Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministers für Forschung und Technologie hat nach Abschluß der Beratungen im Haushaltsausschuß ein Volumen von 7 049 000 000 DM. Wir haben ihn gegenüber der Regierungsvorlage um 77 Millionen DM gekürzt. Zugleich gelang es aber im Zuge der Beratungen, drei Maßnahmen von hoher forschungspolitischer Bedeutung auf den Weg zu bringen.
Wir haben erstens das Nachwuchsprogramm der Großforschungszentren mit 12 Millionen DM ausgestattet, damit jährlich bis zu 200 Nachwuchswissenschaftler mit Promotion oder vergleichbarem Abschluß in den Großforschungseinrichtungen mit befristeten Arbeitsverträgen bis zu drei Jahren arbeiten können. Wir bieten damit qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern eine Chance zu wissenschaftlicher Weiterentwicklung und leisten zugleich einen Beitrag zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der Forschung in den 80er Jahren.
— Herr Kollege, warum sind Sie nicht auf diese Idee gekommen, solange Sie regiert haben? Das müßte man hier einmal fragen.
Wir haben zweitens die Vorschläge der Bundesregierung für flexiblere Rahmenbedingungen in den Forschungseinrichtungen aufgegriffen und in wesentlichen Punkten noch ergänzt. So werden die Stellenpläne einiger wichtiger Forschungseinrichtungen in einem dreijährigen Modellversuch aus der starren haushaltsrechtlichen Verbindlichkeit herausgenommen. Das heißt, die parlamentarische Kontrolle über die Finanzen bleibt voll gewahrt. Es müssen aber nicht jedesmal Bund und alle Bundesländer mitberaten, wenn z. B. eine wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt werden soll.
Wir haben einem fünfjährigen Modellversuch zugestimmt, der bei einigen Einrichtungen einen finanzneutralen Austausch zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen bis zu 10 % des Stellensolls zuläßt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß bisher die starren Laufbahnvorschriften des öf-
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fentlichen Dienstes eine sachgerechte Personal- und Aufgabenplanung in Forschungszentren erschweren.
Wir haben drittens die Forschungseinrichtungen von der sonst für 1984 geltenden halbjährigen Stellenbesetzungssperre ausgenommen. Eine solche Stellenbesetzungssperre wäre mobilitätsfeindlich und würde den Bemühungen des Forschungsministers um einen stärkeren Austausch zwischen Forschungszentren und Industrie entgegenzuwirken. Sie würde die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses verschlechtern und wichtige Aufbauaktivitäten verzögern.
Wissenschaftliche Forschung, technologische Entwicklung und Innovation sind entscheidend für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und damit auch für Wachstum und Beschäftigung. Wir müssen — darauf hat der Bundeskanzler schon in seiner Regierungserklärung am 4. Mai hingewiesen — bei der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung Anschluß halten und den Anschluß zurückgewinnen, wo wir ihn verloren haben.
Eine wesentliche Aufgabe der Forschungs- und Technologiepolitik besteht darin, Bedingungen zu schaffen, daß auf den Märkten der Ideen und der Güter Initiativen freigesetzt werden. Verantwortungsfreude, Risikobereitschaft, Flexibilität und Kreativität müssen gefördert, Spitzenleistungen müssen belohnt werden. Nur in einem klaren ordnungspolitischen Rahmen ist eine erfolgreiche Forschungs- und Technologiepolitik, und damit auch ein effizienter Einsatz öffentlicher Mittel möglich.
Wir haben eine Reihe von Änderungsanträgen vorliegen. Die Fraktion der GRÜNEN hat einen Antrag vorgelegt, die Titel im Bereich der Kernenergieforschung und -technologie weitestgehend zu streichen. Das hätte die unverzügliche Entlassung von wenigstens 17 000 Personen zur Folge
und den völligen Verzicht auf technisches Wissen im Bereich der Kernenergie.
Die GRÜNEN haben in den Haushaltsberatungen darüber hinaus auch im Bereich der Kohleveredelung massive Kürzungen vorgeschlagen. Sie haben das als Sackgassen-Technologie bezeichnet. Sie verdammen also die technische Entwicklung im Bereich von Kernenergie und Kohle, ohne zu sagen, was statt dessen geschehen soll. In der Kohleveredelung wären 1 700 Arbeitsplätze von dieser Streichung betroffen.
Ein dritter Kürzungsantrag, der uns in der zweiten Lesung vorliegt, betrifft den Bereich der BioTechnologie. Auch hier fordern die GRÜNEN erhebliche Kürzungen. Prognosen gehen von Milliardenumsätzen in der Bio-Technologie schon in den 90er Jahren aus. Jede zehnte chemische Verbindung soll — so die Wissenschaftler — in Zukunft von Mikroben herzustellen sein. Forscher experimentieren mit Bakterien,
die Ölschlämme vertilgen und gegen Umweltkatastrophen zwischen dem Persischen Golf und den Atlantikküsten taugen sollen.
Die Forschungen der Forscher beschäftigen sich zur Zeit mit Pflanzen, die gegen bestimmte Schädlinge resistent sind. Man hofft, in der Zukunft Züchtungen erzeugen zu können, die auf trockenen oder salzigen Böden bestehen können. Damit wäre eine erfolgreiche Schlacht angefangen, den Hunger auf der Welt zu schlagen. Ich habe überhaupt kein Verständnis, daß man diese Chancen wissenschaftlichen Fortschrittes preisgeben will und nicht bereit ist, das Notwendige zu tun.
Mit der Gen-Technologie wird es vielleicht möglich sein, Insulin und Interferon, wichtige Wirkstoffe gegen schwere Krankheiten, preiswert und für jedermann erschwinglich herzustellen. Ich halte es für unerträglich, daß man solche Chancen nicht wahrnehmen will.
Meine Damen und Herren, die GRÜNEN haben bei allem, was neu ist, zunächst einmal nur Horror-visionen. Nur kann man mit Horrorvisionen die Zukunft nicht bewältigen, und mit dem Zurück zur Gartenlaube wird man den Herausforderungen, die uns an der Wende ins nächste Jahrtausend gestellt sind, nicht gerecht.
Vielmehr brauchen wir ein gesellschaftliches Klima, das Fortschritt und Wachstum bejaht und in dem die Bedeutung zukunftsweisender Technologien für unsere Entwicklungen anerkannt wird. Das macht ein Umdenken und ein aktives Umsteuern erforderlich. Die Bundesregierung hat schon 1983 damit begonnen und setzt diese Politik im Haushalt 1984 fort. In diesem Sinne begrüßen wir die Absicht, verstärkt indirekte Instrumente zur Forschungsförderung einzusetzen, etwa im Rahmen des Programms externer Vertragsforschung bei der Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen oder bei der Wiedereinführung der Sonderabschreibungen auf Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen. Seit dem Regierungswechsel hat sich das Verhältnis der direkten zur indirekten Forschungsförderung von 4,3 : 1 auf 2,2 :1 zugunsten der indirekten Förderung verbessert. Im Forschungshaushalt schlägt sich dies einmal in der Ausweitung der Förderung der Vertragsforschung nieder. Die GRÜNEN haben im Ausschuß auch dagegen gestimmt, obwohl wir hier gerade die kleinen Firmen mit mehr Mitteln stärker fördern wollen, nämlich mit 40% statt bisher mit 30 % für Firmen mit bis zu 50 Millionen DM Jahresumsatz.
Wir haben den Technologietransfer vom Forschungsinstitut zur Industrie verbessert durch Unterstützung der personellen Mobilität, Qualifizie-
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rung von Nachwuchswissenschaftlern der Industrie in den Forschungseinrichtungen, wir haben den Modellversuch technologieorientierter Unternehmensgründungen mit 100 Millionen DM bis 1986 dotiert, und wir erhöhen die Mittel für die indirekt spezifische Förderung im Rahmen des Programms Fertigungstechnik.
Die direkte Projektförderung des Bundes wird schrittweise konzentriert auf Basistechnologien, auf Großprojekte sowie auf unbestrittene Bereiche staatlicher Zukunftsvorsorge, wie Sicherheits-, Umwelt-, Klima- und Gesundheitsforschung.
Die Sozialdemokraten haben sich bei den Beratungen im Haushaltsausschuß zu der Wiedereinführung der Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen kritisch geäußert. Diese Kritik ist unberechtigt; denn diese Sonderabschreibungen haben einen hohen Liquiditätseffekt für die begünstigten Unternehmen. Sie stellen damit eine wichtige Hilfe dar, unregelmäßig anfallende Investitionen im Bereich von Forschung und Entwicklung zu finanzieren.
— Herr Kollege, wenn Sie das nicht verstehen, tut es mir leid.
Aus Haushaltssicht spricht viel für Sonderabschreibungen; denn Sonderabschreibungen sind im Gegensatz zu dem Forschungsinstrument, das Sie immer verwandt haben, nicht für alle Zeit vergeben, sondern stellen eine Steuerstundung dar und kommen deswegen langfristig der öffentlichen Kasse wieder zugute.
Meine Damen und Herren, manchen Wende-Kritikern war die Wende in der Forschungspolitik nicht rasant genug. In der Jahreszeit, die wir jetzt haben, ist ein Vergleich mit dem Wintersport vielleicht zulässig, so daß ich sage, daß vor temporeichen Slalomfahrten in der Forschungspolitik dringend gewarnt werden muß. Wir haben vermieden — das ist wichtig —, begonnene Projekte abzubrechen, auch wenn wir sie aus heutiger Sicht nicht begonnen hätten. Augenmaß ist bei der Neuorientierung der Forschungspolitik geboten. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Neuorientierung mit Nachdruck und mit Bereitschaft zu neuen Lösungen in einem geschlossenen Konzept weiter zu verfolgen. Wir werden das kritisch begleiten und darauf achten, daß das Geld des Steuerzahlers sparsam und effizient ausgegeben wird.
Da gilt nicht nur für die instrumentelle, sondern vor allem auch für die programmatische Seite. Schwerpunkte müssen in den Bereichen gesetzt werden, wo wir Spitzenleistungen erbringen können, wo sich Schlüsseltechnologien entwickeln oder wo wir Querschnittsaufgaben auf dem Gebiet staatlicher Verantwortung zu erfüllen haben. Mit dem
Haushalt 1984 setzt die Bundesregierung auch hier Akzente. Ich nenne die verstärkte Förderung der Biotechnologie oder der Fertigungstechnik; das sind Schlüsselbereiche des technischen Fortschritts.
Die Bundesregierung sollte darüber hinaus prüfen, wie sie Forschung und Technologie ohne direkten Einsatz öffentlicher Mittel im Forschungshaushalt noch stärker fördern kann, etwa durch umfassende und wirksame Entbürokratisierung der Forschungsverwaltung, durch Nutzung des öffentlichen Nachfragepotentials für innovative Beschaffungen und durch eine Änderung von Rechtsvorschriften, die der Einführung neuer Technologien hinderlich sind.
Zu den wichtigsten staatlichen Aufgaben gehört die Daseins- und Zukunftsvorsorge. Das Thema „Waldsterben und saurer Regen" zeigt heute jedermann, mit welchen Problemen wir hier fertigwerden müssen. Wir müssen lernen, mögliche Folgen zivilisatorischen Handelns frühzeitig zu erkennen.
Wir begrüßen, daß ein Umweltforschungsprogramm in Vorbereitung ist, in dem die ökologische Wirkungsforschung einen Schwerpunkt haben wird. Hier muß aufgeholt werden, was in der Vergangenheit versäumt worden ist.
Wichtige Maßnahmen sind bereits angelaufen, etwa das Symposium in der Kernforschungsanlage Jülich, das die Forschungsthemen zur Problematik des sauren Regens eingegrenzt hat. Seit Jahresmitte gibt es eine gemeinsame interministerielle Arbeitsgruppe von Bund und Ländern mit der Aufgabe, gemeinsames Vorgehen zu koordinieren. Auch die Europäische Gemeinschaft ist bereit, die Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus in diesen Bereich zu intensivieren.
Seit Jahresbeginn 1983 ist die Forschungsförderung des Forschungsministers in diesem Bereich verstärkt worden. Auch im Jahr 1984 haben wir im Haushalt die Ansätze gegenüber der Regierungsvorlage im Bereich von Umwelt- und Klimaforschung noch einmal erhöhen können.
Wir wissen natürlich, daß Forschung und Technologie kein Allheilmittel gegen das Waldsterben sind. Aber hier geht es um eine von vielen politischen Maßnahmen, um mit diesen Problemen fertigzuwerden.
Uns liegt ein weiterer Antrag von der Fraktion der SPD zum Bereich Humanisierung der Arbeitswelt vor, der darauf abzielt, eine erhebliche Aufstockung vorzunehmen. Die Kollegen von der SPD geben die Argumente für die Ablehnung ihres Antrags in der Begründung gleich mit; denn sie sagen, dies sei eine Begleitmaßnahme zu dem von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagenen Konzept zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Just dieses Programm wollen wir nicht. Warum wir es nicht wollen, ist im Sachverständigengutachten 1984 überzeugend nachzulesen.
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Die Kollegen schlagen uns vor, die Finanzierung durch Verzicht auf die Senkung der Unternehmenssteuern, durch Verzicht auf Steuervergünstigungen, durch Erhebung einer Ergänzungsabgabe und durch die Mehreinnahmen aus dem Bundesbankgewinn vorzunehmen. Just dies wollen wir nicht. Der Bundesbankgewinn dient zur Absenkung der Neuverschuldung.
Eine Bemerkung zu dem Programm „Humanisierung der Arbeitswelt". Wir haben dieses Programm auf drei Förderbereiche konzentriert: Schutz der Gesundheit durch Abwehr und Abbau von Belastungen, menschengerechte Anwendung neuer Technologien und Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen.
Bei dieser Straffung und Neuorientierung können wir mit den vorgesehenen Mitteln auskommen. Vieles von dem, was früher war — Verbesserung der Arbeitsorganisation zur Entfaltung der Persönlichkeit und lauter modischer Schnickschnack —, kommt allmählich aus dem Programm heraus. Das Programm hilft den Betroffenen, aber nicht den Soziologen, die die Arbeitswelt noch nie aus der Praxis kennengelernt haben.
Meine Damen und Herren, wir sind ein hochindustrialisiertes Land mit nur geringen Vorräten an Energie und Rohstoffen. Kreativität und Leistungsfähigkeit der Bürger sind das Kapital unserer Volkswirtschaft im internationalen Wettbewerb. Sinnvolle Nutzung dieses Kapitals im Bereich von Forschung und Entwicklung sichert unsere wirtschaftliche, soziale und politische Zukunft.
Wir unterstützen die Bundesregierung bei dieser Aufgabe. Das bisher Geleistete kann sich sehen lassen. Wir stimmen dem Haushalt des Bundesministers für Forschung und Technologie zu.