Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
2966 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Vizepräsident Stücklen
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30: Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie.
Ich rufe zuerst den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/749 zur Abstimmung auf. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/781. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe jetzt den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/782 auf. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über den Einzelplan 30 ab. Wer dem Einzelplan 30 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine. Dieser Einzelplan ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 31
Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft
— Drucksachen 10/652, 10/659 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Rose Zander
Verheyen
dazu:
Zweite Beratung des Art. 22 des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984
— Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 —
Zum Einzelplan 31 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/750 vor.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat eine verbundene Aussprache von 60 Minuten für den Einzelplan 31 und Art. 22 des Haushaltsbegleitgesetzes vereinbart. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wird von einem der Berichterstatter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vogelsang.
Vogelsang: : Herr Präsident! Meine verehrten Damen! Meine Herren! Damit wir am Anfang dieser Diskussion nicht zu falschen Ansätzen kommen, will ich gleich darauf hinweisen, daß es falsch wäre, wenn wir uns hier heute abend bei dieser Debatte über den Einzelplan 31 gegenseitig vorwerfen würden, die einen seien für die Konsolidierung und die anderen seien dagegen. Das wäre ein völlig falscher Ansatz, denn uns geht es nicht um die Frage, ob für oder gegen Konsolidierung. Natürlich sind auch wir für Haushaltskonsolidierung. Hier findet vielmehr eine Auseinandersetzung über das Wie und das Wo statt.
Da lohnt es sich wohl, sich die finanzielle Entwicklung des Einzelplans 31 einmal anzusehen. Das Soll in diesem Haushaltsjahr war 4,6 Milliarden DM und wird im nächsten Jahr 4 Milliarden DM sein. Das heißt, allein in diesem einen Haushalt werden rund 600 Millionen DM gestrichen. Damit ist es ein Haushalt, in dem die Streichungen — sicherlich nicht allein hinsichtlich der Menge, aber prozentual — gegenüber allen anderen Einzelplänen am größten sind,
und das, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, in dem Augenblick, wo 1,2 Millionen Studenten an den Hochschulen studieren, wo im Jahre 1983 über 710 000 Jugendliche einen Ausbildungsplatz suchen. Ausgerechnet in dieser Zeit, wo wir in einer solch schwierigen Situation gegenüber der Jugend sind, streichen Sie den Haushalt in diesem einen Bereich um 600 Millionen DM zusammen. Wir reden ja bereits über das Jahr 1984. Das bedeutet, wir werden im Herbst nächsten Jahres 740 000 Jugendliche haben, die einen Ausbildungsplatz suchen.
Bei dieser Zahl, Frau Dr. Wilms, begrüßen wir Sie in dem Kreis derer, die in der Vergangenheit von Ihnen ein bißchen verspottet worden sind als diejenigen, die Horrorzahlen in die Welt setzen. Da Sie diese Zahl — 740 000 Nachfrager — j a nun akzeptieren, können wir uns darüber freuen, daß Sie in das Jahr 1984 wohl mit wachsender realistischer Einschätzung hineingehen.
Die Haushaltskürzung findet auch zu einer Zeit statt, wo 50 000 Jugendliche — in diesem Jahr — keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Wer sich mit der Materie beschäftigt weiß, wie diese Zahl geschönt ist, weil nämlich zirka 20 000 bis 25 000 Nachfrager in diesem Bereich nicht in die Statistik eingegangen sind, die in Ermangelung eines betrieblichen Ausbildungsplatzes schulische Ausbildungsgänge aufgenommen haben, obwohl sie betriebliche Ausbildungsgänge suchten.
— Aber Herr Nelle, auf den 30. September 1983. Das ist doch selbstverständlich. Das steht doch im Gesetz.
Hier wird also von der Bundesregierung eine Gleichung aufgestellt: Haushaltssanierung geht vor Ausbildung. Sie werden von uns nicht verlangen können, daß wir diese Gleichung mittragen.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode -- 42_ Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2967
Vogelsang
Ich würde verstehen, wenn Sie also CDU/CSU sagten: Aber wir sind doch an der großen Anzahl der Jugendlichen nicht schuld. Wir haben das in unserer Regierungszeit nicht alleine zu verantworten. Meine Antwort darauf: Erstens darf ich Sie daran erinnern, daß Sie ganz schön gedrängelt haben, damit Sie in die Regierung kamen, und daß Sie nicht einmal die Geduld hatten, das Ende einer Legislaturperiode abzuwarten,
und zweitens müssen wir uns, wenn in Ihrer Frage auch ein Stückchen Berechtigung steckt, doch über eines im klaren sein: Den Betroffenen selbst können wir es doch nun wirklich nicht anlasten, daß sie so viele sind.
Ich finde es unanständig, wenn Sie diese großen Zahlen z. B. zum Anlaß nehmen, das Jugendarbeitsschutzgesetz zu durchlöchern. Ich frage Sie rhetorisch: Würden Sie das auch machen, wenn wir ein Gleichmaß von Angebot und Nachfrage bei den Ausbildungsplätzen hätten? Ich finde es unanständig, daß man davon ausgeht, daß diese Jugendlichen Anspruch auf weniger Arbeitsschutz haben, als wir das alle gemeinsam im Jahre 1976 festgelegt haben, und zwar allein deswegen, weil hier aus Ihrer Sicht eine Übernachfrage besteht. Ich erinnere daran, daß Sie dieses Jugendarbeitsschutzgesetz damals mit uns gemeinsam verabschiedet haben.
Ich muß aber meine Kollegen von der FDP ansprechen, mit denen uns j a eine jahrelange, wie ich hoffe, gute Zusammenarbeit verbunden hat. Sie waren damals doch diejenigen, die am meisten darauf bestanden haben, daß der Bund möglichst viele Einflußmöglichkeiten auf die Bildungspolitik bekommt. Und da frage ich Sie: Wie können Sie es zulassen, wie können Sie eine Politik tragen — ich müßte, Herr Neuhausen, eigentlich fragen: wie können Sie eine Politik ertragen —, in der das Bundesausbildungsförderungsgesetz, soweit es die Schüler angeht, zu Ländergesetzen mit völlig verschiedenen Inhalten degradiert wird, sofern die Länder bisher ein Gesetz vorgelegt haben?
Sie machen sogar das Kuriosum mit, daß die Schüler, die zu Hause wohnen, nach Ländergesetzen gefördert werden, und die Schüler, die nicht zu Hause wohnen, nach Bundesgesetz gefördert werden. Mehr an Durcheinander kann man doch wohl kaum herbeiführen.
Sie lassen auch zu — und das bedaure ich —, daß wir keine bundeseinheitliche Regelung in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zustande bringen, die wir j a bereits einmal hatten. Sie lassen auch zu, daß die BLK, die Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, demontiert wird.
Ich frage Sie: Wo sind Ihre bildungspolitischen Grundsätze? Oder war das in der Vergangenheit alles nur Fassade?
Meine Damen und Herren, wenn ich schon nicht in der Lage bin, Ihr Herz zu erreichen, dann will ich wenigstens an Ihren Verstand appellieren.
— In der Bildungspolitik darf man nichts aufgeben, Herr Kollege Hoffmann.
Richtig ist: Unser wichtigster „Rohstoff" sind Wissen und Können, ist die Einheit zwischen Forschen, Entwickeln und Machen. Ich bitte Sie: Gehen wir mit diesem Rohstoff nicht so schludrig um, wie wir das alle gemeinsam bei anderen Rohstoffen in der Vergangenheit getan haben!
Nun werden Sie möglicherweise fragen, warum ich mich an die Regierung allgemein und nicht an die Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft wende.
Ich will Ihre Verantwortung, Frau Ministerin, in gar keiner Weise schmälern, aber ich will es mir abgewöhnen, wenn ich den Esel meine, den Sack zu schlagen. Und wenn ich Kohl meine, will ich nicht Wilms sagen, Frau Ministerin. Das ist der Grund. Denn der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik, und er hat hier dafür geradezustehen.
Ich darf ihn daran erinnern, daß er in der Regierungserklärung am 4. Mai dieses Jahres gesagt hat: „Unser Staat braucht die zupackende Mitarbeit der jungen Generation." Richtig, sage ich. Der nächste Satz heißt: „In diesem Jahr werden alle Jugendlichen, die ausbildungswillig und ausbildungsfähig sind, eine Lehrstelle erhalten können." So eng beieinander liegen Dichtung und Wahrheit in dieser Regierungserklärung!
Wir Sozialdemokraten wollen aber nicht nur kritisieren,
wir wollen auch konstruktive Vorschläge machen. Herr Daweke, dazu kennen Sie uns doch. Wir haben einen Antrag vorgelegt, mit dem wir den Versuch machen wollen, das Benachteiligtenprogramm wesentlich aufzustocken. Denn Sie alle wissen wie wir, daß die jetzigen Mittel nur ausreichen, das bestehende Programm fortzuführen, daß aber 5 000 Anträge vorliegen, die nicht befriedigt werden können.
2968 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Vogelsang
Deshalb schlagen wir vor, diesen Haushaltstitel um 100 Millionen DM zu erhöhen.
Ich denke, in dieser Situation, wo wir einen solchen Mangel an Ausbildungsplätzen haben, müßten Sie auch noch den Wünschen des Finanzministers Rechnung tragen, wenn Sie ihm dann aus diesem Haushalt heraus noch eine halbe Milliarde sozusagen über den Tisch schieben.
Ich, Kolleginnen und Kollegen, bitte Sie alle herzlich, helfen Sie dabei mit, helfen Sie mit für unsere Jugend, daß der Bildungshaushalt nicht zum Steinbruch für Haushaltssanierungen wird.
Sie, Frau Minister, haben am 13. Oktober 1983 hier im Deutschen Bundestag u. a. erklärt:
An der Sicherstellung der Ausbildungschancen für die junge Generation wird sich auch 1984 erweisen, daß Solidarität und soziale Gerechtigkeit in der Bundesrepublik nicht Leerformeln, sondern gelebte Wirklichkeit sind. Die Bundesregierung hat jetzt bereits mit ihren Arbeiten begonnen, um Lehrstellenprobleme von 1984 befriedigend zu lösen. Wir werden auf diesem Wege weiterfahren.
So weit Frau Minister Wilms. Ich bitte Sie, Ihre Möglichkeit, die Sie anschließend haben werden, zu gebrauchen, uns von diesem Pult aus zu verraten, welche Mittel und Möglichkeiten Sie sehen, welche Mittel und Möglichkeiten Sie einleiten wollen, welche Wege Sie beschreiten wollen. Es geht nicht um Ihre politische Karriere, und es geht nicht um meine; aber es geht darum, daß Jungs und Mädchen einen Anspruch darauf haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Das sollten wir uns dabei vor Augen halten. Danke schön.