Rede:
ID1000602300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. der: 3
    2. Das: 1
    3. Wort: 1
    4. hat: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Mischnick: 1
    7. von: 1
    8. Fraktion: 1
    9. Freien: 1
    10. Demokraten.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Mai 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN betr. Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz) Burgmann GRÜNE 259 B Dr. Bötsch CDU/CSU 260 C Becker (Nienberge) SPD 261 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Wahl der Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses nach Artikel 53 a des Grundgesetzes — Drucksache 10/45 — 261 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Wahl der Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses — Drucksache 10/46 — 261 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) — Drucksache 10/49 — 261 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats — Drucksache 10/47 — 261 D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Dregger CDU/CSU 262A Brandt SPD 270 D Schily GRÜNE 279 D Mischnick FDP 282 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 290 B Dr. Vogel SPD 292 C Präsident Dr. Barzel 268A Nächste Sitzung 293 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 294*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Mai 1983 259 6. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1983 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 6. 5. Dr. Ahrens 6. 5. Berschkeit 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) 6. 5. Dr. Enders * 6. 5. Dr. Engelsberger 6. 5. Ertl 6. 5. Dr. Glotz 6. 5. Dr. Götz 6. 5. Hartmann 6. 5. Hauser (Krefeld) 6. 5. Höpfinger 6. 5. Hoffie 6. 5. Dr. Hornhues 6. 5. Frau Huber 6. 5. Ibrügger 6. 5. Klose 6. 5. Dr. Kreile 6. 5. Frau Männle 6. 5. Nelle 6. 5. Poß 6. 5. Reimann 6. 5. Frau Roitzsch 6. 5. Schartz (Trier) 6. 5. Schmidt (Hamburg) 6. 5. Schmidt (Wattenscheid) 6. 5. Schreiber 6. 5. Schröer (Mülheim) 6. 5. Dr. Solms 6. 5. Spilker 6. 5. Frau Steinhauer 6. 5. Voigt (Sonthofen) 6. 5. Frau Dr. Wisniewski 6. 5. Würtz 6. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    daß bestehende Strukturen nicht um jeden Preis erhalten werden können, daß neue Überlegungen nötig sind. Aber wir beziehen das auf das Abschreckungssystem, auf die NATO, Sie allerdings nur auf die Deutsche Bundesbahn.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir wissen, daß Sie leider noch weit davon entfernt sind, unsere Warnungen, auf dem jetzt eingeschlagenen Weg fortzufahren, ernst zu nehmen. Nicht nur das! Sie versuchen, uns als schlechte Demokraten und was Ihnen sonst noch an Vokabular einfällt, zu diffamieren.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber wir halten uns an die Worte des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der gesagt hat, daß Verfassung und Völkerrecht das Recht zur Gehorsamsverweigerung, ja, sogar die Pflicht zur Gehorsamsverweigerung begründen, wenn es um Massenvernichtungsmittel geht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    In der Entschlossenheit, an dieser Devise festzuhalten, sollten Sie nicht zweifeln. Wir sind dem Verfassungs- und Rechtsverständnis des früheren Bundespräsidenten in der Tat wesentlich näher als dem des heutigen Verfassungsministers. — Ich danke Ihnen sehr.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick von der Fraktion der Freien Demokraten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mich dem, was der Kollege Brandt gesagt hat, im Zuge einiger Sachausführungen zuwende, gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen zu Beiträgen, die heute bzw. gestern erfolgt sind.
    Herr Kollege Schily, ich war sehr gespannt auf Ihren Auftritt. Als Sie vom Rechtsbewußtsein sprachen — was Sie in den Vordergrund stellten—, glaubte ich, daß Sie als Rechtsanwalt auch dem Grundsatz huldigen: Nicht der Verdacht ist entscheidend, sondern das, was das Gericht endgültig gesprochen hat. An diesen Grundsatz haben Sie sich leider nicht gehalten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn Sie — wie wir alle gemeinsam — das, was an Gefahren in den Massenvernichtungsmitteln



    Mischnick
    liegt, moralisch verurteilen, dann teile ich Ihre Auffassung, daß wir alle uns gemeinsam bemühen, daran arbeiten müssen, daß diese Mittel nicht zum Einsatz kommen. Aber mit der Parole „Unser Konzept ist die Anfreundung statt der Abschreckung" ist in den letzten 30, 40 Jahren leider auf keiner Seite erreicht worden, daß auch nur ein Teil des Massenvernichtungspotentials verschwunden ist. Weil wir diese Erfahrung gemacht haben, bemühen wir uns, Wege zu suchen und zu finden, die sicherstellen, daß der Einsatz nicht stattfindet. Wir sind aber auch nicht so blauäugig zu glauben, daß allein mit der Parole der Anfreundung die Bedrohung aus der Welt geschafft werden kann.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ein paar kurze Bemerkungen zu dem, was gestern der Kollege Börner und der Kollege Roth gesagt haben. Der Herr Ministerpräsident hat auch ein paar Bemerkungen zur hessischen Politik gemacht, manche Dinge kritisiert, die nicht im Detail behandelt worden seien, was dann im Laufe des Nachmittags geschah. Aber ich kann doch nicht umhin, auf einen Punkt ein paar Bemerkungen folgen zu lassen.
    Der Herr Ministerpräsident von Hessen hat gesagt, weil die Freien Demokraten in Hessen eine bestimmte politische Entscheidung getroffen hätten, sei nunmehr die Handlungsunfähigkeit der hessischen Regierung eingetreten. Zu derselben Unlogik ist Herr Kollege Roth gekommen. Es ist doch unbestreitbar, daß es Ihr politischer Wille war, im hessischen Wahlkampf alles zu tun, um die Freien Demokraten möglichst zu vernichten. Das Ergebnis ist, daß Sie regierungsunfähig sind und nur nicht den Mut hatten, das rechtzeitig einzugestehen. Sie haben zu lange gebraucht, um das einzusehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich habe anläßlich der Debatte am 1. Oktober 1982 — ich bitte um Verständnis, wenn ich darauf zurückkomme — zu Helmut Schmidt als Bundeskanzler wörtlich gesagt:
    Aber, Herr Bundeskanzler, sind Sie sich wirklich im klaren, was das
    — was Sie mit der Verratslegende getan haben — auch langfristig bedeutet?
    Und:
    Die Art, wie Sie es gemacht haben, war genial, der Augenblickserfolg ungeheuer.
    Aber die Verwerfungen, die langfristig dadurch eintreten, würden Sie selbst noch spüren. Sie spüren sie heute in Hessen. Deshalb sollte man doch ein bißchen darüber nachdenken, ob man solche Verfahren, wie man sie damals für richtig hielt, in die eigene Politik wieder einfließen lassen sollte.

    (Beifall bei der FDP)

    Wir werden jedenfalls in Hessen den Nachweis liefern und mit allen uns zu Gebote stehenden politischen Mitteln darum ringen, dem Bürger klarzumachen, daß eine Regierungsfähigkeit und eine Stabilität nicht durch das Vernichten der Liberalen ein-
    treten, sondern nur dadurch, daß die Liberalen in Hessen wieder in der Lage sind mitzugestalten und damit die Stabilität wiederherzustellen, die so lange vorhanden war, wie wir im hessischen Landtag mitwirken konnten.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, von den Kollegen der SPD ist mehrfach davon gesprochen worden, man müsse beobachten, wer sich letztendlich in den Unionsparteien durchsetze. Natürlich: Wenn zwei Parteien eine Fraktion bilden, wird es immer unterschiedliche Auffassungen geben. Man muß sich zusammenraufen. Auf eines können Sie sich verlassen: Wenn da unterschiedliche Meinungen sind, werden die Koalitionsfraktionen am Ende, wie es früher der Fall war, so auch jetzt einen gemeinsamen Weg suchen. Wir haben ihn bisher gefunden, und ich bin sicher, wir werden ihn auch in Zukunft finden. Da können Sie ganz unbesorgt sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Frau Kollegin Fuchs hat sehr deutlich darauf hingewiesen, daß die SPD — ich bitte um Verständnis, wenn ich erst einmal einige Punkte herausgreife — die Solidargemeinschaft für sehr gewichtig hält. — Völlig einer Meinung. Ich habe mich nur etwas gewundert, daß Sie ausgerechnet da, wo der Kollege Blüm mit der Zwölftelung von Sonderbezügen die Solidargemeinschaft stärker herausstellte, Widerstand angemeldet haben. Es gehört auch dazu, daß man die Solidargemeinschaft nicht durch bestimmte technische Maßnahmen der Lohn- und Gehaltszahlung unterläuft. Deshalb sollte man bitte auch hier daran denken.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Bei der Frage der Grundsicherung haben Sie offensichtlich etwas falsch verstanden, was ich nicht vorwerfe, sondern einfach feststelle. Frau Kollegin Adam-Schwaetzer hat nicht davon gesprochen, daß man die gesamte Rentenversicherung durch eine Grundsicherung ersetzen und alles andere der privaten Versicherung überlassen soll. Auch hier sind wir in der Kontinuität. Der Gedanke der Grundsicherung ist von mir 1963 zur Debatte gestellt worden. Er war, wenn ich mich recht entsinne, 1966 bei Gesprächen über eine mögliche Koalition auch Gegenstand der Frage von Herrn Kollegen Brandt, ob denn die Partei hinter meinen Überlegungen stünde, damit man da Klarheit habe. Diese Grundgedanken kamen in dem Interview von Frau Adam-Schwaetzer zum Ausdruck.
    Ich möchte noch einen weiteren Punkt hier kurz ansprechen. Herr Hoss von den GRÜNEN hat es für richtig gehalten, Herrn Kollegen Hoffie Vorwürfe zu machen. Herr Kollege Hoffie hat sich zu Wort gemeldet und hat hier im Plenum des Deutschen Bundestages dazu Stellung genommen. Herr Hoss hat daraufhin gesagt — ich zitiere aus dem Protokoll —:
    Ich möchte dazu sagen, daß Sie mit Ihrer Haltung in die Presse gekommen sind. Ich habe
    das aus der Presse, und ich weiß, daß in Hessen



    Mischnick
    im Zusammenhang mit Ihrer Person ein Skandal stattgefunden hat.
    Daraufhin erfolgte ein Zuruf von der CDU „Sie können doch nicht einfach etwas behaupten!" — Dann die Antwort: „Das wird schon so sein."

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Als ich dies hörte, erinnerte ich mich an das, was ich beim Nachlesen — in Vorbereitung zu einer Rede zum 30. Januar 1933 — in den Protokollen des Reichstags über die Verfahrensweise Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre gefunden habe. Hüten wir uns davor, wieder mit Unterstellungen zu arbeiten!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Bohl [CDU/CSU]: Duve und Schily sitzen zusammen! — Gegenruf des Abg. Duwe [SPD])

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die hier vorgelegte Regierungserklärung, über die es natürlich immer bei den Diskussionen über ihren Inhalt und ihre Gestaltung unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt — das war früher so, das ist heute so, und das wird auch in Zukunft so bleiben —, ist in meinen Augen, in unseren Augen ein Beweis der Kooperationsbereitschaft und der Kooperationsfähigkeit der Koalitionsparteien.

    (Beifall bei der FDP)

    Sie zeigt, daß der Gedanke der Partnerschaft Grundlage für ihre Verwirklichung sein soll und sein wird. Wir stehen hier genauso bereit, Partnerschaft zu üben, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das schließt nicht aus, daß man, wenn drei Parteien, zwei Fraktionen eine Koalition bilden, in Sachfragen hart um Entscheidungen ringen muß.
    Wenn vorgestern Herr Kollege Ehmke davon sprach, die Sozialdemokraten bewegten sich in der Tradition von Fritz Erler, und das ließen sie sich weder von außen noch von innen in Frage stellen, dann wünsche ich dabei aus innerster Überzeugung viel Erfolg, weil nämlich die Tradition eines Fritz Erler für die Gesamtpolitik in unserem Land heute eine genauso wichtige Bedeutung hat, wie es damals der Fall gewesen ist. Aber das kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß in der Sache selber gerade in Fragen, die Fritz Erler mit besonderer Betonung behandelt hat, sehr starke Meinungsunterschiede sichtbar geworden sind. Ich sage das nicht als Vorwurf. Ich stelle nur fest: In allen demokratischen Parteien wird um Sachfragen immer wieder hart gerungen werden müssen. Man kann doch dann aber nicht den einen praktisch Handlungsunfähigkeit unterstellen, wenn sie darüber hart diskutieren, aber im eigenen Falle meinen, das sei nur der Beweis der Diskussionsfähigkeit. Man muß dann bitte für alle den gleichen Maßstab anwenden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir wissen natürlich auch aus unseren Erfahrungen — nicht nur aus den Erfahrungen der letzten 13 Jahre, sondern auch aus den Erfahrungen der 60er Jahre —, daß die Zusammenarbeit in einer Koalition auch ein hohes Maß von gegenseitiger Rücksichtnahme braucht, ich füge ausdrücklich hinzu: von allen Seiten braucht. Das gilt für eine Mehrheitsfraktion gegenüber dem kleineren Partner, das gilt aber genauso für den kleineren Partner gegenüber der Mehrheit.

    (Duve [SPD]: Gegen Strauß werden wir Ihnen immer helfen, Herr Mischnick!)

    — Wissen Sie, daß dieser Zuruf kommen mußte, dessen war ich mir sicher.

    (Duve [SPD]: Sie sind ein Seelenkenner!)

    Wir haben in den Jahren allerdings auch gelernt, daß man nicht jede Bemerkung, die außerhalb dieses Hauses gemacht wird, zur Grundlage eines Streites in diesem Hause machen muß,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    daß man aber in der Sache sehr hart reagiert, wenn es notwendig ist. Wenn Sie die Presse der letzten Wochen verfolgt haben, haben Sie das ja mitbekommen.

    (Beifall bei der FDP)

    Natürlich ist der Prozeß der Gewöhnung — das ist mit Ihrem Zwischenruf angesprochen worden — an die neue Koalition nicht überall in gleicher Weise fortgeschritten. Aber auch da wird sich nach meiner Überzeugung noch manches tun.
    Meine Damen und Herren, wenn man hier nun Regierungserklärungen über ein Vierteljahrhundert verfolgt hat, dann ist spürbar, welch dramatischer Themenwechsel

    (Duve [SPD]: Partnerwechsel!)

    innerhalb von fünf oder zehn Jahren aus der Entscheidungsnotwendigkeit entstehen kann. Während die außenpolitischen, die deutschlandpolitischen, aber auch rechts- und innenpolitischen Fragen Ende der 60er Jahre, Anfang der 70er Jahre im Mittelpunkt der allgemeinen Auseinandersetzung standen — Fragen der Vertragspolitik, Folgen der APO 1968/69 —, ist unbestreitbar, daß jetzt natürlich die Fragen, die Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung, der Arbeitslosigkeit automatisch in den Vordergrund treten müssen. Wenn die Liberalen diese Fragen jetzt genauso in den Vordergrund ziehen, so bedeutet dies doch nicht, daß sie nun eine Wirtschaftspartei geworden sind. Sie sind genauso die liberale Partei geblieben, die sie gestern waren. Sie sind dies auch heute und werden es morgen ebenfalls sein.

    (Beifall bei der FDP)

    Aber man muß in der Politik in der Lage und bereit sein — und das sind Sie in Wahrheit doch auch —, neue Schwerpunkte nicht nur zu erkennen, sondern sie dann auch in den Mittelpunkt der Entscheidungen zu stellen, ohne daß dabei die anderen politischen Bereiche etwa beiseite geschoben würden.
    Nun höre ich hier in der Debatte und auch in der Öffentlichkeit immer wieder — manches ist auch beim Herrn Kollegen Brandt angeklungen —, kaum sei die neue Regierung im Amt, seien die Schulden erhöht worden, sei die Arbeitslosenzahl größer ge-



    Mischnick
    worden. Wenn die alte Regierung noch sechs Monate länger im Amt gewesen

    (Duve: [SPD]: Das haben Sie verhindert, Herr Mischnick!)

    und durch die konjunkturelle Entwicklung, die Frühjahrsbewegung, die Arbeitslosenzahl zurückgegangen wäre und wir das festgestellt hätten, hätten Sie mit Sicherheit gesagt: Das ist natürlich auf das zurückzuführen, was da, da und dort geschehen ist. — Lassen wir doch diese billigen und in der Sache völlig danebenliegenden Vergleiche mit diesen Hinweisen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Eines ist doch viel wichtiger und viel schwieriger, nämlich zu sehen, wie richtig und wie notwendig es war, daß wir 1981 und 1982 — und ich habe noch nie gemeinsame Entscheidungen geleugnet, ich habe immer dazu gestanden — mit Operationen, die rund 20 Milliarden DM an Einsparungen bewirkt haben, erreichen konnten, daß ein Stück des Einfangens möglich wurde und dies jetzt, Schritt für Schritt, mit weiteren Einsparungen in Höhe von 6,5 Milliarden DM fortgesetzt werden kann. Hier würde ich doch nicht den eigenen Anteil an Lasten, den Sie zum Teil vor Ihren Freunden mitübernehmen mußten, plötzlich dadurch verkleinern oder wegschieben, daß Sie so tun, als wenn hier nicht der Versuch gemacht würde, eine Kontinuität der Sparpolitik, der Konsolidierungspolitik, Schritt für Schritt, zu erhalten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Natürlich wissen wir, daß die beschäftigungspolitischen, die konjunkturpolitischen Maßnahmen nicht zu einer kurzfristigen, sofort überall sichtbaren Wirkung führen können. Ganz nebenbei: Auch das ist keine neue Erkenntnis; auch die ist schon vor einem oder zwei Jahren hier deutlich gemacht worden. Aber es ist doch unbestreitbar, daß durch eine Reihe von Entscheidungen, die wir in der neuen Regierung getroffen haben, durch die Veränderung eines Stimmungsbildes der Trend zu sinkenden Zinsen, zu niedrigeren Preissteigerungsraten fortgesetzt worden ist und sich damit das Klima entscheidend verbessert hat — ohne daß wir sagen, wir seien schon am Ziel.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Wir haben immer davon gesprochen, daß man einen Aufschwung nicht herbeireden könne; aber es ist leicht möglich, ihn zu zerreden, wenn die Bereitschaft zu investieren, die Bereitschaft, positive Entwicklungen nicht nur aufzunehmen, sondern auch umzusetzen, miesgemacht, schlechtgemacht wird.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Dagegen werden wir uns mit aller Energie wenden.
    Mit Recht haben die Gutachter, hat die Bundesbank gesagt, daß sich am Horizont eine entsprechende Verbesserung abzeichne. Unsere Aufgabe wird es sein, unser Wollen ist es, unser Wirken wird es sein, dies nicht nur am Horizont stehenzulassen, sondern mit praktischen Maßnahmen im Mai und Juni, durch Gesetzgebungsvorhaben, durch den Haushalt, Realität werden zu lassen.
    Ich kann nur sagen: Auch in früheren Regierungserklärungen sind doch nie Gesetzentwürfe im Detail dargelegt oder gar vorgelegt worden. Insofern ist es doch keine Unzumutbarkeit, heute zu sagen: Wir werden im Mai und im Juni durch Kabinettsbeschlüsse und dann durch die entsprechenden Gesetzesvorlagen die Konkretisierung vornehmen.
    Eines hat die harte Notwendigkeit, Eingriffe vorzunehmen und damit natürlich auch — dies ist unbestreitbar — Schmerz zu bereiten, allerdings erreicht, daß nämlich die Nachdenklichkeit wächst, zu fragen, wie es der Herr Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht hat: Was kann ich alles von der Gemeinschaft verlangen, was kann allerdings die Gemeinschaft auch von mir erwarten? Die Notwendigkeit, der Gemeinschaft etwas zu geben, wollen wir sichtbar machen. Wir wollen sichtbar machen, daß der Staat nicht etwas Abstraktes ist, sondern die Gemeinschaft von uns allen. Dies wollen wir in die Tat umsetzen, um damit die Leistungsbereitschaft, die Einsatzbereitschaft und die Selbstverantwortung entsprechend zu stärken.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich hatte gehofft, von Herrn Kollegen Vogel etwas darüber zu hören, wie er sich denn nun die Verwirklichung des im Wahlkampf gegebenen Versprechens vorstellt, man wolle, wenn man die Mehrheit habe, alle Beschlüsse wieder einsammeln.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer hat den „alle" gesagt?)

    — Oder fast alle. Ich habe ganze Bücher — ich habe sie jetzt nicht mit hierher gebracht —, in denen steht, was sie alles wieder rückgängig machen wollten:

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: BAföG z. B.!)

    eine ganze Menge Gesetze haben Sie da genannt, und dazu ist nichts mehr gesagt worden. Herr Kollege Vogel, wer jetzt nicht bereit ist, Entscheidungen zu treffen, wer sie aufschiebt, nutzt den Menschen nicht, sondern schadet ihnen: nicht nur heute, sondern morgen und übermorgen; jetzt müssen die Entscheidungen getroffen werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: BAföG-Kürzungen! — Abg. Dr. Sperling [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Sperling, ich will von der Gepflogenheit der letzten Tage, keine Zwischenfragen zuzulassen, abgehen, weil wir am Ende der Debatte sind und damit nicht viel Zeit verlorengeht. — Bitte schön.