Rede:
ID1002008300

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    Plenarprotokoll 10/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. September 1983 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des Schwedischen Reichstages 1370 C Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksache 10/280 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksache 10/281 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 — Dr. Dregger CDU/CSU 1339 B Glombig SPD 1348 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 1354 D Reents GRÜNE 1357 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 1361 D Frau Huber SPD 1370 C Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 1376 C Frau Potthast GRÜNE 1380 B Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 1382 B Nächste Sitzung 1386 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1386 A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. September 1983 1339 20. Sitzung Bonn, den 9. September 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 9. 9. Antretter * 9. 9. Dr. Czaja 9. 9. Dr. Enders * 9. 9. Handlos 9. 9. Haungs 9. 9. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 9. 9. Hoffie 9. 9. Junghans 9. 9. Kretkowski 9. 9. Kroll-Schlüter 9. 9. Dr.-Ing. Laermann 9. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 9. 9. Lenzer * 9. 9. Link (Diepholz) 9. 9. Dr. Müller * 9. 9. Müller (Remscheid) 9. 9. Offergeld 9. 9. Reschke 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Rohde (Hannover) 9. 9. Schmidt (Hamburg) 9. 9. Schmidt (Wattenscheid) 9. 9. Schröer (Mülheim) 9. 9. Frau Verhülsdonk 9. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Voigt (Sonthofen) 9. 9. Frau Dr. Wex 9. 9. Wilz 9. 9. Frau Dr. Wisniewski 9. 9. Wissmann 9. 9. Wurbs 9. 9 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Es tut mir leid, ich habe so wenig Zeit, daß ich keine Zwischenfrage zulasse.

    (Jaunich [SPD]: Zu wenig Argumente offenbar! — Zuruf von der SPD: Das sind doch keine Argumente! — Gegenruf von der CDU/CSU: Wo sind denn Ihre? — Kittelmann [CDU/CSU]: Die SPD hat's nötig!)

    — Wir können uns gern weiter darüber unterhalten.
    Der soziale Friede ist eines der wichtigsten Güter, die wir in unserer Gesellschaft haben. Wir können ihn nur erhalten — das wissen wir sehr genau —, wenn Maßnahmen, die ergriffen werden, als gerecht empfunden werden. Wir haben es schon seit einer Weile mit einer Entwicklung zu tun, die darauf hinausläuft, daß eine stärkere Umverteilung,

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Von unten nach oben!)

    daß eine wachsende Belastung mit Steuern und Sozialabgaben, um den Ausgleich herzustellen, von einer wachsenden Zahl in der Bevölkerung nicht als Gerechtigkeit,

    (Zurufe von den GRÜNEN) sondern als eine Belastung empfunden wird.

    Eine dieser Maßnahmen — meine Damen und Herren, das habe ich in den letzten Jahren lernen müssen —,

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Sie haben aber wenig gelernt, verehrte Frau Kollegin!)

    die nicht als gerecht empfunden wird, ist die Zahlung von Mutterschaftsurlaubsgeld nur an berufstätige Frauen. Ich akzeptiere durchaus, daß hier die Lohnersatzfunktion im Mittelpunkt gestanden hat und stehen muß — das ist völlig klar —,

    (Zurufe von der SPD)

    dennoch gibt es in der Bevölkerung kein Verständnis dafür, daß dies eine gerechte Maßnahme sein soll. Deshalb ist es richtig, daß die Koalition jetzt beschlossen hat, das Mutterschaftsurlaubsgeld zum 1. Januar 1987 auf alle Frauen auszudehnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Kürzungen haben Sie beschlossen! — Das ist ja dann noch schlimmer!)

    Wenn wir die Krise meistern wollen, wollen und müssen wir den Leistungswillen stärken.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Bei den Zahnärzten, das kann ich mir vorstellen!)

    Das bedeutet, daß wir nicht mehr Steuern und Sozialabgaben erheben wollen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, wenn Sie nicht einmal zuhören können, dann zeigt das Ihre Toleranzfähigkeit in dieser Gesellschaft.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wir hören immer zu! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wer kommentiert, hört zu! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Wir wollen nicht mehr Steuern und nicht mehr Sozialabgaben, weil jede Mark, die bei den Bürgern verbleibt, ihre eigenen individuellen Wünsche erfüllen kann. Wir dürfen bei allem Für und Wider über die zu beschließenden Maßnahmen nicht vergessen, daß die große Aufgabe, die vor uns steht, die Konsolidierung der Haushalte, Zukunftsvorsorge für die nächste Generation ist; denn wenn wir so weitermachen würden, wenn wir weiter auf Pump leben würden, hätte die nächste Generation nichts mehr zu beschließen, sondern nur noch unsere Schulden zu bezahlen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir sind es der nächsten Generation schuldig, die Handlungsfähigkeit im Innern und nach außen zu bewahren. Der Frieden kann nur sicherer werden, wenn wir bei einer ausreichenden Verteidigungsbereitschaft die Ziele nicht aus dem Auge verlieren, die da heißen: Vertrauensbildung zwischen den Staaten zu schaffen und Abrüstung konsequent zu verfolgen.

    (Burgmann [GRÜNE]: Abrüstung durch Aufrüstung!)

    Auch die soziale Gerechtigkeit kann nur gesichert werden, wenn der Friede sicher ist. Ich möchte hier Alexander Haig zitieren — hören Sie mir bitte freundlicherweise zu —:
    Wenn wir nicht bereit sind, uns zu verteidigen, dann werden wir die Möglichkeit verlieren, soziale Gerechtigkeit als Voraussetzung der Freiheit durchzusetzen. Wenn wir nicht bereit sind, soziale Gerechtigkeit zu suchen und zu ermöglichen, werden wir den Willen und den eigentlichen Grund verlieren, uns zu verteidigen.
    Das, meine Damen und Herren, ist die Grundlage auch unserer Politik. Das internationale Vertrauen ist durch den grausamen Abschuß einer koreanischen Maschine in zehntausend Meter Höhe dramatisch erschüttert worden. Dieser Vorfall hat gezeigt, welch ein Unterschied besteht zwischen den propagandistischen Friedensbekundungen der Sowjetunion und ihrem tatsächlichen Verhalten. Ich



    Frau Dr. Adam-Schwaetzer
    hoffe sehr, daß dieser Vorfall viele Bürger auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat, die noch nicht aufgestellte amerikanische Raketen mehr fürchten als die bereits aufgestellten sowjetischen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Darum müssen wir alles dazu tun, damit die Verhandlungen in Genf zu einem guten Abschluß geführt werden. Denn es sind Verhandlungen mit historischer Bedeutung. Ihr Ausgang entscheidet darüber, ob erstmals die Rüstungsspirale wirklich geknackt werden kann.

    (Lachen der Abg. Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE])

    Es wäre verhängnisvoll und verantwortungslos, ein Scheitern der Verhandlungen in Genf herbeizureden, wie es aus durchsichtigen Motiven von einigen Gruppen in der Bevölkerung bei uns betrieben wird.

    (Berger [CDU/CSU]: Die wollen das doch! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Herr Dregger will ein Scheitern herbeireden!)

    Genau das tun diejenigen, die heute schon erklären, daß sie nicht daran glauben, daß die Verhandlungen etwas ergeben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In Genf ist noch alles drin.


    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Uh, uh! — Stahl [Kempen] [SPD]: Aber nicht mehr bei der FDP!)

    Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie mich von dieser Stelle eine Bitte aussprechen, eine Bitte an diejenigen, die glauben, ihr eigenes Leben einsetzen zu müssen, damit sie ihren Friedenswillen deutlich zum Ausdruck bringen können. Lassen Sie mich die Bitte an diese Menschen aussprechen, zu unterbrechen, abzuwarten, zu sehen; ihr Drängen ist gehört worden, und wir alle drängen mit, daß es in Genf zu einem für uns alle befriedigenden Abschluß kommt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Verhandlungen der Nachfolgekonferenz in Madrid der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa haben gezeigt, daß sich Beharrlichkeit und Geduld auszahlen. Es hat an vielen Stellen gehakt. Der eine oder andere Staat hat nicht mehr mitmachen wollen. Die Bundesregierung und vor allen Dingen der Bundesaußenminister haben maßgeblich mit daran gearbeitet, daß der tote Punkt immer wieder überwunden werden konnte, so daß wir heute darauf rechnen können, daß schon im nächsten Frühjahr die Konferenz über Abrüstung und vertrauensbildende Maßnahmen ihre Arbeit aufnehmen wird. Wer Abrüstung wirklich ernst meint und wer an diesem Prozeß alle beteiligen will, der muß dafür sorgen, daß diese Konferenz mit einem genau umrissenen Auftrag weiterarbeiten kann, schnell weiterarbeiten kann. Wir brauchen noch einen langen Atem, um durchzusetzen, daß Gewaltverzicht zwischen den Blöcken und innerhalb der Blöcke sowie in ihrem Einflußbereich die
    Politik nicht nur der Bundesregierung, sondern vieler Staaten werden wird.
    Auch in Genf brauchen wir Beharrlichkeit und Flexibilität. Es liegt jetzt an der Sowjetunion, ihr Bedrohungspotential zu reduzieren. Sie bestimmt, welches Maß an Nachrüstung notwendig wird.
    Es ist besonders tragisch, daß sich die SPD von den gemeinsamen Grundlagen unserer Sicherheitspolitik entfernt hat.

    (Gilges [SPD]: Sie haben sich entfernt, aus opportunistischen Gründen, weil Sie in der Regierung bleiben wollten!)

    Herr Vogel, Sie leugnen die wachsende Bereitschaft Ihrer Partei, über einen NATO-Austritt zu diskutieren. Ich erinnere Sie einmal daran, was bei Ihnen auf Unterbezirksparteitagen heutzutage diskutiert wird.

    (Gilges [SPD]: Quatsch!)

    Glauben Sie denn im Ernst daran, daß Herr Lafontaine aufhören wird, für seine Ansichten zu werben? Glauben Sie denn im Ernst daran, daß dieses Thema genauso wie das Thema der Stationierung Sie nicht in einer, wie das in einer demokratischen Partei üblich ist, Willensbildung von unten nach oben überrollen wird? Der Unterbezirksparteitag in Frankfurt hat j a schon sehr deutlich gezeigt, daß Sie nicht einmal mehr in der Lage sind, sich gegen Ihre Basis durchzusetzen.

    (Zuruf von der SPD: Sie haben ja keine Basis!)

    Karsten Voigt, der sicherheitspolitische Sprecher der SPD, war unterlegen. So geht es vielen von Ihnen.

    (Zuruf des Abg. Gilges [SPD] — Weitere Zurufe von der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich komme zum Schluß.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Thema sagen, das die GRÜNEN in einer Pressekonferenz in die öffentliche Diskussion einführen zu müssen glaubten. Es war Ihnen vorbehalten, die Diskussion darüber wieder aufzunehmen, ob Gewalt gegen Sachen in unserem Staat eine erlaubte Tat sei. Wir hatten das schon einmal, und ich erinnere mich nicht gern daran. Wer dann noch hingeht und solche Gewalt gegen Sachen als eine „gewaltfreie Aktion" deklariert, der betreibt eine Begriffsmanipulation, die nur schädlich sein kann.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Betrüger sind das! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wer Aufrüstungspolitik als Abrüstungspolitik bezeichnet, der manipuliert!)

    Hier muß jeder denken, daß es nicht einmal mehr um die Sache geht, sondern nur noch darum, Rab-batz zu machen.

    Frau Dr. Adam-Schwaetzer
    Meine Damen und Herren, die Zeit, die vor uns liegt, ist schwer. Wir wollen die Zukunft gestalten, und wir brauchen einen langen Atem dazu. Die Koalition wird zusammenstehen, und ich denke, wir werden es schaffen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSUZuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD] Weitere Zurufe von der SPD)