Rede von
Hans H.
Gattermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Spöri, ich wollte gerade zu diesem Punkte Stellung nehmen. Insofern kommt Ihre Frage meinem eigentlichen Redetext direkt zuvor; sie wird damit beantwortet werden.
Ich hatte gesagt, daß es den Gemeinden relativ am besten geht. Ich will das mit einigen Zahlen belegen. In diesem Jahr wird der Bund z. B. rund 14,5 % seiner Ausgaben durch Kredite finanzieren; bei den Ländern werden es rund 9 % sein, während es bei den Gemeinden nur noch rund 21)/0 sind.
In absoluten Zahlen ausgedrückt heißt dies, daß der Bund mit einer Nettokreditaufnahme von etwa 37 Milliarden DM in diesem Jahr wird arbeiten müssen, während sich die Nettokreditaufnahme bei den Gemeinden gegenüber dem Vorjahr halbiert hat; dort liegt man nur noch bei etwa 4 Milliarden DM.
Dieser Betrag wird sich im nächsten Jahr aller Voraussicht nach noch einmal halbieren.
— Nun zu Ihnen, Herr Kollege Spöri: Die Konsolidierungsbemühungen der Gemeinden sind aus verschiedenen Quellen gespeist worden, die hier vom Kollegen Bernrath schon angesprochen worden sind. Leider — das sage ich mit Ihnen gemeinsam
— ist eine dieser Konsolidierungsquellen das Zurückfahren der gemeindlichen Investitionen; da stimme ich Ihnen j a völlig zu.
Daneben gibt es andere Konsolidierungsmaßnahmen — sie sind hier angesprochen worden — wie Zurückführung im Personalwesen und andere Dinge. Die Konsolidierungsbemühungen in diesen anderen Einsparungsfeldern dürfen nicht eingeschränkt, eingestellt werden. Wenn über eine neue Verteilung der Einkommensteuer einige Millionen bei der Gemeinden mehr einkämen, so wäre es ein Irrglaube, Herr Kollege Spöri, anzunehmen, daß dies in die Investitionen ginge. Dies würde nur dazu führen, daß die Konsolidierungsbemühungen in den anderen Feldern — ich will hier nur das Stichwort „Privatisierung" nennen — eingeschränkt würden. Von diesem Ansatz, von diesem finanziellen Ansatz her halten wir jedenfalls keine Notwendigkeit für Sofortmaßnahmen für gegeben.
Was nun die gesamtwirtschaftliche und finanzpolitische Verantwortung angeht: Der Vorschlag zielt darauf ab, daß der Bund mit rund 1,2 Milliarden DM belastet wird, daß die Länder mit rund 0,9 Milliarden DM belastet werden und daß die Wirtschaft mit 2,4 Milliarden DM belastet wird. Das alles ist — jedenfalls gegenüber der gesamtfinanzpolitischen Konzeption dieser Bundesregierung — kontraproduktiv.
Hinsichtlich der Einzelmaßnahmen scheint uns alles, nahezu alles verfehlt zu sein: Die Wiederrückgängigmachung der Maßnahmen bei der Gewerbesteuer mit den Hinzurechnungsvorschriften aus dem Haushaltsbegleitgesetz 1983 erhöht natürlich wiederum die ertragsunabhängige Belastung der Unternehmen, insbesondere jene mit sehr hohen Fremdfinanzierungen. Ich weiß nicht, ob Sie die Werftenindustrie, ob Sie Firmen wie Hoesch und ARBED-Saarstahl einmal gefragt haben, wie freundlich sie eine solche Maßnahme einschätzen.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Spöri, ich will an dieser Stelle hier auch das noch sagen: Ich stamme nun zufällig aus einer Gemeinde, der es besonders dreckig geht.
Deswegen ist es mir — wie vielen meiner politischen Freuden — wirklich ein Herzensanliegen — ich komme gleich noch darauf zu sprechen —, die finanzielle Situation der Gemeinden zu verbessern. Aber das hindert mich nicht, zu erkennen, daß die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen diesen Effekt nun gerade nicht haben. Der Herr Kollege Krizsan hat schon darauf hingewiesen, was beispielsweise eine andere Verteilung der Einkommensteuer bedeutet: Sie wird über Gerechte und Ungerechte verteilt, sie geht zugunsten von Gemeinden, die es nicht nötig haben, und sie ist ein Tropfen auf den heißen Stein bei den Gemeinden, die es bitter nötig haben.
2832 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983
Gattermann
Aber dies nur als Nebenbemerkung.
Meine Damen und Herren, nun zum anderen Vorschlag hinsichtlich der Einbeziehung weiterer Gruppen in die Gewerbesteuer: Sie nehmen hier die schon 1960 aus guten Gründen aufgegebene Vervielfältigungstheorie wieder auf. Gerade in der heutigen Situation, in der — Stichwort: Akademikerschwemme — eine Unzahl junger Akademiker auf den Markt drängt, verhindern Sie — bei Anwendung dieser Theorie —, daß Freiberufler diese beschäftigen.
Sie haben das offenbar gesehen, weil Sie diese Vervielfältigungstheorie über die 80 000-DM-Betriebsvermögensgröße praktisch gleichzeitig wieder aufheben und so gut wie alle einbeziehen wollen. Wir Freien Demokraten sagen jedenfalls zu diesem Punkt klar und unmißverständlich nein.
Noch eine Nebenbemerkung: Im Gesundheitswesen produzieren Sie eine Verteuerung,
die wieder voll auf die Sozialsysteme durchschlägt, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich aber nun etwas zu dem sagen, wo wir uns aufeinander zubewegen, Herr Kollege Spöri: Die Notwendigkeit der Fortsetzung der Gemeindefinanzreform steht für uns außer Frage. Wir halten eine Umstrukturierung des Gemeindefinanzsystems seit langem für erforderlich. Wir haben bereits vor einem Jahr hier im Deutschen Bundestag von unserer Fraktion ein Hearing speziell dazu durchgeführt. Unsere Parteikommission Gemeindefinanzreform arbeitet seit langem an diesem Problem. Der von Ihnen im Prüfungsauftrag favorisierte Vorschlag einer Wertschöpfungssteuer stößt bei uns allerdings auf erhebliche Bedenken, nicht nur, weil eine neue Steuer notwendigerweise immer eine schlechte Steuer ist — demgegenüber wäre dann eine alte Steuer, so schlecht sie auch sein mag, noch eine gute Steuer —, sondern weil diese Steuer von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft nach meiner Meinung zu Recht als Job-Killer erster Kategorie bezeichnet wird.
Vor allem personalintensiven Betrieben würde hiermit eine schwere Bürde aufgelastet. Der Einzelhandel hat uns vorgerechnet, daß bei ihm die ertragsunabhängigen Teile einer solchen Steuer in der Regel 70 %, in Einzelfällen bis zu 90 % ausmachen würden. Die 1980 abgeschaffte arbeitsplatzfeindliche Lohnsummensteuer würde mit einem höheren Steuersatz durch die Hintertür wieder eingeführt.
Der hochgeschätzte Kollege Matthöfer hat damals in einem sehr lesenswerten Aufsatz „Die Gemeindefinanzreform — ein dynamisches Reformwerk" gesagt: Die Abschaffung der Lohnsummensteuer war vielmehr unter dem Aspekt der Wirtschaftsentlastung im Bereich der ertragsunabhängigen Steuern notwendig. Bitte konterkarieren Sie nicht die Maßnahmen Ihres früheren Finanzministers.
Ich bin auf die Verunsicherungen angesprochen worden, die die FDP mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Gewerbesteuer in die Diskussion hineinbringt.
Ich bin für dieses Stichwort ausgesprochen dankbar. Im Kontext zu der Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Gemeinden haben wir in der Tat zur Frage der Gewerbesteuer eine klare, präzise Position, und zwar offenbar als einzige Partei im Deutschen Bundestag. Um den Verunsicherungen der Öffentlichkeit auch in der Diskussion entgegenzuwirken, will ich diese Position der FDP noch einmal ganz klar präzisieren, damit es fürderhin keine Mißverständnisse mehr gibt:
Erstens. Die FDP hält an ihrem Langzeitziel der Abschaffung der Gewerbesteuer fest. Diese Steuer vereinigt so ziemlich alle Nachteile in sich, die eine Gemeindesteuer nur haben kann. Sie führt zu immensen Steuerkraftunterschieden zwischen den Kommunen, sie bringt die Gemeinden in eine starke Abhängigkeit von den Konjunkturausschlägen und begünstigt damit ein prozyklisches Investitionsverhalten der Gemeinden, sie verursacht im nationalen und internationalen Bereich erhebliche Wettbewerbsverzerrungen.
Zweitens. Unverzichtbare Voraussetzung für die Abschaffung der Gewerbesteuer ist ein alternatives Finanzierungssystem für die Gemeinden,
das ihre Finanzkraft nicht verschlechtert, sondern verbessert, das ihre Finanzautonomie nicht aushöhlt, sondern stärkt,
das unvertretbare Unterschiede in der Finanzkraft der Gemeinden nicht festschreibt, sondern abbaut,
das die Interessenverbindung zwischen Betrieben und Gemeinden nicht auflöst, sondern festigt,
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983 2833
Gattermann
das die finanzielle Interessenverbindung nicht auf das Verhältnis zwischen Betrieben und Gemeinden beschränkt,
sondern auch eine Interessenverbindung zwischen möglichst vielen oder allen Bürgern der Gemeinde herstellt,
das den Kommunen einen möglichst stetigen Einnahmenfluß garantiert
und ihnen ein antizyklisches Investitionsverhalten erlaubt.
Drittens. Es ist völlig klar, daß diese Aufgabe nicht in dieser Legislaturperiode gelöst werden kann,
ja selbst parlamentarische Weichenstellungen in dieser Legislaturperiode nicht mehr erfolgen können.
Das absolut vorrangige Ziel der Steuerpolitik für diese Legislaturperiode ist eine leistungsmotivierende Tarifreform.
Unabhängig davon muß der Rest dieser Legislaturperiode dazu benutzt werden, die Diskussion über alternative Finanzierungsmodelle voranzutreiben.
Vom DIHT, vom Institut „Finanzen und Steuern", vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium
eine Variante, die unter dem Stichwort „Ritter-Modell" läuft, sind Alternativmodelle vorgelegt worden.
Es gibt auch ein andiskutiertes Modell der FDP, das lange veröffentlicht ist. Das alles sind hervorragende Vorarbeiten, auf deren Grundlage die politischen Parteien nunmehr ihre Schularbeiten zur Frage machen sollen, was das optimale alternative Finanzierungssystem ist. Die FDP wird auf ihrem nächsten Bundesparteitag der Kommission Gemeindefinanzreform den Auftrag erteilen, auf der Grundlage ihrer bisherigen Arbeiten ein in sich flexibles, umfassendes, konkretes Konzept zu erarbeiten, das den soeben genannten Kriterien entspricht.
Niemand, meine Damen und Herren, soll den Liberalen vorwerfen können, sie würden Steuerpolitik nur aus bundespolitischer Sicht betreiben. Das Wohl und Wehe der Gemeinden als Kernzelle unseres freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens liegt uns mindestens ebenso am Herzen wie Ihnen,
die Sie nunmehr mit Schnellschuß aus der Hüfte, mit einer Portion Effekthascherei, nachdem Sie sich aus der finanzpolitischen Gesamtverantwortung entfernt haben, Vorschläge vorlegen.
Meine Damen und Herren, von der SPD, so nicht.