Herr Kollege Haack, in der Regel ist es nicht notwendig, daß eine Regierung die Taten der Vorgängerregierung preist. Das weiß das Volk selber.
Das Volk hat ein gutes Gedächtnis; und die Erinnerung an die alte Regierung ist eine schlechte.
Meine Damen und Herren, ein Wort, was die Konzeptionslosigkeit anlangt. Nichts ist so wenig gerechtfertigt wie diese Behauptung. Es gibt zwar im Bundesbauministerium im Augenblick keine ideologischen Brain-Trusts, weil wir nicht nach den Kategorien von Ideologien arbeiten,
sondern nach Grundsätzen, die einmal der Adam Riese aufgestellt hat, daß zwei mal zwei vier ist, daß man eine Mark nur einmal ausgeben kann, und weil wir nach Grundsätzen arbeiten, die in die Rahmenordnung unserer sozialen Marktwirtschaft passen. Auch das möchte ich klar feststellen: Die von mir zu verantwortende Bundeswohnungsbaupolitik
ist an den Zielen einer sozialen Wohnungsmarktwirtschaft ausgerichtet. Mit der sozialen Wohnungsmarktwirtschaft sind wir gut gefahren.
Ich darf Ihnen sagen, wie die Neuregelung der Wohnungsbauförderung für den selbstnutzenden Bauherrn im Rahmen dieser Ordnungskriterien aussehen wird.
Es wird eine Anschlußregelung geben. Im übrigen bin ich, was das Ziel angeht, in dieser Auffassung vom Sachverständigenrat in vollem Umfange bestätigt worden.
— Hören Sie gut zu, Kollege Waltemathe. — Die Neuregelung muß den folgenden Anforderungen gerecht werden: Sie muß eine tragfähige Dauerlösung bieten, die an die Wirkungen der jetzigen Instrumente anschließt; sie muß für die Bezieher mittlerer Einkommen die hohen Anfangsbelastungen senken, die Eigentümer nach der Entschuldung nicht über Gebühr belasten, auch Familien mit Kindern den Weg zu Wohneigentum erleichtern, finanzpolitisch zu verkraften und verfahrensmäßig einfach zu handhaben sein. — Ich glaube, Sie werden sie rechtzeitig erhalten.
— Das sind die Leitlinien.
— Ich war noch konkreter.
Meine Damen und Herren, was die steuerliche Behandlung des Mietwohnungsbaues angeht: Über das Bauherrenmodell wurde sehr viel geredet, es wurde mehr gefaselt als geredet. Ich darf Ihnen sagen: Ich habe noch nie mein Geld in ein Bauherrenmodell gesteckt. Ich habe noch nie jemandem geraten, dies zu tun, weil ich mir der Risiken einer Kapitalanlage nach dem Bauherrenmodell voll bewußt bin.
Ich bin aber der Meinung: Nach dem Auslaufen der Mehrwertsteueroption, nach weiteren gesetzlichen Regelungen, nach dem Bauherrenerlaß von 1981 und nach den neuen steuerrechtlichen Regeln, die wir in diesen Tagen beschließen werden, ist eine Anlage nach dem Bauherrenmodell — das es ja als Modell gar nicht gibt — steuerrechtlich ganz und gar unproblematisch. Nur, eines möchte ich sagen: Wenn es nicht gelingt, den privaten Anleger für die Selbstnutzung und für den Mietwohnungsbau zu gewinnen, werden wir kein einziges wohnungspolitisches, wohnungswirtschaftliches Problem lösen können — mit gesteigerten öffentlichen Mitteln nicht.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2951
Bundesminister Dr. Schneider
Ein Wort zur Miete. Darauf mag ich mich gar nicht mehr lange einlassen. Noch niemals wurde eine solche Wahlkampagne geführt, die ja alle Anzeichen eines Exzesses hatte, in der von Mietsteigerungen um 30 %, 70 %, 100 % gesprochen worden ist. Es sah so aus, als würden Millionen Mieter aus ihren Wohnungen vertrieben.
Ich kann nur sagen: parturiunt montes — —, also: Berge lagen im Kreißen, ein Mäuschen wurde geboren.
Aus den 70 % Mietsteigerungen sind 4,2 % im Altbau geworden.
Nur im sozialen Mietwohnungsbau sind Steigerungen um 5 % — zum Teil bis zu 6 % — eingetreten, und zwar auf Grund von Gesetzen, die die alte Regierung zu verantworten hat.
Ich habe auf dem Deutschen Mietertag in Köln am 23. September Rede und Antwort gestanden. Als ich den Raum betreten habe, habe ich gesagt: Ich hoffe, daß ich körperlich heil und geistig bereichert wieder herauskomme.
Ich bin sogar beschenkt herausgekommen, weil mir eine Kollegin von den GRÜNEN ein Strichmännchen aus Zitronen dediziert hat. Ich muß sagen: Es waren gelbe Zitronen. Mein Kommentar dazu war: Die Farbe gelb ist bei Zitronen ein Zeichen der Reife. Wenn die GRÜNEN einmal gelb, also reif geworden sind, dann können wir auch miteinander über den Wohnungsbau reden.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen. Die Mietrechtsnovelle war ein großer wohnungswirtschaftlicher Erfolg, gemessen an dem, was ich erwartet habe. Es war allerdings noch nicht die große oder letzte mietrechtliche Lösung.
Nur eines noch: Durch die Mietrechtsreform ist kein einziger Mieter vertrieben worden, und es gab auch nicht die Explosion der Mieten.
Nun noch ein Wort zur Zweiten Berechnungsverordnung. Darüber konnte man in diesen Tagen ja einiges lesen. Man muß nur wissen, was dahintersteckt. Das ist noch nicht einmal ein Mäuslein.
Es war der Wille aller wohnungswirtschaftlichen Verbände, aller Bundesländer — auch aller sozialdemokratisch regierten Bundesländer —, daß ich die Instandsetzungspauschale anhebe. Dies ist geschehen. Dann mußte ich noch, weil dies der Ort der
Regelung ist, eine Betriebskostenregelung für die Breitbandverkabelung mit aufnehmen.
Ich geriet in eine gewisse zeitliche Bedrängnis, weil der Bundesrat nicht mehr ausreichend Zeit hatte, dies zu beraten. Aus diesen Gründen und aus Respekt vor der Kammer „Bundesrat" habe ich mich bereit erklärt, dem Bundesrat die Zeit einzuräumen, dies noch ausreichend zu beraten. Deswegen wird die Zweite Berechnungsverordnung mit den dort zu regelnden Materien zum 1. Juli 1984 in Kraft treten. Sie können sich darauf verlassen.
Alles andere, was darüber geschrieben wird, was gemunkelt wird, was kommentiert wird, ist reine Spekulation.
Eine Schlußbemerkung zu dem Stichwort „keine Konzeption". Es war am Tag meiner Amtsübernahme, als ich erklärt habe: Ich möchte das deutsche Baurecht novellieren und ordnen. Ich habe angekündigt: Diese Bundesregierung wird den Entwurf eines Baugesetzbuches vorlegen. Sechs Arbeitsgruppen arbeiten bereits daran, und zwar nach einer Methode, die es bisher noch nicht gegeben hat. Ich habe mich bei den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden zu bedanken, daß sie nicht offizielle Vertreter, sondern Fachleute ihres Gebietes entsenden, die ausschließlich ihren Sachverstand zur Verfügung stellen, um in Arbeitsgruppen mitzuarbeiten. Diese Arbeitsgruppen werden Vorschläge machen, welche Bestimmungen überflüssig sind, welche anders gestaltet werden sollen, und auch sagen, wo etwas doppelt geregelt ist. Wir werden etwa im Mai 1984 damit fertig sein. Dann beginnen die normalen Arbeiten im Hause. Wir werden den Entwurf rechtzeitig vorlegen. Damit unternehmen wir den Versuch, das deutsche Baurecht zu kodifizieren. Dies ist sicherlich ein gewagtes und ein gewaltiges Unterfangen, aber wir werden dieses Werk vollenden. Ich bin ganz sicher, daß die Sozialdemokraten gar nicht umhinkommen werden — —
— Auch das Planungsrecht. Ich meine die Materien, die jetzt im Bundesbaugesetz, im Städtebauförderungsgesetz und im Wohnungsmodernisierungsgesetz geregelt sind.
Wir werden ein Weiteres vorlegen, nämlich Vorschläge
zur Entrümpelung der Regelungsbereiche von bauwirtschaftlicher Bedeutung unterhalb der Gesetze. Wir werden dies in engem Zusammenwirken mit den Bundesländern tun, die ja bekanntlich für das Bauordnungsrecht zuständig sind. Wir werden Vorschläge vorlegen, die dazu führen werden, daß infolge von Rechtsbereinigung, Beschleunigung der Verfahren und größerer Übersichtlichkeit
2952 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Bundesminister Dr. Schneider
die Baukosten bis zu 20 oder 30 % sinken. Wir werden die Bürgerbeteiligung nicht aufheben.
Wir werden rechtsstaatliche Grundsätze anwenden und der wirtschaftlichen Vernunft zum Siege verhelfen. Dabei gehen wir insbesondere davon aus, daß der mündige Bürger auch durch das Baurecht nicht entmündigt werden darf. Mehr Demokratie wagen heißt in diesem Verständnis, dem Bürger wieder das Recht einzuräumen. Aus der Eigentumsfreiheit folgt die Baufreiheit,
und aus der Baufreiheit muß eine Gesetzgebung erwachsen, die nur das regelt, was der Regelung bedarf, und dem Bürger die Fessel einer überbürokratischen Entmündigung nimmt.
Die Demokratie kann nicht nur dadurch Schaden nehmen, daß ihre Feinde zuviel Macht im Staat gewinnen; die Demokratie kann auch an einem Übermaß an Dirigismus, Bürokratie, Vorschriften, Erlassen und Richtlinien ersticken.
Diesen Erstickungstod möchten wir der Demokratie ersparen, deswegen ein neues Baurecht und eine Entrümpelung der überflüssigen baurechtlichen Bestimmungen!
Danke sehr.