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    Plenarprotokoll 10/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2823 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 10/713 — 2823 B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Gemeindefinanzen (GSVG) — Drucksache 10/537 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Fortsetzung der Gemeindefinanzreform — Drucksache 10/538 — Bernrath SPD 2823 D von Schmude CDU/CSU 2826 C Krizsan GRÜNE 2828 D Gattermann FDP 2830 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . 2833 C Dr. Struck SPD 2836 A Dr. Daniels CDU/CSU 2840 A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 2841 D Poß SPD 2843 A Dr. Blank CDU/CSU 2843 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Tietjen, Bachmaier, Dr. Ehrenberg, Dr. Emmerlich, Ewen, Fischer (Osthofen), Klein (Dieburg), Dr. Kübler, Lambinus, Oostergetelo, Polkehn, Schmidt (München), Schröder (Hannover), Stiegler, Dr. de With, Dr. Schwenk (Stade), Frau Terborg und der Fraktion der SPD Errichtung eines Dokumentations- und Informationszentrums auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Esterwegen — Drucksache 10/579 — Tietjen SPD 2845 B Seiters CDU/CSU 2846 D Dr. Jannsen GRÜNE 2848 D Dr. Hirsch FDP 2850 A Würzbach, Parl. Staatssekretär BMVg . 2850 C Beratung der Sammelübersicht 15 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/588 — Frau Nickels GRÜNE 2852 A Dr. Göhner CDU/CSU 2853 D Peter (Kassel) SPD 2855 D Neuhausen FDP 2857 A Frau Nickels GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2858 C Nächste Sitzung 2859 D II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2861*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2861* C Anlage 3 Kontrollen und gesetzliche Vorschriften bezüglich der Freisetzung genetisch manipulierter Bakterien; Förderung von Projekten der Sicherheitsforschung und der Technologiefolgenabschätzung für die Entwicklung und Anwendung gentechnischer Verfahren seit 1978 MdlAnfr 3, 4 25.11.83 Drs 10/683 Catenhusen SPD SchrAntw PStSekr Dr. Probst BMFT . . 2862* A Anlage 4 Kenntnis des US-Senats von den Stationierungsorten der Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland; Informierung der deutschen Öffentlichkeit MdlAnfr 8, 9 25.11.83 Drs 10/683 Sielaff SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 2862* C Anlage 5 Verbot der Verfütterung von aflatoxingefährdetem Erdnußschrot an Kühe; Festsetzung einer Höchstmenge für die Milch MdlAnfr 91 25.11.83 Drs 10/683 Frau Weyel SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Geldern BML 2863* A Anlage 6 Schlußfolgerungen aus der Registrierung der Waldschäden und den parlamentarischen Anhörungen zur Bekämpfung des Waldsterbens; Prüfung kurzfristig wirksamer Maßnahmen MdlAnfr 92, 93 25.11.83 Drs 10/683 Graf Stauffenberg CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Geldern BML 2863* C Anlage 7 Unterschiedliche Produktions- und Vermarktungskosten für Schweine in der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden; Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung durch das niederländische WIR-Programm MdlAnfr 94, 95 25.11.83 Drs 10/683 Eigen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. von Geldern BML 2864* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 2823 41. Sitzung Bonn, den 2. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 40, Sitzung, Seite 2820* D, Zeile 1: Statt „Dr. Probst" ist „Erhard" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 2. 12. Antretter * 2. 12. Böhm (Melsungen) * 2. 12. Büchner (Speyer) * 2. 12. Cronenberg (Arnsberg) 2. 12. Dr. Emmerlich 2. 12. Dr. Enders * 2. 12. Ertl 2. 12. Dr. Faltlhauser 2. 12. Francke (Hamburg) 2. 12. Frau Fuchs (Köln) 2. 12. Gansel * 2. 12. Frau Geiger 2. 12. Glombig 2. 12. Dr. Götz 2. 12. Günther 2. 12. Haase (Fürth) * 2. 12. Haase (Kassel) 2. 12. Dr. Hackel * 2. 12. Haehser 2. 12. Handlos 2. 12. Hartmann * 2. 12. Dr. Hauchler 2. 12. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 2. 12. Hoffmann (Saarbrücken) 2. 12. Dr. Holtz * 2. 12. Dr. Hornhues * 2. 12. Graf Huyn 2. 12. Ibrügger 2. 12. Immer (Altenkirchen) 2. 12. Jansen 2. 12. Kastning 2. 12. Kittelmann * 2. 12. Dr. Klein (Göttingen) 2. 12. Kolb 2. 12. Dr. Kreile 2. 12. Kroll-Schlüter 2. 12. Frau Krone-Appuhn ** 2. 12. Lenzer * 2. 12. Dr. h. c. Lorenz 2. 12. Dr. Müller * 2. 12. Offergeld 2. 12. Pauli 2. 12. Petersen 2. 12. Dr. Probst 2. 12. Rappe (Hildesheim) 2. 12. Rawe 2. 12. Reddemann * 2. 12. Dr. Rumpf * 2. 12. Sauer (Stuttgart) 2. 12. Schäfer (Mainz) 2. 12. Dr. Scheer * 2. 12. Schlaga 2. 12. Schmidt (München) * 2. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schröder (Hannover) 2. 12. Schulte (Unna) * 2. 12. Schwarz * 2. 12. Dr. Solms 2. 12. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 2. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 2. 12. Stockleben 2. 12. Dr. Unland * 2. 12. Vogt (Kaiserslautern) * 2. 12. Frau Dr. Wex 2. 12. Windelen 2. 12. Dr. Wittmann 2. 12. Dr. Wulff * 2. 12. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 25. November 1983 beschlossen, dem Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern zuzustimmen. In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, zu dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof keinen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes zu stellen. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland (Unfallverhütungsbericht) (Drucksache 10/618) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"; hier: Rahmenplan 1984 bis 1987 (Drucksache 10/626) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehende Vorlage absieht: Überplanmäßige Ausgabe; hier: Kap. 23 02 Tit. 836 02 - Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Kapital der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) (Drucksache 10/565) Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehende Vorlage absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zum kleinen Grenzverkehr (Drucksache 9/2369) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 25. November 1983 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: 2862* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 358/79 über die in der Gemeinschaft hergestellten Schaumweine der Nummer 13 des Anhangs II der Verordnung (EWG) Nr. 337/79 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festlegung der Grundregeln für die Bezeichnung und Aufmachung von Schaumwein und Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure (Drucksache 10/92 Nr. 66) Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 1. Dezember 1983 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über den passiven Veredelungsverkehr (Drucksache 10/376 Nr. 21) Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Finanzielle Integration — (Drucksache 10/133 Nr. 10) Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Genehmigung des Abschlusses des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Anwendung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung (Drucksache 10/92 Nr. 23) Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Probst auf die Fragen des Abgeordneten Catenhusen (SPD) (Drucksache 10/683 Fragen 3 und 4): Welchen Kontrollen und gesetzlichen Vorschriften ist derjenige in der Bundesrepublik Deutschland unterworfen, der beabsichtigt, genetisch manipulierte Bakterien in die Umwelt freizusetzen? Welche Projekte der Sicherheitsforschung und der Technologiefolgenabschätzung für die Entwicklung und Anwendung gentechnischer Verfahren sind seit 1978 von der Bundesregierung gefördert worden? Zu Frage 3: Das Arbeiten mit Bakterien, die durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren genetisch manipuliert worden sind, unterliegt den Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren (Fassung vom 7. August 1981). Die vom Bundeskabinett am 15. Februar 1978 beschlossenen Richtlinien sind für alle unmittelbar und mittelbar vom Bund geförderten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten verbindlich. Nach Nummer 17 Abs. 2 e ist die Freisetzung von Organismen, die neukombinierte Nukleinsäuren enthalten, nicht erlaubt. Das Bundesgesundheitsamt kann auf Antrag und nach Anhörung der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit Ausnahmen zulassen (Nummer 17 Abs. 3). Der mit den Richtlinien verfolgte Zweck, Leben und Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze vor der Gefahr übertragbarer Krankheiten zu schützen, wird auch durch das Bundesseuchengesetz, das Viehseuchengesetz und das Pflanzenschutzgesetz verfolgt. Sind manipulierte Bakterien auf Grund ihrer Eigenschaft Krankheitserreger im Sinne des Bundesseuchengesetzes, Tierseuchenerreger im Sinne des Viehseuchengesetzes oder schädliche Mikroorganismen im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes, so sind die Vorschriften der untengenannten Gesetze anzuwenden. In Betracht kommen z. B. §§ 64, 64 Abs. 2 Nummern 1-3, § 70 BSeuchenG, § 74 Abs. 1 ViehSG und §§ 24, 25 Abs. 1 Nummer 1 PflSchG. Zu Frage 4: Von der Bundesregierung werden oder wurden folgende Projekte der Sicherheitsforschung und der Technologiefolgenabschätzung gefördert: Bundesgesundheitsamt Berlin: Erarbeitung von Kriterien für die Zulassung neuer biologischer Sicherheitsmaßnahmen und sicherheitstechnische Überprüfung von Forschungsvorhaben durch die Zentrale Kommission. Universität Bielefeld: In Zusammenarbeit mit der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Gesellschaftliche Folgen neuer Biotechniken: Potential und Probleme der Anwendung von Techniken der Neukonstruktion von Genen und der Fortpflanzungsbiologie. Universität Heidelberg: Infektiosität von klonierter Hepatitis B-Virus-DNA in Primaten. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Sielaff (SPD) (Drucksache 10/683 Fragen 8 und 9): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die US-Regierung ihre Mitglieder im Senat über die Stationierungsorte von Pershing II und Cruise Missiles informiert und diese Standorte auch in den Protokollen festgehalten sind, und warum informiert die Bundesregierung dann weder die Abgeordneten des Deutschen Bundestages noch die Öffentlichkeit über die Stationierungsorte der Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland? Welchen Sinn hat nach Ansicht der Bundesregierung die Informationsverweigerung über die Standorte der Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland, wenn es möglich ist, sich über den Umweg über die USA diese Informationen zu beschaffen? Zu Frage 8: Es trifft zu, daß in Sitzungen eines Unterausschusses des amerikanischen Kongresses im März und April 1983 Standorte genannt worden sind. Durch einen Fehler im administrativen Bereich sind diese teilweise in die Protokolle übernommen worden. Es liegt — besonders durch diesen Vorgang — kein Grund für die Bundesregierung vor, von der bisher gültigen Praxis abzuweichen. Zu Frage 9: Auf Grund der geltenden Bestimmungen war es Praxis aller bisherigen Bundesregierungen, Anfragen und Behauptungen zu Lagerorten nuklearer Waffen weder zu bestätigen noch zu dementieren. An dieser Position hält auch unsere Bundesregierung fest. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 2863* Die Bundesregierung hat mehrfach betont, daß sie bereit wäre, einer Bekanntgabe der Standorte in Ost und West sofort zuzustimmen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Geldern auf die Frage der Abgeordneten Frau Weyel (SPD) (Drucksache 10/683 Frage 91): Wird die Bundesregierung — wie in der Schweiz — die Verfütterung von Erdnußschrot, das als besonders aflatoxin-gefährdet gilt, an Kühe verbieten und eine Höchstmenge von 0,05 µg pro kg Rohmilch festsetzen, um vorsorglich den möglichen Gefahren einer Aflatoxin-Kontamination des Grundnahrungsmittels Milch zu begegnen? Höchstgehalte an Aflatoxin B1 in Futtermitteln sind in der Bundesrepublik erstmals 1973 festgelegt und zuletzt durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Futtermittelverordnung vom 2. Mai 1983 (BGBl. I S. 505) von 0,02 auf 0,01 mg/kg Ergänzungsfuttermittel für laktierende Rinder, laktierende Schafe und laktierende Ziegen verschärft worden. Die Verschärfung ist inzwischen bei der EG nachvollzogen worden. Die für die Milchproduktion relevanten Höchstgehalte betragen z. Zt. EG-einheitlich 0,05 mg/kg Einzelfuttermittel und 0,01 mg/kg Mischfuttermittel. Bei Einhaltung des auch für die Verfütterung geltenden Höchstgehaltes von 0,01 mg/kg Futter ist die Einhaltung der von Ihnen genannten Höchstmenge von 0,05 µg/kg Rohmilch sichergestellt. Es ist bekannt, daß von Erdnußprodukten in besonderem Maße eine Gefährdung durch Aflatoxine ausgeht, jedoch können auch andere, insbesondere tropische oder subtropische, Futtermittel in unterschiedlichem Maße mit Aflatoxin belastet sein. Im Vorgriff einer EG-einheitlichen Regelung ist daher mit der vorher erwähnten Verordnung ein absoluter Höchstgehalt von 0,2 mg/kg Futtermittel festgesetzt worden, was bedeutet, daß Futtermittel mit mehr als 0,2 mg/kg Aflatoxin in der Bundesrepublik nicht mehr verkehrsfähig sind und somit auch nicht mehr eingeführt werden dürfen. Darüberhinaus muß die Einfuhr von Erdnüssen und Baumwollsaaten (einschließlich daraus hergestellter Einzelfuttermittel) angezeigt werden, um die Einfuhr durch Aflatoxin besonders gefährdeter Einzelfuttermittel besser kontrollieren zu können. Auf Grund der getroffenen Regelungen bedarf es keines zusätzlichen Verbots der Verfütterung von Erdnußschrot an Milchkühe. Zur Frage der Festsetzung eines Höchstgehaltes für Aflatoxin in Rohmilch wird sich der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in seiner Antwort zur Frage der Aflatoxinbelastung von Lebensmitteln äußern. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Geldern auf die Fragen des Abgeordneten Graf Stauffenberg CDU/ CSU (Drucksache 10/683 Fragen 92 und 93): Welche Schlußfolgerungen zur Begegnung des Waldsterbens zieht die Bundesregierung aus der bundesweiten Aufnahme der Waldschäden und den beiden parlamentarischen Anhörungen vor dem Innenausschuß und dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages? Welche kurzfristig wirksamen Maßnahmen einschließlich eventuell sofort wirksamer Übergangsregeln plant oder prüft die Bundesregierung? Zu Frage 92: Die Bundesregierung hat mit Besorgnis die neuen Zahlen über die erhebliche Zunahme der Waldschäden seit dem Sommer 1982 zur Kenntnis genommen. Hinsichtlich der Ursachen und der erforderlichen Maßnahmen sieht sich die Bundesregierung in ihren bisherigen Aussagen bestätigt. Bezüglich der Ursachen muß weiter davon ausgegangen werden, daß die Waldschäden in der Regel durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren verursacht werden. Dabei kommen sowohl Luftschadstoffe, insbesondere Schwefeldioxid, Stickoxide, Photooxidantien und Schwermetalle, als auch Faktoren wie Frost, Trockenheit, Schädlinge und waldbauliche Einflüsse in Frage. Die Schädigungsanteile der einzelnen Faktoren sind von Standort zu Standort verschieden. Trotz des noch fehlenden naturwissenschaftlichen Nachweises sprechen die Indizien dafür, daß Luftverunreinigungen und deren Umwandlungsprodukte eine wesentliche Ursache für die Waldschäden sind. Zu Frage 93: Die Bundesregierung wird daher ihr Aktionsprogramm „Rettet den Wald" konsequent durchführen. Im Mittelpunkt der Maßnahmen steht die weitere Emissionsbegrenzung für Luftschadstoffe auf nationaler, gemeinschaftlicher und internationaler Ebene. Das gilt für stationäre Anlagen ebenso wie für die Einführung bleifreien Benzins in Verbindung mit der Festlegung von Schadstoffgrenzwerten, die der Katalysatortechnik entsprechen. Besondere Aufmerksamkeit wendet die Bundesregierung der Einführung marktwirtschaftlich orientierter Instrumente zu. Sie hat daher die betroffenen Ressorts beauftragt zu prüfen, ob und inwieweit bestehende Instrumente der Luftreinhaltung durch zusätzliche marktwirtschaftlich orientierte Instrumente ergänzt werden können. Da trotz aller Anstrengungen eine ausreichende Verringerung der Immissionen in den Waldschadensgebieten nicht kurzfristig zu erreichen ist, zumal ein sehr großer Teil der Immissionen — z. B. beim Schwefeldioxid im Durchschnitt ca. 50 % — aus ausländischen Quellen stammen, müssen unverzüglich alle geeigneten forstlichen Maßnahmen ergriffen werden, um die Vitalität der betroffenen Wälder zu stärken und die Schäden so weit wie möglich zu beheben, bis die angestrebte Luftqualität erreicht worden ist. Zur Förderung dieser Maßnahmen sollen für 1984 20 Millionen DM Bun- 2864* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 desmittel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" zur Verfügung gestellt werden, die zur Finanzierung von gezielten Düngungsmaßnahmen, dem Voran- und Unterbau in lückig gewordenen Beständen und für Wiederaufforstungen verwendet werden können. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Geldern auf die Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 10/683 Fragen 94 und 95): Welche Unterschiede bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung in den Produktions- und Vermarktungskosten für Schweine zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, in Brüssel bei der Europäischen Gemeinschaft dafür Sorge zu tragen, daß die Wettbewerbsverzerrungen durch das WIR-Programm in den Niederlanden, das Investitionen auch in der Landwirtschaft erheblich bezuschußt, endlich beseitigt werden? Zu Frage 94: Die Produktions- und Vermarktungskosten in der Schweinehaltung sind von zahlreichen Faktoren abhängig, die einen statistischen Vergleich zwischen zwei Ländern in der Gemeinschaft nicht zulassen. Zu den wichtigsten Faktoren gehören die Bestandsgröße, das Tiermaterial, die Futterkosten, die Haltungstechnik und die Art der Vermarktung. Wie Ihnen bekannt ist, hat die Schweineproduktion in einigen Regionen der Niederlande, aber auch in bestimmten Gebieten Norddeutschlands eine vergleichsweise hohe Konzentration erreicht. Die Unterschiede in den Produktionskosten zwischen diesen Regionen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden sind sicherlich geringer als im Vergleich zu Gebieten mit einer anderen Produktions- und Vermarktungsstruktur im gleichen Lande. Die günstige Infrastruktur mit den nahegelegenen Seehäfen in den Niederlanden und in Norddeutschland wirken sich kostensenkend auf die Preise von Zukauf-Futtermitteln aus. Schließlich wurden in den Hauptproduktionsgebieten der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland Vermarktungseinrichtungen (Versandschlachtereien) errichtet, die durch hohe Kapazitätsauslastung wesentlich kostengünstiger arbeiten als weniger gut ausgelastete Schlachthöfe in strukturschwächeren Gebieten. Zu Frage 95: Bei der investiven Förderung von Unternehmen in den Niederlanden auf Grund des niederländischen WIR-Gesetzes handelt es sich um eine allgemeine Maßnahme im Rahmen der Steuergesetzgebung, die nicht speziell die Landwirtschaft betrifft. Die im Rahmen dieses Gesetzes gewährten allgemeinen Investitionsprämien sind daher keine Beihilfen im Sinne des Art. 92 des EWG-Vertrages. Sie fallen daher auch nicht unter die besonderen Beihilfeverbote und -beschränkungen der Gemeinschaftsrichtlinie über die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe (72/159/EWG). Das WIR-Gesetz ist insoweit vergleichbar mit der — allerdings nur vorübergehend gewährten — 10%igen Investitionszulage nach dem deutschen Beschäftigungsförderungsgesetz. Was den Umfang der Investitionsförderung nach dem WIR-Gesetz anbelangt, so ist dieser in den vergangenen Jahren ganz erheblich eingeschränkt worden. So sind die Basisprämien für Investitionen in Neugebäude von früher 23 % auf heute 14 %, bei Investitionen in bestehende Gebäude von früher 15 % auf heute 8 % verringert worden. Schließlich ist auch die regionale Prämienzulage, die für Investitionen in bestimmten benachteiligten Regionen der Niederlande zusätzlich vorgesehen war, seit August 1982 für Betriebe der Landwirtschaft ganz aufgehoben worden. Die derzeit bestehende Regelung nach dem WIR-Gesetz ist, da sie mit dem EWG-Vertrag und dem sekundären Gemeinschaftsrecht in Einklang steht, rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Beseitigung wäre nur langfristig im Rahmen einer Steuerharmonisierung auf Gemeinschaftsebene zu erreichen. Dabei müßten allerdings auch Regelungen des deutschen Steuerrechts berücksichtigt und möglicherweise zur Disposition gestellt werden, wie etwa die Steuererleichterungen bei Investitionen in der Landwirtschaft auf Grund der §§ 76 und 78 der Einkommenssteuerdurchführungsverordnung. Auch sonstige steuerliche Rahmenbedingungen wie etwa die vermögensteuerlichen Belastungen müßten bei einer Harmonisierung angeglichen werden.
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    Rede von Dr. Peter Struck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf meine Vorredner eingehe, möchte ich hier — den Beifall des gesamten Hauses erwartend — rügen, daß wir, wenn wir über ein Problem, für das schließlich die Länder zuständig sind, nämlich über die Finanzsituation der Gemeinden, reden, eine leere Bundesratsbank vor uns haben.

    (Beifall bei allen Fraktionen) Ich halte das für sehr befremdlich.


    (Gattermann [FDP]: Sie vergessen das viel leichter!)

    — Nein, nein! Nach dem, was Sie, Herr Gattermann, gesagt haben, waren wir das ganz allein. Aber auf Sie gehe ich noch besonders ein, weil das angemessen ist.
    Entweder also haben wir, die SPD/FDP-Koalition, die Gemeinden zugrunde gerichtet — das hat der Herr von Schmude gesagt —, oder es stimmt das, was Sie, Herr Voss, jetzt in bezug auf das Gutachten des Sachverständigen gesagt haben, nämlich die Gemeinden seien konsolidiert. Eines kann ja nur stimmen! Entweder haben wir sie zugrunde gerichtet, oder sie sind konsolidiert.

    (Dr. Spöri [SPD]: Schizoid ist das!)

    Sie müssen sich nun einmal entscheiden oder vielleicht Ihre Beamten bitten, sich zu entscheiden und zu sagen, was denn nun richtig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Die zweite Bemerkung zu Ihrer Rede, Herr Voss: Sie haben davon gesprochen, durch Ihre Politik seien insbesondere die Personalausgaben im öffentlichen Dienst — auch und besonders in den Gemeinden — gesenkt worden. Sie haben dann eine Rechnung aufgemacht, wieviel die Gemeinden dadurch gespart haben. Dabei haben Sie leider vergessen, zwei Umstände zu berücksichtigen:
    Der erste Umstand — wenn Sie auf die Beamtenbesoldung abstellen — ist, daß ja die Mehrzahl der bei den Gemeinden Beschäftigten nicht Beamte, sondern Arbeiter und Angestellte sind. Das heißt, daß durch die gesetzliche Vorgabe, die Sie gemacht haben, in diesem Bereich die Personalkosten nicht wesentlich gesenkt worden sind.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Der zweite Punkt, Herr Voss, ist gravierender. Sie sagen: Weil die Personalausgaben in den Gemeinden nicht um soundso viel Prozent gestiegen sind, haben die Gemeinden gespart. Auf dieser Grundlage machen Sie eine Konsolidierungsrechnung auf. Das alles sind natürlich Luftbuchungen; das ist klar. Denn ein vernünftiger Kämmerer einer Gemeinde geht von realistischen Besoldungs- und Tariferhöhungen aus, nicht von Luftbuchungen mit 5 oder 6 %, auf deren Basis er dann, Ihrer Argumentation folgend, sagen könnte: Wieviel Geld habe ich dadurch gespart, daß diese Tariferhöhung nicht gekommen ist! Das stimmt also nicht,

    (Dr. Spöri [SPD]: So ist das!)

    und das wird Ihnen auch jeder vernünftige Kämmerer sagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr von Schmude, auf Sie einzugehen lohnt sich in einem Punkt. Sie haben — das habe ich dem Handbuch entnommen — sozusagen auf zwei Schultern zu tragen: Sie sind Kreistagsabgeordneter gewesen und haben von daher, wie ich annehme, auch eine besonders enge Beziehung zu Gemeinden und deren finanziellen Problemen. Sie sind andererseits aber auch stellvertretender Landesvorsitzender der Mittelstandsvereinigung Ihrer Partei, und nach meinem Eindruck hat die letztgenannte Funktion, die Sie ausgeübt haben, zu der Rede geführt, die Sie hier heute gehalten haben. Für die Gemeinden ist das bedauerlich.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Der Herr Waffenschmidt — —

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Kommen Sie doch mal zur Sache und verteilen Sie nicht dauernd Noten wie ein Oberlehrer!)

    — Immer ruhig, Herr Kansy! Auf Ihre Zwischenrufe können wir gerne verzichten. Versuchen Sie einmal, sich ein bißchen zurückzuhalten.

    (Zustimmung bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Waffenschmidt, Sie sind in einer besonders schwierigen Situation.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Doch, das sind Sie! Ich bin gespannt darauf, wie Sie sich daraus lösen werden. Als Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung müßten Sie eigentlich die Interessen der Gemeinden vertreten und in einigen Punkten dem Entschließungsantrag, auf den ich gleich komme, nicht von vornherein ablehnend gegenüberstehen. Andererseits sind Sie als Mitglied der Bundesregierung natürlich gezwungen oder verpflichtet, die gemeindefeindliche Politik, die die Bundesregierung macht, mitzutragen.
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 2837
    Dr. Struck
    Jetzt komme ich zu dem Herrn Kollegen Gattermann. Da greife ich eine Bemerkung von Ihnen auf. Es ist natürlich richtig — und ich stehe hier überhaupt nicht an, dies zu bestreiten —, daß wir Sozialdemokraten, als wir in der Verantwortung waren, ebenfalls Gesetze gemacht und Maßnahmen getroffen haben, die die Gemeinden belastet haben. Das hat ja niemand von uns bestritten. Ich sage hier noch mal ganz eindeutig: Die Abschaffung der Lohnsummensteuer, unter der besonders viele Städte in Nordrhein-Westfalen zu leiden hatten und zu leiden haben, war keine gute Maßnahme. Da bin ich im Gegensatz zu Ihnen anderer Auffassung, Herr Gattermann.

    (Beifall bei der SPD — Gattermann [FDP]: Matthöfer!)

    — Ja, ich weiß, Sie haben Herrn Matthöfer zitiert. Aber man muß doch auch als Politiker so ehrlich sein — meine ich jedenfalls —, eine Maßnahme, die man im nachhinein als falsch erkannt hat, als solche zu bezeichnen. Wir stehen doch nicht an, uns zu Fehlern zu bekennen.
    Herr Gattermann, Sie haben darauf verwiesen, daß Ihre eigene Gemeinde, aus der Sie kommen, in einer schlechten finanziellen Situation sei. Das ist eigentlich der Punkt, an dem wir ansetzen wollen. Wir bestreiten doch niemals, daß es allgemeine Statistiken gibt, aus denen sich ergibt, daß es im Schnitt einigen Gemeinden gut und anderen schlecht geht. Aber das Entscheidende ist: Die Aussage, daß es den Gemeinden im Schnitt gut geht, hilft einem Stadtkämmerer in Duisburg oder Braunschweig oder Dortmund nicht. Denen geht es nämlich ganz bestimmt nicht gut. Denn sonst wäre eine Stadt wie Dortmund oder Braunschweig — das hat nichts mit den Mehrheitsverhältnissen dort zu tun — nicht gezwungen, Bibliotheken zu schließen, Hallenbänder dichtzumachen und Leute zu entlassen.

    (Duve [SPD]: Hört! Hört!)

    Denn die Finanzsituation verlangt von den Kämmerern diese einschneidenden Maßnahmen.

    (Gattermann [FDP]: Deshalb sind die Maßnahmen falsch!)

    — Nein. Unser Punkt ist: Wir wollen die Finanzsituation der Gemeinden verbessern, damit die Gemeinden investieren können und dadurch Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Das ist doch der entscheidende Punkt. Wir machen das doch nicht nur als Selbstzweck. Sondern: wenn es den Gemeinden besser geht, gibt es weniger Arbeitslose in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Woher soll das Geld denn genommen werden?)

    Das ist doch wohl klar, Herr Gattermann.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun will ich etwas zu unserem Entschließungsantrag sagen. Ich bitte die Kollegen von der Regierungskoalition, in den Beratungen, auch im Finanzausschuß, bei diesem Entschließungsantrag zu berücksichtigen — das sage ich auch den Kollegen auf der Regierungsbank —, daß die SPD nicht die
    Wertschöpfungssteuer einführen will. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion will, daß geprüft wird,

    (Dr. Spöri [SPD]: Ja!)

    was es mit der Wertschöpfungssteuer auf sich hat.

    (Dr. Spöri [SPD]: Auch die Schwächen prüfen!)

    Wir wollen feststellen, ob z. B. das, was der Sachverständigenrat, die kommunalen Spitzenverbände und andere Sachkundige, besonders der Wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium, zu diesem Thema gesagt haben, stimmt, ob die Wertschöpfungssteuer ein geeignetes Äquivalent für die bisher geltende Gewerbesteuer ist.

    (Gattermann [FDP]: Also formulieren wir den Prüfungsauftrag anders!)

    — Nein. Ihr Nachteil ist, Herr Gattermann, daß Sie unseren Entschließungsantrag nicht gelesen haben. Unser Entschließungsantrag sagt nämlich eindeutig: Das soll geprüft werden. Er sagt nicht: Es soll eine Wertschöpfungssteuer festgelegt werden. Denn wir sind uns auch der Risiken dieser Steuern bewußt. Natürlich nehmen wir Kritik, die an dieser Steuer auch von sachkundiger Seite kommt, durchaus ernst. Aber es soll auf jeden Fall geprüft werden. Und dann werden wir sehen, ob sie ein Äquivalent für die Gewerbesteuer sein kann. Aber solange ein angemessenes Äquivalent, das bestimmte Bedingungen erfüllen und besonders die Finanzautonomie der Gemeinden zum Inhalt haben muß, nicht da ist, bleibt für uns der Satz richtig, daß die Gewerbesteuer für die Gemeinden die Säule des Gemeindefinanzsystems bleibt. Wir wehren uns gegen jeden Eingriff in die Gewerbesteuer. Jedes andere Modell, das dazu führen würde, daß die Finanzautonomie der Gemeinden beeinträchtigt wird, etwa durch eine Ankoppelung an die Umsatzsteuer, wird unsere Ablehnung finden.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun hat der Bundeskanzler vor dem Deutschen Städtetag eine Garantie zum Bestand der Gewerbesteuer abgegeben.

    (Zuruf von der FDP: War sehr gut! — Dr. Jannsen [GRÜNE]: Das macht der öfters!)

    Da habe ich ja nun meine Zweifel bei den Garantien, die der Herr Bundeskanzler abgegeben hat. Die Ausbildungsplatzgarantie: Was ist daraus geworden?

    (Lachen bei der SPD — Dr. Möller [CDU/ CSU]: Eingehalten wird die!)

    Und die Aufschwunggarantie!

    (Lachen bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Auch eingehalten!)

    Und die Garantie — das ist der letzte Punkt — für die Kollegen auf den Werften in Bremen! Wenn diese Qualität der Garantie damit verbunden ist, dann habe ich Angst um die Städte und Gemeinden in Deutschland.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    2838 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983
    Dr. Struck
    Wir vertrauen da viel mehr dem Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Jochen Vogel. Der hat nämlich auch vor dem Deutschen Städtetag zu diesem Thema geredet. Er hat gesagt:
    Wer es mit der Selbstverwaltung ernst meint, muß daran festhalten, daß den Städten sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite ein Höchstmaß an eigener Verantwortung gebührt.

    (Zuruf von der FDP: Zustimmung!)

    Städte, deren Investitionsprogramme de facto in Bonn, in den jeweiligen Landeshauptstädten oder bei den Regierungspräsidenten aufgestellt werden, sind in Wahrheit Außenstellen der Zentralbehörden, nicht aber Selbstverwaltungskörperschaften im Sinne der deutschen Städtetradition.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Zustimmung!)

    Diesen zitierten Ausführungen von Jochen Vogel kann man uneingeschränkt zustimmen. Ich freue mich, daß Sie das auch tun. Jochen Vogel versteht nämlich auch im Gegensatz zum Bundeskanzler etwas von diesem Thema, denn schließlich war er zwölf Jahre Oberbürgermeister von München

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    und zuletzt amtierender Präsident des Deutschen Städtetags.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, der Herr Bundeskanzler ist ein Generalist. Darum kann er davon ja auch nichts wissen.

    (Magin [CDU/CSU]: Kohl war Fraktionsvorsitzender in einem Stadtrat! Da muß man mehr leisten!)

    — Sie müssen sich nun beruhigen. Der Bundeskanzler steht nun mal im Blickpunkt der Kritik, und wenn er Angriffsflächen bietet, muß man diese auch kennzeichnen. Es ist wenig, was ich zu diesem Thema sage. Man könnte ja noch eine ganze Menge mehr dazu sagen.
    Wir werden jedenfalls über die Frage der Wertschöpfungsteuer ausführlich diskutieren müssen. Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Kollege Daniels, auch noch darauf eingehen werden. Ich wäre jedenfalls den Kollegen im Finanzausschuß sehr dankbar, wenn wir uns nicht von vornherein festlegten auf diese Steuer oder auf dieses Modell oder auf ein anderes Modell, sondern sehr genau prüften, welche Vor- und Nachteile die einzelnen Modelle haben.
    Ich stimme auch dem Kollegen Gattermann zu. Das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich Fortführung der Gemeindefinanzreform, ist keine Aufgabe, die man in einigen wenigen Jahren erledigen kann. Es ist eine Aufgabe, die man in großer gemeinschaftlicher Zusammenarbeit erledigen muß. Weil die Lösung der Frage, was mit der Gemeindefinanzreform wird, sehr lange dauern wird, müssen wir Politiker in Bonn Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Finanzsituation der Gemeinden ergreifen.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: 13 Jahre hatten Sie Zeit, aber jetzt verlangen Sie Sofortprogramme!)

    Ich möchte deswegen einige Erläuterungen zu unserem Gesetzentwurf geben.
    Ich habe gesehen — ich habe auch die Drucksache mitgebracht —, daß Sie jetzt eine Große Anfrage zur Lage der Städte, Gemeinden und Kreise — Drucksache 10/680 vom 25. 11. 1983 — einbringen wollen. Das ist ein bißchen spät. Das haben Sie doch nur gemacht, weil wir einen Gesetzentwurf eingebracht und einen Entschließungsantrag gestellt haben.

    (Magin [CDU/CSU]: Das stimmt wirklich nicht, was Sie da sagen!)

    Aber, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit solchen Großen Anfragen helfen Sie den Gemeinden ganz und gar nicht;

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?)

    denn die Situation der Gemeinden ist bekannt. Man muß konkret werden und handeln wollen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Möller [CDU/ CSU]: Das haben Sie 13 Jahre versäumt!)

    Unser Gesetzentwurf hat im wesentlichen folgenden Inhalt:
    Überkommene Gewerbesteuerprivilegien werden unverzüglich abgebaut. Wir wollen, daß in Zukunft diejenigen größeren und kapitalintensiven Betriebe einbezogen werden, die bis jetzt als Freiberufler nicht der Gewerbesteuerpflicht unterliegen. Mich wundert ja, weil ich weiß, daß auch die Kollegen von der FDP und der CDU viel mit Kreishandwerkerschaften zu tun haben, daß Sie hier — auch Herr von Schmude hat das getan — so ohne weiteres über die berechtigten Beschwerden von Handwerksmeistern hinweggehen, die gerade deshalb, weil sie über der Freibetragsgrenze liegen, Gewerbesteuer zahlen müssen, während nebenan der große Zahnarzt mit seinem Labor und seiner riesigen Praxis überhaupt keine Gewerbesteuer zahlt. Das ist doch nicht gerecht; da ist doch keine Steuergerechtigkeit in diesem Punkt.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir haben in unserem Gesetzentwurf zu diesem Thema einige Punkte eingebaut, die nicht dazu führen, Herr von Schmude, daß es eine Arbeitsplatzvernichtungssteuer ist. Wir haben bestimmte Grenzen eingebaut. Herr Gattermann hat auch schon darauf hingewiesen. Wir sollten uns sehr ausführlich darüber unterhalten, denn wir glauben, daß man mit diesen Freistellungen, insbesondere der großen Zahnarztlabors, der Apparatemedizin, in Zukunft nicht mehr weiterkommen kann, daß damit die Grundsätze — —

    (Gattermann [FDP]: Die Labors sind sowieso gewerbesteuerpflichtig!)

    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 2839
    Dr. Struck
    — Herr Kollege Gattermann, erzählen Sie mir nicht, daß ein Zahnarzt gewerbesteuerpflichtig ist.

    (Gattermann [FDP]: Der Zahnarzt nicht, aber das Labor! Sie sprachen doch auch vom Labor! — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Aber wenn er es selbst macht? Wir wissen doch genau, Herr Kollege Gattermann, wie die tatsächliche finanzielle Situation von Zahnärzten ist. Darüber müssen wir uns unterhalten.

    (Magin [CDU/CSU]: Sie reden doch die ganze Zeit von Labors, nicht von Zahnärzten!)

    — Nein, ich habe von Zahnärzten geredet. — Der Realsteuercharakter der Gewerbesteuer wird nach unseren Vorstellungen zusätzlich verstärkt, indem die 1983 wirksam gewordenen Maßnahmen — Hinzurechnungskürzungen bei Dauerschuldzinsen und Dauerschulden — rückgängig gemacht werden.
    Diese Beschlüsse der neuen Koalition treffen insbesondere die Gemeinden in den Krisenregionen unseres Landes, z. B. in Nordrhein-Westfalen. Diese Gemeinden erleiden die höchsten Gewerbesteuereinbußen.
    Aber auch ein steuerlicher Gesichtspunkt spricht gegen die Hinzurechnungskürzungen. Sie sind wirtschaftspolitisch deshalb problematisch, weil das Eigenkapital gegenüber den Dauerschulden benachteiligt wird. Die Fremdfinanzierung wird prämiert und angereizt, und das ist wirtschaftspolitisch nun wirklich falsch.
    Zum dritten und wesentlichen Punkt unseres Gesetzentwurfs: Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wird ab 1985 von 15 auf 16 % erhöht. Meine Damen und Herren, zur Begründung möchte ich Ihnen einige Sätze aus einer Bundestagsdrucksache vorlesen:
    Das Ziel einer deutlichen Belebung der kommunalen Investitionstätigkeit zur Abstützung der Konjunktur, der Beschäftigung und des Wachstums kann nur durch eine dauerhaft bessere finanzielle Grundausstattung der Gemeinden erreicht werden.
    Diese Aufgabe kann nicht alleine von den Ländern mit Hilfe ihrer Finanzausgleichsgesetze geleistet werden, zumal diese Gesetze jährlich neu beschlossen werden ...

    (Zuruf von der SPD: Darum sind die Länder jetzt auch nicht da!)

    Der Bund trägt aber als Träger der Steuergesetzgebung eine ganz entscheidende Mitverantwortung. Insbesondere hat der Bund mit seiner Verantwortung für die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik die Aufgabe, die Gemeinden so auszustatten, daß sie zu einem konjunkturgerechten Verhalten in der Lage sind ...

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Deshalb sieht der Gesetzentwurf vor, den Gemeindeanteil an der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer von 14 v. H. auf 15 v. H. zu erhöhen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie damals mitgemacht!)

    Die Mitverantwortung des Bundes für die Gemeindefinanzen ist aktualisiert durch die Gesetzgebung dieses Jahres. Hierdurch haben die Gemeinden Steuereinnahmen verloren, oder ihnen wurden durch Steuergesetzgebung zusätzliche Aufgaben auferlegt, wie z. B. durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer.
    Ich habe aus der Drucksache 8/923 vom 21. September 1977 zitiert, einem Gesetzentwurf der CDU/ CSU.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Wir haben diesen Gesetzentwurf damals abgelehnt.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Ja eben!)

    — Ja, ja, ich werde Ihnen aber auch sagen, weshalb wir ihn abgelehnt haben. Es bestand nämlich zu dem damaligen Zeitpunkt, 1977/78, überhaupt keine Notwendigkeit zur Erhöhung des Gemeindeanteils.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Sie können das ja nicht wissen, weil Sie damals noch nicht hier waren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ich erzähle Ihnen das gleich; ich habe nämlich die Debatte nachgelesen!)

    1978 stiegen die kommunalen Sachinvestitionen um 12,9 % gegenüber dem Vorjahr, 1979 um 15,3 % und 1980 um 14,6 %. Das heißt, daß zu dem damaligen Zeitpunkt die Gemeinden noch Geld hatten, das sie investieren konnten — im Gegensatz zu heute.

    (Magin [CDU/CSU]: Die großen Programme sind über Kredite finanziert worden!)

    Ihr Gesetzentwurf ist damals also zu Recht abgelehnt worden. Nun kommen wir zur Gegenwart. Nach Ihren Eingriffen in das Steueraufkommen der Gemeinden von 1983 und 1984 gelten Ihre damaligen Worte heute jedoch in besonderem Maße.
    Die Beschlüsse dieser Koalition sind die Ursachen für die Finanznot der Kommunen, beginnend Ende 1982. Deshalb muß diese Koalition auch hier in Bonn die Konsequenzen ziehen und den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer ab 1985 um 1 % erhöhen.
    Unser Gesetzentwurf wird nicht nur Freude bei den Gemeinden hervorrufen, sondern er wird uns auch Arger einbringen. Aber Politik besteht nicht nur darin, allen Leuten etwas Freundliches zu sagen. Bei denen, die betroffen sind, wird dieser Gesetzentwurf allemal Ärger hervorrufen. Aber wir müssen aus der Unverbindlichkeit der Debatte über die Finanzsituation der Gemeinden heraus; wir wollen Klarheit über die Vorstellungen der Regierungskoalition haben. Wir wollen wissen, ob Sie ernsthaft den Gemeinden helfen wollen; denn wer den Gemeinden hilft, bekämpft Arbeitslosigkeit. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion jeden-
    2840 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983
    Dr. Struck
    falls will das. Wir halten unser Wort, das wir den kommunalen Spitzenverbänden gegeben haben: Es muß endlich gehandelt werden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Daniels.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Daniels


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Gesetzentwurf und den Antrag der SPD-Fraktion gelesen habe, kam mir eine Presseerklärung des Kollegen Dr. Kansy von vor wenigen Tagen wieder in Erinnerung: Es zeigt sich auch hier wieder einmal, daß die SPD zu früh aus der Regierungsverantwortung geschieden ist; denn jetzt plötzlich fallen ihr auf allen Sachgebieten die idealen Lösungen ein, auf die die deutschen Wähler 13 Jahre lang sehnlich haben warten müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Duve [SPD]: Warum haben Sie denn die Regierung verdrängt! Wäre gar nicht notwendig gewesen! Sie hätten ruhig draußen bleiben können!)

    Als ich dann noch die Presseerklärung der SPD-Fraktion las, wie schrecklich sich die Finanzlage der Gemeinden in den letzten zehn Jahren verschlechtert hat, da habe ich mich gefragt: Ist denn dieses ganze Ungemach wie ein Schicksal auf die Gemeinden vom Himmel herabgefallen? Wer hat denn eigentlich in dieser ganzen Zeit die entscheidende Verantwortung für die Wirtschafts- und Finanzpolitik in diesem Lande getragen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ein bißchen kommt mir das Ganze so vor, als wenn jemand, der ein Haus zunächst in Brand gesteckt hat, anschließend am lautesten nach der Feuerwehr ruft.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und sie noch beschimpft! — Heiterkeit)

    Den Gemeinden ist naturgemäß heute nicht mit der Bewältigung der Vergangenheit gedient, sondern mit der Gestaltung der Zukunft.

    (Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Das Tor ist offen!)

    Deshalb lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Anforderungen machen, die an jedes kommunale Steuersystem zu stellen sind. Ich möchte drei Punkte nennen.
    Erstens. Die Städte und Gemeinden müssen die Höhe kommunaler Steuersätze selbst bestimmen können.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Zweitens. Jedes, auch jedes neue kommunale Steuersystem muß die vorhandene Bindung zwischen Gemeinde und Wirtschaft erhalten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Drittens. Die kommunalen Steuern — das gilt im Grunde für alle Steuern; jetzt hören Sie einmal besonders genau zu — dürfen nicht durch ständige Detailkorrekturen unkalkulierbar werden.

    (Dr. Apel [SPD]: Das tun Sie doch andauernd! Wer fummelt denn daran immer herum?)

    Lassen Sie mich diese drei Anforderungen kurz begründen. Das Hebesatzrecht der Gemeinden für kommunale Steuern ist eines der Kernstücke der kommunalen Selbstverwaltung. Fast alle kommunalen Leistungen sind nicht kostendeckend und müssen auch aus Steuern finanziert werden. Deshalb ist immer auch eine Entscheidung zu treffen: Will man die Bürger stärker mit Steuern belasten und ihnen dafür auch mehr Leistungen zur Verfügung stellen, oder will man auf der anderen Seite auf solche zusätzlichen Leistungen verzichten, dafür aber auch eine geringere Steuerbelastung erreichen? Will man etwa ein neues Schwimmbad bauen, oder will man statt dessen mit geringeren Steuersätzen auskommen?
    Ich meine, auch in Zukunft muß diese zentrale Entscheidung der kommunalen Selbstverwaltung vor Ort von den dort gewählten Vertretern der Bürger getroffen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Nur so können auch die Bürger unmittelbar Einfluß auf die Entscheidungen nehmen;

    (Duve [SPD]: Die Bürgerinnen auch! — Heiterkeit)

    denn die Mitglieder der Räte in den Städten und Gemeinden haben ja einen unmittelbaren täglichen Kontakt zu den Bürgern auch über die konkret in einer Gemeinde anstehenden Probleme.

    (Duve [SPD]: Aber nicht, wenn sie gerade im Bundestag sprechen!)

    Sie haben jedenfalls einen viel intensiveren Kontakt zu den Bürgern als die Ministerialräte, die über Finanzzuweisungen entscheiden und die heute hier bei dieser Debatte durch Abwesenheit auf der Bundesratsbank glänzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Meine Damen und Herren, es ist richtig, daß die Abwägung zwischen mehr kommunalen Leistungen auf der einen Seite und geringerer steuerlicher Belastung auf der anderen Seite schwierig wird, wenn von den Steuern, deren Hebesätze die Gemeinde festsetzen kann, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung betroffen ist. Darin liegt sicher eines der Probleme der Gewerbesteuer.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Die Einnahmen werden von wenigen finanziert; mit den Wohltaten werden alle Bürger beglückt.

    (Bernrath [SPD]: Sie sind auf dem richtigen Wege!)

    Das ist verführerisch für die Räte. Es führt tendenziell zu weniger Sparsamkeit, zur Vermehrung der
    Ausgaben, und das widerspricht gerade den Grund-
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 2841
    Dr. Daniels
    Sätzen, mit denen die neue Koalition der Mitte in ihrer Politik angetreten ist.

    (Dr. Struck [SPD]: Rechtskoalition! — Duve [SPD]: Das mit der Mitte ist ein Mythos!)

    Zweiter Punkt: Gemeindesteuern müssen auch an die örtliche Wirtschaftskraft anknüpfen. Meine Damen und Herren, das ist nicht einmal in erster Linie wegen des Interesses der Gemeinden so, sondern der Zusammenhang zwischen der gemeindlichen Steuerkraft und der örtlichen Wirtschaft liegt vor allem auch im Interesse dieser Wirtschaft;

    (Dr. Penner [SPD]: Aha!)

    denn wenn die Gewerbebetriebe nur noch lästig sind, wenn sie keine Steuern mehr einbringen,

    (Dr. Spöri [SPD]: Richtig!)

    wenn also die Gemeinden an ihrer örtlichen Wirtschaft kein finanzielles Interesse mehr haben, dann werden die Folgen gerade für die Wirtschaft verheerend sein.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Spöri [SPD]: Bravo!)

    Wer diesen Zusammenhang kappt, der legt die Axt an die Wurzel der guten Beziehungen zwischen den Gemeinden und ihrer Wirtschaft.

    (Dr. Spöri [SPD]: Tiefe Risse in der Koalition!)

    Dritter Punkt: Wir dürfen an den gemeindlichen Steuern nicht weitere Detailkorrekturen ohne Einordnung in einen größeren Zusammenhang vornehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Gesetzgebung insgesamt leidet immer mehr darunter, daß die Gesetze ständig geändert werden. Die sogenannte Ellwein-Kommission zur Gesetz-und Verwaltungsvereinfachung in Nordrhein-Westfalen hat festgestellt: Von den 60 im Jahre 1978 erlassenen Bundesgesetzen galten am 31. Dezember 1981, also drei Jahre später, nur noch 22 unverändert. Nach drei Jahren war nur noch ein Drittel der von diesem Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetze unverändert in Geltung. Meine Damen und Herren, so darf es nicht weitergehen.
    Die Ellwein-Kommission hat drei Gruppen von Gesetzen aufgeführt, bei denen in besonderer Weise Stetigkeit bei der Gesetzgebung geboten ist:
    erstens, Gesetze, die eine größere Zahl von Bürgern ansprechen — und das ist bei Steuergesetzen in der Regel der Fall —,
    zweitens, Gesetze, die eine größere Rolle im Verwaltungsgeschäft spielen, die also von einer Vielzahl von Beamten und Angestellten ausgeführt werden müssen, und
    drittens, Gesetze, die in einem größeren Politikfeld Bedeutung haben, was ihre isolierte Behandlung verbietet.
    Alle diese drei Gründe, die ich mir voll zu eigen mache, sprechen gegen irgendwelche Korrekturen, irgendwelche Detail- und Einzelkorrekturen, an der Gewerbesteuer zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zustimmung bei der SPD)

    Die vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen empfohlene Wertschöpfungsteuer entspricht im Grundsatz den von mir hier vorgetragenen Anforderungen. Ob sie allerdings der richtige oder ob sie gar der beste Weg für ein kommendes gemeindliches Steuersystem ist, das ist sicher nach wie vor mit vielen Fragezeichen verbunden.

    (Zuruf von der SPD: Das muß geprüft werden!)

    Ich würde sie allerdings auch nicht, Herr Kollege Gattermann, jetzt schon voreilig verdammen wollen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Apel [SPD]: Nur Beifall bei der SPD! Daniels in der Löwengrube!)

    Auf der anderen Seite erfüllt auch die bestehende Gewerbesteuer — bei allen Mängeln — die zentralen Anforderungen an ein gemeindliches Steuersystem, nämlich eigenes Hebesatzrecht der Gemeinden und Anknüpfung an die örtliche Wirtschaft. Deswegen sage ich hier noch einmal ganz deutlich: Solange niemand ein nachweislich besseres System erfunden hat, müssen wir an der Gewerbesteuer festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Das gilt nicht nur für diese Legislaturperiode, sondern es gilt — ich bestätige noch einmal, auch für die Fraktion, das, was soeben hier von der Bundesregierung gesagt worden ist — auch für künftige Legislaturperioden, es gilt so lange, bis jemand ein wirklich besseres System erfunden hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Die vorliegenden Anträge der SPD stellen — das begrüße ich — die Gewerbesteuer bis zu einer umfassenden Reform nicht in Frage.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Sie haben natürlich für die Städte und Gemeinden durchaus verlockende Elemente, aber sie bedeuten auf der anderen Seite doch eine Reihe von schwerwiegenden Einzelkorrekturen, die das Prinzip der Stetigkeit gerade in Steuerfragen verletzen. Deshalb können wir ihnen nicht zustimmen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD — Dr. Apel [SPD]: Eine ordentliche Rede!)