Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich folge sehr gern dem Vorschlag von Frau Dr. Bard, der Vorsitzenden in unserem Forschungsausschuß, zuerst einmal über das zu sprechen, was wir tun, und dann darüber, wie wir es tun. Dazu möchte ich an den Punkten anknüpfen, die Sie, Frau Kollegin, hier vorgetragen haben.
Sie fragen: Wo haben wir hier die großen Beträge? Ich möchte die ergänzende Frage stellen: Wo haben wir die großen Zuwächse? Beides sind interessante Fragen. Wenn wir hier über die von Ihnen angesprochenen Technologien zum Hochtemperaturreaktor und zum Schnellen Brüter sprechen, müssen wir uns bewußt sein, daß dies die Bereiche sind, die im Haushalt in den kommenden Jahren stärker als alle anderen Positionen abschmelzen werden.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2963
Bundesminister Dr. Riesenhuber
Das wird deshalb geschehen, weil wir einen Weg gefunden haben, bei dem wir zuversichtlich hoffen, daß die Kosten- und Zeitpläne unter Kontrolle bleiben. Die Erfahrungen des letzten Jahres sprechen dafür.
Das heißt, wir können jetzt mit einigermaßen vernünftigen Kosten rechnen, und zwar nicht deshalb, weil der Forschungsminister — ich glaube, ich sagte es schon einmal — genial administriert, sondern weil die Wirtschaft selbst für ihr eigenes Geld kämpft. Das ist das einzige Mittel, das zuverlässiger zur Erhaltung des Kostenplans führt als die beste Administration.
Jetzt stellt sich die zweite Frage: Hätten wir das Recht gehabt, diese Reaktoren aufzugeben? Beim Hochtemperaturreaktor sind wir soweit, daß er in den letzten Wochen kritisch wurde, d. h. er ist praktisch fertig.
— Frau Kollegin, ich spreche gerade vom Hochtemperaturreaktor. Wenn Sie von unserer Pflicht sprechen, dann stellt sich die Frage, ob der mögliche Nutzen den möglichen Schaden überwiegt. Das ist j a die These, die auch die Frau Vorsitzende vorgetragen hat.
Hier muß ich wirklich eines sagen: In den Diskussionen der letzten Jahre wurde immer vorgetragen, daß der Hochtemperaturreaktor Sicherheitsstrategien eröffnet, die mit anderen Reaktoren in dieser Weise nicht erreicht werden können. Er bietet die Möglichkeit an, Kohle zu veredeln, d. h. Brennstoffe zu nutzen, die in der alten Form nicht genutzt werden können. Das bedeutet, daß der Hochtemperaturreaktor eine Vielzahl von völlig neuen technologischen Möglichkeiten in einer Verbundwirtschaft von Kohle und Kernenergie oder auch von Kernenergie und Schwerstölen eröffnet und damit Ressourcen nutzt, die knapp werden.
Jetzt frage ich mich: Ist es verantwortlich, eine solche Technik, die praktisch fertig ist, aufzugeben? Ich sage: Dies ist nicht verantwortlich.
Gnädige Frau, Sie sagten, wir hätten eine Reihe von EVUs nicht mehr dabei. Frau Kollegin, hier ist die entscheidende Frage: Was ist die Aufgabe des Staates? Die Aufgabe des Staates bei langfristigen Technologien ist es durchaus, die Wirtschaft soweit wie möglich ins Boot zu bekommen. Aber der Staat kann seine Aufgabe, für neue Technologien langfristig vorzusorgen, nicht von den kurzfristigen Unternehmensplanungen einzelner Firmen abhängig machen. Deshalb halten wir solche Technologien durch. Ich halte dies für richtig, und ich stehe dazu.
Frau Kollegin, ich möchte ein zweites Beispiel der von Ihnen so bezeichneten „Sackgassentechnologien" aufgreifen, um zu verdeutlichen, wie wir in
Zusammenhängen diskutieren müssen. Wenn Sie hier über die Kerntechnik schlechthin sprechen und sagen, als Sackgassentechnologie müsse sie abgestellt werden, dann muß ich darauf hinweisen, daß bis jetzt die Frage wirklich unbeantwortet ist, wie auf längere Frist weltweit der Energiebedarf auch einer wachsenden Bevölkerung befriedigt werden kann.
Wir können hier überleben. Wir haben, wenn wir keine Kernkraft einsetzen, immer noch das Geld, unseren Strom mit Ö1 oder Importkohle und dergleichen zu erzeugen.
Wenn wir und die anderen Industrienationen das fortsetzen, ist die einzige Folge, daß wir den Entwicklungsländern knapper werdende fossile Energien wegkaufen, so daß die Entwicklungsländer keine Chancen zur Entwicklung haben. Dies halte ich für eine unverantwortliche Strategie. Deshalb müssen wir es im Zusammenhang diskutieren.
Ich möchte einen dritten Punkt ansprechen. Frau Vorsitzende, wir können es hier wirklich nicht ausdiskutieren, aber ich stehe Ihnen gern einmal für eine Diskussion über die Spallations-Neutronenquelle zur Verfügung. Die Spallations-Neutronenquelle ist in der Tat nicht vor allem in der Grundlagenforschung, aber in einer ungemein interessanten angewandten Forschung ein exzellentes Instrument. Sie eröffnet uns Möglichkeiten im Bereich der Medizintechnologie, im Bereich der Biologie, in einer Vielzahl von Bereichen der Materialforschung. Hier haben wir den Zugang zu Fragestellungen, den wir sonst nicht eröffnen können. Wir haben mit dieser Technik eine Möglichkeit, eine Forschungseinrichtung, nämlich die in Jülich, die über Jahre eine exzellente Arbeit in Bereichen durchgeführt hat, in denen sie jetzt ihre Programme abgearbeitet hat, in einen neuen Horizont von faszinierenden Aufgabenstellungen hineinzuführen. Deshalb halte ich dafür, daß wir genau prüfen, wie diese Strategie angelegt werden muß. Ich habe hier noch nicht abschließend entschieden. Aber ich halte nicht dafür, daß wir auf Grund einer sehr vordergründigen — ich darf es behutsam sagen — Betrachtung dieser Technik eine aussichtsreiche, zukunftsreiche Strategie für eine hervorragende Großforschungseinrichtung aufgeben.