Freiheit, wenn Sie Profitchancen meinen. Sagen Sie nicht Dialog, wenn erpreßt
    wird. Und sprechen Sie nicht von Hilfe, wenn Abhängigkeit erreicht werden soll.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Sie treiben sonst Schindluder mit der Wahrheit.


    (Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU]: Das ist ja schlimmer als die Gottwald! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Zweitens: Die Entwicklungshilfe wird in den Händen der neuen Regierung doch tatsächlich, Frau Seiler-Albring, auch zum Instrument veränderter und verschärfter Ost-West-Beziehungen und -Konfrontation. Der Nord-Süd-Dialog verdampft hier in antikommunistischer Besessenheit.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was jüngst der Rüstungsfrage offenbar geworden ist, gilt nun auch in der Entwicklungspolitik: Vasallentreue zur westlichen Supermacht bestimmt das Handeln und nicht die selbstbewußte Nutzung eigener internationaler Spielräume.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wie nahe diese Vermutung liegt, beweist die Tatsache, daß die neue Bundesregierung auch in der Entwicklungspolitik Schritt für Schritt den Direktiven der Reagan-Administration folgt, die die Menschenrechtspolitik Carters verächtlich durch eine Politik der Stärke in ihren Vor- und Hinterhöfen ersetzt, die ihre Militärhilfe zu Lasten echter Entwicklungshilfe erhöht und die unverfroren den Ost-West-Konflikt globalisiert.
    Warum spricht der Bundeskanzler nicht endlich ein klärendes Wort, daß die Reise der deutschen Entwicklungshilfe nicht in diese Richtung geht?

    (Schwenninger [GRÜNE]: Weil er nicht durchblickt in dem Bereich! — Werner [CDU/CSU]: In welche Richtung wollen Sie denn fahren?)

    Die Probleme der Entwicklungsländer, Herr Hüsch, sind zu bedeutsam, als daß sie dem geopolitischen Strategen aus München als Spielwiese überlassen werden dürften,

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    jenem Geostrategen, der sich selbst ernannt hat und der Pinochet — passen Sie gut auf —, Marcos, Botha und Mobuto seine engen Freunde nennt.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)