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ID1001131800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/11 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 11. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Juni 1983 Inhalt: Nachruf auf Frau Bundesminister a. D. Marie Schlei 525A Erweiterung der Tagesordnung 603 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Wirtschaftsgipfel in Williamsburg in Verbindung mit Beratung des Jahresgutachtens 1982/83 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 9/2118 — in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1983 der Bundesregierung — Drucksache 9/2400 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Weltwirtschaftsgipfel in Williamsburg und Europäischer Rat in Stuttgart — Drucksache 10/79 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 525 D Dr. Vogel SPD 533A Wissmann CDU/CSU 541 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 547D, 615D Stratmann GRÜNE 558 D Lahnstein SPD 563 A Dr. Haussmann FDP 587 A Kittelmann CDU/CSU 590 A Dr. Jens SPD 593 C Gerstein CDU/CSU 596 D Krizsan GRÜNE 599 B Dr. Solms FDP 600 D Dr. Ehrenberg SPD 603 C Lattmann CDU/CSU 607 A Schwenninger GRÜNE 609 D Beckmann FDP 611 B Wolfram (Recklinghausen) SPD 612 C Hinsken CDU/CSU 619C Rapp (Göppingen) SPD 621 D Vizepräsident Westphal 558 D Fragestunde — Drucksache 10/106 vom 3. Juni 1983 — Ergebnisse einer Studie zur Nachrüstung, u. a. über die Einstellung der Bevölkerung zur Stationierung der Pershing II und der Cruise Missiles MdlAnfr 1 03.06.83 Drs 10/106 Reents GRÜNE Antw PStSekr Dr. Jenninger BK . 568 D, 569A, B ZusFr Reents GRÜNE 568 D, 569 A ZusFr Dr. Hirsch FDP 569 A ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 569 B ZusFr Krizsan GRÜNE 569 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Juni 1983 Verpflichtung der Bundesregierung zur Geheimhaltung der Standorte nuklearer Gefechtsköpfe sowie chemischer und bakteriologischer Kampfstoffe; Wortlaut der „Geheimhaltungsbestimmungen der NATO" MdlAnfr 27, 28 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Hirsch FDP Antw PStSekr Würzbach BMVg . . . 569C, D, 570A, B, C, D, 571A, B, C, D, 572A, B ZusFr Dr. Hirsch FDP . . . . 569D, 570A, 571B ZusFr Dr. Ehmke (Bonn) SPD . . . 570B, 571C ZusFr Reuter SPD 570C ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 570C, 571 D ZusFr Krizsan GRÜNE 570 D ZusFr Berger CDU/CSU 570 D ZusFr Dr. Sperling SPD 570 D, 571 D ZusFr Peter (Kassel) SPD 572 A ZusFr Reents GRÜNE 572 A ZusFr Frau Simonis SPD 572 B ZusFr Bindig SPD 572 B Errichtung von Bundeswehrdepots im Landkreis Harburg, insbesondere zur Lagerung von ABC-Waffen MdlAnfr 29, 30 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Hauchler SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg 572C, D, 573A, B ZusFr Dr. Hauchler SPD 572 D, 573A ZusFr Dr. Sperling SPD 573 B Entwicklung der Verhandlungen über den amerikanischen Truppenübungsplatz bei Schlitz MdlAnfr 31 03.06.83 Drs 10/106 Frau Dr. Czempiel SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . 573 B, C, D, 574A, B, C, D, 575A ZusFr Frau Dr. Czempiel SPD 573C, D ZusFr Dr. Sperling SPD 573 D ZusFr Reuter SPD 574 A ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 574 B ZusFr Krizsan GRÜNE 574 C ZusFr Peter (Kassel) SPD 574 D ZusFr Dr. Hirsch FDP 575A Kenntnis der NATO von der Erprobung der sowjetischen SS 20 MdlAnfr 35 03.06.83 Drs 10/106 Reents GRÜNE Antw PStSekr Würzbach BMVg 575B, C, D, 576A, B ZusFr Reents GRÜNE 575C, D ZusFr Schily GRÜNE 575 D ZusFr Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE . . 576A ZusFr Berger CDU/CSU 576 B Kontrolle importierter ausländischer Weine sowie Prozentsatz der Beanstandungen MdlAnfr 38, 39 03.06.83 Drs 10/106 Schartz (Trier) CDU/CSU Antw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG . 576C, 577 A ZusFr Schartz (Trier) CDU/CSU 577 A Einführung einer Pflegefall-Versicherung MdlAnfr 42 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Weng FDP Antw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG . 577B, C ZusFr Dr. Weng FDP 577 C Beurteilung des Einsatzes von Paraquat aus humantoxikologischer Sicht MdlAnfr 48 03.06.83 Drs 10/106 Frau Dr. Vollmer GRÜNE Antw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG . 577D, 578A, B, C ZusFr Frau Dr. Vollmer GRÜNE 578 A ZusFr Frau Dr. Hickel GRÜNE 578 B ZusFr Frau Dr. Bard GRÜNE 578 B Existenzgefährdung des Naturschutzgebiets Riddagshausen durch den Bau der A 39 Salzgitter—Wolfsburg MdlAnfr 54 03.06.83 Drs 10/106 Frau Dr. Hickel GRÜNE Antw StSekr Bayer BMV 578C, D ZusFr Frau Dr. Hickel GRÜNE 578 D Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts für Lastkraftwagen MdlAnfr 61 03.06.83 Drs 10/106 Frau Steinhauer SPD Antw StSekr Bayer BMV 579A, B, C ZusFr Frau Steinhauer SPD 579 B Verbot der Vorführung des Films „Die weiße Rose" in den Goethe-Instituten in den USA MdlAnfr 80 03.06.83 Drs 10/106 Frau Simonis SPD Antw StMin Möllemann AA 580A, C, D, 581A, B ZusFr Frau Simonis SPD 580 B, C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Juni 1983 III ZusFr Schily GRÜNE 580 D ZusFr Dr. Sperling SPD 580 D ZusFr Broll CDU/CSU 581 B ZusFr Dr. Jannsen GRÜNE 581 B Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze im Bereich des Bundes MdlAnfr 73 03.06.83 Drs 10/106 Frau Steinhauer SPD Antw PStSekr Pfeifer BMBW 581 C, 582A, B, C, D, 583A ZusFr Frau Steinhauer SPD 582 A, B ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 582 B ZusFr Frau Weyel SPD 582 C ZusFr Dr. Sperling SPD 582 D ZusFr Gerster (Mainz) CDU/CSU 583A Fehlende Bundesmittel für AB-Maßnahmen zur Förderung der Berufsausbildung benachteiligter Jugendlicher MdlAnfr 74, 75 03.06.83 Drs 10/106 Schemken CDU/CSU Antw PStSekr Pfeifer BMBW . . 583 B, D, 584 B ZusFr Schemken CDU/CSU 583 C, D ZusFr Toetemeyer SPD 584A ZusFr Heyenn SPD 584 B Scheitern der Neuregelung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Weigerung der Länder zur Mitfinanzierung MdlAnfr 77 03.06.83 Drs 10/106 Kuhlwein SPD Antw PStSekr Pfeifer BMBW 584C, 585A, B, C, D ZusFr Kuhlwein SPD 584 D, 585A ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . . 585 B ZusFr Frau Weyel SPD 585 C ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 585 C Erhöhung der Bundesmittel für das Benachteiligtenprogramm MdlAnfr 78, 79 03.06.83 Drs 10/106 Heyenn SPD Antw PStSekr Pfeifer BMBW . . . 585D, 586A ZusFr Heyenn SPD 586A Bemühungen um das Schicksal der in Argentinien verschwundenen Deutschen nach Vorliegen des „Abschlußberichts" der Militärregierung MdlAnfr 84, 85 03.06.83 Drs 10/106 Bindig SPD Antw StMin Möllemann AA 586 B, C ZusFr Bindig SPD 586 C Nächste Sitzung 625 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 627* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Juni 1983 525 11. Sitzung Bonn, den 9. Juni 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 8. Sitzung, Seite 389 D, 12. Zeile von unten: Statt „Cronenberg" ist „Dr. Kronenberg" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein *** 10. 6. Dr. Ahrens ** 10. 6. Antretter ** 9. 6. Bahr *** 10. 6. Biehle *** 10. 6. Böhm (Melsungen) ** 10. 6. Büchner (Speyer) ** 10. 6. Dr. Dregger 10. 6. Dr. Ehmke (Ettlingen) 10. 6. Dr. Enders ** 9. 6. Engelsberger 10. 6. Francke (Hamburg) *** 10. 6. Gansel *** 10. 6. Gerstl (Passau) ** 9. 6. Glombig 10. 6. Grüner 9. 6. Dr. Haack 10. 6. Haase (Fürth) ** 9. 6. Dr. Hackel ** 9. 6. Frau Dr. Hamm-Brücher 10. 6. Handlos ** 9. 6. Hartmann ** 9. 6. Hauck 10. 6. Hauser (Krefeld) 10. 6. Dr. Holtz ** 9. 6. Horn *** 10. 6. Dr. Hupka *** 10. 6. Ibrügger *** 10. 6. Jäger (Wangen) ** 9. 6. Jansen 10. 6. Jungmann *** 10. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kittelmann ** 9. 6. Kolbow *** 10. 6. Kroll-Schlüter 10. 6. Frau Krone-Appuhn *** 10. 6. Dr. Lenz (Bergstraße) *** 10. 6. Lenzer ** 9. 6. Dr. Linde ** 9. 6. Lowack 10. 6. Lutz 10. 6. Dr. Marx *** 10. 6. Dr. Müller ** 10. 6. Petersen *** 10. 6. Reddemann ** 9. 6. Frau Reetz 10. 6. Rühe *** 10. 6. Sauer (Salzgitter) *** 10. 6. Saurin 10. 6. Schäfer (Mainz) *** 10. 6. Dr. Scheer ** 9. 6. Schmidt (Hamburg) 10. 6. Schmidt (München) ** 9. 6. Schmidt (Wattenscheid) 10. 6. Schmitz (Baesweiler) ** 9. 6. Schulte (Unna) ** 9. 6. Schwarz ** 9. 6. Dr. Schwenk (Stade) 10. 6. Sielaff 10. 6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 9. 6. Dr. Stavenhagen ** 9. 6. Dr. Unland * 10. 6. Vogt (Kaiserslautern) ** 9. 6. Voigt (Frankfurt) *** 10. 6. Voigt (Sonthofen) 10. 6. Vosen 9. 6. Dr. von Wartenberg *** 10. 6. Weiß *** 10. 6. Wilz 9. 6. Wimmer (Neuss) 10. 6. Würtz *** 10. 6. Wurbs 10. 6.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von Entwicklungspolitik wieder zurück zu Fragen der Wirtschaftspolitik, speziell unmittelbar uns in der Bundesrepublik Deutschland betreffend.
    Kein Wort wurde in den letzten Monaten so oft erwähnt wie das Wort Mittelstand. Die neue Regierung Kohl/Genscher ist sich seiner Bedeutung bewußt. Ich bedanke mich an dieser Stelle besonders herzlich bei unserem Bundeskanzler, seinem Finanzminister und besonders auch seinem Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff, der heute wieder auf die große Bedeutung des Mittelstandes eingegangen ist, auf diese Bedeutung hingewiesen hat.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Bravo!)

    Zu Recht wird auch im Wirtschaftsbericht des Jahres 1983 darauf hingewiesen, daß für die Wiedergewinnung von wirtschaftlichem Wachstum und für die Sicherung und Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen die mittelständische Wirtschaft eine wichtige Rolle spielt, wird doch gerade die Hauptlast der Finanzierung des Staates von ihr getragen, d. h. von den gewerblichen Unternehmen des mittelständischen Bereiches, den Angehörigen der freien Berufe und den Führungskräften im weitesten Sinne. Die Großwirtschaft — so haben empirische Untersuchungen ergeben — erhält in etwa gleich viel an Subventionen, wie sie an Steuern erbringt. Auch die unteren Einkommensschichten erhalten an Transferleistungen auf direktem Weg das zurück, was sie an Steuern erbringen. Der mittelständische Bereich ist deshalb nicht etwa die Schwäche, sondern er ist die Stärke unserer Volkswirtschaft. Er muß daher stark und leistungsfähig erhalten bleiben.
    Dieses Ziel muß in allen Bereichen der Politik, insbesondere in der Steuerpolitik, in der Wettbewerbspolitik und in der Sozialpolitik, angestrebt werden. Vor diesem Hintergrund war es für die Unionsparteien CDU und CSU logisch und konsequent, beim Steuerpaket 1984 die Akzente entsprechend mittelstandsgerecht zu setzen. Extrawürste oder besondere Bonbons in der Steuerpolitik, wie einige Kommentatoren, gelegentlich sogar durch Karikaturisten unterstützt, es in die Öffentlichkeit gebracht haben, sind es beileibe nicht. Dieser Fehlinterpretation ist entschieden zu entgegnen; denn gerade der Mittelstand wurde in den letzten Jahren durch die Steuerpolitik besonders benachteiligt.
    Bereits der 1975 von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erstmals vorgelegte Entwurf eines Bundesmittelstandsförderungsgesetzes hat als sein oberstes Ziel den Nachteilsausgleich für den Mittelstand oder aber die Schaffung gleicher Wettbewerbschancen angestrebt. Die Maßnahme des Gesetzentwurfes soll überall dort einsetzen, wo Selbsthilfe und Eigeninitiative nicht ausreichen, um bestehende Wettbewerbsnachteile auszugleichen und künftige Nachteile zu verhindern. Gerade der mittelständische Bereich unserer Wirtschaft wurde von der bedauerlichen Fehlentwicklung der ökonomischen Daten weitaus härter getroffen als die Großwirtschaft.



    Hinsken
    Gerade der Mittelstand sah sich in den letzten Jahren in besonderer Weise einem dreifachen Zangengriff aus Kostenexplosion, lawinenartig steigenden Soziallasten und steigenden Steuern bei stagnierenden Umsätzen ausgesetzt. Die nun zusätzlich in die Steuergesetzentwürfe hineingeschriebenen Elemente, insbesondere der verbesserte Freibetrag bei der Vermögensteuer, die Verkürzung des Abschreibungszeitraumes um 20 % bei länger lebenden Wirtschaftsgütern, die Sonderabschreibungen in Höhe von 10 % für neue bewegliche Anlagegüter bei kleinen und mittleren Betrieben und die Verdoppelung des Freibetrags bei Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe wegen Alters und Berufsunfähigkeit auf 120 000 DM, sind ein Beitrag im Sinne der vorher genannten Zielsetzungen. Dieser Beitrag löst das Problem nicht voll, ist jedoch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Angesichts der markanten Haushaltsschwierigkeiten kann der Mittelstand mit diesem ersten Schritt — im großen und ganzen gesehen — zufrieden sein.
    Die Hauptziele dieser Steuerpolitik im Mittelstand werden dadurch nicht verändert. So bleibt die Schaffung einer steuerfreien Investitionsrücklage eine wichtige Forderung des Mittelstandes, die auch von den Unionsparteien nach wie vor angepeilt wird. Ihre Einführung ist notwendig, um die Nachteile des Mittelstandes auszugleichen, die infolge eines verkraftbaren Investitionsverhaltens — bedingt durch die kleinere Betriebsgröße — gegeben sind. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat diese Nachteile in seinem jüngsten Jahresgutachten ausdrücklich anerkannt und ihre Beseitigung angeregt.
    Darüber hinaus hat der Sachverständigenrat den investitionsfördernden Effekt bei Einführung einer Investitionsrücklage ausdrücklich und erstmalig voll anerkannt. Auch könnte durch dieses Instrument der Steuerpolitik neben der Investitionsförderung eine Verstetigung der Steuerbelastung über die Zeit hinweg bei unstetiger Investitionstätigkeit und entsprechend unstetigem Verlauf der jährlichen Abschreibungen erreicht werden. Bei diesem Punkt der Steuerpolitik geht es also ausschließlich darum, die naturgegebenen Nachteile des Mittelstandes gegenüber der Großwirtschaft schrittweise abzubauen.
    Auch im Wettbewerbsrecht geht es um den Abbau von Wettbewerbsnachteilen kleinerer und mittlerer Unternehmen bedingt durch geringe Marktmacht. So wurde bei der vierten Kartellgesetznovelle von 1980 in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ein neuer § 37 a Abs. 3 eingefügt, der darauf abzielt, unbillige Behinderungen kleinerer und mittlerer Bewerber durch Konkurrenten, die über eine deutlich überlegene Marktmacht verfügen, im Interesse der Sicherung des Wettbewerbs auf dem jeweiligen Gesamtmarkt wirksam begegnen zu können. Ziel dieser neuen Bestimmung, die in diesen Tagen erstmals und mit Erfolg durch das Bundeskartellamt angewandt wurde, ist also nicht so sehr die Erhaltung einer Vielzahl von kleineren und mittleren Unternehmen, sondern ganz allgemein die Sicherung des Wettbewerbes auf den jeweiligen
    Märkten. Diese neue Vorschrift sieht ausdrücklich vor, daß nur dann eingegriffen werden kann, wenn über die unbilligen Behinderungen kleinerer und mittlerer Wettbewerber die Wettbewerbsverhältnisse nachhaltig beeinträchtigt werden. Der Gesetzgeber hat durch diese Formulierung ausdrücklich sichergestellt, daß sich die Vorschrift nicht auf einen Individualschutz mittelständischer Unternehmen beschränkt, sondern daß die primäre Ausrichtung auf den Schutz des Wettbewerbes insgesamt erhalten bleibt.
    In einem dritten Bereich schließlich, im Bereich der allgemeinen Belastungen mit Bürokratiekosten, soll in erster Linie die Chancenungleichheit des Mittelstandes verdeutlicht werden. Auch hier ergeben empirische Untersuchungen, daß kleine Unternehmen zeitlich und kostenmäßig 14mal so stark durch Bürokratiearbeit belastet sind wie Unternehmen ab 100 Beschäftigten. Die Bürokratiekosten belasten die Unternehmen umgekehrt proportional zur Größe des Unternehmens. Ich kann die Ausführungen des Kollegen Lattmann nur unterstreichen, der den Komplex der Bürokratie in hervorragender Art und Weise abgehandelt hat und auch in unseren Reihen bestimmt das notwendige Verständnis finden wird.
    Die bisherigen Bundesregierungen, die von der SPD geführt wurden, haben diesem Gesichtspunkt nicht Rechnung getragen und eine Politik nach dem Motto betrieben: Das große Geld den Großen, die große Last den Kleinen. Dies muß und wird nun anders werden. Die darauf ausgerichtete Mittelstandspolitik, die notgedrungen in kleinen Schritten erfolgen muß, sollte angesichts der Größe der zu bewältigenden Aufgabe nicht dadurch einseitig forciert werden, daß man jeden kleinen Schritt auf dem Weg zur notwendigen Chancengleichheit immer gleich als einen neuen Bonbon für den Mittelstand abqualifiziert. Diese Bonbons braucht und will der Mittelstand überhaupt nicht. Er war und bleibt stets Vorkämpfer auf dem Weg zum Abbau der Subventionen. Gerade dies darf ich doch als praktizierender Handwerksmeister, also als Urmittelständler, aus meiner Sicht feststellen. Vielmehr sollte anerkannt werden, welch gewaltige Leistungen die kleinen und mittleren Unternehmen in vielen Bereichen der Politik erbringen, die für unsere zukünftige Entwicklung gerade heute von zentraler Bedeutung sind.
    Zwei Beispiele möchte ich als Beleg hier besonders herausgreifen. Einmal: die berufliche Bildung der Jugend erfolgt zu 70 % in Klein- und Mittelbetrieben. Gerade an dieser Stelle möchte ich vor allem dem Handwerk danken, daß, wie beim Handwerkstag verlautete, auch in diesem Jahr über 240 000 Lehrstellen in diesem Bereich zur Verfügung gestellt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich hoffe auch, daß durch die Beseitigung ausbildungshemmender Vorschriften noch mehr Bereitschaft von Ausbildern vorgefunden wird, über den Bedarf hinaus auszubilden, als dies ursprünglich geplant war. Der Jugendliche, meine sehr verehrten Anwesenden, braucht an den Werktagen einen



    Hinsken
    Platz im Betrieb und nicht auf der Straße. Die Wirtschaft — davon bin ich überzeugt — wird uns auch in diesem Jahr nicht enttäuschen. In den vergangenen Jahren ist sie immer zu ihrem Wort gestanden.
    Ich möchte im übrigen wiedergeben, was vor einigen Tagen bei einem Symposium Professor Walter vom Weltwirtschaftsinstitut in Kiel von sich gegeben hat: daß er der festen Überzeugung ist, daß wir in zehn Jahren bereits einen Kanzler in der Bundesrepublik Deutschland brauchen, der Auszubildende sucht und bittet, von dem Angebot an Ausbildungsstellen Gebrauch zu machen.
    Zweitens. Kleine und mittlere Unternehmen sind Hauptlastträger des technischen Fortschrittes. Von den 60 Basiserfindungen dieses Jahrhunderts stammen 48, das heißt 80 %, aus kleinen und mittleren Unternehmen. Es kommt heute darauf an, durch eine aktive und zukunftsorientierte Mittelstandspolitik den Leistungswillen, den Erfindungsreichtum und der Innovationsfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe eine solide Chance zu geben.
    In der vergangenen Zeit wurde immer von verbesserten Rahmenbedingungen gesprochen. Die neue Bundesregierung hat durch die konsequente Politik der Haushaltskonsolidierung zuerst die Inflation gestoppt und die Stabilität des Geldwertes wiederhergestellt. Im Januar konnte die Inflationsrate erstmals unter 4 % auf 3,9 % gedrückt werden. Im Mai, also im vergangenen Monat, betrug sie gar nur mehr 3 %. Es besteht die reale Chance, im Laufe dieses Jahres die ersehnte zwei vor dem Komma zu erhalten wie zu Ludwig Erhards Zeiten. Stabilität ist nicht alles, aber ohne Stabilität ist alles leider nichts.
    Es wurde die Konkurswelle gebrochen. Nachdem wir als Ergebnis sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik im Jahre 1982 nahezu 16 000 Insolvenzen, Firmenpleiten mehr im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verzeichnen mußten als im schlimmsten Jahr der Weltwirtschaftskrise vor 50 Jahren im gesamten Deutschen Reich, ist es im ersten Quartal 1983 gelungen, erstmals seit Jahren den Insolvenzanstieg wieder zu bremsen.
    Meine sehr verehrten Anwesenden, die vielen Pleiten in den letzten Jahren sind die Quittung dafür, daß der Staat in fetten Jahren bei Steuern und Abgaben nicht maßgehalten und selbst kleine und mittlere Einkommen immer stärker in die Mangel genommen hat. Sinkende Gewinne ließen die Eigenkapitaldecke leider zusammenschrumpfen. Derzeit fehlen in der Wirtschaft — zusammengerechnet — ca. 165 Milliarden DM Eigenkapital. Dies führt aber in den Teufelskreis: Wer weniger Geld hat, bekommt weniger Kredit, und wer weniger Geld hat, kann weniger investieren; es kommen weniger Erfindungen auf den Markt; die Maschinen überaltern.
    So hat sich in den letzten zehn Jahren hier in der Bundesrepublik Deutschland ein Investitionsloch von über 200 Milliarden DM aufgetan. Das ist nicht nur ein riesiges Investitionsdefizit, sondern das sind auch über eine Million Arbeitsplätze. Die Eigenkapitalquote der deutschen Unternehmen ist in den letzten fünfzehn Jahren ständig gesunken, im Durchschnitt von 31 % auf knapp 20 %. Das heißt aber andererseits auch, daß über 80 % des Unternehmenskapitals fremdfinanziert sind. So kann es nicht wundern, daß auch drückende Bankzinsen als weiterer Grund für den Konkurs festgestellt werden. Über 80 % der Unternehmen, die in Konkurs geraten sind, sahen hierin den wesentlichen Grund für ihren Konkurs. Bei den kleinen Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten lag der Anteil sogar bei nahezu 90 %. Dies zeigt deutlich, daß das Eigenkapital heute nicht mehr wie früher die Funktion des Krisenpolsters ausüben kann.
    Meine sehr verehrten Anwesenden, wie das Stoppen der Konkurswelle ist auch der allmähliche Abbau der Massenarbeitslosigkeit weit mehr als eine saisonale Entwicklung. Gerade bei jungen Arbeitnehmern gibt es wieder den Willen, ja den Mut zur Selbständigkeit. Echte Beweise sind die jüngsten Zahlen über den Erfolg des von der Bundesregierung Dr. Helmut Kohl in allen wesentlichen Punkten verbesserten Eigenkapitalhilfeprogramms zur Förderung der Existenzgründungen. Die Antragszahl hat sich in den ersten fünf Monaten 1983 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1982 um 250 % erhöht. Das Antragsvolumen hat sich im gleichen Zeitraum 1983 gegenüber 1982 sogar um das 4,2fache erhöht. Bis zum 31. Mai 1983 waren insgesamt 4 850 Anträge eingegangen. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es dagegen nur 1 883 Anträge.

    (Glocke des Präsidenten) — Ich komme zum Schluß.

    Wir schaffen mehr und neue Unternehmen und dadurch eine wichtige Voraussetzung auch für den Abbau der Arbeitslosigkeit. Meine sehr verehrten Anwesenden, wir brauchen eine breite Welle von Selbständig-Werdenden. Diese neue Bundesregierung — davon bin ich überzeugt — gibt dem Mittelstand wieder mehr Zuversicht. Der Aufschwung in der Bundesrepublik Deutschland wurde also nicht nur im Wahlkampf plakatiert, sondern jetzt auch praktiziert. Er findet real statt, wie meine Ausführungen deutlich beweisen. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Rapp


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe vor mir eine Kommentarübersicht des Presse- und Informationsamtes mit den folgenden Headlines zum Jahreswirtschaftsbericht 1983 liegen: Unsicherheiten verstärkt — Hang zum Abwarten — Vorsicht und Zurückhaltung — Jahreswunschbericht vorgelegt — Hoffnungen auf dünnen Füßen — Keine Klarheit — Gute Exportkonjunktur — Schuldzuweisung muß verwundern. Den einzigen im Tenor positiven Titel — Gute Exportkonjunktur — würde man heute so auch nicht mehr schreiben. Ansonsten haben sich die Headlines als zielgenau erwiesen.



    Rapp (Göppingen)

    Wohlgemerkt, dieser ganze Jahreswirtschaftsbericht war in der Absicht geschrieben worden, den Anspruch der Wende zu rechtfertigen. In diesem Kontext findet sich nun eine Passage zur Mittelstandspolitik von besonderer Dürftigkeit. Waschechte Konservative, die von Mittelstandpolitik zu reden haben, wird das freilich keinen Augenblick anfechten. Was wir in verschiedenen Beiträgen dazu heute früh und streckenweise auch bei Ihnen, Herr Hinsken, gehört haben, entsprach dem, was konservativer Denkart jederzeit gemäß war. Wo es etwas zu beklagen gibt, tritt Feindbildmacherei an die Stelle von Sach- und Problemanalysen. Und was wir draußen auf den Verbandstagungen derzeit von CDU/CSU-Rednern oftmals vorgeführt bekommen, ist die alles vereinnahmende Geste, die jeden Andersdenkenden zum Dummkopf oder Böswilligen erniedrigt. Wir bekommen immer wieder jene scheinheilige Berufung auf den Wettbewerb zu hören, die den Wettbewerb der Ideen tatsächlich ausschließt, weil sie monopolisiert und unverfroren alles und jedes — und in unserem Fall den Mittelstand und seine Organisationen — zum parteipolitischen Eigentum erklärt.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das ist unzutreffend!)

    Hier und da gibt es den Beweis, daß es auch anders geht. Ich will das nicht verkennen. So hat Herr Kollege Kreile neulich einen Artikel im Pressedienst seiner Fraktion geschrieben, in dem er die Mittelstandskomponenten der Steuerpolitik der sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen positiv gewürdigt hat. Das ist aber die Ausnahme. Solchen Anfechtungen der eigenen Weltanschauung und Feindbildanschauung setzt sich ein gestandener Unionspolitiker im allgemeinen nicht aus. Da hält man's dann lieber z. B. mit dem Totschlagargument von der Pleitenwelle. Fakten, die stören, läßt man aus. Ursachenanalysen hat man sowieso nicht nötig. Den Sündenbock hat man j a immer schon gehabt. Dies entspricht nun einmal konservativer Denkart.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wie sind die Fakten? In den Jahren 1960 bis 1970 — das sind überwiegend Regierungsjahre der Union — ist die Zahl der Selbständigen um rund 280 000 zurückgegangen; in den Jahren 1970 bis 1980 — zehn Jahre sozialdemokratischer Regierungsverantwortung — jedoch „nur" um 76 000. Ich wiederhole: in den zehn Jahren von 1960 bis 1970 ist die Zahl der Selbständigen um 280 000, in den zehn Jahren von 1970 bis 1980 um 76 000 zurückgegangen. Wir haben diese Tatsache, meine Damen und Herren von der Opposition

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — von der CDU/CSU, nie gegen die Union verwendet. Wir haben die Feststellung, daß in zehn Jahren der Kanzlerschaften Adenauer, Erhard und Kiesinger knapp viermal so viele Selbständige das Handtuch geworfen haben wie in den folgenden zehn Jahren sozialdemokratischer Kanzlerschaften, nie in eine billige Schuldzuweisung gegen die frühere Regierung umgemünzt, weil das einfach unsinnig gewesen wäre. Die Ursachen lagen in der Verdichtung der weltwirtschaftlichen Beziehungen, teils auch in der technologischen Entwicklung und vielem anderem mehr.
    Eines füge ich allerdings hinzu: Wären in den Jahren 1960 bis 1970 nicht wir Sozialdemokraten der Motor der Wettbewerbsgesetzgebung gewesen, hätten nicht wir vor allem uns gegen die Konzentrationswelle gestellt, so wären 1960 bis 1970 noch mehr selbständige Existenzen vernichtet worden.
    Wie sind die Tatsachen? Von 1970 bis 1981 gab es 59 000 Insolvenzen. Gleichzeitig wurden 66 000 Existenzgründungen gefördert. 1982 hatten wir einen Rekord an Insolvenzen. Das ist leider wahr. Dennoch war die Zahl der Selbständigen Ende 1982 um 8 000 höher als zu Beginn des Jahres.
    Und nun kommen Sie nicht und sagen, diese Leute hätten sich in den letzten vier Monaten entschieden, selbständig zu werden. Trotz der Weltrezession war 1982 die Zahl der Selbständigen in der Bundesrepublik um 26 000 höher als im Jahr 1976. Die tatsächliche Entwicklung sieht also völlig anders aus als die Pleitenkampagne, ja die Pleitenlüge, mit der die Union den Wahlkampf 1983 maßgeblich bestritten und gewonnen hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Derart errungene Siege pflegen rasch bitter zu werden.
    Die Sozialdemokratie nimmt für sich in Anspruch, daß sie die Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen sowohl programmatisch als auch praktisch stets zu würdigen gewußt hat. Daß Karl Marx mit seiner im „Kommunistischen Manifest" niedergelegten Theorie vom Absterben der bisherigen Mittelstände, wie es da heißt, der kleinen Industriellen, Kaufleute, Rentiers, Handwerker und Bauern nicht Recht bekommen hat, hat der sozialdemokratische Theoretiker Eduard Bernstein wissenschaftlich schon ein bißchen früher aufgearbeitet als die sogenannten bürgerlichen Ökonomen. Sozialdemokraten haben in doppelter Hinsicht, in doppelter Weise dafür gesorgt, daß sich Marxens Prophezeiung von der unaufhaltsamen Proletarisierung des Mittelstands nicht bewahrheitet hat. Sie haben zäh und beharrlich dafür gearbeitet, daß aus Proletariern Wirtschaftsbürger geworden sind, und sie haben zugleich der in ihren Programmdokumenten niedergelegten Einsicht Rechnung getragen, daß die Existenz und die Förderung Selbständiger ein wesentliches Element der Sicherung und des Aufbaus einer fortschrittlichen Gesellschaft ist.
    Der selbständigenpolitische Beschluß des Berliner Parteitages von 1979 sagt das so:
    Es ist sozialdemokratische Überzeugung, daß unsere Gesellschaft Schaden nehmen müßte, wenn sie auf die Arbeit der Selbständigen verzichten wollte. Innerhalb der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung erbringen die Selbständigen vielfältige Leistungen. Ihr persönlicher Einsatz bewirkt hohe Effizienz der Wirtschaftsabläufe. Sie wirken führend mit bei der praxisnahen Forschung und Entwicklung. Sie



    Rapp (Göppingen)

    erschließen neue Technologien, neue Güter und bessere Dienste. Sie sorgen für kunden- und verbrauchsnahe Wartung, Instandsetzung, Pflege. Die Selbständigen schaffen eine große Zahl von Arbeitsplätzen. Sie tragen zum konjunkturellen und strukturellen Ausgleich bei, weil sie oft besser als große Konzerne in der Lage sind, kurzfristig auf Veränderungen des Marktes zu reagieren. Für die Sicherung eines funktionierenden Wettbewerbs sind leistungsfähige Selbständige, kleine und mittlere Unternehmen unverzichtbar.
    So in einem Programmdokument, in einem Beschluß des Berliner Parteitags von 1979.
    Freilich ist in allen unseren Programmtexten eine Scheu vor dem Begriff Mittelstand zu verspüren. In der Tat: Der Begriff ist unscharf, und in seinen Grauzonen nisten sich immer wieder ständestaatliche und damit vordemokratische, korporativistische und damit marktwirtschaftswidrige Ideologien ein. Wir Sozialdemokraten glauben nämlich nicht, daß den Selbständigen, den kleinen und mittleren Unternehmen und Unternehmern gedient ist, wenn man sie unter einem ideologisierten Begriff in eine Gegenposition zur Arbeitnehmerschaft manövriert.
    Die beste Politik für Selbständige ist die des sozialdemokratischen Konsenses, eine Politik also, die im Auge behält, wie wichtig die Selbständigen für die freie Gesellschaftsordnung sind, wie sehr aber auch die Selbständigen vom Wohl und Wehe der Arbeitnehmer abhängen, wie sehr Selbständige und Arbeitnehmer, Arbeitnehmer und Selbständige aufeinander verwiesen und angewiesen sind. Unsere innere Einstellung zur Mitbestimmung spiegelt dies wider. Sie ist Ausdruck des sozialdemokratischen Konsenses.
    In diesem Sinne haben wir Sozialdemokraten Politik für die kleinen und mittleren Unternehmen gestaltet. Das betraf die Ordnungspolitik. Die zweite und die vierte Kartellgesetzesnovelle haben die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit der kleinen und mittleren Unternehmen erleichtert und ihre Chancen im Wettbewerb mit den Großunternehmen gestärkt.
    Das betraf die Steuerpolitik. Wir haben dafür gesorgt, daß zwei Drittel aller Gewerbebetriebe von der Gewerbeertragsteuer befreit sind. Vor unserer Regierungszeit waren es nur 15 %. 80 % brauchen keine Gewerbekapitalsteuer mehr zu zahlen. Es hat auch Verbesserungen bei den Abschreibungen, beim Verlustrücktrag, bei der Vermögensteuer und bei der Altersversorgung gegeben. Insgesamt haben die Steuerentlastungsmaßnahmen dazu beigetragen, daß der Anteil der typischen Unternehmenssteuern von rund 26% im Jahr 1962 auf 15% im Jahr 1982 zurückgeführt wurde. Er wurde zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen zurückgeführt.
    Der Unterschied zu dem, was jetzt passieren soll und zum Teil schon passiert ist, liegt auf der Hand. Unsere Politik war gezielt auf den Ausgleich größenklassenbedingter Startnachteile der kleinen und mittleren Unternehmen. Sie war infolgedessen auf die Sicherung von Arbeitsplätzen gezielt. Auch dort, wo wir Sparmaßnahmen durchführen mußten, haben wir auf soziale Verträglichkeit geachtet.
    Die Relation von 3,5 Milliarden DM Vergünstigungen zugunsten der Großwirtschaft zu 0,5 Milliarden DM für die Arbeitnehmer wäre uns nie in den Sinn gekommen,

    (Beifall bei der SPD)

    zumal die Gesamtlast zur Bezahlung dieser Maßnahmen wieder nur von den kleinen Leuten aufzubringen ist. Im übrigen geht diese Operation zu Lasten der Länder und letztlich damit zu Lasten der gemeindlichen Investitionskraft.
    Wir haben uns intensiv um die Förderung von Forschung und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen bemüht und die finanziellen Hilfestellungen zur Verbesserung betrieblicher Finanzierungsmöglichkeiten gegeben, die die neue Regierung nochmals aufgestockt hat. Die Hilfen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen sind zu unserer Zeit vervielfacht worden. Das Kreditvolumen belief sich Ende 1981 auf 6,4 Milliarden DM. Dabei galt unser besonderes Augenmerk dem ERP-Existenzgründungsprogramm und dem Eigenkapitalhilfeprogramm.
    Wir wissen, daß die Mobilisierung privaten Risikokapitals wirksamer organisiert werden muß. Wir werden dabei engagiert mitarbeiten.
    Die beste Mittelstandspolitik — ich sagte es — ist eine im Sinne des sozialdemokratischen Konsenses erfolgreiche Wirtschaftspolitik, deren zentrales Anliegen die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit sowie die Sicherung und die Schaffung von Arbeitsplätzen sein muß. Dazu ist ein internationaler Beschäftigungspakt der großen Industriestaaten ebenso notwendig wie ein nationaler Solidarpakt. Die Chance eines internationalen Beschäftigungspakts haben die Herren in Williamsburg — der Vorwurf ist heute nicht ausgeräumt worden — glatt verträumt. Statt eines Solidarpakts betreibt die Bundesregierung eine Politik, die ungewollt — das räume ich ein —, aber tatsächlich die Entsolidarisierung der Gesellschaft,

    (Beifall bei der SPD)

    das Ausspielen der Arbeitsplatzbesitzer gegen die Arbeitslosen, der von der Rezession Ungeschorenen gegen die von der Rezession Gebeutelten zur Folge haben wird.
    Wir wissen — wir haben danach gehandelt —, daß mittelfristig die öffentlichen Defizite zurückgeführt werden müssen. Aber dies muß in einem vernünftigen Ausgleich im Interesse der Aufrechterhaltung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geschehen, auf die gerade die kleinen und mittleren Unternehmen in besonderer Weise angewiesen sind. Aber eben genau dies vernachlässigt die Bundesregierung. Deshalb wird sie weder die Haushaltskonsolidierung noch die Sicherung der Beschäftigung, noch die Festigung der Leistungsfähig-



    Rapp (Göppingen)

    keit der kleinen und mittleren Unternehmen nachhaltig erreichen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, in diesen Tagen konnte man auf Grund einer verdienstvollen Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau manche Artikel lesen, die sich um eine differenziertere Betrachtung der Eigenkapitalproblematik der kleinen und mittleren Unternehmen bemühen. Ich habe jahrelang in der Bankenaufsicht gearbeitet. Für mich sind da nicht viele neue Erkenntnisse drin. Daß die Eigenkapitalquote auch von der Bilanzsumme abhängt, hatte man schon immer wissen können. Daß die Eigenkapitalquote bei dem Wachstum der Bilanzsummen, wie es in den letzten Jahren festgestellt werden konnte, schrumpfen oder jedenfalls stagnieren mußte, liegt in der Logik dieser Rechnung.
    Nachdem mit dem Argument von der sinkenden Eigenkapitalquote im Wahlkampf die Totschlagsfunktion wahrgenommen werden konnte, entdeckt man nun, daß eine Vielfalt von Einflußfaktoren zu beachten ist. Daß die Hälfte der erfaßten 6 700 Unternehmen im Rezessionsjahr 1980 die Eigenkapitalquote sogar verbessern konnte, mag so manchem Konservativen nicht ins Welt- und Feindbild passen. Daß die Unternehmen der unteren Größenklassen fast durchgehend eine bessere Eigenkapitalausstattung als die mittleren und die größeren haben, konnte man ebenfalls immer schon wissen. Gleichwohl verkennen wir Sozialdemokraten nicht, daß die Eigenkapitalbasis kleiner und mittlerer Unternehmen gestärkt werden muß. Wir haben in unserem Wahlprogramm gesagt, daß wir prüfen werden, wie die steuerpolitische Benachteiligung der Eigenkapitalfinanzierung gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung geändert werden kann. Die zuständige Arbeitsgruppe meiner Fraktion wird diese Prüfung in einer Klausurtagung in der nächsten Woche vornehmen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Ich habe gerade in den letzten Tagen in Verbandsdiskussionen verschiedentlich erlebt, wie CDU-Kollegen mit populistischen Entbürokratisierungsparolen billigste Erfolge zu erzielen versuchten. Dabei weiß doch jeder, daß der enorme Bedarf unserer hochentwickelten Industriegesellschaft nun mal höher ist als der einer Agrargesellschaft. Dennoch habe ich dieser Tage — dieser Tage! — einen Ihrer Kollegen sagen hören, der königliche Baubeamte habe noch einen Bau vor Ort an einem Tag genehmigen können. Wer so redet, wider besseres Wissen so dumm daherredet, der will nur billige Effekte einholen. In diesem kleinen Land Bundesrepublik Deutschland kann nun mal nicht jeder bauen wie er will. Das sollte man, glaube ich, schon beachten.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Erkenntnis darf uns nicht davon abhalten, die Normenproduktion unter Kontrolle, d. h. unter unserer eigenen Selbstkontrolle, zu halten und bürokratische Hemmnisse, die man als sinnlos und unnötig erkennt, wegzuschaffen.
    Die sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen haben es daran auch nicht fehlen lassen. Ich erinnere an die verschiedenen Bereinigungs- und Vereinheitlichungsgesetze verschiedener Rechtsbereiche, an die Statistik-Bereinigungsgesetze und an anderes. Solche Bemühungen sollen dazu beitragen, die sogenannten unbezahlten Hilfsdienste für den Staat zurückzuführen, unter denen kleine und mittlere Unternehmen wirklich zu leiden haben. Eine Reihe dieser Hilfsdienste freilich erledigt sich schon aus dem geordneten betrieblichen Rechnungswesen. Sie werden nicht eigens für den Staat erbracht. Würde übrigens der Staat die entsprechenden Daten, die er ja braucht, selber erheben, so käme das allen sehr teuer zu stehen. Entsprechende Steuer- und Abgabenerhöhungen wären unvermeidlich. Dennoch: aufpassen muß man immer. Die Gefahr der Überforderung der kleinen und mittlerern Unternehmen auf diesem Gebiet ist nicht zu übersehen.
    Was gesagt sein soll, ist dies: Mit populistischen Schlagworten kann man momentan Popularitätseffekte erzielen. Längerfristig hält das nicht vor. Wenn nicht Taten folgen und wenn sie einfach nicht folgen können, stellt sich Verdruß ein. Es ist den kleinen und mittleren Unternehmen um bloß parteitaktischer Vorteile willen in den letzten Jahren viel Verdruß eingeredet worden, was sich schon bald gegen die Urheber wenden könnte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aktion gelber Punkt!)

    Bundeskanzler Helmut Kohl hat seine Regierungserklärung unter das Motto von der marktwirtschaftlichen Erneuerung gestelt. Dies, meine Damen und Herren, war das Themenwort der Norderneyer Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD vom 2. Oktober 1982.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir machen keine Urheberrechte geltend. Der Text dieser Erklärung von Norderney ist für jeden, der lesen kann, in jeder Beziehung stimmiger als das, was man aus dem Munde von Koalitionspolitikern heute zur Politik für kleine und mittlere Unternehmen hören konnte. In jenem Dokument heißt es

    (Glocke des Präsidenten)

    — noch eine halbe Minute, wenn ich bitten darf —:

    (Heiterkeit)

    Marktwirtschaft setzt die freie Gesellschaft voraus, und sie stärkt sie zugleich. Sie setzt Menschen voraus, die selbständig denken können und die sich auch nicht parteipolitisch kurzerhand vereinnahmen lassen.
    Wir tragen Ihnen den Wettbewerb an, auch auf diesem Gebiet. Wir Sozialdemokraten meinen schon jetzt zu verspüren, daß sich die kleinen und mittleren Unternehmen und Selbständigen keineswegs als das parteipolitische Eigentum der konservativen Partei betrachten.

    (Beifall bei der SPD)