Rede von
Dr.
Jürgen
Schmude
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Hirsch, ich komme auf Ihr Wort zurück und bin Ihnen dafür im übrigen dankbar.
Neben dem Haushalt des Bundesinnenministers steht in dieser Debatte auch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 zur Behandlung an. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird in diesem Gesetz auch die die Besoldung im öffentlichen Dienst betreffenden Art. 23 bis 25 ablehnen. Unser Versuch im Innenausschuß, diese Gesetzesvorschriften durch einen eigenen Antrag zu ändern, ist an der Mehrheit gescheitert. Wir führen unser Vorhaben mit dem heute hier vorgelegten Entschließungsantrag fort, in dem wir die von der Bundesregierung beabsichtigte Besoldungspause im öffentlichen Dienst ablehnen und die Angleichung der Beamtengehälter an den Tarifbereich des öffentlichen Dienstes wenigstens ab 1. März 1984 fordern.
Bundestagsmehrheit und Bundesregierung machen es sich zu leicht, wenn sie bei dieser Forderung sogleich nach Deckungsvorschlägen rufen.
Eine Opposition ist überfordert, wenn sie den von der Regierung und ihrer Mehrheit im Haushalt geschaffenen vollendeten Tatsachen Deckungsvorschläge auch für die Verwirklichung solcher politischer Entscheidungen gegenüberstellen soll,
zu denen die Regierung nach ihren eigenen Erklärungen eigentlich verpflichtet ist.
Über diese Verpflichtung wollen wir reden. Über den Grundsatz, um den es dabei geht, wollen wir Regierung und Mehrheit zum Reden bringen. Gelten für sie die in unserem Antrag formulierten Grundsätze, daß die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Anspruch auf Teilnahme an der allgemeinen Einkommensentwicklung haben? Gilt für sie weiterhin, was wir über ein Jahrzehnt lang gemeinsam praktiziert haben, daß nämlich der bewährte Gleichklang zwischen den Beschäftigtengruppen auf der Grundlage des jeweiligen Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst grundsätzlich sicherzustellen ist?
Sie haben diesen Gleichklang tatsächlich nicht sichergestellt, sondern muten den Beamten im Vergleich zu den Tarifbeschäftigten einen Rückstand von 1 % zu
und schreiben das als Besoldungspause sogar noch bis zum 1. April 1985 fest.
Statt Einsparungen in maßvollen Tarifabschlüssen zu suchen, diese aber wie bisher dem gesamten öffentlichen Dienst zugute kommen zu lassen, wollen Sie außerdem den Weg struktureller Eingriffe, die die Art. 23 bis 25 des Haushaltsbegleitgesetzes vorsehen. Sie verursachen damit eine weitere Abkoppelung des Besoldungsbereichs vom Tarifbereich.
Gern preisen Sie mit feierlichen Worten das Berufsbeamtentum. Ich habe den Eindruck, daß es Ihnen dabei vor allem um die staatspolitische Nützlichkeit des Berufsbeamtentums geht, die nicht zuletzt im fehlenden Streikrecht der Beamten ihren Ausdruck findet. Dort also kann nicht um Einkommensverbesserungen gekämpft werden, und das nutzen Sie aus. Sie treffen damit zum größeren Teil Beamte mit bescheidenen Gehältern,
gehören doch z. B. im Bereich der Bundespost und auch bei der Bundesbahn über 87 % der Beamten den Laufbahnen des einfachen und des mittleren Dienstes an.
Was mögen diese Beamten empfinden, Herr Friedmann, wenn sie aus dem Munde der Bundesregierung und der Regierungsparteien den Lobpreis des Berufsbeamtentums hören, aber nichts davon verspüren, daß dabei an die Sorgen und Nöte des einzelnen Beamten gedacht wird?
Den Hinweis von Herrn Gerster auf die Entscheidungen der sozialliberalen Bundesregierung und ihrer Mehrheit habe ich mit Vergnügen gehört. Da ging es um einen Verzug von zwei Monaten.
Erinnern Sie sich doch bitte einmal, mit welchen Worten das von Ihnen angeprangert, mit welchen Versprechungen gegenüber den Organisationen das von Ihnen angegriffen worden ist!
Die Briefe des heutigen Bundeskanzlers an die Organisationen stammen noch vom September 1982. In ihnen schreibt er:
Die Bundesregierung ist deshalb aufgefordert worden, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Gleichstellung innerhalb des öffentlichen Dienstes herbeizuführen.
Und:
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich auf jeden Fall gegen ungerechtfertigte Sonderopfer der Beamten wenden.
Herr Strauß hat ähnliches geschrieben. Sie wissen, daß Ihnen die Betroffenen das heute entgegenhalten und fragen, wo denn Ihre Glaubwürdigkeit nach diesen Ankündigungen bleibt.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2889
Dr. Schmude
Wir jedenfalls werden Sie weiter an die Notwendigkeit solcher Konsequenzen erinnern. Wir nehmen damit Sie, Herr Bundesinnenminister, mit Ihrer besonderen Verantwortung für das Beamtenrecht vorrangig in Pflicht.
Ihre Haltung zur Beamtenbesoldung fügt den vielen Widersprüchlichkeiten Ihrer Politik, die wir beanstanden, eine weitere hinzu. Vertrauen erweckt diese Innenpolitik nicht. Eine Wende ist in ihr in vielen Bereichen nur zum Schlechteren festzustellen.
Von der Opposition können Sie dafür weder Anerkennung noch Nachsicht erwarten. Deswegen lehnen wir Ihren Haushalt ab.