Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wir reden jetzt über die Post. Das ist ein angesehenes, seriöses, gut organisiertes Unternehmen.
— Warum gibt's da Zwischenrufe? Sie sind doch hoffentlich der gleichen Meinung!
Wir haben's in guter Hand. Das wird jeden Tag besser.
— Doch!
Im Einzelplan 13 des Bundeshaushalts sind nur wenige Ansätze, die die Post betreffen: Das Gehalt des Ministers und des Staatssekretärs, die Ablieferung an den Bund und das Ergebnis der Bundesdruckerei. Trotzdem können wir auch in diesem Zusammenhang über einige postalische Themen reden. Wenn während des letzten Jahres von der Post gesprochen wurde, dann war es meistens im Zusammenhang mit einem einzigen Thema, mit der Breitbandverkabelung. Die Phantasie wurde stark angeregt, was man mit dieser neuen Technik alles tun könnte, wie sich unsere Gesellschaft wohl ändern würde, wie ein neues Privatfernsehen entstünde, wie die ganze Medienlandschaft sich ändern würde — das Ganze auch noch im Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern, wobei die Länder die Kompetenz in der Medienpolitik haben, während der Bund nur die Kompetenz bei der Kommunikationstechnik hat.
Ich möchte heute bewußt auf dieses Thema nicht eingehen. Ich möchte Ihr Bewußtsein darauf hinlenken, daß diese Post auch viele, viele andere Aufgaben hat, über die viel zuwenig gesprochen wird.
Dort läuft alles so gut. Es wird nichts kritisiert. Aber wir sollten uns folgendes auch einmal in unser Gedächtnis rufen. Im nächsten Jahr wird die Post etwa 141/2 Milliarden DM in Sachanlagen investieren, aber nur 1 Milliarde DM in die Breitbandverkabelung. Das heißt, die Gewichte liegen schon ganz anders. Die Post wird im nächsten Jahr ein Bilanzvolumen von ungefähr 67 Milliarden DM erreichen, mehr als der Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie wird einen Umsatz von etwa 43 Milliarden DM erzielen und — was für mich sehr wichtig ist — einen Gewinn von etwa 2,4 Milliarden DM.
Das sind recht imponierende Zahlen. Dahinter steckt Leistung. Dahinter steckt, daß jahraus, jahrein 463 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treu und redlich ihre Arbeit verrichten,
daß auch bei einem schlechten Wetter wie heute die Zusteller von Haus zu Haus gehen, daß sie durch den Schwarzwald und über die Schwäbische Alb gehen und unabhängig von Wind und Wetter ihre Arbeit verrichten.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2929
Dr. Friedmann
Dazu gehört, daß in den zentralen Briefeingangs- und -abgangsstellen Tag und Nacht gearbeitet wird, in den Fernmeldedienststellen genauso, daß die Angehörigen des Fernmeldewesens rund um die Uhr dafür sorgen, daß wir immer telephonieren und miteinander korrespondieren können. Dies alles steckt auch hinter diesen Zahlen.
Vor allen Dingen verbirgt sich aber hinter diesen stets zunehmenden Zahlen eine kolossale Umstrukturierung, an die man oft gar nicht denkt. Noch 1930, vor gut fünfzig Jahren, entfielen ein Drittel des Umsatzes auf das Fernmeldewesen, aber zwei Drittel auf die gelbe Post. 1950 war dies genau pari. Damals wurde der Umsatz zur Hälfte von der gelben Post und zur Hälfte vom Fernmeldewesen erbracht. Heute ist es genau umgekehrt. Heute werden zwei Drittel des Umsatzes im Fernmeldewesen erwirtschaftet, aber nur noch ein Drittel bei der gelben Post, und dies auch trotz zweier Gebührenerhöhungen in den letzten Jahren.
— Man kann es auch so sehen, Herr Kollege Schröder. Ich hebe nur ab auf die Zusammensetzung des Umsatzes bei der Post.
Dahinter steckt also mit Sicherheit ein großer Strukturwandel. Wollen wir doch nicht vergessen: Eine ganze Reihe neuer Dienstleistungen sind ins Leben gerufen worden, angefangen vom Bildschirmtext, für den es in zwei, drei Jahren vielleicht fast eine Milliarde Teilnehmer geben wird, bis hin zum Service 130, bis hin zu Telefax, bis hin zu Teletex. Dies alles sind neue Dienstleistungen; das heißt, die Post ist ein Unternehmen, das auf vielen Gebieten mit neuen Ideen in den Markt hineinstößt. Es wird oft übersehen, es wird oft vergessen, daß es bei der Post nicht nur um die Arbeitsplätze in diesem Unternehmen geht. Dieses größte deutsche Unternehmen hat eine unheimlich wichtige Pilotfunktion gegenüber der deutschen Wirtschaft.
Ich möchte von dieser Stelle aus insbesondere der Postgewerkschaft ins Gedächtnis rufen: So wichtig es ist, für die Arbeitsplätze der Postbediensteten zu sorgen, so wichtig ist es aber auch, daß die Post durch ihre technischen Vorgaben für sichere, moderne Arbeitsplätze in der Fernmeldeindustrie sorgt. Je nachdem, wie diese Fernmeldeindustrie von der Bundespost gesteuert wird, ist diese Fernmeldeindustrie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig oder eben nicht.
Vor ein paar Jahren hat z. B. die Fernmeldeindustrie ein Vermittlungssystem, das sogenannte EWS, Herr Pfeffermann, entwickelt, das sich, noch bevor es fertig war, als veraltet erwies. Durch Betreiben der Post ist die Entwicklung abgestoppt und eine neue Technik vorgegeben worden. Durch Konkurrenzausschreibung an drei Unternehmen hat sich schließlich eine Technik herausgebildet, die jetzt führend in der Welt ist. Das heißt: Jetzt kann die deutsche Fernmeldeindustrie darauf verweisen, daß ihre modernen Produkte in einem hochmodernen Industrieland, nämlich bei uns, durch die Bundespost eingesetzt werden. Sie kann auf eine Referenz verweisen: auf Deutschland als Pilotkunden. Damit können andere Länder auch guten Gewissens deutsche Fernmeldeprodukte kaufen.
Man unterschätze diese Entwicklung nicht. Die ganzen Schwellenländer, die dabei sind, ihre Märkte, ihr Kommunikationssystem aufzubauen, sind potentielle Kunden einer guten Fernmeldeindustrie.
Nun, meine Damen und meine Herren, möchte ich am Beispiel der Bundespost eine gefährliche Entwicklung aufzeigen. Allenthalben ist die Rede davon, daß die 35-Stunden-Woche eingeführt werden soll, um vorhandene Arbeit auf mehr zu verteilen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Man unterliegt dabei einem Irrtum, und zwar insoweit, als man meint, daß eine gleichbleibende Arbeitsmenge vorhanden sei — unabhängig vom Preis dafür —, die nur neu verteilt werden müßte.
Ich habe am Beispiel der Bundespost ausgerechnet, daß rein rechnerisch 60 000 Mitarbeiter mehr nötig wären, wenn man voll auf die 35-StundenWoche überginge. Selbst wenn es gelänge, von diesen 60 000 Mitarbeitern ein Drittel durch Rationalisierung aufzufangen, blieben immer noch 40 000 Mitarbeiter mehr übrig. Diese 40 000 Mitarbeiter würden rund 2 Milliarden DM kosten.
Bei einem Gewinn der Post von 2,4 Milliarden DM im nächsten Jahr wäre also der Gewinn durch die Einführung der 35-Stunden-Woche fast weg; im übernächsten Jahr wäre die nächste Gebührenerhöhung fällig, oder die Post würde genauso ins Defizit marschieren, wie dies die Bahn zur Zeit tut.
Ich möchte deshalb mit diesem konkreten Beispiel davor warnen, dieser Illusion anzuhängen. Für mich ist höchst interessant: Als beim DGB angeregt wurde, er möge die 35-Stunden-Woche doch zunächst einmal in den ihm gehörenden Unternehmen einführen, da war die Antwort prompt, das gehe nicht, weil man einer Konkurrenz begegne, die nicht die 35-Stunden-Woche habe.
Aber wir sind ein Exportland, das zweitgrößte der Erde. Wir leben vom Export. Sechs Millionen Arbeitnehmer arbeiten bei uns in der Exportwirtschaft, und deren Produkte stoßen in der Welt auf Produkte von Ländern, die nicht die 35-StundenWoche haben. Das heißt zu deutsch: Hier am Beispiel der Bundespost können wir klar erkennen, daß es nicht einmal dort ohne Nachteile für die Wirtschaft und für dieses große Unternehmen laufen wird.
Vor kurzem hat der Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft auf einem Gewerkschaftstag gesagt, es kämen jetzt wieder Zeiten eines „stinknor-
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Dr. Friedmann
malen Kapitalismus". — Ich würde dies hier nicht aufgreifen, wenn es ein x-beliebiger Bürger gesagt hätte, aber diese Äußerung stammt vom Vorsitzenden einer Gewerkschaft, die nicht unbedeutend ist. Der erste Vorsitzende des DGB, Herr Breit, kommt aus dieser Gewerkschaft, und der zweite, Gustl Fehrenbach, kommt auch aus dieser Gewerkschaft.
Ich frage hier die Deutsche Postgewerkschaft, insbesondere ihren Vorsitzenden — denn das ist j a auch der Partner des Ministers —: Wo in aller Welt sind denn Arbeitsplätze sicherer als bei der Bundespost? Wo in aller Welt gibt es ein Unternehmen, das so in die Zukunft hinein mit einer neuen Technologie arbeitet? Wo in aller Welt wird sozialer gedacht als gerade bei dem Unternehmen Bundespost? Kapitalismus hat sehr viel dafür übrig, daß Kapital rentierlich eingesetzt wird. Aber wir haben eine Soziale Marktwirtschaft. Das heißt, hier kommt die soziale Komponente hinzu.
Wir haben den Eindruck, daß die Postbediensteten und an ihrer Spitze der Minister und der Parlamentarische Staatssekretär alle Aufgaben der Post sehen. Und meine Fraktion bittet den Minister sehr herzlich darum, sein Augenmerk auch weiterhin der ganzen Post zu widmen.
Es soll nicht der Eindruck entstehen, als ginge es bei der Post nur um Medienpolitik.
Deshalb stimmen wir dem Einzelplan 13 zu und sagen dem Minister und seinen Bediensteten einen recht herzlichen Dank.