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ID1001903800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/19 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 19. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion die GRÜNEN betr. Änderung der Auslieferungspraxis der Bundesregierung und Staatenbeschwerde gegen die Türkei — Drucksache 10/357 — Burgmann GRÜNE 1243 B Dr. Schäuble CDU/CSU 1244A Porzner SPD 1244 B Burgmann GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 1245 C Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksache 10/280 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksache 10/281 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion die GRÜNEN Entlassung der Bundesminister des Innern und der Justiz — Drucksache 10/333 (neu) — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers der Justiz und des Bundesministers des Innern — Drucksache 10/342 — Roth SPD 1245C Dr. Althammer CDU/CSU 1253 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 1257A, 1307 A Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 1263 B Mischnick FDP 1268 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 1273 C Dr. Vogel SPD 1282 D Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 1295 B Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 1298 B Metz CDU/CSU 1303 B Dr. Emmerlich SPD 1310 C Fischer (Frankfurt) GRÜNE 1313 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU 1317 D Kleinert (Hannover) FDP 1322 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 1325 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 1328 B Kuhlwein SPD 1330 D Neuhausen FDP 1334 B Dr. Jannsen GRÜNE 1335A Namentliche Abstimmung 1326 C Nächste Sitzung 1335 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1337* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1337* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 1243 19. Sitzung Bonn, den 8. September 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 1337* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 9. 9. Dr. Enders * 9. 9. Handlos 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 9. Kretkowski 9. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 9. 9. Lenzer * 9. 9. Dr. Müller * 9. 9. Schmidt (Hamburg) 9. 9. Schmidt (Wattenscheid) 9. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Frau Dr. Wex 9. 9. Wilz 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Möglichkeiten für eine Gemeinschaftsbeihilfe zur Finanzierung einer festen Ärmelkanalverbindung (Drucksache 10/207) zuständig: Ausschuß für Verkehr Entschließung des Europäischen Parlaments zur Höhe der Einkommen in der Landwirtschaft (Drucksache 10/208) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Raumordnungsbericht 1982 (Drucksache 10/210) zuständig: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Drittmittelforschung im Rahmen der Grundlagenforschung (Drucksachen 10/225, 10/332) zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Forschung und Technologie Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 1981/1982 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet (§ 50 GWB) (Drucksache 10/243) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den ersten Teil der 29. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 6. bis 8. Juni 1983 (Drucksache 10/246) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Einwilligung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 1502 Tit. 642 07 des Haushaltsjahres 1983 (Ausgaben nach § 8 Abs. 2 des Unterhaltsvorschußgesetzes) (Drucksache 10/316 [neu]) zuständig: Haushaltsausschuß Anlagen zum Stenographischen Bericht Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 2. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1983 (Drucksache 10/292) zuständig: Haushaltsausschuß Fünfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) (Drucksache 9/2386) zuständig: Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Forschung und Technologie Entschließung des Europäischen Parlaments zur Diskriminierung von unverheirateten Müttern gegenüber verheirateten Frauen im Bereich des Eltern- bzw. Kindesverhältnisses in bestimmten Mitgliedstaaten (Drucksache 9/2417) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Rechtsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (Drucksache 9/2421) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Rechtsausschuß Verteidigungsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zu den türkischen Auslieferungsersuchen (Drucksache 9/2413) zuständig: Rechtsausschuß (federführend) Innenausschuß Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Der Präsident hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 9/83 — Erhöhung des Zollkontingents 1983 für Bananen) (Drucksache 10/315) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 8. Dezember 1983 vorzulegen Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 24. August 1983 mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehende Vorlage absieht: Bericht der Bundesregierung zu dem Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung (Drucksache 9/2423) Die in Drucksache 10/92 unter Nummer 73 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag für eine Europäische Strategie auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Technik Rahmenprogramm 1984 bis 1987 ist als Drucksache 10/217 verteilt. Die in Drucksache 10/133 unter Nummer 12 aufgeführte EG-Vorlage Mitteilung der Kommission an den Rat über die Strukturen und Verfahren der Gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie ist als Drucksache 10/221 verteilt. Die in Drucksache 10/92 unter Nummer 26 aufgeführte EG-Vorlage 1338* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1983 Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament betreffend eine bessere Nutzung der Ergebnisse Gemeinschaftsgeförderter F&E-Aktivitäten ist als Drucksache 10/222 verteilt. Die in Drucksache 10/168 unter Nummer 3 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag eines Beschlusses des Rates über das Rahmenprogramm der wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten der Gemeinschaft 1984-1987ist als Drucksache 10/295 verteilt. Die in Drucksache 10/133 unter Nummer 11 aufgeführte EG-Vorlage Die künftige Finanzierung der Gemeinschaft Vorschlag für einen Beschluß über die eigenen Mittel ist als Drucksache 10/329 verteilt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, Herr Präsident, ich habe vorhin gesagt, daß ich heute keine Zwischenfragen beantworte.
    Meine Damen und Herren, wir wissen, daß die Lage auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor völlig unbefriedigend ist. Daran besteht gar kein Zweifel. — Herr Roth, ich wiederhole auch hier: Ich bin der Überzeugung, daß wir trotz aller Anstrengungen bis Ende der 80er Jahre leider mit zu hohen Arbeitslosenzahlen werden leben müssen.

    (Zuruf des Abg. Westphal [SPD])

    — Herr Westphal, ich komme noch darauf zurück, welche Wege wir gehen werden.
    Wir haben diesen wirtschaftlichen, konjunkturellen Aufschwung des Jahres 1983 — wie jedermann weiß — durch die verstärkte Binnennachfrage erreicht. Das widerspricht allem, was Sie uns vorgeworfen haben: Wir zerschlügen die Nachfrage, die Binnennachfrage könne überhaupt nicht funktionieren.



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    Aber ich füge gleich hinzu: Im Export gibt es sehr viele Fragezeichen, gibt es Löcher. Den sich selbst tragenden dynamischen Wirtschaftsaufschwung, das Rad, das dann von selber weiterrollt, haben wir noch nicht erreicht, kann ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland mit seiner Exportabhängigkeit nicht erreichen, wenn es im Auslandsgeschäft nicht besser anläuft und nicht besser läuft, als das zur Zeit der Fall ist. Es gibt zwar bessere Zahlen im Juni und im Juli, aber die eine Schwalbe macht noch keinen dauerhaften Sommer.
    Meine Damen und Herren, die Aussichten für das Jahr 1984 — das Jahr 1983 ist konjunkturpolitisch sicher im wesentlichen gelaufen — sind ungewöhnlich schwer zu beurteilen. Wir übersehen die Risiken, die es dort gibt, nicht. Ich will nur ein paar nennen: immer stärker interventionistische EG-Politiken; Regionalpolitik; Strukturpolitik — alle diese Ansätze wirken gegenläufig zu dem, was wir hier für richtig halten —; die Wechselkurse, den hohen Dollarkurs, der sich bei den importierten Gütern auch auf die Preise auswirkt — jedermann weiß das —; die Verschuldungsprobleme vieler unserer Kundenländer; wachsender Protektionismus und auch das, was Herr Apel gestern gesagt hat: die US-Konjunktur, aber mehr noch das US-Haushaltsdefizit und die US-Zinsen. Meine Damen und Herren, wer uns vorwirft, wir hätten dies nicht deutlich genug zur Sprache gebracht, den hätte ich eingeladen, am Konferenztisch in Williamsburg dabeizusitzen und mithören zu können, mit welcher Deutlichkeit und wie drastisch wir dieses Problem angesprochen haben.
    Aber ich gebe ja Herrn Apel recht, der auch gesagt hat: Bis zu den Präsidentschaftswahlen in den USA werden wir leider keine Änderungen erwarten können. Das heißt nicht, daß wir uns hinsetzen und nur klagen könnten; das heißt, wir müssen eigene Anstrengungen unternehmen, um unseren Manövrierspielraum gegenüber der Zinsentwicklung in den Vereinigten Staaten durch bessere Grundtatsachen unserer Wirtschaft so groß zu gestalten, wie das nur irgend möglich ist. Abkoppeln — darin bin ich mit Herrn Apel einig — geht nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die objektive Lage und die notwendige Festigung des Vertrauens erfordern eine konsequente Fortsetzung unserer Politik. Daß die Aufgaben, die uns gestellt sind und gestellt waren, nicht in wenigen Monaten gelöst werden können, weiß jeder. Wir befinden uns in einer Langstreckendisziplin und nicht in einem 100- oder 200-Meter-Sprint.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Das Kabinett hat vorgestern noch einmal einmütig die Grundtatsache bestätigt, daß wir an dieser Politik festhalten. Die Rede des Bundesfinanzministers gestern hat völlig klargemacht, an welchem Kurse wir festhalten und daß wir diese Politik fortsetzen.
    Das Kabinett hat auch noch einmal gesagt — ich halte das angesichts der Diskussion in unserem Lande für wichtig —: Arbeitslosigkeit, Wiederherstellung besserer Beschäftigungsverhältnisse ist
    das zentrale Problem, ist das Problem Nr. 1, mit dem wir uns zu beschäftigen haben; es ist das vorrangige Problem. Aber dann fordere ich auch alle auf zu erkennen, daß, wenn es ein vorrangiges Problem gibt, die anderen Probleme nachrangig sind, nachrangig sein müssen und sich am Erreichen dieses Hauptziels zu orientieren haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Antwort auf unsere Beschäftigungsprobleme muß lauten: Stärkung von Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Leistungsbereitschaft,

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das sind doch Phrasen!)

    Steigerung von Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, Fortsetzung der Konsolidierung der Haushalte, Verringerung der Abgabenbelastung auch im steuerlichen Bereich, Verbesserung der unternehmerischen Ertragsperspektiven auch durch eine Lohnpolitik, die beschäftigungspolitische Mitverantwortung trägt, und eine Vertiefung des sozial- und wirtschaftspolitischen Dialogs mit Gewerkschaften und Arbeitgebern.
    Meine Damen und Herren, zu einigen Problembereichen in aller gebotenen Kürze ein paar Anmerkungen. In der Haushaltspolitik bestätigt uns jedermann national und international, daß beachtliche Konsolidierungsbeschlüsse gefaßt worden sind. Die Öffentlichkeit hat das erkannt, sie hat es verstanden, und das ist ein Vertrauen schaffendes Moment.
    Das hat auch Folgen für die Zinsentwicklung. Wir sind nicht glücklich darüber, daß die Zinsen in den letzten drei Monaten wieder gestiegen sind. Aber übers Jahr gesehen sind sie eben gesunken, obwohl die amerikanischen Zinsen nicht nur nicht gesunken, sondern sogar etwas heraufgegangen sind.
    Aber es ist dann auch notwendig, daß wir das, was die Bundesregierung haushaltspolitisch vorgeschlagen hat, ohne Abstriche umsetzen. Auf Sicht gesehen, wissen wir und haben wir gesagt: Die Zuwachsrate der Haushalte muß auch in Zukunft deutlich unter der nominalen Zuwachsrate des Bruttosozialproduktes bleiben. Auch dies ist eine Aufgabe, die nicht mit einem oder zwei Bundeshaushalten gelöst werden kann.
    Ich füge hinzu: Wir sparen nicht als Selbstzweck oder aus Selbstzweck. Es wäre unsinnig, zu glauben, dieses Sparen in sozialpolitischen Bereichen machte uns Spaß, machte uns Vergnügen. Wir sparen, meine Damen und Herren, weil nur eine solide Haushaltspolitik eine Basis für die Besserung der Beschäftigungslage schaffen kann.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Herr Apel, es ist nicht richtig, zu sagen, wie Sie es gestern getan haben, der Haushalt nehme Arbeitslosigkeit gelassen hin. Das Gegenteil ist richtig: Eine Staatsquote von mehr als 50 % ist das größte Hindernis für arbeitsplatzschaffende Investitionen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Hier, meine Damen und Herren, liegt der methodische und politische Unterschied: Sie glauben, daß



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff Staatsintervention hilft. Aber Sie sind damit beim Wähler am 6. März gescheitert, und Sie würden auch in der Praxis scheitern. Wir glauben ebenso an die Verantwortung des Staates, wir sind nicht für den Rückzug des Staates aus beschäftigungspolitischer Verantwortung.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Sie haben es doch praktiziert!)

    Aber seine Verantwortung ist nicht, Bevormundung, Gängelei, Intervention zu schaffen, sondern Freiraum für Initiative, für Leistung von Arbeitnehmern und Unternehmern.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deshalb, meine Damen und Herren, wird die Bundesregierung in der Steuerpolitik die Tarifreform angehen. Sie wird Anfang 1984 Zeitpunkt, Umfang und Bedingungen, so wie z. B. das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut es heute von uns erbeten hat, festsetzen. Dabei scheinen mir generelle Entlastungen notwendig zu sein, vor allem bei dem überproportional gewachsenen Anteil des Lohnsteueraufkommens und der Lohnsteuerbelastung, auch deshalb, um künftige Tarifverhandlungen noch in vernünftigen Grenzen halten zu können. Ich glaube, daß das Priorität vor gezielten Entlastungen haben muß.
    Über zwei Bedingungen wird man sich, hoffe ich, verständigen können: daß eine solche Tarifreform eine familiengerechte Besteuerung befürworten und stärken muß und daß es eine Entlastung der mittleren Einkommensschichten geben muß, der Leistungsträger der deutschen Wirtschaft. Um nicht mißverstanden zu werden: nicht etwa nur des gewerblichen Mittelstandes, nicht nur der Unternehmen, sondern auch der freien Berufe, der Facharbeiter, der Angestellten, der Selbständigen. Und wenn Sie wieder rufen, es sei eine Phrase: Leistung soll und muß sich in der Bundesrepublik Deutschland lohnen, wenn wir die Menschen bewegen wollen, Initiative zu entfalten und anzupacken.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Alles in allem: Wir wollen eine Politik, die Wachstumskräfte freisetzt. Wir sind — Herr Verheyen hat uns das gestern vorgeworfen — trotzdem nicht wachstumsgläubig. Ihr Vorschlag, Herr Verheyen, läuft darauf hinaus, die Industriegesellschaft abzuschaffen. Sie kommen mir vor wie ein Arzt, der einen erkrankten Patienten zu Heilzwecken umbringen will; das wird nicht funktionieren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir wissen, daß unsere Probleme nicht konjunktureller, sondern struktureller Art sind. Wir wissen, daß die Wachstumsraten eben nicht 5 %, 6 % erreichen werden, Herr Roth — da sind wir uns ja ganz einig —, sondern daß wir darunterliegen werden. Deswegen wissen wir auch, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht über Wachstum allein möglich ist, sondern daß ein Bündel von Maßnahmen erforderlich ist. Wachstum ist nicht alles, aber ohne Wachstum ist alles nichts.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deshalb eben eine in sich widerspruchsfreie Wirtschaftspolitik. Dazu gehört auch die schwierige Aufgabe, die sozialen Sicherungssysteme weiter an das gesamtwirtschaftliche Leistungsvermögen anzupassen; der Kollege Blüm wird morgen dazu etwas sagen. Es gehören aber auch flexiblere gesetzliche Regelungen zum Abbau ausbildungs- und beschäftigungshemmender Vorschriften dazu. Die Schutzbestimmungen, meine Damen und Herren, aus Vollbeschäftigungszeiten wenden sich heute in vielen Fällen gegen die, die man schützen wollte; sie wenden sich vor allem gegen die Arbeitslosen. Und dann muß eben gemeinsam überlegt werden, was hier zur Verbesserung getan werden kann.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Dann sagen Sie einmal ein klares Wort!)

    Wir müssen uns über eine Korrektur solcher gesetzlichen Vorschriften unterhalten, die durch die Rechtsprechung zu vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnissen geführt haben. Der § 16 des Betriebsrentengesetzes, den wir hier in 2. und 3. Lesung noch im Jahre 1974 geändert haben, ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Rechtsprechung aus einer Gesetzgebung etwas anderes gemacht hat, als es der Gesetzgeber gewollt hat. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob man das korrigiert.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir müssen eine vertiefte Diskussion — ich habe das in der Aussprache zur Regierungserklärung versucht, heute verbietet es mir die begrenzte Zeit — über Produktivitätsfortschritt, Rationalisierung, Arbeitsplatzverluste und deren Zusammenhang führen. Wir müssen uns gegen den falschen Denkansatz wehren, daß Produktivitätszuwachs, der über der Rate des Bruttosozialproduktszuwachses liegt, automatisch Arbeitsplätze kostet. Produktivitätszuwachs hilft uns, stärkt unsere Leistungsfähigkeit, unsere Wettbewerbsfähigkeit. Und, meine Damen und Herren, Produktivitätszuwachs, wenn er erst erarbeitet worden ist, kann ja auch verteilt werden, und zwar auch in Freizeit, nicht nur in Geld.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Bei der Freizeit geht es um die Frage der Arbeitszeitverkürzung; jawohl, meine Damen und Herren. Der Bundesregierung brauchen Sie nicht vorzuwerfen, daß sie Tabuhaltungen verteidige. Deutlicher als ich hat niemand andere aufgefordert, die Schützengräben der Tabuhaltung zu verlassen.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Ich bin auch nicht der Auffassung, daß der hundertjährige Trend zu kürzerer Arbeitszeit abgebrochen werden muß.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Endlich!)

    Ich bin jedoch ebensowenig der Auffassung, daß man ausgerechnet in unserer Lage mit Brachialgewalt und abrupt einen Riesenschritt tun und diese Verkürzung zwangsweise über alle Bereiche stülpen kann. Das wird nicht funktionieren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    Arbeitszeitverkürzung bleibt eine Angelegenheit der autonomen Tarifpartner. Sie kann Beiträge zur Lösung unseres Problems leisten, aber sie kann das Problem nicht lösen.
    Wer sich gegen Tabus wendet — da bin ich mit Ihnen einig, meine Damen und Herren von der Opposition —, der darf seine eigenen Forderungen nicht zur Glaubenslehre hochstilisieren. Sehen wir uns — ich muß das offen ansprechen — die Kampagne der IG Metall zur 35-Stunden-Woche an, lesen wir, was Herr Jansen in Sprockhövel auf der Tagung der IG Metall gesagt hat: Wir brauchen den Kampf um die 35-Stunden-Woche zur Erhaltung der gewerkschaftlichen Aktionsfähigkeit! Hier geht es um den Kampf und nicht mehr um das Ziel. Das ist nicht Interessenpolitik im Interesse der Arbeitnehmer.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich begrüße, daß der IG-Metall-Vorsitzende Loderer gesagt hat: Verrammeln wir uns bei unseren Positionen nicht. Ich begrüße auch, daß es im Rahmen des DGB andere Gewerkschaften gibt, die einen anderen Ansatz wählen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Versuchen Sie doch keinen Keil zu treiben!)

    Es muß eine offene Diskussion geführt werden, meine Damen und Herren. Die Bundesregierung ist wie in der Vergangenheit dazu bereit. Die Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung ist nötig, die Erweiterung bereits praktizierter Regelungen. Aber wichtig ist auch, daß es keine globalen Zwangsregelungen gibt, daß individuelle Wahlmöglichkeiten durch betriebliche und tarifvertragliche Vereinbarungen erhalten werden. Generell muß gewußt werden, meine Damen und Herren: Wer Arbeitsplätze teilen will, muß auch bereit sein, Einkommen zu teilen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich will einige ganz kurze Bemerkungen zu den drei angesprochenen Problembereichen machen, die im Mittelpunkt des Interesses stehen. Herr Blüm — Entschuldigung, Herr Roth — —

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Ein gewaltiger Unterschied! — Weitere Zurufe)

    — Wie ich sehe, habe ich mit diesem Versprecher beide erfreut. Da bin ich sehr zufrieden.
    Meine Damen und Herren, der Stand der Entwicklung bei der Lösung der Probleme der Stahlindustrie kann wahrlich niemanden befriedigen. Dennoch können wir sagen, daß die letzte Sitzung des Ministerrates mit der Quotenverlängerung — zwar nur um sechs Monate, aber mit der Festschreibung des traditionellen deutschen Produktionsanteils — für uns, für die Industrie, auch für die Gewerkschaften, einigermaßen zufriedenstellend verlaufen ist. Es ist entscheidend für uns, daß der deutsche Produktionsanteil gesichert wird. Es ist auch entscheidend für uns, daß ein Zusammenhang zwischen Kapazitätsabbau und Subventionsgewährung akzeptiert und von der Kommission anerkannt wird. Das ist wichtig im Verhältnis zu unseren europäischen Partnern.
    Die Bundesregierung hält ihre Zusage selbstverständlich aufrecht — sie ist im Haushalt vorgesehen —, gemeinsam mit den Ländern der Stahlindustrie 3 Milliarden DM zur Verfügung zu stellen. Wir wünschen uns, daß die Verhandlungen zwischen den Unternehmen zügiger vorankommen. Wir bemühen uns selbstverständlich darum — das ist keine Abstinenz, Herr Roth; aber es hat keinen Sinn, diese Dinge auf dem Marktplatz auszuhandeln; bitte begnügen Sie sich heute mit dieser Bemerkung —, Anschub zu geben und zu helfen, damit Verständigung zwischen den Unternehmen möglich ist. Auch wir wissen, daß die Probleme drängen, allein vom europäischen Fahrplan des Subventionskodex her.
    Zur Kohle kann ich mich heute, so wichtig das Thema ist und so gerne ich zu einer intensiveren Debatte zur Verfügung stehe, kurzfassen; denn jedem von Ihnen ist die Erklärung der Bundesregierung nach der Kabinettssitzung vom vergangenen Dienstag bekannt. Wir stehen vor dem Problem, meine Damen und Herren, daß die Förderkapazitäten, Förderhöhen und der Absatz nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sind und daß die Kohlehalden in ganz unerfreulicher und bedrückender Weise wachsen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie wollen es nicht!)

    — Nein, die sind nicht in Einklang zu bringen.
    Das heißt also, daß wir die Förderung an den Absatz anpassen müssen und daß die Förderung zurückgeführt werden muß. Wir werden uns in der Kohle-Runde vom 29. September mit allen Betroffenen, so wie bisher, zusammensetzen.

    (Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich habe gesagt: Ich kann keine Ausnahmen machen, Herr Wolfram. Wenn ich allen sage „keine Zwischenfragen", darf ich auch bei Ihnen keine zulassen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Vielen Dank, Herr Minister! Feiner Stil!)

    Meine Damen und Herren, wir werden uns mit allen Betroffenen, insbesondere mit der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie und dem Unternehmensverband, aber auch den Bergbauländern, am 29. September zusammensetzen. Wir haben diese Themen immer einvernehmlich lösen können. Und ich bin überzeugt: Wir werden das auch diesmal schaffen; denn wir gehen bei den Bergbau- und Kohlesubventionen von einer Grundposition aus, die für keinen anderen Wirtschaftszweig, in diesem Umfang jedenfalls, gilt. Die politische Entscheidung ist getroffen worden, die deutsche Steinkohle als die einzige Primärenergie, über die wir selbst verfügen, nicht absaufen zu lassen, sondern zu erhalten, auch aus sicherheitspolitischen Gründen. Das ist ein anderer Ansatz als in allen anderen Fällen.
    Aber, meine Damen und Herren, das subventionierte Exportieren von solcher deutschen Steinkohle ist schwer mit dem Gebot der Sicherung der eigenen Energiepolitik in Einklang zu bringen. Hier



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    wird, auf Dauer jedenfalls, nicht abrupt, eine Änderung eintreten müssen, weil die daraus entstehenden Belastungen des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte so nicht weiter getragen werden können. Wir haben noch einmal versichert — ich will auch das hier sagen —, daß wir selbstverständlich die Kokskohleförderung aufrechterhalten. Nur, wenn keine Kokskohle verkauft werden kann, weil die Stahlindustrie keine braucht und keine abnimmt, kann auch die Bundesregierung dies nicht ersetzen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sagen Sie etwas zur Verringerung der Importe!)

    — Zur Verringerung der Importe will ich gern etwas sagen, Herr Wolfram. Ich bin gegen eine Verringerung der Importe, weil die Importe und die Importpolitik die Grundlage für revierferne Kraftwerke sind, vor allem aber, meine Damen und Herren, die politische Grundlage für die Zustimmung der revierfernen Länder zum Jahrhundertvertrag. Wer so wie Sie darauf drängt, die Importpolitik zu ändern, gefährdet den Jahrhundertvertrag und damit das wirkliche Standbein des deutschen Steinkohlenbergbaus.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Letzter Punkt, die Werften: Der Bürgermeister von Bremen ist hier anwesend. Herr Koschnick, ich begrüße die Art und Weise, wie Sie dieses Thema heute morgen in Ihrem „Deutschlandfunk"-Interview behandelt haben. Ich glaube, das wird der Sache gerecht. Ich biete Ihnen noch einmal für die Bundesregierung an, daß wir dieses Problem so einvernehmlich wie möglich angehen, trotz gelegentlicher Auffassungsunterschiede etwa im Bereich der Auftragshilfe.
    Der angestrebte Auftragseingang für das Jahr 1983 wird nach den Zahlen, die uns heute vorliegen, erreicht werden. Im Inlandsgeschäft sind auf der Basis von 12,5 % Reederhilfe, nicht 17,5 %, für 573 Millionen DM Anträge beim Bundesverkehrsminister gestellt worden. Da ist Luft drin, da sind auch vorsorgliche Anträge drin. Aber daß die 230 Millionen DM, die wir haben, abfließen, ist bei dieser Antragslage mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen. Die Entwicklung verläuft jedes Jahr fast parallel. Wir werden für 1984 — das steht im Haushalt — mehr Geld zur Verfügung stellen. Wir sind, trotz schwerer Bedenken — ich bin dem Bundesfinanzminister dankbar, daß er diese Bedenken überwunden hat —, großzügiger geworden in der Beurteilung der Risiken bei Exportbürgschaften, gerade im Schiffbau. Und wir haben, meine Damen und Herren, mit der Gemeinschaftsaufgabe einen wesentlichen Schritt aus unserer Initiative und erstmalig ohne die vorherige Zustimmung aller betroffenen Bundesländer auf Bremen zu getan. Es wird notwendig sein, daß wir im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe die Mehrheit dafür finden.
    Ich verstehe die Bedenken norddeutscher Küstenländer, Nachbarländer von Bremen. Das ist immer dasselbe bei Regionalpolitik, daß in der Bevorzugung einer Region andere eine eigene Benachteiligung sehen. Ich verstehe nicht ganz, Herr Bürgermeister, wie Ihr Hamburger Kollege, der sich so massiv überall für Sie ausgesprochen hat, als erster ausgerechnet für sein Land Nein erklären konnte.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Solidarität!)

    Und ich sage auch, Herr Bürgermeister — lassen Sie mich das in aller Offenheit sagen —: Investitionszulage und Investitionsanreiz sind ein Ding, um Industrieansiedlungen zu bekommen. Ein unternehmensfreundliches — ich unterstreiche: nicht „unternehmerfreundlich" habe ich in Bremen gesagt, sondern „unternehmensfreundlich" — Klima ist eine zweite Sache. Und da allerdings, Herr Bürgermeister, muß ich Ihnen sagen: Es ist hinter Ihrem Rücken — nicht durch Sie selber; aber da sind Sie nicht nur Bote — in den letzten zwölf Jahren der Alleinherrschaft Ihrer Partei einiges in Bremen entstanden, was nicht viele Unternehmen nach Bremen lockt.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Und beinahe hätten Bürgerinitiativen mit kräftiger Unterstützung von Ihrer Partei, Gruppen Ihrer Partei — nicht der offiziellen Partei — auch noch die Daimler-Benz-Ansiedlung in Bremen verhindert. Und wie Sie dann aussähen, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, Herr Bürgermeister.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Schließlich die Werftenfusion. Herr Roth, es ist nicht zutreffend, daß wir den Senat aufgefordert hätten, ein Konzept zu entwickeln. Das ist wahrlich nicht seine Aufgabe. Insoweit er Eigentümer einer der Großwerften ist, muß er mitwirken. Es ist die Aufgabe der Werftunternehmen, ein Konzept vorzulegen und die Entscheidung zu treffen, wo die Kapazitätsstillegungen erfolgen sollen. Daß man das auf den Tisch der Bundesregierung packen wollte — solche Ansätze waren zu spüren —, dagegen allerdings haben wir uns zur Wehr gesetzt.
    Ich glaube nicht, daß man Ihnen, Herr Bürgermeister, einen persönlichen Vorwurf daraus machen kann, welches Chaos da inzwischen entstanden ist. Mal ist die Werftenfusion gesichert, mal ist sie wieder nicht gesichert. Ich brauche Ihnen das alles nicht zu sagen.
    Aber eines ist klar. Sie haben heute morgen völlig korrekt zitiert: Die Bundesregierung hat Prüfung zugesagt. Wir werden prüfen. Aber wir müssen ein prüffähiges Konzept auf dem Tisch haben. Und das ist nun eine Bremer Bringschuld — von Werften und Senat gemeinsam —, sicher nicht eine Bringschuld der Bundesregierung.
    Ich will zum Schluß als Fazit meiner Betrachtung zusammenfassen: Die wirtschaftspolitische Weichenstellung war richtig. Das Vertrauen ist gewachsen. Die wirtschaftliche Entwicklung ist bisher günstiger verlaufen als erwartet, wenn auch noch längst nicht zufriedenstellend.
    Erreichtes darf nicht zerredet werden. Es muß offensiv nach außen vertreten werden. Defensiv-



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    strategien, Skeptizismus, Verunsicherung helfen nicht weiter.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Es darf aber auch nichts beschönigt werden!)

    — Nein. Unsere Politik der Wende muß konsequent und überzeugend fortgeführt werden: für einen sich selbst tragenden dynamischen Wachstumsprozeß und für bessere Beschäftigungschancen für die Arbeitslosen und die Jugend.
    Wir brauchen die Stärkung der Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft. Wir brauchen die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und der sozialen Sicherungssysteme, die Reform des Lohn- und Einkommensteuertarifs. Wir brauchen den Abbau vielfältiger Verkrustung in Verwaltung und Wirtschaft.
    Dies müssen die Eckpunkte künftiger Wirtschaftspolitik in der Definition, die ich gegeben habe, bleiben.
    Die notwendige Fortführung der Anpassung des Sozialsystems an das volkswirtschaftliche Leistungsvermögen wird auch künftig lautstarke Kritik hervorrufen, wie wir sie ja hören. Aber dem Vorwurf unsozialer Politik entgegne ich, daß die schlimmste soziale Unausgewogenheit im erzwungenen Ausschluß vieler Menschen vom Arbeitsleben liegt.

    (Weiß [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Die zentrale Aufgabe ist es, den von Arbeitslosigkeit Betroffenen und Bedrohten, vor allem der Jugend, wieder Perspektiven für ihre materielle und soziale Zukunft zu geben.
    Herr Roth, Sie haben es für richtig gehalten, hier zu sagen, der Bundeskanzler sei der Kanzler der Geldbesitzenden, er sei nicht der Kanzler der Betroffenen. Ich sage Ihnen: Der Bundeskanzler, diese Regierung und die Koalition sind Kanzler, Regierung und Koalition der Mitte, des Vertrauens und der Hoffnung.

    (Weiß [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Und wir werden alles tun, um das Vertrauen zu rechtfertigen und die Hoffnungen zu erfüllen. — Ich bedanke mich.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Ministerpräsident des Landes Hessen, Börner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Bundesregierung gestern und heute ihre haushalts- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen in diesem Hohen Hause erläutert hat, hat sich meine Sorge weiter verstärkt, daß ihre Politik weder unsere Wirtschaft beleben noch zur Sanierung der öffentlichen Haushalte führen wird.

    (Beifall bei der SPD — Weiß [CDU/CSU]: Da brauchen Sie keine Sorgen zu haben! Die Sorgen werden Ihnen genommen!)

    Ich befürchte im Gegenteil, daß dadurch eine Lawine von zusätzlichen Lasten und Kosten auf die Länder und Gemeinden zurollt. Damit werden nicht nur unsere eigenen Bemühungen in den Ländern erschwert, eine aktive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zu betreiben, sondern es wird darüber hinaus auch der soziale Friede in unserer Gesellschaft gefährdet.

    (Beifall bei der SPD — Weiß [CDU/CSU]: Ist j a nicht wahr!)

    Meine Damen und Herren, nach einem Jahr konservativer Politik wächst in der Bundesrepublik Deutschland die soziale Ungerechtigkeit.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind doch die größten Verursacher!)

    Ihr so bewußt zur Schau getragener Optimismus, Herr Bundeskanzler, ist angesichts der tatsächlichen Lage völlig fehl am Platze.

    (Beifall bei der SPD)

    Der von Ihnen beschworene Aufschwung hat sich bisher nur bei den Banken, bei den Mieten und bei den Zinsen eingestellt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    2,2 Millionen Menschen in der Bundesrepublik sind arbeitslos, d. h. 400 000 mehr als vor einem Jahr. 100 000 Jugendliche — vielleicht sind es auch mehr — haben noch keinen Ausbildungsplatz, und sie sind von Ihrer persönlichen Lehrstellengarantie enttäuscht, Herr Bundeskanzler.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Die jungen Menschen sehen das ganz anders!)

    Der von Ihrer Bundesregierung vorangetriebene Abbau des Sozialstaates bei gleichzeitigen Steuergeschenken an die Wirtschaft gefährdet die soziale Stabilität unserer Landes.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Meinen Sie, Sie sind im Wahlkampf hier? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Das neue Haushaltsbegleitgesetz ist ein Gesetz gegen Rentner, gegen Arbeitslose, gegen Sozialhilfeempfänger, gegen Behinderte, gegen Kranke und berufstätige Mütter.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Folge Ihrer Politik! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Das in Ihrem Auftrag, Herr Bundeskanzler, erarbeitete Albrecht-Papier soll offenbar die Richtung aufzeigen, wo die Union unseren Sozialstaat noch weiter zugunsten der Unternehmerinteressen abbauen will.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Im Mai dieses Jahres hatte ich den Bundeskanzler von dieser Stelle aus um eine konkrete Antwort auf drei Fragen gebeten, die Millionen von Menschen in unserem Lande bewegen. Ich habe damals gefragt: Was werden Sie konkret gegen die Arbeitslosigkeit tun? Wie sichern Sie die Ausbildungs- und



    Ministerpräsident Börner (Hessen)

    Lebenschancen der jungen Generation? Und was tun Sie, um das Vertrauen der älteren Generation in unseren Sozialstaat zu erhalten? Wenn das, was gestern und heute dazu hier ausgeführt wurde, die Antwort auf diese Fragen darstellen soll, dann haben Sie, Herr Bundeskanzler, das Vertrauen von Millionen von Arbeitnehmern in unserem Lande tief enttäuscht.

    (Beifall bei der SPD — Weiß [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Warten Sie doch mal ab!)

    Besonders betroffen macht mich die Art und Weise, wie Sie mit dem Problem der Arbeits- und Lebenschancen der jungen Generation umgehen. Ich will jetzt nicht noch einmal ausführlich darüber diskutieren, daß Sie im Bundestagswahlkampf jedem Jugendlichen eine Lehrstelle versprochen haben. Ihre Anzeigen haben wir noch alle in guter Erinnerung. Dieses Wahlkampfversprechen haben Sie nicht gehalten, und das können Sie jetzt auch nicht mit statistischen Tricks wegdiskutieren.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben vor zwei Wochen in der Bundespressekonferenz erklärt, Sie freuten sich, dieses Thema im Bundestag eingehend zu diskutieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, das kommt auch!)

    Wörtlich haben Sie hinzugefügt: „Viele von denen, die Verbalinjurien in die Luft werfen, sollen dann einmal nachweisen, was sie außer Häme in dieser schwierigen Zeit für junge Leute übrig gehabt haben".

    (Seiters [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich habe mich nicht auf diese Debatte gefreut. Für mich ist es eine bittere Stunde des Deutschen Bundestages, über die Existenzprobleme der jungen Generation und über leichtfertige Versprechen des Bundeskanzlers diskutieren zu müssen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Sagen Sie mal, wie viele offene Plätze wir haben! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Betroffen, Herr Bundeskanzler, macht mich auch Ihr Umgang mit dem politischen Gegner.

    (Zurufe von der SPD und der CDU/CSU)

    Sie können doch die Kritiker Ihrer Politik nicht mit dem Vorwurf der Häme mundtot machen wollen, wenn sie die Berufsnot der Jugend aus ernster Sorge zum zentralen Thema der Innenpolitik machen. Wie denn sonst kann die Regierung zum Handeln und zum Einhalten von Versprechungen gezwungen werden als durch eine Parlamentsdebatte?!

    (Beifall bei der SPD)

    Die Beschäftigungsprobleme der jungen Generation erfordern langfristig orientierte arbeitsmarktpolitische Entscheidungen und finanzielle Opfer bei allen Gruppen. Ich weiß, Herr Bundeskanzler, daß
    Sie dabei mit politischen Freunden und Gruppen in Konflikt geraten können, die eine aktive Rolle des Staates in der Beschäftigungspolitik ablehnen. Im Interesse der arbeitslosen Jugendlichen, meine ich, müssen Sie diesen Konflikt aber riskieren.
    Mir selbst sind in Hessen, wie Sie wissen, beim Durchsetzen arbeitsmarktpolitischer Entscheidungen bittere Erfahrungen nicht erspart geblieben. So werden die Hauptnutznießer des Frankfurter Flughafenausbaus die jungen Menschen sein,

    (Fischer [GRÜNE]: Hört! Hört! Vor allem die, die Anzeigen bekommen!)

    deren große berufliche Ängste und Sorgen dadurch verringert werden können. Gerade diese jungen Menschen haben seinerzeit am heftigsten gegen den Flughafenausbau protestiert. Aber so etwas muß man auf sich nehmen, wenn man konsequent Zukunftsinvestitionen schaffen will.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr Amt, Herr Bundeskanzler, fordert jetzt auch von Ihnen, daß Sie handeln, auch wenn es Ihren Parteifreunden und Koalitionspartnern nicht paßt, die die Lösung aller Probleme den Selbstheilungskräften der Wirtschaft überlassen wollen. Wir haben das eben durch die Darlegungen des Bundeswirtschaftsministers noch einmal bestätigt bekommen.
    Wir in Hessen haben seit Jahrzehnten eine langfristige Strukturpolitik betrieben, der wir es jetzt verdanken, daß die hessischen Arbeitslosenzahlen deutlich geringer sind als der Bundesdurchschnitt. So haben wir es auch bis 1981 immer geschafft, im engen Zusammenwirken mit den gewerblichen Betrieben und den Kammern, die ich hier ausdrücklich für ihre Zusammenarbeit mit der Landesregierung loben möchte,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    für alle Jugendlichen eine Lehrstelle zu finden. Das heißt, bis 1981 hat das immer geklappt. Ich bin insbesondere dem hessischen Handwerk dafür dankbar.

    (Beifall bei der SPD)

    Nachdem jedoch die Jugendarbeitslosigkeit — nicht zuletzt aus demographischen Gründen — im letzten Jahr massiv angestiegen war, haben wir es für notwendig gehalten, mit gezielten Förderungsprogrammen Hilfe zu leisten. Durch zwei Sofortprogramme ist es uns in diesem Jahr gelungen, weit mehr als 4 000 zusätzliche Ausbildungsplätze in den unterschiedlichen Ausbildungsberufen der gewerblichen Wirtschaft, bei Sozialeinrichtungen und Kommunen sowie auch bei Dienststellen des Landes zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies ist nicht billig, das kostet in drei Jahren 100 Millionen DM; damit jeder weiß, daß so etwas teuer ist! Aber es ist billig im Verhältnis zu den Lasten, die der Staat auf sich nehmen müßte, wenn wir die Jugendlichen mit ihren Problemen allein lassen.

    (Beifall bei der SPD)




    Ministerpräsident Börner (Hessen)

    In den Genuß dieser Förderung sind vor allem Jugendliche gekommen, die sich zuvor lange Zeit vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemüht hatten. Darunter sind besonders viele Jugendliche aus strukturschwächeren Regionen und überdurchschnittlich viele Mädchen. Wie sehr bereits unser erstes, im Januar aufgelegtes Sofortprogramm der Nachfrage entsprach, hat sich daran gezeigt, daß es im Gegensatz zu den Befürchtungen voreiliger Kritiker bereits nach wenigen Wochen ausgebucht war. Die hessische Wirtschaft — dies gilt insbesondere für die vielen kleinen Handwerksbetriebe, die sich stets überdurchschnittlich an der Berufsausbildung beteiligen — hat sehr wohl verstanden, daß unser Lehrstellenprogramm auch ihren Interessen nutzt, und sie hat mit uns gemeinsam diesem Programm zu einem großen Erfolg verholfen.
    Da auch 1983 wieder ein besonders starker Jahrgang die Schulen verlassen hat, hat die hessische Landesregierung im Sommer ein zweites Ausbildungsplatzprogramm aufgelegt, das im Augenblick gerade umgesetzt wird und das ebenfalls erheblich zur Entlastung der Lehrstellennachfrage in unserem Land beiträgt.

    (Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

    Ich kann — deshalb habe ich mich hier gemeldet, meine Damen und Herren — der Bundesregierung auf Grund unserer hessischen Erfahrungen nur den dringenden Rat geben, sich unserem Beispiel anzuschließen und dem Lehrstellenversprechen des Herrn Bundeskanzlers nun endlich Taten folgen zu lassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte aber hier auch noch einen Gesichtspunkt ergänzen, der mir persönlich außerordentlich wichtig ist. Es geht bei der Frage der Ausbildungsplätze für die junge Generation heute nicht allein um die Lösung der sehr ernsten Beschäftigungsprobleme. Mit Ihrem Wahlversprechen, Herr Bundeskanzler, haben Sie das Lehrstellenthema zu einem Thema der Glaubwürdigkeit des Staats, zu einer Frage des Vertrauens der jungen Generation in unseren demokratischen Staat gemacht.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich empfehle Ihnen, um die Tragweite des Problems zu erkennen, die genaue Lektüre des Berichts der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, in der Ihr Parteifreund Wissmann den Vorsitz geführt hat. In ihrem Bericht wird festgestellt, „daß das Vertrauen der protestierenden Jugendlichen in Politiker und Parteien erheblich darunter gelitten hat, daß diese sich in den Augen vieler zur Bewältigung der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Probleme als mehr oder weniger unfähig erweisen". Es heißt dort weiter „Die Glaubwürdigkeit von Politikern und Parteien ist für die protestierenden Jugendlichen von besonderer Bedeutung, da sie ein im Kern moralisch-idealistisches Politikverständnis besitzen."
    Wenn Sie der Jugend gegenüber daher unglaubwürdig werden, Herr Bundeskanzler, dann ist das
    nicht nur Ihr Problem, sondern dann ist das ein Problem unserer ganzen Demokratie.

    (Beifall bei der SPD)