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    Plenarprotokoll 10/19 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 19. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion die GRÜNEN betr. Änderung der Auslieferungspraxis der Bundesregierung und Staatenbeschwerde gegen die Türkei — Drucksache 10/357 — Burgmann GRÜNE 1243 B Dr. Schäuble CDU/CSU 1244A Porzner SPD 1244 B Burgmann GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 1245 C Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksache 10/280 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksache 10/281 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion die GRÜNEN Entlassung der Bundesminister des Innern und der Justiz — Drucksache 10/333 (neu) — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers der Justiz und des Bundesministers des Innern — Drucksache 10/342 — Roth SPD 1245C Dr. Althammer CDU/CSU 1253 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 1257A, 1307 A Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 1263 B Mischnick FDP 1268 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 1273 C Dr. Vogel SPD 1282 D Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 1295 B Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1298 B Metz CDU/CSU 1303 B Dr. Emmerlich SPD 1310 C Fischer (Frankfurt) GRÜNE 1313 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU 1317 D Kleinert (Hannover) FDP 1322 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 1325 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 1328 B Kuhlwein SPD 1330 D Neuhausen FDP 1334 B Dr. Jannsen GRÜNE 1335A Namentliche Abstimmung 1326 C Nächste Sitzung 1335 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1337* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1337* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 1243 19. Sitzung Bonn, den 8. September 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 1337* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 9. 9. Dr. Enders * 9. 9. Handlos 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 9. Kretkowski 9. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 9. 9. Lenzer * 9. 9. Dr. Müller * 9. 9. Schmidt (Hamburg) 9. 9. Schmidt (Wattenscheid) 9. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Frau Dr. Wex 9. 9. Wilz 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Möglichkeiten für eine Gemeinschaftsbeihilfe zur Finanzierung einer festen Ärmelkanalverbindung (Drucksache 10/207) zuständig: Ausschuß für Verkehr Entschließung des Europäischen Parlaments zur Höhe der Einkommen in der Landwirtschaft (Drucksache 10/208) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Raumordnungsbericht 1982 (Drucksache 10/210) zuständig: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Drittmittelforschung im Rahmen der Grundlagenforschung (Drucksachen 10/225, 10/332) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Forschung und Technologie Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 1981/1982 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet (§ 50 GWB) (Drucksache 10/243) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den ersten Teil der 29. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 6. bis 8. Juni 1983 (Drucksache 10/246) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Einwilligung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 1502 Tit. 642 07 des Haushaltsjahres 1983 (Ausgaben nach § 8 Abs. 2 des Unterhaltsvorschußgesetzes) (Drucksache 10/316 [neu]) zuständig: Haushaltsausschuß Anlagen zum Stenographischen Bericht Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 2. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1983 (Drucksache 10/292) zuständig: Haushaltsausschuß Fünfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) (Drucksache 9/2386) zuständig: Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Forschung und Technologie Entschließung des Europäischen Parlaments zur Diskriminierung von unverheirateten Müttern gegenüber verheirateten Frauen im Bereich des Eltern- bzw. Kindesverhältnisses in bestimmten Mitgliedstaaten (Drucksache 9/2417) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Rechtsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (Drucksache 9/2421) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Rechtsausschuß Verteidigungsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zu den türkischen Auslieferungsersuchen (Drucksache 9/2413) zuständig: Rechtsausschuß (federführend) Innenausschuß Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 9/83 — Erhöhung des Zollkontingents 1983 für Bananen) (Drucksache 10/315) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 8. Dezember 1983 vorzulegen Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 24. August 1983 mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehende Vorlage absieht: Bericht der Bundesregierung zu dem Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung (Drucksache 9/2423) Die in Drucksache 10/92 unter Nummer 73 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag für eine Europäische Strategie auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Technik Rahmenprogramm 1984 bis 1987 ist als Drucksache 10/217 verteilt. Die in Drucksache 10/133 unter Nummer 12 aufgeführte EG-Vorlage Mitteilung der Kommission an den Rat über die Strukturen und Verfahren der Gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie ist als Drucksache 10/221 verteilt. Die in Drucksache 10/92 unter Nummer 26 aufgeführte EG-Vorlage 1338* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament betreffend eine bessere Nutzung der Ergebnisse Gemeinschaftsgeförderter F&E-Aktivitäten ist als Drucksache 10/222 verteilt. Die in Drucksache 10/168 unter Nummer 3 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag eines Beschlusses des Rates über das Rahmenprogramm der wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten der Gemeinschaft 1984-1987ist als Drucksache 10/295 verteilt. Die in Drucksache 10/133 unter Nummer 11 aufgeführte EG-Vorlage Die künftige Finanzierung der Gemeinschaft Vorschlag für einen Beschluß über die eigenen Mittel ist als Drucksache 10/329 verteilt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

    (Gilges [SPD]: Jetzt kommt die Erleuchtung!)

    — Herr Kollege, ich weiß gar nicht, ob eine Chance besteht, Sie noch zu erleuchten. Ich will mich aber redlich bemühen.
    Es ist Sinn einer Etatdebatte und es entspricht der Tradition der Parlamente, auch der Tradition des deutschen Parlamentes, alle wesentlichen Fragen anzusprechen, zu diskutieren und natürlich — wie es sich gebührt und wie es für eine lebendige Demokratie selbstverständlich ist — auch streitig zu diskutieren. Ich habe sehr aufmerksam mit meinen Kollegen auf der Regierungsbank in diesen Stunden Kritik und auch Anregungen gehört. Ich bin dankbar für beides. Denn es ist ganz selbstverständlich, daß nur aus einem vernünftigen Austausch von Argumenten, dem Hören und dem Ertragen von Argument und Gegenargument der richtige Weg in der Politik zu finden ist. Daß dabei am Vorabend von wichtigen Wahlen — auch das entspricht einer großen Tradition dieses Hauses über drei Jahrzehnte — Wahlkampftöne aufklingen, beklage ich überhaupt nicht. Das wäre ein Stück heuchlerisches Tun, denn jeder von uns in seiner Gruppe hat sich an solchen in der Vergangenheit beteiligt. Ich natürlich auch. Nur, meine Damen und Herren: Das Angebot, das gemacht wird, war in diesen Jahrzehnten unterschiedlich.
    Verehrter Herr Kollege Börner, verehrter Herr Ministerpräsident von Hessen, wissen Sie, Sie haben heute so richtig geistig die Dachlatte geschwungen, um es einmal so zu sagen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Begriff „Dachlatte" ist j a nicht beleidigend gemeint. Sie sind ja zu Hause, in einem Teil Ihrer eigenen Landespartei, immer stolz auf diesen Begriff.
    Nur, denke ich, haben Sie das Manuskript verwechselt. Das war so eine Rede, die vielleicht noch ein paar müde Genossen im Unterbezirk Kassel von den Stühlen reißt, aber die Wähler in Hessen ganz gewiß nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Ich kenne die Gründe nicht, warum Sie so zugelangt haben, ob es neue demoskopische Zahlen sind oder etwas anderes.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Ich denke, unser Kollege Wolfgang Mischnick hat die Dinge hier wieder zurechtgerückt. Ich kann mich darauf beschränken, einige wenige Bemerkungen zu Ihren Fragen, wie Sie es genannt haben, zu machen.

    (Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wenige Ereignisse haben die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus in weiten Teilen der Welt so betroffen gemacht und zur Bestürzung veranlaßt wie der Abschuß einer koreanischen Zivilmaschine vor wenigen Tagen. Es ist ganz selbstverständlich, daß der deutsche Bundeskanzler und die Bundesregierung in dieser Debatte über das hinaus, was der Herr Präsident des Hauses zu Beginn der Debatte zum Ausdruck gebracht hat, einige Bemerkungen zu diesem Thema machen will und machen muß.
    Die Sowjetunion trägt die Verantwortung und Schuld für den Tod von 269 wehrlosen Menschen. Die Sowjetunion hat mit dem Abschuß der koreanischen Linienmaschine gegen die elementaren Regeln im Zusammenleben der Völkergemeinschaft verstoßen. Dieses Verhalten wird und muß von der ganzen Völkerfamilie mit Abscheu verurteilt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die Sowjetunion hat in der Charta der Vereinten Nationen und in der KSZE-Schlußakte feierlich jeglicher Androhung und Anwendung von Gewalt entsagt. Sie selbst hat in der Prager Erklärung den Abschluß eines Gewaltverzichtsvertrags zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt vorgeschlagen. All dieses hindert sie jetzt nicht daran, diesen Akt hemmungsloser Gewalt zu verüben.
    Ich fordere von dieser Stelle aus die sowjetische Führung eindringlich auf, unverzüglich die Zusammenhänge dieses schrecklichen Vorgangs aufzuklären und die Verantwortung klarzustellen. Hier stehen — das ist ein wichtiger Vorgang — Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit einer Weltmacht auf dem Prüfstand. Dies gilt um so mehr, meine Damen und Herren, als sich dieser Vorgang in einer Zeit ereignet, da Vertrauen im Ost-West-Verhältnis notwendiger denn je ist.
    Unsere Reaktion ist bei aller Betroffenheit besonnen, und sie wird es auch bleiben. Besonnenheit tut not, damit auch und gerade in dieser sehr kritischen Situation der Weltpolitik der Dialog über die Lebensfragen von Ost und West erhalten bleibt. Daß dies auch die Linie der amerikanischen Regierung ist, ist in einer eindeutigen Weise in der Erklärung des amerikanischen Präsidenten vom 6. September 1983 zum Ausdruck gekommen. Wir sollten diesen Vorgang auch hier bei uns angesichts einer tumben antiamerikanischen Propaganda in unserem Lande dankbar erwähnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung steht in engen Konsultationen mit unseren Verbündeten und mit den befreundeten Staaten.
    Gestern haben die Außenminister der KSZE-Staaten weiterführende Gespräche begonnen. Ein ganz wesentliches Ziel dieser Kontakte besteht darin, die Sicherheit des weltweiten zivilen Luftverkehrs ebenso zu garantieren wie eine unbeeinträchtigte und friedliche Aufrechterhaltung der internationalen Verkehrs- und Handelsverbindungen. Die Bundesregierung wird sich an geeigneten Maßnahmen, die wir gemeinsam mit unseren Freunden abstimmen, beteiligen, um dieses Ziel durchzusetzen.
    Die Ereignisse beweisen mehr denn je die Notwendigkeit von Dialog und Rüstungskontrolle. Gerade in einer solchen Periode der Erregung und Erhitzung darf das Netz sicherheitspolitischer Kommunikation nicht reißen.
    Wie bereits in der Grundsatzerklärung über die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen vom 29. Mai 1972 festgestellt wurde, tragen alle Länder und nicht nur die Weltmächte eine besondere Verantwortung, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit es nicht zu Konflikten oder Situationen kommt, die zur Erhöhung internationaler Spannungen führen würden. Wir fühlen uns darin bestärkt, daß wir in den Verhandlungen mit der Sowjetunion mit größter Sorgfalt unsere Sicherheitsinteressen sowie die Grundsätze der Gleichheit und die Belange des Gleichgewichts wahren müssen.
    Nach vielen Zugeständnissen des Westens ist jetzt nicht die Zeit für weitere Vorleistungen und einseitiges Vorangehen. Es ist vielmehr die Zeit des geduldigen und des zähen Ausarbeitens von Kompromissen auf der Grundlage des gegenseitigen Vorteils.
    Am Dienstag sind in Genf die amerikanischsowjetischen Verhandlungen über Mittelstreckensysteme wieder aufgenommen worden. Sie sind somit in die entscheidende Runde eingetreten. Ich habe in diesen Tage unmittelbar vor diesen Verhandlungen — aber nicht nur in diesen Tagen — mit dem amerikanischen Verhandlungsführer Botschafter Nitze wiederum intensive Gespräche geführt. Diese Gespräche und Konsultationen sind in diesen Monaten eine feststehende Übung geworden. Die amerikanische Seite hat mir erneut versichert, daß die amerikanische Regierung auch angesichts der jüngsten Ereignisse entschlossen ist, die Rüstungskontrollverhandlungen mit dem Ziel eines baldigen Abschlusses eines Abkommens zu führen und mit der notwendigen Flexibilität in die neue Verhandlungsrunde zu gehen.
    Jetzt wird es darauf ankommen, daß auch die Sowjetunion über die Versuche öffentlicher Beeinflussung hinausgeht und einen wirklichen Verhandlungsschritt in Richtung auf einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiß unternimmt. Dieser Kompromiß kann nicht von den Grundsätzen des Gleichgewichts abweichen und auf die Grundlage eines ungleichen Ergebnisses mit den Vereinigten Staaten gestellt werden. Die Sowjetunion blockiert mit ihrer Forderung nach der Einbeziehung der französischen und britischen Systeme die Genfer Verhandlungen. Der jüngste Vorschlag von Generalsekretär Andropow zeigt das doch noch einmal ganz deutlich.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Lassen Sie mich gerade zu diesem Vorschlag ein paar Anmerkungen machen. Erstens. Wir begrüßen die Präzisierung der sowjetischen Position, eine Präzisierung, die längst überfällig war. Zweitens. Die Sowjetunion hat aber kein neues Element in die Verhandlungen eingeführt, das den Weg für einen Kompromiß freimachen kann. Drittens. Die sowjetische Erklärung würde von uns positiver aufgenommen, wenn die Sowjetunion zugleich angeboten hätte, die Zerstörung ihrer SS 20 wirksam verifizieren zu lassen.
    Ich sage mit aller Deutlichkeit: Wir werden in der gegenwärtigen Situation kein Ergebnis erzielen können, wenn wir unsere Verhandlungssubstanz aus der Hand geben. Wir werden keinen Kompromiß erzielen, wenn wir vor dem möglicherweise entscheidenden Durchbruch auf die wesentlichen Elemente unserer Position verzichten und so den notwendigen Verhandlungsdruck von der sowjetischen Seite nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das gilt für die Pershing II, das gilt für den Waffenmix ebenso wie für den Zeitplan der möglicherweise erforderlich werdenden Stationierung. Was wir in dieser entscheidenden Phase der Genfer Verhandlungen brauchen, wird auf unserer Seite eine Mischung aus Festigkeit und Flexibilität sein. Den Rahmen für diese Flexibilität haben wir in engster Abstimmung mit den Vereinigten Staaten auch durch die persönlichen Kontakte mit dem Präsidenten geschaffen. Diese Position ist eine tragfähige Grundlage für Kompromisse und für eine Anpassung an eintretende Entwicklungen in den Verhandlungen. Die Festigkeit, die wir brauchen, wird die Geschlossenheit des Bündnisses sein und die Kraft, die Sowjetunion angesichts ihrer Vorrüstung nicht aus ihrer Verantwortung in den Verhandlungen zu entlassen.
    Uns werden in diesen Tagen auch aus den Reihen dieses Hauses manche Vorschläge für die Verhandlungen gemacht, die diesen Kriterien nicht entsprechen und die mit Sicherheit nicht zu einem vernünftigen Verhandlungskompromiß führen werden. Wir sehen den engen sachlichen Zusammenhang zwischen INF und START. Die westliche Verhandlungsposition in der Genfer Verhandlung trägt auch diesem Zusammenhang durchaus Rechnung. Wer aber in diesem Augenblick und in dieser Phase — das muß deutlich gesagt werden — der Zusammenlegung von START und INF das Wort redet, der spekuliert auf eine Verschiebung des Stationierungsbeginns, der nimmt den Verhandlungsdruck von der sowjetischen Seite, der entläßt die Sowjetunion aus der Verantwortung für die Lösung eines Problems, das sie, die Sowjetunion, selbst geschaffen hat, der versucht, sich aus innenpolitischen Opportunitätsgründen der eigenen Verantwortung für den NATO-Doppelbeschluß zu entziehen, und der gefährdet die Durchsetzung unserer Sicherheitsinteressen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Probleme der Genfer INF-Verhandlungen sind keine Zeitfrage — das weiß jeder, der sich ernsthaft damit beschäftigt —, sondern letztlich eine Frage der Kompromißwilligkeit. Wenn die Sowjetunion bereit ist, ihre starre Haltung aufzugeben, kann in Tagen ein Vertrag entwickelt werden.
    Was mich aber, meine Damen und Herren, in der Reihe der erteilten Ratschläge am meisten beunruhigt und was mich mit Sorge über den notwendigen sicherheitspolitischen Kurs unseres Landes erfüllt, ist just in dieser Stunde der Vorschlag, daß die Bundesrepublik Deutschland aus der militärischen Integration der NATO ausscheiden soll. Ich würde dieses Thema nicht zur Sprache bringen, wenn es irgendein Vorschlag wäre. Das ist ein Vorschlag, der in einer logischen Folgerichtigkeit eine totale Veränderung der politischen Grundlagen unseres Landes in Gang setzen will, jener Grundlagen, die wir doch immerhin nach manchem Hin und Her seit 1949 gemeinsam erarbeitet haben. Aber, meine Damen und Herren, dieser Vorschlag kommt von einem führenden Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, und dieser Vorschlag hat inzwischen in wichtigen Bereichen, Konferenzen und Tagungen der Sozialdemokratischen Partei Zustimmung und Mehrheiten gefunden.

    (Zurufe von der SPD: Wo?)

    — Schauen Sie doch nach Hessen!

    (Lebhafte Zurufe von der SPD: Wo denn?)

    Dieser Vorschlag kommt von einem Vorstandsmitglied. Ich weiß, Herr Kollege Vogel, daß Ihnen das wehtut. Sie sind gefordert, ein klares Wort zur Sicherheitspolitik Ihrer Partei zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Herr Kollege Vogel, das Bestürzende an diesem Vorschlag ist doch die Tatsache, daß er aus Ihrer Partei kommt, Ihrer Partei, die die Bundesregierung bis vor einem Jahr getragen hat. Es war die von Ihnen geführte Bundesregierung, die den NATO-Doppelbeschluß in diesem Hause vorgetragen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Wir, FDP, CDU und CSU, stehen doch heute in der absurden Situation, daß wir eine Politik, die Sie wesentlich entwickelt und mitbestimmt haben, verteidigen, während Sie von der Fahne gegangen sind.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Damit das klar ausgesprochen wird — ich nehme hier ein Wort von Wolfgang Mischnick auf —: Dies alles macht uns keine Freude. Meine Damen und Herren von der SPD, Herr Kollege Brandt, wir haben genug streitige Fragen. Ich wäre glücklich, wenn wir in den Grundfragen der nationalen Sicherheitspolitik wieder zu einer gemeinsamen Linie finden könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brandt?




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein.