Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Müntefering, ich bewundere Ihren Mut, angesichts des Fiaskos, das Sie in der Wohnungspolitik hinterlassen haben, in dieser Weise heute hier zu polemisieren.
Als Sie vor einem Jahr am Ende waren, da war der Wohnungsbau an einem Tiefpunkt angekommen.
Der freifinanzierte Mietwohnungsbau war praktisch tot, und der soziale Wohnungsbau konnte dank Ihrer Schuldenpolitik die Versorgungslücke auch nicht annähernd schließen, sondern schrumpfte selbst rapide. Ihre Politik der vergangenen Jahre hat doch dazu geführt, daß immer weniger Wohnungen gebaut und dadurch immer mehr Bauarbeiter arbeitslos wurden. Opfer Ihrer Politik sind vor allem die sozial Schwächeren am Wohnungsmarkt geworden: die Jungverheirateten und die Kinderreichen.
Wenn Sie dem Bundeswohnungsbauminister und der neuen Bundesregierung vorwerfen, daß es keine Belebung für den Mietwohnungsbau gegeben hat, dann kann ich nur sagen: Sie stellen die Tatsachen, Sie stellen die Wahrheit auf den Kopf. Es hat in keinem anderen Wirtschaftszweig einen so rasanten Anstieg der Nachfrage gegeben wie im Wohnungsbaubereich. In den ersten neuen Monaten dieses Jahres stieg die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen um über 24 % an, und zwar nicht nur die Baugenehmigungen, wie uns der „Spiegel" dieser Tage glauben machen wollte; noch viel stärker als die Baugenehmigungen stieg die reale Auftragsvergabe an das Bauhauptgewerbe im Wohnungsbausektor an, nämlich um 27 %.
Nicht nur die Bausparer, sondern auch die großen Kapitalanleger sind an den Wohnungsmarkt zurückgekehrt. Die deutschen Versicherer haben dieser Tage mitgeteilt, daß sie in diesem Jahr ihre Aufwendungen für den Mietwohnungsbau gegenüber dem Vorjahr verdoppelt haben. Dagegen ist die Zahl der Insolvenzen im Bauhauptgewerbe, die in den letzten Jahren so stark angestiegen war, deutlich zurückgegangen, und die Zahl der arbeitslosen
Bauarbeiter hat den niedrigsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Das nennen Sie tatsächlich allen Ernstes das Desaster der Wohnungsbaupolitik der Regierung Kohl. Man kann sich nur wundern, wie blind Sie gegenüber den Tatsachen geworden sind.
Herr Kollege Müntefering, Sie sprechen von exorbitanten Mieterhöhungen. Mit dieser Behauptung haben Sie einmal, vor einem Jahr, Glück gehabt — das gebe ich zu —, bei der Hamburger Wahl. Aber seither werden Sie fortlaufend durch die Wirklichkeit widerlegt. Die nüchternen Zahlen weisen aus, daß Sie damit die Unwahrheit sagen, zu Unrecht versuchen, Angst bei den Mietern zu verbreiten, daß Sie versuchen, wiederum den Frieden zwischen Mieter und Vermieter zu stören.
Ich möchte Ihnen nur vier nüchterne Zahlen vorhalten:
Erstens. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres ist der Mietenindex um 5,4 % gestiegen.
Zweitens. Weitaus stärker innerhalb der Mietenbewegung stiegen die Mieten dort, wo das neue Mietrecht überhaupt nicht gilt, nämlich im Bereich der Sozialmieten. Dort stiegen die Mieten um 6,6 %. Hier wirken eben vor allem die administrativen Preiserhöhungen, z. B. die rasanten Steigerungen für Wasser, für Müll, für Abwasserbeseitigung, für Straßenreinigung usw., die vielfach zu beobachten sind.
Drittens. Die Mieten im frei finanzierten Wohnungsbau, nämlich dort, wo die neuen Mietgesetze der Koalition gelten, sind weit geringer gestiegen, nämlich um 4,1 % im gleichen Zeitraum, weil eben größere Mietanhebungen auf dem Markt überhaupt nicht mehr durchgesetzt werden können.
Viertens. Für denselben Bereich der Wohnungen stiegen die Mieten im Jahr zuvor, in den ersten zehn Monaten des letzten Jahres, wesentlich stärker, nämlich um 4,5 %. Das war also während Ihrer Regierungszeit.
Damit dürfte die Mär von der angeblich mietsteigernden Wirkung der neuen Mietgesetze endgültig widerlegt sein.
Im übrigen zeigt die Marktentwicklung, daß die Stellung des Mieters um so stärker ist, je mehr Wohnungen gebaut werden, und daß der beste Mieterschutz eben die von uns begonnene verstärkte Wohnungsbauförderung ist.
Ihre Behauptungen, die Sie vorgetragen haben, sind einfach unglaubwürdig und im Grunde Vorwürfe an die Adresse Ihrer eigenen gescheiterten Regierung. Wenn Sie z. B. der neuen Regierung vorwerfen, daß es das Modernisierungsprogramm nicht mehr gebe, dann sollten Sie sich bei Ihrem Kollegen Haack erkundigen, wie es tatsächlich dazu kam. Unter seiner Amtsführung, auf seine Veranlassung hin ist das Auslaufen des Wohnungsmodernisierungsprogramms beschlossen worden.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn. Dienstag. den 6. Dezember 1983 2943
Echternach
— Das ist wahr. Das kann ich Ihnen sogar schwarz auf weiß nachweisen, Herr Müntefering.