Rede:
ID1000402200

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    Vokabeln: 10
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/4 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 4. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1983 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Dallmeyer . . . . 55 A Eintritt des Abg. Saurin in den Deutschen Bundestag 55 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Franke (Hannover) 55 C Begrüßung des Ministerpräsidenten von Spanien, Herrn Felipe González-Márques, seiner Gattin und der Mitglieder seiner Delegation 55 C Wahl der Schriftführer — Drucksache 10/44 — 55 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 56 A Dr. Vogel SPD 74 D Dr. Waigel CDU/CSU 93 A Genscher, Bundesminister AA 104 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 112 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 117C Rühe CDU/CSU 124 B Frau Kelly GRÜNE 128 D Schäfer (Mainz) FDP 131 B Voigt (Frankfurt) SPD 133 B Bastian GRÜNE 135C Klein (München) CDU/CSU 138 B Büchler (Hof) SPD 139 B Lintner CDU/CSU 141 B Schneider (Berlin) GRÜNE 143A Ronneburger FDP 144A Präsident Dr. Barzel 71 C Nächste Sitzung 145 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 146*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 146* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1983 55 4. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1983 Beginn: 10.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 6. 5. Berschkeit 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) 6. 5. Dr. Enders* 6. 5. Dr. Engelsberger 6. 5. Hartmann 6. 5. Dr. Hornhues 6. 5. Kittelmann* 5. 5. Lahnstein 5. 5. Lemmrich* 5. 5. Frau Pack* 4. 5. Rösch* 4. 5. Schröer (Mülheim) 4. 5. Spilker 6. 5. Frau Steinhauer 6. 5. Vogt (Duren) 5. 5. Dr. Vohrer* 4. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 29. April 1983 mitgeteilt, daß die Regierungen der Länder folgende Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) bestellt haben: Baden-Württemberg Bayern Berlin Bremen Hamburg Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Schleswig-Holstein Mitglied Ministerpräsident Späth Staatsminister Schmidhuber Senator Prof. Dr. Scholz Senator Dr.-Ing. Czichon Senatorin Maring Ministerpräsident Börner Ministerpräsident Dr. Albrecht Minister Dr. Posser Staatsminister Gaddum Frau Minister Dr. Scheurlen Ministerpräsident Dr. Dr. Barschel Vertreter Frau Minister Griesinger Staatssekretär Dr. Vorndran Senator Oxfort Senator Kahrs Präsident des Senats Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi Frau Staatsminister Dr. Rüdiger Minister Hasselmann Minister Dr. Haak Ministerpräsident Dr. Vogel Minister Prof. Dr. Becker Minister Dr. Schwarz Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 20. April 1983 mitgeteilt, daß sie die Änderungsanträge auf Drucksachen 10/11 und 10/12 zurückzieht. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 14. April 1983 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn nebst Anlagenband und Stellenplan für das Geschäftsjahr 1983 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Wirtschaftsplan liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    War nicht Helmut Schmidt der Entdecker der Raketenlücke, und hat nicht er diese Strategie damit natürlich mit gefordert und mit gefördert, und haben nicht wir ihn dabei trotz der Schwierigkeit des Themas unterstützt?
    Wirkliche Entspannung, meine Damen und Herren, kann es nur geben, wenn man um die realen Spannungen weiß, den Ursachen der Spannungen nachgeht, sie offenlegt und beim Namen nennt. Wirkliche Ursache der gegenwärtigen Spannungen ist allein der sowjetische Imperialismus mit seiner weltrevolutionären Zielsetzung. Hier einzusetzen und einzudämmen ist Aufgabe einer realistischen Entspannungspolitik.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Auf zum Kreuzzug!)

    Alle die Erscheinungen, die wir heute in der SPD zu verzeichnen haben, weisen nach rückwärts. Sie sind Ausdruck eines offenkundigen Rückfalls in ihre Positionen der fünfziger Jahre, die nach Godesberg überwunden zu sein schienen, aber jetzt in neuem Gewand wiederkehren. Das sind der neutralistische Nationalismus, der Wunsch nach einer Mittlerrolle zwischen Ost und West, eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa und die AtomtodAngstkampagne. Damals, in den fünfziger Jahren, bedeutete dies für die SPD Isolierung im westlichen Ausland und eine Minderheitenposition in der Bundesrepublik Deutschland. Erst Fritz Erler und Herbert Wehner haben die SPD aus diesem Getto herausgeführt. Parteitaktisch könnte uns der frühere Zustand gelegen sein. Wichtiger als unsere parteitaktischen Überlegungen aber ist der Konsens in den elementaren Fragen unserer Sicherheit.

    (Jahn [Marburg] [SPD]: Ei, ei, der kleine Staatsmann!)

    Es geht nicht um Raketen, es geht um unsere Sicherheit, um Frieden, um Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die natürliche Aufgabe der Opposition wäre es, der eigenen Regierung in dieser Frage gegenüber Moskau den Rücken zu stärken — so wie wir dies all die Jahre als Opposition getan haben. Das wäre besser für die Bundesrepublik Deutschland. Es wäre auch besser für die SPD, wenn sie hier wieder zur Solidarität im Bündnis zurückkehren würde.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Rückhalt eines intakten Bündnisses und nur mit dem Rückhalt eines intakten Bündnisses können wir die entscheidenden Prinzipien, die Menschenrechte verwirklichen. Wir — die CDU/CSU und die Regierung — sind immer mit Nachdruck für eine verifizierbare, kontrollierbare und ausgewogene Abrüstung auf allen Gebieten eingetreten. Wir haben auch den französischen Vorschlag über eine Europäische Abrüstungskonferenz begrüßt. Wir haben allerdings auch nie einen Zweifel daran gelassen, daß die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa besonderen Nachdruck auf die Frage der Sicherung der Menschenrechte in ganz Europa legen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unter der umsichtigen und tatkräftigen Politik Konrad Adenauers ist die Bundesrepublik Deutschland zu einer blühenden Demokratie gereift, in der die Bürger in Frieden, Freiheit und materiellem Wohlstand leben können. Natürliche Begriffe wie



    Dr. Waigel
    Volk, Nation und Vaterland aber waren durch den Mißbrauch in der Vergangenheit belastet. Die Frage der nationalen Identität blieb umstritten.
    Die große Mehrheit unseres Volkes aber hat die Einheit Deutschlands im Gedächtnis und im Herzen bewahrt. Die Deutschen beantworten damit die Fragen nach ihrer nationalen Identität positiv. Unser Volk bekennt sich zur natürlichen Ordnung der Menschheit in geschichtlich gewachsenen Nationen. Nur die Nationen können dem einzelnen Bürger Entwicklungsmöglichkeiten, innere Freiheit und äußere Sicherheit geben. Oberstes Prinzip im Zusammenleben der Staaten ist daher das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Dieses Selbstbestimmungsrecht wird den Völkern, die im Machtbereich der Sowjetunion leben, vorenthalten. Davon sind Mittel- und Ostdeutschland in besonderem Maße betroffen. Das ist mit eine Ursache für den nicht vorhandenen Frieden in der Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir vertreten daher für die künftige Deutschlandpolitik folgende Grundsätze. Oberste politische und moralische Pflicht für unsere Deutschlandpolitik ist es, den Verfassungsauftrag zu erfüllen und für das deutsche Recht auf Einheit aktiv einzutreten. Im Deutschland-Vertrag erklären die drei Westalliierten, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands so lange aufgeschoben werden muß, bis eine friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland vereinbart ist. Weiter verpflichten sie sich auf das gemeinsame Ziel eines wiedervereinigten Deutschlands mit freiheitlich-demokratischer Verfassung. Wir dürfen unsere Bündnisfreunde aus dieser Verantwortung nicht entlassen.
    Der Auftrag des Grundgesetzes, die Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung zu vollenden, verpflichtet uns politisch und moralisch. Er schließt Maßnahmen aus, mit denen geschichtlich Gewachsenes geopfert und auf Rechtspositionen verzichtet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Erfüllung dieser Postulate ist durch die Auslegung gefährdet, zu der sich der Vertragspartner DDR auf Grund der Verhandlungen berechtigt glaubte. Für die DDR besiegelte der Vertrag den Untergang des Deutschen Reiches, erkannte der DDR den Status eines selbständigen, souveränen Status im Sinne des Völkerrechts zu und bekräftigte sie in ihrer Absicht, es gebe zwei deutsche Nationen, eine sozialistische und eine kapitalistische. Es ist das unstreitige Verdienst der bayerischen Staatsregierung, daß mit dem von ihr erwirkten Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Grenzen für eine verfassungskonforme Auslegung des Vertrags, der nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda" im übrigen einzuhalten ist, festgeschrieben sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für unsere Deutschlandpolitik gilt deshalb folgendes. Das Deutsche Reich besteht in den verfassungsgerichtlich festgestellten Grenzen auch heute noch weiter.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Bravo!)

    — Das Wort „Bravo", Herr Kollege Professor Ehmke, bezieht sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, und ich nehme an, daß dieser Feststellung des Bundesverfassungsgerichtes Ihr „Bravo" gilt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Bravo!)

    — So ist es; sehr schön. Ich stelle fest, daß sich der Professor des öffentlichen Rechts an das hält, was das Bundesverfassungsgericht gefordert hat. Ich nehme an, daß das nicht nur in diesem Fall so ist.
    Zweitens. Es gibt nur eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit, die zugleich die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist. Die innerdeutsche Grenze ist keine Trennungslinie im Sinne des Völkerrechts. Alle Verfassungsorgane haben beharrlich auf die Wiedervereinigung Deutschlands hinzuwirken. Gleichzeitig schließt dies aus, eine eigene DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen, die Ständigen Vertretungen zu Botschaften aufzuwerten und die Grenze auf der Elbe nach den Forderungen der DDR zu ziehen.
    Eine aktive Deutschlandpolitik, die sich nicht nur im theoretischen Offenhalten der deutschen Frage erschöpft, macht es unausweichlich, die unnatürlichen, unmenschlichen Zustände und Ereignisse in Deutschland schonungslos beim Namen zu nennen und Abhilfe zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gleichzeitig sind alle positiven Ansätze aufzugreifen, die das Los der Menschen im geteilten Deutschland erträglicher machen können, vorhandene Instrumentarien zu nutzen und neue zu entwickeln, die uns dem Ziel der Einheit der Nation näherbringen. Eine solche Deutschlandpolitik befindet sich mit den Grundlagen im Einklang, wie sie unter Konrad Adenauer formuliert worden sind, die der Deutsche Bundestag in seiner gemeinsamen Entschließung vom 17. Mai 1972 bekräftigt — auch die SPD hat dieser Entschließung zugestimmt — sowie das Bundesverfassungsgericht in seinen beiden Entscheidungen von 1973 und 1975 bestätigt haben.
    Diese rechtlichen, politischen und moralischen Grundlagen sind für uns nicht verhandlungsfähig. Der Grundlagenvertrag fordert die Entwicklung von normalen und gutnachbarlichen Beziehungen. Die DDR hat bisher wenig, zu wenig unternommen, was diese Bezeichnungen rechtfertigen würde.
    Nach den negativen Erfahrungen der Vergangenheit sind vor allem folgende Vertragsverletzungen abzustellen: Der Schießbefehl ist aufzuheben, und die Tötungsapparate an der innerdeutschen Grenze sind abzubauen — wir werden uns mit diesen Zuständen nie abfinden können —,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    die unerträglichen Schikanen unserer Mitbürger im
    Transitverkehr sind einzustellen, desgleichen die



    Dr. Waigel
    polizeistaatliche Überwachungspraxis von Besucherkontakten, mit der die Begegnung der Menschen erschwert wird. Das ist das Schreckliche, daß die Menschen, wenn sie ihre vertraglichen Rechte in Anspruch nehmen, Angst haben und daß diese Angst jeden ergreift und daß diese Angst dann auch zu so schweren Vorfällen führen kann, wie wir sie in den letzten Tagen erlebt haben und wie das bereits seit Jahren vor sich geht.
    Im übrigen gilt für die Verträge mit der DDR als Maxime: Sinn und Zweck von Verträgen kann es nur sein, die Folgen der Teilung erträglicher zu machen und dabei den Weg zur Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit offenzuhalten. Ein geregeltes Verhältnis darf nicht zur Billigung von Unrecht oder zur dauernden Hinnahme von unmenschlichen Zuständen dienen und der DDR keine Anhaltspunkte liefern, mit denen sie die Spaltung der deutschen Nation begründen könnte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wir sind dafür, mit der DDR offen und fair umzugehen. Dies bedeutet, daß wir ein, wenn es sein muß, unbequemer, aber ein verläßlicher und ein berechenbarer Partner sind. Dasselbe erwarten wir von der anderen Seite. Dazu gehört die Bereitschaft, das Prinzip der Gleichheit von Leistung und Gegenleistung anzuerkennen und danach zu handeln.
    Eine Nation besteht vor allem auch in ihrer gemeinsamen Geschichte und Kultur. Diese Wurzeln unserer Nation gilt es verstärkt zu pflegen und zu fördern, damit insbesondere unsere junge Generation sich das Erbe bewahrt und das Ausland die deutsche Frage positiv annimmt. Wenn wir es nicht tun, dann werden das andere besorgen.
    Lassen Sie mich heute ein paar Sätze wiederholen, die ich vor zehn Jahren anläßlich einer Debatte über Jugend und Verfassung an dieser Stelle gebraucht habe:
    Josef Stalin hat 1952 auf dem — —(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

    — Sie sollten zuhören. Sie sollten zuhören, auch Sie von den GRÜNEN können noch etwas lernen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Viel! — Lachen und Gegenrufe von den GRÜNEN)

    Josef Stalin hat 1952 auf dem 19. Parteitag seiner Genossen folgendes verkündet:
    Früher wurde die Bourgeoisie als das Haupt der Nation betrachtet. Sie trat für die Rechte und für die Unabhängigkeit der Nation ein. Sie stellt sie über alles. Jetzt ist vom nationalen Prinzip nicht die Spur übriggeblieben. Das Banner der nationalen Unabhängigkeit und der nationalen Souveränität ist über Bord geworfen worden. Ohne Zweifel werdet ihr, Vertreter der kommunistischen und demokratischen Parteien, dieses Banner erheben und vorantragen müssen, wenn ihr Patrioten eures Landes sein, wenn ihr die führende Kraft der Nation werden
    wollt. Es gibt sonst niemand, der es erheben könnte.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wäre verhängnisvoll, wenn wir Demokraten die nationale Frage den Kommunisten überließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin davon überzeugt, eine neue Generation würde unzweifelhaft die Frage der nationalen Identität aufgreifen und eine Antwort verlangen.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Aber nicht so wie Sie beantworten!)

    — Es mag sein, daß Sie mit meiner Antwort nicht zufrieden sind. Ich halte sie dennoch für richtig, und es täte Ihnen gut, sie zu bedenken. Sie wären dann in einer guten Tradition von Kurt Schumacher und anderen großen Sozialdemokraten der 50er und 60er Jahre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In den vergangenen 13 Jahren stand im Bundestag der Regierungskoalition nur eine Oppositionspartei gegenüber. Heute sitzen neben der SPD erstmals die GRÜNEN mit auf den Oppositionsbänken,

    (Zurufe und Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    vorläufig auf vier Jahre. Alle in diesem Haus vertretenen Parteien müssen sich am Grundgesetz messen lassen, das ihnen den eindeutigen Auftrag erteilt, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Die Verfassung geht selbstverständlich davon aus, daß die Parteien des Deutschen Bundestages sich zu diesem Staat und zu seiner verfassungsmäßigen Ordnung bekennen. Sicherlich sind Sie, Herr Schily, bei Ihrem Gespräch mit dem Ständigen Vertreter der DDR, Herrn Moldt, sich darüber im klaren gewesen, daß eine Bewegung wie die der GRÜNEN im real existierenden Sozialismus, im ostdeutschen Arbeiter- und Bauernparadies keine Chance hätte, an der politischen Willensbildung mitzuwirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Verschiedene Ereignisse der Vergangenheit geben mir aber Anlaß zu der Frage, wie Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion der GRÜNEN, zu diesem Staat stehen. Ihr Bemühen, die nüchterne Atmosphäre dieses Saales bei der konstituierenden Sitzung des 10. Deutschen Bundestages durch Blumen aufzulockern, die ich heute schon nicht mehr sehe,

    (Zurufe von den GRÜNEN: Doch!)

    mag als eine rührende Geste gewirkt haben. Blumen sind Zeichen der Freundschaft und der Friedfertigkeit. Sie selbst verwenden in Ihrem Bundesprogramm den Begriff „Gewaltlosigkeit". Allerdings stehen diese Ihre Bekundungen nicht im Einklang mit dem Verhalten vieler Ihrer Mitglieder draußen im Lande,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Unerhört!) die sich offen zur Gewalt bekennen.


    (Widerspruch bei den GRÜNEN)




    Dr. Waigel
    Wie anders soll man die Äußerungen der Berliner AL

    (Unruhe bei den GRÜNEN — Glocke des Präsidenten)

    vom Frühjahr 1981 verstehen, das Parlament sei bloß ihr Spielball, ihr Standbein sei die außerparlamentarische Opposition?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Demonstrativer Beifall bei den GRÜNEN — Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Das ist doch bei Flick genauso!)

    Hier offenbart sich die ganze Widersprüchlichkeit einer Bewegung,

    (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Bei dieser außerparlamentarischen Bewegung der Industrie!)

    die nach dem Motto verfährt: im Parlament „flower" und auf der Straße „power".

    (Beifall bei der CDU/CSU — Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und Zurufe von den GRÜNEN)

    — Es scheint Ihnen offensichtlich nicht zu gefallen, daß Ihnen Fragen gestellt werden. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, daß in diesem Hause nicht nur Sie Fragen stellen, sondern auch wir Sie fragen. Darauf sind Sie offensichtlich nicht vorbereitet!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

    — Ihre Ungeduld in Ehren, aber Sie werden sich das Zuhören hier auch noch angewöhnen müssen.

    (Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    Sie tun sich — das wissen wir — innerparteilich schwer, auch Ihre Finanzierungsfragen sind noch nicht hinlänglich geklärt, und Sie machen sich gegenseitig gesundheitliche Probleme. Aber ich wünsche Ihnen durchaus, daß Sie dieses Anfangsstadium überwinden können.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nein.

    (Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Eine Zwischenantwort!)