... mit der der beschäftigungswirksame und außenpolitische Hammer auf die letzten noch sinnvollen Nischen im Ministerium niedersaust.
In sämtlichen vermeintlich bloß entwicklungspolitischen Auseinandersetzungen der letzten Zeit — sei es zu Zentralamerika, sei es zum südlichen Afrika, zum Nahen Osten oder zum fünften entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung — gaben außenpolitische, ökonomische und ordnungspolitische Gesichtspunkte den Ausschlag. Liest man den entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung, also das zentrale Regierungsdokument zum Thema, so stellt man fest, daß es sich in weiten Strecken um einen Investitionshilfebericht für die Industrie handelt. Dort ist die Rede von Niederlassungskrediten, Technologieprogrammen, Förderung betrieblicher Kooperation, Kapitalanlagegarantien, Bürgschaften für ungebundene Finanzkredite, Exportförderung, Mischfinanzierung und ähnlichen Nettigkeiten.
Um die Bedürfnisse und den Bedarf der Entwicklungsländer geht es jedenfalls nicht. Man gewinnt den Eindruck, als würden die Hungernden in der Dritten Welt von den Überschußexporten und vom überschüssigen Kapital unserer kaputten Industriegesellschaft satt. Der einzige Effekt, den diese Politik für die Entwicklungsländer hat, ist das stetige Steigen der Verschuldungsspirale. Mich erinnert diese Politik an das Drama eines Fixers:
Der erste Schuß ist umsonst oder zu günstigen Konditionen; danach gibt es kein Entrinnen mehr. Die Wahl ist nicht mehr frei, die Mittel sind knapp. Die Antwort ist: Rechnungen, Bedingungen, Auflagen.
2984 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Frau Gottwald
Hintergrund dieses entwicklungspolitischen Unsinns ist die Philosophie der Gleichheit von Ungleichen, die Philosophie der freien Marktwirtschaft und des uneingeschränkten internationalen Handels, der zwar das Elend und die Abhängigkeit in der Dritten Welt hervorruft, aber wenigstens den kapitalkräftigen Fraktionen in den Industrieländern die Bäuche sättigt.
Ordnungspolitischer Garant dieser Politik sind der Internationale Währungsfonds und seine Subinstitutionen, an dessen politischen Leitlinien sich die bundesdeutsche Entwicklungspolitik orientiert.
— Ja. — Länder, die sich diesen westlichen Werten nicht unterordnen und weiterhin auf das Recht einer eigenen Entwicklungswegstrategie pochen, wird der Geldhahn zugedreht. Tansania ist eines der Opfer dieser Politik.
Weil es nicht bereit war, sich gänzlich der IWF-Politik unterzuordnen, ist die Entwicklungshilfe im Etat 1984 gekürzt worden.
Generell werden die Länder bevorzugt mit Entwicklungshilfe versehen, die bundesdeutsche Produkte mit diesen Krediten kaufen. „Lieferbindungen" nennt man es nicht, es sind aber welche. Um die Kapitalhilfe ja nicht verpuffen zu lassen, hat die Bundesregierung im neuen Einzelplan 23 den Titel für die finanzielle Zusammenarbeit vorsorglich mit folgendem neuen Zusatzpunkt versehen — ich zitiere —: „Es werden auch solche Vorhaben gefördert, die gleichzeitig struktur- und beschäftigungs- und konjunkturpolitisch wirksam sind."
Das Wort „auch" kann gestrichen werden. Der Vorsatz ist eh erfüllt.
Schon die alte Bundesregierung hat 1980 eine Studie beim Deutschen Institut für Wirtschaft in Berlin zur Bemessung der Effizienz der sogenannten Entwicklungshilfe für die hiesige Wirtschaft in Auftrag gegeben. Das Ergebnis war: Jede Mark Entwicklungshilfe kommt als Auftrag im Wert von 1,25 DM zurück. Heute dürfte das Geschäft noch lukrativer geworden sein.
Im Einzelplan 23 liegt das Schwergewicht auf den Titeln, von denen sich die Bundesregierung eine Entlastung der hiesigen Wirtschaft verspricht. Das Interesse ist so groß, daß selbst Titel wie das Niederlassungsprogramm oder das Technologieprogramm favorisiert werden, die laut Evaluierungsberichten wenig effizient sind. Ganz anders geht man jedoch mit Titeln um, die zwar laut eigener Programmatik Schwerpunkte darstellen sollen, aber, da sie materiell nichts bringen, zunehmend Alibifunktion erhalten und auch so behandelt werden. Zu nennen sind hier die Förderung privater Träger, die nicht dem wirtschaftlichen Bereich angehören, und die personelle Zusammenarbeit, die nicht zum wirtschaftlichen Bereich zu zählen ist, also keine betriebliche Beratung usw.
Dem DED als dem wichtigsten Instrument der personellen Zusammenarbeit wird das Leben politisch und finanziell schwergemacht. Wir haben diesbezüglich einen Änderungsantrag eingereicht und hoffen, daß der Erhöhung der Mittel für den DED zugestimmt wird. Ich verweise dabei nochmals auf die Empfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Erhöhung des Titels. Gemeint war nicht die Umschichtung der Finanzen zwischen den beiden Titeln, wie sie vom Haushaltsausschuß vorgenommen worden ist.
Erhöht wurde hingegen der Titel für die hauseigene Propagandaarbeit des BMZ, die Public-Relations-Arbeit für den Minister und seine tiefschürfenden Hochglanzbroschüren. Im Ausschuß abgelehnt wurde allerdings die von uns beantragte Erhöhung der Mittel für entwicklungspolitische Aktionsgruppen von lediglich 120 000 DM auf 170 000 DM. Obwohl von Regierungsseite und CDU/ CSU stets die Wichtigkeit von Öffentlichkeitsarbeit betont wird, wurde dem nicht zugestimmt. Dieser Vorsatz bezieht sich wohl nur auf die Regierungspropaganda und die eigene Parteipolitik.
Noch ein Wort zur Außenpolitik des BMZ. Allein ein Viertel der gesamten Kapitalhilfe fällt dem Kriegstreiber Israel, der NATO-Diktatur Türkei und den Integrationsländern für den Nahen Osten, Ägypten und Jordanien zu. Es dürfte der Bundesregierung schwerfallen, diese Schwerpunkte entwicklungspolitisch zu legitimieren. Aber sie versucht es j a auch schon lange nicht mehr. Übrigens waren die Konturen dieser Prioritätensetzung auch schon unter sozialliberaler Führung sichtbar. Ich erinnere nur an die massive Türkeihilfe.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Zentralamerikapolitik der Bundesregierung. Die Absicht der Bundesregierung ist klar.
— Gedulden Sie sich, es kommt sofort. — Mit dem Argument, in dieser Region entwicklungspolitisch verschärft aktiv werden zu wollen, liefert sie sich eine Legitimation für die geplante Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit dem Terrorregime in El Salvador. Das Auswärtige Amt spielt die Begleitmusik mit der Wiederentsendung eines Botschafters dazu.
Ganz abgesehen davon, daß es auf lange Sicht überhaupt keine Chancen auf zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Sinne einer bevölkerungsnahen Politik in El Salvador gibt, scheint sich die Zusammenarbeit nicht mit allen Ländern der Region zu verstärken. Die Mittel für Nicaragua — ein Land, in dem es sich auf Grund der günstigen Rahmenbedingungen lohnt, entwicklungspolitisch aktiver zu werden — werden gekürzt bzw. bereits seit 1981 vorgesehene Mittel werden blockiert; das mit Argumenten, die nur noch als bewußte politische Denunziation bezeichnet werden können, oder mit vorgeschobenen technischen oder projektbezoge-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2985
Frau Gottwald
nen Schwierigkeiten, wobei diese Aussagen einer Überprüfung nur schwerlich standhalten werden.
Abgesehen von der unverantwortlichen Unkenntnis der Entscheidungsträger im BMZ über die Situation in Nicaragua, allen voran der Minister — ich unterstelle einmal, daß es Unkenntnis ist —, hat die geplante Zentralamerikapolitik des BMZ mit Entwicklungshilfe im eigentlichen Sinne des Wortes überhaupt nichts zu tun. Es handelt sich um einen außenpolitischen Vorstoß des BMZ, wobei die Konzeption aufs engste mit dem Bündnispartner, der in dieser Region für die Kriege verantwortlich ist, abgestimmt zu sein scheint.
Wenn man den demokratischen Wiederaufbau Nicaraguas will, ist es unverantwortlich, in diesem Moment die Mittel zu kürzen oder nicht auszuzahlen. Wir werden deshalb den Antrag auf Erhöhung der Kredite für Nicaragua und auf Streichung der 20 Millionen DM für El Salvador stellen.
Vor diesem Hintergrund lehnen wir den Einzelplan 23 selbstverständlich ab.
Noch ein Bonmot für die besonders engagierten Entwicklungspolitiker im Saal.
In der Übersicht des Einzelplans 23 ist zu den Ausgaben der Bundesrepublik auf dem Gebiet der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit in den Anmerkungen zu lesen — ich zitiere —:
Einzelnen Entwicklungsländern werden ferner Rüstungsaufträge aus Ausgaben des Epl. 14 erteilt, die der Förderung der Wirtschaft dieser Länder dienen.
Das heißt, dieser Betrag fließt selbstverständlich mit in das Volumen der Entwicklungshilfe, die die Bundesrepublik leistet, ein.
Ich denke, das bedarf keiner Kommentierung. Ich möchte nur darauf hinweisen, weil sich die Bundesrepublik immer so rühmt, so einen großen Etat zu haben.
Ich danke Ihnen.