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ID1000404800

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    Plenarprotokoll 10/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1983 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Dallmeyer . . . . 55 A Eintritt des Abg. Saurin in den Deutschen Bundestag 55 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Franke (Hannover) 55 C Begrüßung des Ministerpräsidenten von Spanien, Herrn Felipe González-Márques, seiner Gattin und der Mitglieder seiner Delegation 55 C Wahl der Schriftführer — Drucksache 10/44 — 55 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 56 A Dr. Vogel SPD 74 D Dr. Waigel CDU/CSU 93 A Genscher, Bundesminister AA 104 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 112 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 117C Rühe CDU/CSU 124 B Frau Kelly GRÜNE 128 D Schäfer (Mainz) FDP 131 B Voigt (Frankfurt) SPD 133 B Bastian GRÜNE 135C Klein (München) CDU/CSU 138 B Büchler (Hof) SPD 139 B Lintner CDU/CSU 141 B Schneider (Berlin) GRÜNE 143A Ronneburger FDP 144A Präsident Dr. Barzel 71 C Nächste Sitzung 145 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 146*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 146* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1983 55 4. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1983 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 6. 5. Berschkeit 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) 6. 5. Dr. Enders* 6. 5. Dr. Engelsberger 6. 5. Hartmann 6. 5. Dr. Hornhues 6. 5. Kittelmann* 5. 5. Lahnstein 5. 5. Lemmrich* 5. 5. Frau Pack* 4. 5. Rösch* 4. 5. Schröer (Mülheim) 4. 5. Spilker 6. 5. Frau Steinhauer 6. 5. Vogt (Duren) 5. 5. Dr. Vohrer* 4. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 29. April 1983 mitgeteilt, daß die Regierungen der Länder folgende Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) bestellt haben: Baden-Württemberg Bayern Berlin Bremen Hamburg Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Schleswig-Holstein Mitglied Ministerpräsident Späth Staatsminister Schmidhuber Senator Prof. Dr. Scholz Senator Dr.-Ing. Czichon Senatorin Maring Ministerpräsident Börner Ministerpräsident Dr. Albrecht Minister Dr. Posser Staatsminister Gaddum Frau Minister Dr. Scheurlen Ministerpräsident Dr. Dr. Barschel Vertreter Frau Minister Griesinger Staatssekretär Dr. Vorndran Senator Oxfort Senator Kahrs Präsident des Senats Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi Frau Staatsminister Dr. Rüdiger Minister Hasselmann Minister Dr. Haak Ministerpräsident Dr. Vogel Minister Prof. Dr. Becker Minister Dr. Schwarz Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 20. April 1983 mitgeteilt, daß sie die Änderungsanträge auf Drucksachen 10/11 und 10/12 zurückzieht. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 14. April 1983 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn nebst Anlagenband und Stellenplan für das Geschäftsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Wirtschaftsplan liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich hätte gern dem Brauch einiger Kollegen Folge geleistet und der Dame, die gerade vor mir sprach, gratuliert. Ich bin dazu allerdings nicht in der Lage, Frau Kelly. Ihr Auftritt, den Sie hier gerade vor dem deutschen Parlament gegeben haben, spricht eigentlich gegen Ihre Bewegung. Denn wenn Sie hier für Gewaltfreiheit und in sehr deutlichen Worten auch gegen all das, was wir hier tun, in derartiger Form auftreten, dann muß man ernsthaft fragen: ist das, was Sie hier gesagt haben, nicht eher von Haß erfüllt

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) und widerspricht völlig dem, was Sie fordern?

    Ich freue mich darauf, Frau Kelly, daß Sie in Kürze eine Kollegin von mir im Auswärtigen Ausschuß sein werden. Ich habe gehört, daß ich neben Ihnen in Kürze sitzen darf. Vielleicht werden Sie in den nächsten Jahren — das ist jetzt bitte keine Überheblichkeit und auch kein Zynismus — Gelegenheit haben, mal die Themen mitzustudieren, mit denen wir uns im politischen Alltag jeden Tag auch zu beschäftigen haben, die Sie aber nicht erwähnen, indem Sie sich auf Ihre Lieblingsthemen zurückziehen.

    (Beifall bei der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    — Gestatten Sie mir: als Vertreter der FDP habe ich jetzt genau zehn Minuten, und zwei sind schon abgelaufen. Ich komme noch nicht mal dazu, hier ein Konzept vorzutragen, das geschlossen ist. Ich bitte im voraus um Nachsicht.
    Sehen Sie, bevor Sie einen Menschen kennen — das ist mir in vielen Veranstaltungen mit Leuten Ihrer Art passiert —, da geht schon der Vorhang herunter: wir sind etabliert, wir gehören zu der Gruppe, die all das, was sie sagt, ja gar nicht glaubt, nicht verwirklichen will. Das ist genau der Stil, in dem wir hier, glaube ich, nicht zusammen arbeiten können — bei allem guten Willen von uns.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es ist in der Regierungserklärung keineswegs, wie das Frau Kelly dargestellt hat, nun alles in eine Richtung gelaufen, die Sie so gern darstellen möchten draußen, als seien wir z. B. diejenigen, die den Atomkrieg vorbereiten wollten.

    (Frau Kelly [GRÜNE]: Gesetze brechen!)

    — Gesetze brechen. — Sie reden von einem Widerstandsrecht, liebe Frau Kelly, das Sie sich vielleicht im Grundgesetz erst einmal genauer ansehen sollten, wie es dort formuliert ist. Ihre Interpretation von Widerstandsrecht ist nicht einleuchtend für mich; das muß ich Ihnen ganz klar sagen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf der Abg. Frau Kelly [GRÜNE])

    Ich sage Ihnen: Wir müssen hier einen Stil finden, miteinander über sehr wesentliche Fragen dieser Nation zu diskutieren, die Sie nicht einfach wegdiskutieren können. Sie können sich die Welt, die Sie gern hätten, nicht durch Absichtserklärungen schaffen, sondern Sie haben Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von den GRÜNEN: Die Realität ist die Nachrüstung!)

    — Kein Mensch in diesem Saal ist für die Nachrüstung, sondern wir sind dafür, daß landgestützte Mittelstreckenraketen abgebaut werden. Das ist in der heutigen Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, in der Rede des Herrn Bundesaußenministers und in den Reden aller unserer Kollegen, auch der SPD, deutlich geworden. Aber wir können nicht davon ausgehen, daß dann, wenn wir gar nichts tun, sich die Weltsituation etwa verbessert oder die Bedrohung von Deutschland abgewendet wird, die ja nicht durch die Aufstellung amerikanischer Raketen hervorgerufen wurde, sondern durch die Aufstellung sowjetischer Raketen. Damit hätten Sie sich in Ihrem Beitrag zumindest auch einmal beschäftigen müssen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn Sie hier solche massiven Vorwürfe erheben, dann ist Ihnen sicher verborgen geblieben, wie sehr gerade diese Regierung bemüht ist, das, was in den vergangenen Jahren außenpolitisch erreicht



    Schäfer (Mainz)

    worden ist, auszubauen und fortzusetzen, auch gegenüber den Vereinigten Staaten.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Wenn es gelingen wird, die Madrider Folgekonferenz gut zu beenden — und wir sind auf dem Weg dazu — und eine europäische Abrüstungskonferenz zu schaffen, die sich zum erstenmal mit ganz Europa befassen wird, dann können Sie uns hier nicht den Vorwurf machen, uns sei am Frieden nicht gelegen. Wir leisten dafür konkrete Arbeit, was Sie offensichtlich allerdings nicht zu tun gedenken, denn Sie erschöpfen sich in Gemeinplätzen und in Pauschalattacken, die in dieser Form zurückzuweisen sind.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich habe sehr wenig Zeit, und ich kann nur mit einigen Bemerkungen auf einen Bereich eingehen, den man heute bereits mehrfach angesprochen hat. Frau Kelly hat sich darüber beklagt, daß er nicht genug angesprochen worden ist. Es geht um unser Verhältnis zur Dritten Welt, um unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten und um das Spannungsverhältnis, das gelegentlich — das gebe ich Ihnen zu — dadurch entsteht.
    Ich bedaure, daß eine Presseerklärung, die ich heute vormittag abgegeben habe, etwas aus dem Zusammenhang gerissen, verschärft und verkürzt, zu einem kurzen Konflikt mit dem Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit geführt hat. Ich habe mich nämlich zu dem Mord an dem deutschen Entwicklungshelfer in Nicaragua geäußert. Nachdem heute vormittag eine Radiomeldung gekommen war, in der der Eindruck erweckt wurde, dieser Mord habe dazu geführt, daß man jetzt prüfe, ob wir weiter Entwicklungshilfe an Nicaragua zahlen sollten, war ich — ich bitte um Ihr Verständnis — etwas erregt.
    Ich möchte nur eines sehr deutlich machen. Natürlich bedeutet deutsch-amerikanische Freundschaft nicht, daß wir in allen Punkten mit den Vorstellungen der derzeitigen amerikanischen Regierung übereinstimmen. Wir stimmen aber sehr wohl mit einer Mehrheit im amerikanische Kongreß überein, die j a auch bestimmte Entwicklungen in der Dritten Welt und bestimmte Äußerungen amerikanischer Politiker dazu kritisiert. Ich habe mich heute morgen auf einen beachtlichen Vorgang in den Vereinigten Staaten bezogen, nämlich auf den Vorgang, daß der zuständige Unterausschuß des amerikanischen Senats heute nacht die amerikanische Regierung aufgefordert hat, keinerlei Gelder mehr für Aktionen des CIA in Honduras zu geben. Ich erwähne das hier, weil ich es für eine sehr positive Entscheidung dieses Unterausschusses des amerikanischen Kongresses halte.
    Meine Damen und Herren, ich glaube nicht — auch da darf ich wieder an das anschließen, was Sie hier sehr kritisch bemerkt haben —, daß wir in der außerordentlich schwierigen Debatte in der deutschen Öffentlichkeit — auch mit unserer Jugend — unsere Glaubwürdigkeit wahren können, wenn uns immer wieder der Vorwurf gemacht wird, wir bezögen uns in unserer leidenschaftlichen Kritik allein auf Vorgänge wie die sowjetische Invasion in Afghanistan, die wir hier leidenschaftlich zurückgewiesen haben, auf Vorgänge wie die Anwesenheit kubanischer Truppen in Angola, wir bezögen uns also nur auf Aktivitäten des Ostblocks und auf Menschenrechtsverletzungen östlicher Regierungen.
    Wie werden in allen Diskussionen auch deutlich zu machen haben, daß wir auch im Westen Konfrontationspolitik, etwa in Lateinamerika, nicht für glücklich halten, sondern daß es unsere Aufgabe sein muß, friedliche Lösungen, Verhandlungslösungen, herbeizuführen. Da meine ich, wir sollten gerade im lateinamerikanischen Raum unsere europäische Politik, die ich für gut halte, fortsetzen, auch wenn sie nicht von allen Beratern des amerikanischen Präsidenten gutgeheißen wird. Es sollte uns auch niemand davon abhalten, mit aller Deutlichkeit für die Menschenrechte auch in diesen Staaten einzutreten und deutlich zu machen, daß man dort nicht Lösungen herbeischießen lassen kann, daß man dort nicht Regime militärisch unterstützen darf, die keinen Ansatz für langfristige Lösungen bieten, und daß man nicht ungeliebte Regime — und ich gebe zu, daß das sandinistische Regime sich auch Kritik von uns gefallen lassen muß, weil es totalitäre Tendenzen hat — durch militärische Aktionen zu Fall bringen soll, von wem auch immer diese ausgehen und von wem auch immer sie finanziert und unterstützt werden.
    Das ist ein Anspruch, den der amerikanische Senat und der amerikanische Kongreß insgesamt ganz klar und deutlich gemacht haben. Es wäre unsinnig, so zu tun, als wäre es schon Antiamerikanismus, wenn wir das hier erwähnen, weil wir glauben, daß die Glaubwürdigkeit unserer europäischen Abrüstungspolitik und unserer europäischen DritteWelt-Politik erschüttert werden kann, wenn in bestimmten Bereichen der Dritten Welt plötzlich andere Gesetze gelten, als sie gegenüber dem Osten gelten.
    Daran sollten wir, glaube ich, in unserer Kritik nicht vorbeigehen; und wir sollten hier auch nicht so tun, als wäre alles, was in Lateinamerika geschieht, in Ordnung. Wir sollten Menschenrechtsverletzungen nicht nur im Ostblock und nicht ausschließlich gegenüber der Sowjetunion kritisieren.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, das sage ich hier nicht zum erstenmal. Ich glaube, daß sehr viele Kollegen im amerikanischen Kongreß mit dieser Meinung übereinstimmen, weil sie auch im Interesse der Vereinigten Staaten ist und für unsere westlichen Werte steht, die wir hier so oft beschwören. Wir müssen im Interesse der Gemeinsamkeit dieser Werte daran interessiert sein, andere Methoden und andere Mittel anzuwenden, um zu einer friedlichen Welt zu kommen, in der wirklich kein Hunger mehr herrscht.
    Noch ein Wort. Frau Kelly, auch mit der Lösung der Hungerprobleme ist es nicht so einfach, wie Sie es dargestellt haben. Die Menschen, von denen Sie gesprochen haben, verhungern nicht deshalb, weil



    Schäfer (Mainz)

    wir Waffen in diese Länder liefern, sondern sie leiden auch deshalb, weil ihre eigenen Regierungen in der Dritten Welt eine zum Teil verantwortungslose Waffenimportpolitik betreiben, um sich vor fiktiven oder wirklich vorhandenen Feinden zu schützen. Sie sollten bitte aufhören, ständig uns dafür verantwortlich zu machen.
    Wenn die Dritte-Welt-Politik überhaupt noch einen Sinn haben kann und soll, dann ist es nicht nur die Verantwortung der Industriestaaten, dort zu helfen, sondern es ist auch die Verantwortung dieser Länder, dafür Sorge zu tragen, daß sie aus eigener Kraft weiterkommen, was nicht allein von uns abhängig sein kann.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf der Abg. Frau Kelly [GRÜNE])

    Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten dieser Regierung die Chance geben, ihre außenpolitische Linie, ihre sicherheitspolitische Linie fortzusetzen. Wir sollten nicht so tun, als hätten wir nun eine völlige Veränderung.
    Ein letztes Wort zu Herrn Ehmke. Lieber Herr Ehmke, mir ist in keiner Besprechung meiner Fraktion aufgefallen, daß das Papier, von dem Sie hier so häufig gesprochen haben, ernsthaft Gegenstand von Verhandlungen in der Koalition gewesen ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich muß auch noch einmal sehr deutlich sagen: Ich beschäftige mich nur mit Papers, nicht mit Non-Papers. Ich sehe die von Ihnen zitierten Papiere, die in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht wurden, als Non-Papers an. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Voigt (Frankfurt).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karsten D. Voigt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat nach meiner Meinung zumindest schon eines gezeigt, nämlich daß es ganz sinnvoll sein kann, wenn die GRÜNEN oder einige von ihnen das erste Mal in voller Realität erfahren, was CDU/CSU bedeutet. Sie werden die nächsten Jahre das Vergnügen haben, das weiter erfahren zu können. Es kann auch ganz sinnvoll sein, wenn offensichtlich große Teile der CDU/CSU das erste Mai in vollem Umfang wahrnehmen, was grüne Politik bedeutet.

    (Seiters [CDU/CSU]: Ihre Kollegen sind ja schon verschwunden!)

    Ich bitte Sie darum, auch wenn Sie mit dem, was die GRÜNEN sagen, nicht einverstanden sind, doch mit etwas größerer Toleranz und Aufmerksamkeit als bisher zu reagieren.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Bundeskanzler Schmidt ist es durch seine Politik gelungen, die beiden nuklearen Weltmächte in Genf an den Verhandlungstisch zu bringen. Wir werden die Bundesregierung daran messen, was sie tut, damit es in Genf zu einem Verhandlungsergebnis kommt, und zwar zu einem Ergebnis, das als Konsequenz einer drastischen sowjetischen Reduzierung die Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenwaffen überflüssig macht. Es geht nicht um vorweggenommene Schuldzuweisungen, wohl aber um eine klare und eindeutige Zuordnung von politischer Verantwortung. Es wird nur dann zur Stationierung dieser neuen amerikanischen Mittelstrekkenwaffen kommen, wenn Politiker versagt haben. Diese Feststellung ist Ausdruck der Erkenntnis, daß in Genf ausgewogene Kompromisse, die eine Stationierung überflüssig machen, objektiv denkbar wären.
    Um es umgekehrt zu formulieren: Wenn es nicht zu einem Ergebnis oder nicht zu diesem Ergebnis kommt, dann ist es nicht die Verantwortung von katholischen oder evangelischen Bischöfen, auch nicht die Verantwortung der Friedensbewegung, sondern dann ist es jenen Politikern in Ost und West anzulasten, die in ihrer Regierungsverantwortung den Verlauf und die Ergebnisse der Genfer Verhandlungen positiv hätten beeinflussen können und dies nicht genügend getan haben.

    (Zuruf des Abg. Rühe [CDU/CSU])

    Nach meiner Meinung haben sie bisher sowohl in Ost als auch in West die Verhandlungen nicht mit ausreichender Kompromißbereitschaft geführt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Der politische Schaden, der durch ein Scheitern der Genfer Verhandlungen entstünde, kann nicht durch Polizisten behoben werden. Dies kann auch nicht die Aufgabe der Polizei sein. Im Interesse von uns allen ist es dann — auch das ist die Aufgabe der Polizei —, das Recht auf friedliche Demonstration zu schützen, die Einhaltung der Rechtsordnung mit angemessenen Mitteln zu gewährleisten und eine Eskalation der Gewalttätigkeit soweit wie möglich zu verhindern.

    (Zuruf des Abg. Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU])

    Bei dieser Aufgabe verdient sie die Unterstützung aller demokratischen Politiker.
    Sprecher der Friedensbewegung haben immer wieder unterstrichen und betont, daß sie am friedlichen Verlauf ihrer Kundgebungen und Demonstrationen interessiert sind. Die pauschale Diffamierung der Friedensbewegung durch Politiker vor allen Dingen der Regierungskoalition, insbesondere solcher aus dem Innenministerium — wenn ich einmal den Kollegen Spranger namentlich hervorheben darf, ohne ihn besonders lobend erwähnen zu wollen —, lösen bei der Friedensbewegung zu Recht Empörung aus. Diese Empörung droht von einer wachsenden Verbitterung über solche Politiker und die Institutionen, die sie repräsentieren, begleitet zu werden.
    Verbitterung könnte Gewalttätigkeit provozieren. Wer dafür nicht mitverantwortlich werden will, muß deshalb die Friedensbewegung gegen ungerechtfertigte Diffamierungen in Schutz nehmen. Das werden wir Sozialdemokraten auch tun.
    Die geplante Änderungen des Demonstrationsrechts sind ebenso falsch wie die faktische Ein-



    Voigt (Frankfurt)

    schränkung des Demonstrationsrechts in BadenWürttemberg durch die Einführung einer Gebührenordnung. Sie sind in ihren bereits heute absehbaren politischen Wirkungen verhängnisvoll. Diese Einschränkungen des Demonstrationsrechts wirken nicht friedensstiftend. Im Gegenteil: Sie tragen zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte bei. Sie können zur Ursache von Gewalttätigkeit werden, obwohl sie formal mit der Absicht begründet werden, Gewalttätigkeit zu blockieren.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Sie stiften Unfrieden. Sie sind Ausdruck des Unverständnisses und des Mißtrauens der Koalitionsparteien gegenüber der Friedensbewegung und kritischen Bürgern überhaupt.
    Wenn Bundeskanzler Kohl in seiner durchaus nicht sehr kurzen, sondern sehr langen Regierungserklärung das Wort Friedensbewegung nicht ein einziges Mal und den Begriff Friedensforschung ebenfalls nicht erwähnt — und erst recht natürlich beide nicht unterstützt —, dann kann das nur mit tiefer Sorge hinsichtlich des Geistes erfüllen, der in den Köpfen solcher Politiker beherbergt ist, die Konzeptionen der Regierungen entwerfen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Die Bundesregierung fordert die rationale Diskussion über die Sicherheitspolitik. Aber sie fördert sie nicht. Sie fördert sie dann nicht, wenn Mitglieder der Bundesregierung Vertreter alternativer sicherheitspolitischer Konzeptionen als bewußte oder unbewußte Helfershelfer sowjetischer Machtpolitik verdächtigen. In der Kritik aus der Friedensbewegung an der heute gültigen Sicherheitspolitik, die übrigens in manchen Punkten auch von Angehörigen der Bundeswehr geteilt wird, äußert sich ein persönliches Leiden an der Wirklichkeit, das unseren Respekt verdient, auch wenn wir nicht in allen Punkten und Konsequenzen übereinstimmen. Diesen Respekt sollte auch die Bundesregierung ausdrücken. Dieses Leiden an der Wirklichkeit entsteht aus dem Bewußtsein eines wachsenden Widerspruchs zwischen Abrüstungsstreben und Abrüstungsdeklarationen einerseits und der Realität der wachsenden Aufrüstung andererseits. Die Erfahrung, daß die bisherige Politik unfähig war, diesen Widerspruch zu verringern oder gar aufzuheben, verstärkt den Legitimationsverlust traditioneller Friedens- und Sicherheitspolitik.
    Diese Kritik sollte von Vertretern der Bundesregierung und Regierungskoalition nicht als Flucht aus der Wirklichkeit pauschal zurückgewiesen werden. Sie verdient es, als Ausdruck des Leidens an der Wirklichkeit und als Ausdruck einer auch für mich nachvollziehbaren Einsicht in die Unzulänglichkeit der bisherigen Ergebnisse rüstungskontrolipolitischer Verhandlungen ernst genommen zu werden. Allerdings: Obwohl die Ergebnisse von Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen bisher unbefriedigend waren, gibt es bislang keinen besseren und erfolgversprechenderen Weg zur Abrüstung als den Weg des wechselseitigen Interessenausgleichs, den Weg der Verhandlungen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die SPD bleibt die Partei der Verhandlungen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Kritiker der bisherigen Rüstungskontrollpolitik keine erfolgversprechenderen, aussichtsreicheren Konzeptionen vorgelegt haben, werden wir auf diesem Konzept beharren und im Sinne dieses Konzeptes drängen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer in der Friedensbewegung überzeugen will, muß durch die Glaubwürdigkeit seiner friedens-
    und abrüstungspolitischen Ziele und Praxis überzeugen können. Wer den Irrationalismus alternativer sicherheitspolitischer Vorstellungen beklagt, muß in der Lage sein, die Rationalität seiner Sicherheitspolitik glaubwürdig zu begründen, oder er muß bereit sein, seine bisherige Sicherheitspolitik neu zu überdenken.
    Solange im Bündnis nicht über eine neue Strategie entschieden worden ist, gilt die bisherige.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    Aber wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß es Anlaß und Ursachen gibt, die bisherige Militärstrategie des westlichen Bündnisses zu überdenken. Aber wo sind die bisherigen Beiträge der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Strategie des westlichen Bündnisses? Auch hier hat Bundeskanzler Helmut Schmidt — auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt — allein mehr zur Strategiedebatte beigetragen als alle Mitglieder der neuen Bundesregierung zusammengenommen.
    Die SPD wird sich insgesamt mit konstruktiven Vorschlägen an dieser Strategiedebatte beteiligen. Einige unserer Überlegungen sind z. B., daß jetzt einseitig die Zahl der nuklearen Gefechtsfeldwaffen verringert werden kann, daß langfristig die Rolle der nuklearen Gefechtsfeldwaffen völlig neu überdacht werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch unser Vorschlag einer positiven Diskussion über den Palme-Vorschlag zu sehen. Nach unserer Auffassung ist die Rolle der chemischen Waffen neu zu überdenken, nicht im Sinne des Rogers-Plans betreffend eine Einbettung in die Doktrin der flexiblen Antwort der NATO, sondern im Sinne der Möglichkeit, chemische Waffen vom Territorium der Bundesrepublik auch einseitig abzuziehen.
    Was Horst Ehmke angedeutet hat, ist eigentlich weitgehend bereits auch Konsens in der SPD-Fraktion, nämlich daß man bisherige nukleare Waffen, die zur Abriegelung z. B. von Truppenzuführungen im Hinterland eines potentiellen Gegners gedacht sind, auf längere Sicht durch konventionelle Waffen ersetzen kann. Das bedeutet, daß die militärische Funktion zumindest der Pershing 2, aber auch der Cruise Missile neu überdacht und hinterfragt werden muß.
    Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang auch vor einer Militarisierung in unserem Reden und Denken warnen. Die mit dem Ost-West-Konflikt verbundenen militärischen Risiken können nicht dadurch überwunden werden, daß man sich vorrangig oder ausschließlich auf die Diskussion alternativer verteidigungspolitischer Konzeptionen und neuer Militärstrategien fixiert. Wer in der Sowjetunion nur das Reich des Bösen zu sehen im-



    Voigt (Frankfurt)

    stande ist, wird zu einer westlichen Strategie gegenüber der Sowjetunion kaum Konstruktives beitragen können.
    Wir brauchen keine neuen Religionskriege, sonder eine aktive Friedens- und Verständigungspolitik. Wir brauchen einen neuen „Westfälischen Frieden" ohne vorangegangene Religionskriege.
    Die Vorstellung konservativer Sicherheitspolitiker, daß zusätzliche Waffenbeschaffungen mehr oder weniger automatisch auch einen zusätzlichen Gewinn an eigener Sicherheit bewirken, wird zu Recht von großen Teilen der Bürger nicht mehr ohne weiteres vollzogen. Zu Recht warnen Bischöfe und Wissenschaftler ebenso wie die Friedensbewegung vor den Risiken des anhaltenden Wettrüstens und der Rüstungsdynamik.
    Ich möchte nachdrücklich der Auffassung des von mir sonst — auch wenn er häufig eine andere Meinung hat — sehr geschätzten Staatsministers im Auswärtigen Amt, Mertes, widersprechen, der im Ost-West-Konflikt zur Zeit das Risiko der Erpreßbarkeit und Einschüchterung durch die Sowjetunion gefährlicher einschätzt als die Gefahren, die — so wörtlich — „durch ungelöste politische Streitfragen, durch ungehemmte Weiterverbreitung und Weitervermehrung von Kernwaffen, durch technische und psychologische Kalkulationsfehler, kurzum durch menschliches Versagen ohne Angriffsabsicht" entstehen könnten.
    Kollege Mertes wendet sich auch gegen den Begriff und das Konzept einer Sicherheitspartnerschaft zwischen Ost und West. Wir halten daran fest. Wir tun das deshalb, weil in dem Begriff angedeutet ist, worum es geht. Es geht tatsächlich um einen anderen Umgang mit einem potentiellen militärischen Gegner und mit einem ideologischen Kontrahenten. Wer zu diesem anderen Umgang mit der Sowjetunion im Zeitalter der Nuklearwaffen nicht bereit ist, wird, auf Dauer gesehen, nicht Abrüstung bewirken und nicht Frieden sichern können. Aus diesem Grunde — nicht nur wegen des Begriffs, sondern wegen der Sache — halten wir an diesem Konzept fest.
    Zuletzt lassen Sie mich hier wiederholen, was wir während des Wahlkampfs und auch schon in der Schlußphase der sozialliberalen Koalition gesagt haben. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird im neuen Bundestag eine parlamentarische Initiative mit dem Ziel einbringen, die Bundesregierung aufzufordern, die für eine eventuelle Stationierung von Pershing 2-Raketen, Cruise Missiles, Marschflugkörpern vorgesehenen Orte öffentlich bekanntzugeben. Wir fordern auch die Offenlegung der bisher geheimgehaltenen Lagerungsstätten für chemische Waffen. Die bisherige Praxis der Geheimhaltung ist militärisch nicht erforderlich und politisch falsch. Mehr Öffentlichkeit und Durchschaubarkeit militärischer Planung und Entscheidung können zum Abbau von Mißtrauen und zur Versachlichung der sicherheitspolitischen Diskussion in der Bevölkerung beitragen. Dieses Vertrauen ist erforderlich. Dafür muß man praktisch etwas tun.
    Zuallerletzt: Mir ist bei Bundesaußenminister Genscher etwas aufgefallen. Er hat früher in Debatten für die Zukunft Jahre der Abrüstung angekündigt. Jetzt spricht er von Jahren der Entscheidung und den Jahren der Krise.

    (Zuruf des Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU])

    Bedeutet es, daß er die Hoffnung auf Abrüstung preisgegeben hat und daß er uns zu Entscheidungen bewegen will, die Aufrüstung bedeuten? Dann würde er auf unseren Widerspruch stoßen. Denn eine Automatik solcher Entscheidungen werden wir nicht unterstützen.

    (Beifall bei der SPD)