Nein. Ich muß leider auf meine Uhr sehen. Ich habe die Zeit nicht mehr.
Herr Kollege Müntefering, wenn Sie dem Wohnungsbauminister vorwerfen, er habe kein Konzept, kann ich Ihnen nur sagen: Darauf geben Ihnen die Bürger und die Wohnungsbauwirtschaft tagtäglich eine eindrucksvolle Antwort; denn mit ihren tagtäglich sich verstärkenden Investitionsentscheidungen beweisen sie, daß sie Vertrauen zur Wohnungspolitik dieser neuen Regierung haben, deren Ziel es ist, die Wohnungspolitik zu einer Politik der sozialen Wohnungsmarktwirtschaft umzuorientieren. Das heißt auf der einen Seite Mobilisierung der privaten Investoren durch Aktivierung der Marktkräfte zur Erstellung eines ausreichenden Wohnungsangebots und auf der anderen Seite soziale Absicherung, erstens durch Fortführung des sozialen Wohnungsbaus für diejenigen, die aus eigener Kraft eine Wohnung am Markt nicht finden können, zweitens ausreichendes Wohngeld, drittens Beibehaltung der Bindungen für die Sozialwohnungen im Bestand und viertens verstärkter Einsatz der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen für die Versorgung von Wohnungsnotfällen, gleichsam als Gegenleistung für die Fortgeltung des Steuerprivilegs.
Die Probleme des Wohnungsmarktes haben sich in den letzten Jahren geändert, und wir wissen, daß wir darauf auch neue Antworten geben müssen. Es war zweifellos richtig, daß die neue Regierung vor einem Jahr den Wohnungs- und Städtebau als Lokomotive zur Wiederankurbelung der Wirtschaft benutzt hat; der Erfolg spricht für sich selbst. Allerdings kann die Wohnungsbauförderung auf die Dauer nicht als Konjunkturinstrument dienen, sondern sie muß sich am Bedarf orientieren.
Im Mittelpunkt der kontroversen Diskussion steht nun einmal die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus. Ich verweise auf den jüngsten Bericht der Sachverständigen, aber auch auf das, was die Konjunkturinstitute oder die Bundesbank dazu gesagt haben.
Niemand kann die Augen vor der wachsenden Zahl von leerstehenden Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau verschließen. Allein bei einem bekannten Wohnungsunternehmen stehen über 5 000 öffentlich geförderte Wohnungen leer.
Bedeutsam ist schließlich auch, daß viele Bundesländer, die im Wohnungsbau eine besondere Verantwortung tragen, ihre Förderprogramme deutlich reduzieren. Übrigens haben gerade auch sozialdemokratisch regierte Länder, der Senat in Hamburg genauso wie Ihre Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, in diesen Tagen eine ganz erhebliche Reduzierung ihrer Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau bekanntgegeben.
Allein in Nordrhein-Westfalen haben wir eine Reduzierung um 40 % innerhalb der nächsten vier Jahre.
Die Zeit des allgemeinen Wohnungsmangels ist vorbei, und das zwingt uns, über die Schwerpunkte innerhalb der Wohnungs- und Städtebauförderung neu nachzudenken, um sicherzustellen, daß die öffentlichen Mittel in diesem Bereich so effektiv wie möglich ausgegeben und nicht fehlgeleitet werden.
Es ist dabei keine gute Entwicklung, daß innerhalb des sozialen Wohnungsbaus im ersten Förderungsweg in den letzten Jahren der Anteil der Eigentumsmaßnahmen immer weiter gesunken ist. Betrug er von 1975 bis 1979 im Jahresdurchschnitt noch 30 %, so sank er in den letzten drei Jahren von Jahr zu Jahr immer tiefer und erreichte im letzten Jahr nur noch weniger als 20 %. Diese Entwicklung
2944 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Echternach
muß umgedreht werden, und wir haben dazu schon vor einem Jahr mit dem Bausparzwischenfinanzierungsprogramm und dem zeitlich begrenzten Zinsenabzug erste Schritte eingeleitet, um die steuerliche Benachteiligung der Eigenheime gegenüber den anderen Bauinvestoren abzubauen.
Wichtigstes Ziel der Wohnungspolitik muß es sein, möglichst vielen Menschen zu helfen, Eigentümer ihrer eigenen vier Wände zu werden. Über 80 % der Bürger wünschen sich privates Wohnungseigentum, weniger als 40 % haben es bisher erhalten können.
Das ist auch weniger als in den europäischen Nachbarländern. Gerade den Mitbürgern mit kleinem Portemonnaie muß verstärkt geholfen werden, die Schwelle zum Wohnungseigentum zu überwinden. Erwerber von Wohnungseigentum sind bereit, eine wesentlich höhere finanzielle Belastung, im Schnitt sogar eine doppelt so hohe Belastung, von ihrem verfügbaren Einkommen auf sich zu nehmen wie Mieter. Auch aus Haushaltsgründen spricht alles dafür, innerhalb des öffentlich geförderten Wohnungsbaus Mittel zugunsten von Eigentumsmaßnahmen umzuschichten, weil für Mietwohnungen erhebliche höhere Subventionen erforderlich sind und mit jeder Million an Förderungsmitteln statt fünf Sozialmietwohnungen 20 Eigentumsmaßnahmen gefördert werden könnten. Auch der Mietsektor würde davon profitieren, weil jedes gebaute Eigenheim regelmäßig auch eine Mietwohnung freimacht. Schließlich ist beim Eigenheimbau auch gewährleistet, daß nicht am Markt vorbeigebaut wird und öffentliche Mittel fehlgeleitet werden. Vor allem aber hat das private, erlebbare Wohnungseigentum nicht nur eine wohnungspolitische, sondern auch eine hohe familien- und gesellschaftspolitische Bedeutung.
— Ich bin sicher, daß das nicht nur für mich, sondern auch für die über 80 % der Mitbürger gilt, über die Sie so hinweggehen, und die dieses Ziel anstreben, wie Sie aus allen Umfragen wissen.
Ich bin sicher, daß der bisher noch unerfüllte Wunsch so vieler Mitbürger nach Wohnungseigenturn das Wohnungsbaugeschehen der Zukunft bestimmen wird. Es wird die Aufgabe des neuen Gesamtkonzepts der Eigentumsförderung sein, das der Bundesbauminister für das nächste Frühjahr angekündigt hat und das die bisherigen Förderungsinstrumente ablösen soll, dafür optimale Rahmenbedingungen zu schaffen.
Die Bundesregierung hat in diesem Haushaltsplan auch mit einer anderen Umschichtung eine wichtige neue Akzentsetzung vorgenommen, nämlich mit der Umschichtung von Wohnungsbauförderungsmitteln zugunsten der Städtebauförderung. Der Haushaltsausschuß hat diese Entwicklung
noch einmal verstärkt Von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen gehen besonders hohe Anstoß- und Wachstumseffekte aus. Zu jeder vom Bund bewilligten Mark kommen zwei weitere Mark von Ländern und Gemeinden und in der Regel erhebliche zusätzliche Mittel von privaten Investoren. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind die Voraussetzung für viele Privatinvestitionen, stärken den privaten Investitionswillen und erhöhen die Attraktivität des innerstädtischen Gewerbes.
Nachdem die Städtebauförderung in der Vergangenheit überwiegend dazu gedient hat, historische Altstädte zu erhalten, Innenstädte wieder funktionsfähig zu machen, kommt jetzt auf die Städtebauförderung eine zusätzliche Aufgabe zu, nämlich den innerstädtischen Mietwohnungsbestand einschließlich des Wohnumfeldes zu erneuern und preiswerten Mietwohnungsbestand für die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten zu erhalten. Die Bedeutung dieser Aufgabe wird weiter zunehmen, zumal den vom Bund bisher bereitgestellten Mitteln doppelt so hohe Anforderungen von seiten der Länder und Gemeinden gegenüberstehen.
Die engen Wechselbeziehungen zwischen Bauwirtschaft und Gesamtwirtschaft lassen 1984 den Wohnungsbauetat weit stärker als den Gesamthaushalt anwachsen. Innerhalb der Einzelpläne steht er mit einem Wachstum von rund 10 % an dritter Stelle. Aber auch nach Ende der wirtschaftlichen Talfahrt und dem jetzt sichtbaren Wiederanspringen der Konjunktur wird die Wohnungs- und Städtebaupolitik ihren hohen Rang behalten und wird wegen des großen Investitionsbedarfs in diesem Bereich und wegen der zentralen gesellschaftspolitischen Bedeutung die Wohnungs- und Städtebaupolitik ein Schwerpunkt unserer Arbeit bleiben.