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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/19 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 19. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion die GRÜNEN betr. Änderung der Auslieferungspraxis der Bundesregierung und Staatenbeschwerde gegen die Türkei — Drucksache 10/357 — Burgmann GRÜNE 1243 B Dr. Schäuble CDU/CSU 1244A Porzner SPD 1244 B Burgmann GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 1245 C Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksache 10/280 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksache 10/281 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion die GRÜNEN Entlassung der Bundesminister des Innern und der Justiz — Drucksache 10/333 (neu) — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers der Justiz und des Bundesministers des Innern — Drucksache 10/342 — Roth SPD 1245C Dr. Althammer CDU/CSU 1253 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 1257A, 1307 A Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 1263 B Mischnick FDP 1268 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 1273 C Dr. Vogel SPD 1282 D Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 1295 B Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1298 B Metz CDU/CSU 1303 B Dr. Emmerlich SPD 1310 C Fischer (Frankfurt) GRÜNE 1313 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU 1317 D Kleinert (Hannover) FDP 1322 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 1325 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 1328 B Kuhlwein SPD 1330 D Neuhausen FDP 1334 B Dr. Jannsen GRÜNE 1335A Namentliche Abstimmung 1326 C Nächste Sitzung 1335 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1337* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1337* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 1243 19. Sitzung Bonn, den 8. September 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 1337* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 9. 9. Dr. Enders * 9. 9. Handlos 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 9. Kretkowski 9. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 9. 9. Lenzer * 9. 9. Dr. Müller * 9. 9. Schmidt (Hamburg) 9. 9. Schmidt (Wattenscheid) 9. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Frau Dr. Wex 9. 9. Wilz 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Möglichkeiten für eine Gemeinschaftsbeihilfe zur Finanzierung einer festen Ärmelkanalverbindung (Drucksache 10/207) zuständig: Ausschuß für Verkehr Entschließung des Europäischen Parlaments zur Höhe der Einkommen in der Landwirtschaft (Drucksache 10/208) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Raumordnungsbericht 1982 (Drucksache 10/210) zuständig: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Drittmittelforschung im Rahmen der Grundlagenforschung (Drucksachen 10/225, 10/332) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Forschung und Technologie Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 1981/1982 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet (§ 50 GWB) (Drucksache 10/243) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den ersten Teil der 29. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 6. bis 8. Juni 1983 (Drucksache 10/246) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Einwilligung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 1502 Tit. 642 07 des Haushaltsjahres 1983 (Ausgaben nach § 8 Abs. 2 des Unterhaltsvorschußgesetzes) (Drucksache 10/316 [neu]) zuständig: Haushaltsausschuß Anlagen zum Stenographischen Bericht Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 2. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1983 (Drucksache 10/292) zuständig: Haushaltsausschuß Fünfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) (Drucksache 9/2386) zuständig: Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Forschung und Technologie Entschließung des Europäischen Parlaments zur Diskriminierung von unverheirateten Müttern gegenüber verheirateten Frauen im Bereich des Eltern- bzw. Kindesverhältnisses in bestimmten Mitgliedstaaten (Drucksache 9/2417) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Rechtsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (Drucksache 9/2421) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Rechtsausschuß Verteidigungsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zu den türkischen Auslieferungsersuchen (Drucksache 9/2413) zuständig: Rechtsausschuß (federführend) Innenausschuß Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 9/83 — Erhöhung des Zollkontingents 1983 für Bananen) (Drucksache 10/315) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 8. Dezember 1983 vorzulegen Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 24. August 1983 mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehende Vorlage absieht: Bericht der Bundesregierung zu dem Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung (Drucksache 9/2423) Die in Drucksache 10/92 unter Nummer 73 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag für eine Europäische Strategie auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Technik Rahmenprogramm 1984 bis 1987 ist als Drucksache 10/217 verteilt. Die in Drucksache 10/133 unter Nummer 12 aufgeführte EG-Vorlage Mitteilung der Kommission an den Rat über die Strukturen und Verfahren der Gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie ist als Drucksache 10/221 verteilt. Die in Drucksache 10/92 unter Nummer 26 aufgeführte EG-Vorlage 1338* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament betreffend eine bessere Nutzung der Ergebnisse Gemeinschaftsgeförderter F&E-Aktivitäten ist als Drucksache 10/222 verteilt. Die in Drucksache 10/168 unter Nummer 3 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag eines Beschlusses des Rates über das Rahmenprogramm der wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten der Gemeinschaft 1984-1987ist als Drucksache 10/295 verteilt. Die in Drucksache 10/133 unter Nummer 11 aufgeführte EG-Vorlage Die künftige Finanzierung der Gemeinschaft Vorschlag für einen Beschluß über die eigenen Mittel ist als Drucksache 10/329 verteilt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, das ist selbstverständlich nicht schädlich, Herr Waltemathe. Nur muß man, wenn die Forderungen auf den Tisch gelegt werden und wenn die Bundesregierung sagt: Diese Forderungen können und werden und wollen wir in diesem Umfang aus vielen Gründen — aus welchen Gründen auch immer; darüber läßt sich streiten; ich nenne Ihnen gleich noch einen — nicht erfüllen, dann müßte eine solche Diskussion im Interesse der Werften, im Interesse der hereinkommenden Aufträge und im Interesse der Arbeitnehmer beendet werden.

    (Waltemathe [SPD]: Zu Befehl!)

    Es ist im übrigen folgendes zu sehen: Gerade bei den Exportaufträgen — darum geht j a heute im wesentlichen die Diskussion: 5%, 10 % oder gar nichts —, bei den Auftragseingängen aus den Industriestaaten, deren Ausbleiben Herr Metz mit Recht festgestellt hat, weil der Schiffsbaumarkt in diesem Bereich nahezu nicht existent ist — was heute kommt, kommt aus Entwicklungsländern, und da gibt's auch Kapitalhilfemittel —, zeigt sich, daß sich der Anteil an Auftragseingängen und Auftragsbestand der deutschen Werften, obwohl andere euro-



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    päische Länder zugegebenermaßen mehr subventionieren als wir — nicht die südostasiatischen —, gegenüber dem Anteil der übrigen EG-Länder überproportional entwickelt hat — alles auf einem sehr niedrigen, auf einem zu niedrigen Niveau. Aber dort, wo es insgesamt keine Aufträge gibt, ist es natürlich kaum möglich, in ausreichendem Maße Aufträge zu akquirieren. Daß es in diesem Jahr trotzdem zu einem Auftragsvolumen von 1 Milliarde DM kommen wird, kann uns nur befriedigen und zu der Feststellung veranlassen, die Herr Metz schon getroffen hat: Wir werden das Ziel der Hamburger Schifffahrtskonferenz erreichen.
    Herr Metz, Sie haben die Bemerkung gemacht, der Kabinettsbeschluß solle doch nicht das letzte Wort sein, und zwar insbesondere im Hinblick auf Ziffer 5. In Ziffer 5 heißt es — ich zitiere auszugsweise —: „Das regionale Sonderprogramm soll zugleich die notwendige Umstrukturierung der Bremer Großwerften erleichtern." Ich habe — ich habe Ihnen das schon gesagt, Herr Bürgermeister — heute von Ihrem Wirtschaftssenator einen Brief bekommen, in dem es heißt, er lese aus Ziffer 5 heraus, diese Entscheidung solle die finanzielle Unterstützung der Umstrukturierung in der Werftindustrie durch den Bund ersetzen. Davon ist kein Wort gesagt. Er sollte, wenn Sie das freundlicherweise mit nach Hause nehmen würden, den Beschluß noch einmal lesen. „Ersetzen" steht nicht drin; „erleichtern" steht drin, so wie Sie es, Herr Metz — ich glaube: richtig —, interpretiert haben.
    Ich will Ihnen aber auch noch einmal sagen: Bei der ganzen Diskussion um die Werftenfusion, um die Standortfrage, um den Kapazitätsschnitt können und werden wir in der Bundesregierung nicht übersehen, daß uns massive Einsprüche des Verbandes der kleinen und mittleren Werftunternehmer auf dem Tisch liegen, die sich darüber beschweren, daß ihnen von Großwerften Konkurrenz gemacht wird, die Verlustaufträge hereinnehmen, anschließend versuchen, ihre Verluste bei der Staatskasse abzuladen, und die kleinen und mittleren Unternehmen in eine ganz mißliche Lage bringen, weil sie deren Preisniveau auch herunterziehen. Das ist eine der schädlichsten Wirkungen von Subvention, dieser Droge Subvention, die Sie übrigens mit dem Vorstandsverhalten völlig richtig beschrieben haben. Es gibt heute Vorstandsmitglieder
    — nicht nur bei Werften —, die mehr Zeit und mehr Intensität darauf verwenden, Subventionstöpfe bei verschiedenen Bundesländern und bei der Bundesregierung aufzuspüren und bessere Beziehungen zu Hauptstädten zu entwickeln, als daß sie sich darum kümmern, wie sie Märkte, Produkte und Absatz finden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Grobecker [SPD]: Die kenne ich auch!)

    — Ja, die gibt's da bei Ihnen. Wir wissen schon, von wem wir sprechen. Die haben sich alle schon bei Ihnen abgesetzt, Herr Grobecker; das wissen Sie auch.
    Meine Damen und Herren, wir werden diese Überlegungen und diese Einwände aus dem Bereich der Kleinen und Mittleren, bei denen es ja
    auch um Arbeitsplätze geht, bei unseren Entscheidungen ganz gewiß nicht unter den Tisch fallen lassen.
    Nun, Herr Bürgermeister, zum Stahl: Es ist ja nicht zu bestreiten: Sie leben wirklich wie in einem Mikrokosmos der Bundesrepublik, in dem sich die Problembranchen häufen, ansammeln. Sie sagen, die Bundesregierung setze bei der Lösung der Stahlfrage auf Marktwirtschaft. Das tut sie nun wahrlich schon lange nicht mehr, weil es marktwirtschaftliche Regelungsmechanismen in der Stahlindustrie seit Beginn des Montanunion-Vertrages mit hinterlegten Preislisten, Rabattverboten und ähnlichem nicht gibt und nicht gegeben hat. Marktwirtschaft ist hier seit langem eingeschränkt, später abgeschafft worden. Die Subventionspraxis unserer europäischen Nachbarn hat ein übriges getan. Es wäre gänzlich unsinnig zu glauben, man könne hier in marktwirtschaftlichen Kategorien denken und diese Probleme zu lösen versuchen. Wenn das der Fall wäre, hätten wir einer Quotenregelung niemals zustimmen dürfen, hätten wir uns auch nicht dafür einsetzen dürfen, daß die Quotenregelung verlängert wird. Jedermann in der Stahlindustrie meint heute — leider —, daß das unvermeidlich, notwendig ist und auf längere Frist hätte geschehen sollen.
    Sie fordern uns auf zu europäischer Standfestigkeit. Meine Damen und Herren, ich akzeptiere jeden Vorwurf und jede Kritik, gerade beim Thema Stahl, die da lautet: Ihr seid bei der Abwehr europäischer Subventionspraxis — und zwar muß man dazusagen: in der alten Regierung, nicht in der neuen; das hat sich vorher abgespielt, aber es setzt sich fort — nicht erfolgreich genug gewesen. Ich akzeptiere diese Bewertung uneingeschränkt, weil ich es selber so empfinde und weil es so auch richtig ist. Aber zu sagen: Ihr seid nicht hart genug gewesen, ihr seid nicht penetrant genug gewesen, ihr seid nicht standfest genug gewesen! — das kann ich nicht akzeptieren. Da empfehle ich, sich einmal bei unseren europäischen Partnern über die Umgangssprache und über den Umgangston bei der Behandlung dieser Themen über die Jahre hinweg im europäischen Ministerrat zu unterhalten.
    Eines allerdings ist nun einmal bewährte, wie ich sagen möchte, für den Wirtschaftsminister manchmal schwer zu tragende Praxis deutscher Politik in der Europäischen Gemeinschaft. In einer Situation 9 : 1 glauben wir nicht, daß der Rest Europas an der deutschen Meinung genesen kann und genesen sollte.
    Dann gibt es überragende und überwiegende europapolitische Gründe, die uns veranlassen, einen Standpunkt, den wir im nationalen Interesse einnehmen und eingenommen haben, aufzugeben. Dies kann man selbstverständlich diskutieren, man kann es auch kritisieren; aber es ist Praxis, europapolitische Praxis aus unserer Sicht seit vielen Jahren.
    Subventionszurückhaltung, Herr Bürgermeister, haben Sie gemeint. Aus der Sicht des Finanzministers, aus der Sicht des Steuerzahlers, auch aus der Sicht vieler in der öffentlichen Meinung ist eine



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    Zusage von 3 Milliarden DM der öffentlichen Hände, nicht nur des Bundes, eigentlich schwer unter den Begriff „Zurückhaltung" zu bringen. Aber gemessen an dem, was andere in ihren Stahlindustrien gemacht haben, kann man es, wie ich zugebe, so bezeichnen.
    Von dem Moderatorenkonzept, so sagen Sie, von dem hochgelobten Moderatorenkonzept — auch von der Bundesregierung — sei nur ein Scherbenhaufen übrig geblieben. Ich gehe noch nicht so weit. Es wird sicherlich nicht in seiner Gänze, vielleicht noch nicht einmal mehr als die Hälfte davon durchzusetzen sein. Aber, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, die ersten, die sich gegen eine Anwendung des Moderatorenkonzepts gewandt haben, waren ja gar nicht einmal so sehr die Unternehmen, sondern die Landesregierungen, aus vielen einsichtigen, manchmal, wie ich finde, durchsichtigen Gründen. Aber die Landesregierungen — am wenigsten Ihre, das will ich gerne zugeben, weil die Probleme bei Ihnen anders liegen, weil Sie zwar ein Werk haben, aber nicht einen Firmensitz — waren doch wohl vornean bei der Ablehnung dieses Konzeptes.
    Es wird ein Teil des Moderatorenkonzeptes zustande kommen. Es waren nicht nur die KlöcknerWerke, die akzeptiert haben. Es sieht so aus, als ob die Gruppe Rhein zustande kommen könnte. Die Bemühungen laufen mit Intensität.
    Schließlich, Herr Bürgermeister, enthalten die Stahlrichtlinien, auf die wir uns verständigt haben, auch mit den Ländern so gut wie verständigt haben — wir sind in der Abstimmung —, eine Bestimmung, daß es keine Zuweisungen an das Unternehmen Klöckner geben kann, wenn keine Quotenregelung gefunden wird. Ich glaube nicht, daß Sie irgend etwas anderes tun könnten. Schon aus europarechtlichen Gründen ist es gänzlich ausgeschlossen, einem Unternehmen, das wegen ständiger Überziehung seiner Produktionsquote Geldbußen auferlegt bekommt, aus der deutschen Staatskasse Subventionen zuzusagen. Das ist gänzlich unmöglich, schon aus rechtlichen Überlegungen, aus wirtschaftlichen natürlich auch, denn wenn eines Tages wirklich diese Geldbußen bezahlt werden müßten, dann ist kein Halten mehr, dann sind diese Subventionen aus dem Fenster geworfen.
    Eine ganz andere Frage ist es, ob und wie wir diesem Unternehmen bei seiner nun endlich gefaßten Absicht helfen können, sich wieder in den Kreis derjenigen einzureihen, die das System akzeptieren, mit anderen Worten: ob es uns gelingen kann und ob es uns gelingen wird, ihm die notwendigen Quoten zu beschaffen. Das war Ziel unter anderem deutscher Verhandlungspolitik auf der letzten Ministerratssitzung. Das ist das Bestreben der deutschen Stahlunternehmen im Kreise von Eurofer. Und wir hoffen sehr, daß es uns möglich sein wird, wenigstens annähernd die Vorstellungen zu verwirklichen, die dann dieses Unternehmen in die Lage versetzen werden, wieder in dem Rahmen zu produzieren, den das europäische Quotensystem vorschreibt. Denn, meine Damen und Herren, eines müssen Sie sehen: Die deutsche Verhandlungsposition im europäischen Ministerrat ist seit Jahren in ganz ungewöhnlicher Weise dadurch erschwert worden, daß uns jeder vorhalten konnte: Aber einer der größten Überzieher seiner Produktionsquote sitzt doch bei euch. So haben auch wir ein Interesse daran und helfen deswegen dabei, daß dieser Zustand beendet werden kann. Eine Erfolgsgarantie kann keiner übernehmen. Die Erfolgsaussichten sind im Augenblick schwer zu beschreiben. Die Bemühungen darum sind intensiv. Und dies, Herr Bürgermeister, hat sicher ganz erhebliche Auswirkungen gerade auch auf den Standort Bremen. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat ,der Herr Abgeordnete Dr. Emmerlich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Punkt 2 der Tagesordnung sprechen und mich wegen der besonderen Bedeutung dieses Tagesordnungspunktes auch darauf beschränken.
    Am 30. August 1983 während einer Gerichtsverhandlung über seinen Asylantrag stürzte sich der 23jährige Kemal Altun aus dem Fenster des sechsten Stocks des Gerichtsgebäudes zu Tode.
    Kemal Altun war nach dem Militärputsch vom September 1980 aus Angst vor politischer Verfolgung aus der Türkei geflohen und hatte bei seiner in West-Berlin verheirateten Schwester Zuflucht gefunden. Als er im September 1981 einen Asylantrag stellte, verlangte die Türkei kurz darauf, veranlaßt durch eine Rückfrage deutscher Behörden in Ankara, seine Auslieferung. Seit dem 5. Juli 1982 bis zu seinem Tode saß er ununterbrochen in Auslieferungshaft, fast 14 Monate lang.

    (Krizsan [GRÜNE]: Einzelhaft!)

    Die Bundesregierung bewilligte am 21. Februar 1983 die Auslieferung. Seit dieser Zeit mußte Altun täglich mit dem Vollzug der Auslieferung rechnen.
    Gewiß hat sich Kemal Altun schon durch die über ein Jahr andauernde Haft in einem fremden Land in einem Zustand ständig steigender Zermürbung und Verzweiflung befunden. Zermürbt hat Altun gewiß zusätzlich auch, daß alle seine Anstrengungen und die Bemühungen anderer zur Verhinderung der Auslieferung zu einer Kette von Enttäuschungen wurden, zu einer Kette, in der zwischendurch aufkeimende Hoffnungen immer wieder jäh zerstört wurden.
    Das Kammergericht erklärte die Auslieferung für zulässig, bezeichnenderweise ohne Altun anzuhören.
    Klagen beim Bundesverfassungsgericht wurden nicht angenommen. Eine Beschwerde bei der Europäischen Menschenrechtskommission wurde zwar für zulässig erklärt; über sie ist aber bis zum Tode Altuns nicht entschieden worden.
    Trifft es also zu, was Justizminister Engelhard und Innenminister Zimmermann nach dem Tode



    Dr. Emmerlich
    von Kemal Altun behauptet haben, daß nach Recht, Gesetz und Grundgesetz verfahren worden sei und daß alles, was vertraglich und gesetzlich möglich sei, geschehen sei? Kann akzeptiert werden, was der Bundesinnenminister vorträgt, nämlich der Freitod von Kemal Altun resultiere aus einer persönlichen Ausnahmesituation, einer Ausnahmesituation, die täglich vorkommen und gegen die unmöglich Vorsorge getroffen werden könne?
    Nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion handelt es sich bei diesen Einlassungen der Bundesminister Engelhard und Zimmermann um bloße Schutzbehauptungen, mit denen das eigene Versagen verschleiert werden soll.

    (Beifall bei der SPD)

    Wahr ist, daß den vertraglichen und gesetzlichen Regelungen allenfalls formal entsprochen worden ist, daß aber Grundprinzipien unserer Verfassung in grober Weise mißachtet worden sind.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Da seien Sie mal vorsichtig!)

    Die Verantwortlichen haben, um die Auslieferung durchzusetzen, vorhandene Bestimmungen bewußt bürokratisch, Seelen- und gnadenlos angewendet und gehandhabt.

    (Beifall bei der SPD)

    Belegt wird das vor allem durch das Schreiben des Bundesinnenministers Zimmermann an den Bundesjustizminister Engelhard vom 21. Juli 1983. In diesem Schreiben forderte der Bundesinnenminister im Interesse einer guten Zusammenarbeit mit der Türkei auf polizeilichem Gebiet die Auslieferungsbewilligung der Bundesregierung für vollziehbar zu erklären, damit die Auslieferung unverzüglich durchgeführt werden könne. Für den Bundesinnenminister steht bei Auslieferungsverfahren also die Sicherung einer guten Zusammenarbeit auf polizeilichem Gebiet im Vordergrund, selbst dann, wenn es sich um die Zusammenarbeit mit der Polizei einer Militärdiktatur handelt. Innenminister Zimmermann ist bereit, das persönliche Schicksal des von einer Auslieferung Betroffenen und seine unabdingbaren Grundrechte, also seine Freiheit, seinen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren, frei von Manipulation und Folter, der guten Zusammenarbeit mit einer solchen Militärdiktatur unterzuordnen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Und als Kemal Altun in seiner hoffnungslosen Verzweiflung keinen anderen Ausweg mehr sah als den Freitod, da fand dieser Minister kein Wort des Bedauerns, kein Wort der Betroffenheit, der Anteilnahme. Kaltschnäuzig und herzlos erklärte er, der Tod Altuns sei dessen Privatsache, nach dem Motto: Schuld ist das Opfer selbst.

    (Pfui-Rufe bei der SPD — Zuruf von der SPD: Unglaublich! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU]: Die Rede ist unglaublich!)

    Die Einstellung des Innenministers ist geprägt von einer nicht erträglichen Mißachtung der Menschenrechte

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    und von einer bedenkenlosen Mißachtung des einzelnen Menschen und seines Schicksals.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wer wie Herr Zimmermann den einzelnen und seine Rechte vermeintlichen Staatsinteressen unterwirft, zeigt einen menschenverachtenden Zynismus, der ihn für politische Führungsaufgaben disqualifiziert.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Dieser Zynismus hat die Politik von Herrn Zimmermann stets bestimmt. Er kennzeichnet nicht nur seine Ausländerpolitik. Zunehmend bestimmt er auch die Innen- und Rechtspolitik.
    Wenn Herr Zimmermann Bundesinnenminister bleibt, dann ist eine andere Republik wahrscheinlich.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP — Kittelmann [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)

    Wir Sozialdemokraten halten aber auch die Entlassung des Bundesjustizministers für erforderlich. Der Bundesjustizminister hat das Ansinnen des Bundesinnenministers, ein Menschenschicksal und die Grundrechte der Pflege guter Beziehungen zu einer Militärdiktatur unterzuordnen, bis heute nicht zurückgewiesen. Im Gegenteil, er hat, entsprechend dem Verlangen des Bundesinnenministers, den Bundesminister des Auswärtigen förmlich ersucht, nunmehr dem Vollzug der Auslieferung zuzustimmen.
    Bemerkenswert ist, wie kritiklos der Bundesjustizminister die Annahme des Kammergerichts übernommen hat, bei der Altun vorgeworfenen Straftat handele es sich weder um eine politische Tat noch um eine solche, die mit einer politischen Tat im Zusammenhang stehe. Täter und Teilnehmer der Erschießung des Vizepräsidenten der Nationalen Bewegungspartei sind durch ein türkisches Militärgericht bereits am 6. April 1983 in Ankara abgeurteilt worden. Auf dieses Urteil ist von der deutschen Botschaft in Ankara ausdrücklich mit der Bemerkung hingewiesen worden, es sei nunmehr zu befürchten, daß die türkischen Gerichte Schwierigkeiten bei der Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes bekommen würden.
    Der Bundesjustizminister hätte an Hand dieses Urteils die Möglichkeit gehabt, festzustellen, ob die Verurteilung wegen der Begehung von Staatsschutzdelikten erfolgt ist, ob also die Altun vorgeworfene Strafvereitelung mindestens im Zusammenhang mit einer politischen Straftat stand. In diesem Fall wäre eine Auslieferung unzulässig gewesen. Außerdem hätte der Justizminister aus der Anklage und aus dem Urteil zusätzlich Aufschluß darüber gewinnen können, ob der Vorwurf gegen Altun manipuliert war. Es gibt Hinweise, daß das Militärgericht einen anderen als Täter für die Tat



    Dr. Emmerlich
    verurteilt hat, die Altun im Auslieferungsverfahren zu Last gelegt wurde. Trotz des warnenden Hinweises des deutschen Botschafters hat der Bundesjustizminister entweder das Urteil des türkischen Militärgerichts nicht beigezogen oder aber er hat es ignoriert. In beiden Fällen hat er in unentschuldbarer Weise gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verstoßen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bundesjustizminister hat ferner der Tatsache nicht die nötige Beachtung geschenkt, daß Al-tun durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 6. Juni 1983 Asyl gewährt worden ist. Dabei ging der Bundesjustizminister zusätzlich davon aus, daß das Verwaltungsgericht Berlin diese Anerkennung bestätigen werde. Gleichwohl hat er sich geweigert, den Vollzug der Auslieferung bis zum Abschluß des Asylverfahrens, zumindest bis zur Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, auszusetzen. Dazu bestand aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Veranlassung. Nach dieser Rechtsprechung muß die Anerkennung als politischer Flüchtlinge als Beweisanzeichen für eine tatsächlich zu befürchtende politische Verfolgung angesehen werden. Der Bundesjustizminister hat es nicht nur unterlassen, die Asylgewährung durch das Bundesamt ausreichend zu berücksichtigen, er hat darüber hinaus versucht, wie seinem Schreiben an den Außenminister zu entnehmen ist, dem von ihm erwarteten positiven Abschluß des Asylverfahrens durch Vollzug der Auslieferung zuvorzukommen und ihn damit zu durchkreuzen.
    Gerade bei Auslieferungen in die Türkei ist besondere Vorsicht geboten. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Februar 1983 genügt — ich zitiere wörtlich — „nach den jüngsten Erfahrungen die Zusicherung der Spezialität" (also der Beschränkung der Strafverfolgung auf die im Auslieferungsverfahren bezeichnete Straftat) „nicht, um derzeit im Auslieferungsverkehr mit der Türkei die Gefahr politischer Verfolgung auszuschließen".

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Auch das Europäische Parlament hat in seiner einstimmigen — ich betone ausdrücklich: einstimmigen — Entschließung vom Februar 1983 zu türkischen Auslieferungsersuchen gefordert, daß diese mit besonderer Sorgfalt geprüft werden müßten, daß keine abschließende Entscheidung über die Auslieferung ergehen dürfe, bevor die Gefahr einer menschenrechtswidrigen politischen Verfolgung ausgeschlossen — ich wiederhole: ausgeschlossen — werden könne, daß insbesondere über die formale Anwendung des Auslieferungsrechts hinaus berücksichtigt werden müsse, wie das Auslieferungsersuchen zustande gekommen sei, ob politische Implikationen eine Rolle spielten und welche Folgen die Auslieferung für den Betroffenen voraussichtlich haben werde. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Bundesjustizminister diese Maßstäbe des Europäischen Parlaments seinen Entscheidungen nicht zugrunde gelegt hat, obwohl er dazu nach der Rechtslage durchaus in der Lage
    gewesen wäre. Es kann auch nicht bezweifelt werden, daß sich der Bundesjustizminister statt dessen begierig auf eine formale Anwendung des Auslieferungsrechts zurückgezogen hat, um sein eigentliches Ziel, die Durchsetzung der Auslieferung, zu erreichen.
    Nun einige Bemerkungen zu dem Plädoyer des Bundeskanzlers für den Innenminister und den Justizminister. Der Bundeskanzler hat „Freispruch" beantragt, ohne die Begründung für unseren Antrag zu kennen und Gelegenheit gehabt zu haben,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    unsere Begründung zu würdigen. Das macht deutlich, welches Verhältnis dieser Bundeskanzler zum Parlament, insbesondere zur parlamentarischen Opposition hat.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Er war länger in der Opposition, als Sie da sind!)

    Die „Freispruchs"-Begründung des Bundeskanzlers nimmt auf das Verhalten des Bundesinnenministers Zimmermann nicht mit einem einzigen Wort Bezug.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/ CSU])

    Ich entnehme daraus, daß der Bundeskanzler zur Verteidigung des Bundesinnenministers kein Wort gefunden hat. Es gibt auch keine Verteidigungsmöglichkeit für dieses unglaubliche, skandalöse Schreiben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Rossmanith [CDU/CSU])

    Der Bundeskanzler hat auf ein Schreiben des Staatssekretärs Erkel an den Bundesjustizminister Bezug genommen, das zuvor im Entwurf dem früheren Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel zur Kenntnisnahme und zur Zeichnung vorgelegt war. Hans-Jochen Vogel hat deutlich gemacht, daß aus diesem Schreiben keine Vorwürfe der Art, wie sie gegen den Bundesinnenminister und gegen den Bundesjustizminister zu erheben sind, hergeleitet werden können. Darüber hinaus füge ich aber hinzu: Die Gleichstellung des Auslieferungsverfahrens Altun mit dem damaligen Auslieferungsverfahren, das auf ein Ersuchen der jugoslawischen Regierung an die deutsche Bundesregierung zurückging, ist unzulässig, und zwar im wesentlichen aus zwei Gründen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Erstens. Dem von dem damaligen Auslieferungsverfahren Betroffenen war vom Bundesamt in Zirndorf Asyl nicht gewährt worden. Zweitens. Zwischen der derzeitigen Militärregierung in der Türkei und den damaligen und heutigen Verhältnissen in Jugoslawien gibt es keine Vergleichsmöglichkeit.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ihre Auffassung spricht für sich!)

    In der Türkei ist politische Verfolgung an der Tagesordnung. Mehr als 20 000 Personen befinden sich in der Türkei aus politischen Gründen in Haft, und in der Türkei wird täglich Folterung gegenüber



    Dr. Emmerlich
    den politischen Gefangenen angewandt. In der Türkei ist bei jedem politischen Gefangenen mit einer schwerwiegenden Verletzung elementarer Menschenrechte zu rechnen.
    Letzte Bemerkung zum Plädoyer des Bundeskanzlers. Der Bundeskanzler hat den Eindruck erweckt, als ob andere europäische Staaten auch bei behaupteter und naheliegender oder erwiesener politischer Verfolgung den Auslieferungsverkehr mit der Türkei fortsetzen. Ich habe in meinen Händen, Herr Bundeskanzler — er ist leider nicht da —, ein Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesjustizministerium, Klein, vom 6. September 1983, aus dem sich ergibt, daß der Bundesregierung derartige Fälle einer Auslieferung an die Türkei trotz behaupteter politischer Verfolgung nicht bekannt sind.

    (Schily [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt also trotz der Verteidigungsrede des Bundeskanzlers dabei, daß der Bundesjustizminister im Gegensatz zu seiner Einlassung nicht alles getan hat, was möglich war. Er hat vielmehr bedenkenlos das unterlassen, wozu er verpflichtet war, nämlich den Menschenrechten und den Grundrechten im Auslieferungsverfahren Geltung zu verschaffen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Kittelmann [CDU/CSU]: Sie wissen ja selbst, daß das gar nicht stimmt!)

    Dieser Bundesjustizminister hat nicht die politische und nicht die moralische Kraft, gegen kalte Machtinteressen und den gnadenlosen Schematismus bürokratischer Routine die Menschenrechte zu verteidigen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Er ist der besonderen Verantwortung, die sein Amt ihm auferlegt, nicht gewachsen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns Sozialdemokraten ist das Verhalten der Bundesregierung in Auslieferungsverfahren von ganz besonderer Bedeutung. Wir haben nicht vergessen und wir werden nie vergessen, wie viele Menschen in Europa nach 1933 aus dem Machtbereich Hitlers fliehen mußten, um sich politischer Verfolgung zu entziehen. Wir wissen, was diejenigen von ihnen zusätzlich erlitten haben, die von Auslieferung bedroht waren, und was denen widerfahren ist, die an die Nazis ausgeliefert worden sind. Das Verhalten der Staaten, die den Nazi-Verfolgten damals Zuflucht gewährt und Auslieferungsverlangen der Nazis abgelehnt haben, ist für uns eine bleibende Verpflichtung.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich möchte gerade heute daran erinnern, daß die Türkei Kemal Atatürks für viele Nazi-Verfolgte — z. B. Ernst Reuter — eine Zufluchtsstätte war, in der sie vor einer Auslieferung sicher sein konnten.
    Diese sich aus unserer Geschichte ergebende Verpflichtung bestimmt unsere Maßstäbe für das Verhalten deutscher Regierungen bei Auslieferungen. Wir können es nicht zulassen, daß Verfolgte und ihre Menschenrechte vermeintlichen Staatsinteressen in einem herzlosen und unmenschlichen Verfahren geopfert werden.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Deshalb fordern wir vom Bundeskanzler die Entlassung der Bundesminister Engelhard und Zimmermann.
    Für die SPD-Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)