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ID0914101400

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    Plenarprotokoll 9/141 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 141. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Lampersbach . . . 8937 A Regelung für Vorlagen nach § 77 Abs. 1 GO nach Auflösung des Bundestages . . . . 8937 C Nachträgliche Abstimmung über zwei Entschließungen zum Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz 8937 D Beratung des Antrags des Bundeskanzlers gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes — Drucksache 9/2304 —Dr. Kohl, Bundeskanzler 8938 A Brandt SPD 8939 D Dr. Dregger CDU/CSU 8948 B Genscher FDP 8951 C Dr. Waigel CDU/CSU 8956 B Duve SPD 8958 D Schmidt (Kempten) FDP 8960 B Frau Schuchardt fraktionslos 8962 C Hofmann (Kronach) fraktionslos . . . 8965A Coppik fraktionslos 8966 B Dr. Ehmke SPD 8968 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 8968 C Gansel SPD (Erklärung nach § 32 GO) . 8970 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 32 GO) 8970 C Präsident Stücklen 8968 A Namentliche Abstimmung 8971 A, C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8975* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Eymer (Lübeck) (CDU/ CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Drucksache 9/2304) 8975* A Anlage 3 Nebentätigkeiten, insbesondere Lehrverpflichtungen, des Chefs des Bundeskanzleramtes und eines Abteilungsleiters MdlAnfr 1, 2 03.12.82 Drs 09/2226 Schäfer (Offenburg) SPD ErgSchrAntw StMin Dr. Jenninger BK auf ZusFr Schäfer (Offenburg) SPD . . . 8975* B Anlage 4 Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministers im Ermittlungsverfahren gegen Friedrich MdlAnfr 84 03.12.82 Drs 09/2226 Gansel SPD ErgSchrAntw StMin Dr. Jenninger BK auf ZusFr Jungmann SPD 8975* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982 8937 141. Sitzung Bonn, den 17. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Benedix-Engler 17. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Löffler 17. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Neuhaus 17. 12. Rayer 17. 12. Frau Schmedt (Lengerich) 17. 12. Schmöle 17. 12. Wehner 17. 12. Weiskirch (Olpe) 17. 12. Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes (Drucksache 9/2304): Die von Herrn Bundeskanzler Helmut Kohl dargelegten Gründe für die Neuwahl des Deutschen Bundestages teile ich. Ich halte den Weg zur Auflösung des Deutschen Bundestages nach Artikel 68 Grundgesetz nicht für verfassungskonform. Ich werde mich deshalb an der Abstimmung über die Vertrauensfrage nicht beteiligen. Anlage 3 Ergänzende Antwort des Staatsministers Dr. Jenninger auf die Fragen des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 9/2226 Fragen 1 und 2, 136. Sitzung, Seite 8409 D f.): In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 9. Dezember 1982 haben Sie im Zusammenhang Anlagen zum Stenographischen Bericht mit Ihren Fragen Nr. 1 und 2 folgende Zusatzfrage gestellt: Trifft es zu, daß der Abteilungsleiter für innere Angelegenheiten und Planung Beamte und Mitarbeiter seines Amts mit der Erledigung von Aufgaben betraut hat, die aus der Lehrverpflichtung herrühren, also amtsfremd sind? Ich habe Ihnen zugesagt, diese Fragen zu prüfen und Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen zu lassen. Die Antwort lautet wie folgt: Es trifft nicht zu, daß der betreffende Abteilungsleiter Beamte und Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes mit der Erledigung von Aufgaben betraut hat, die aus der Lehrverpflichtung herrühren. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Jenninger auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann (SPD) zur Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 9/2226 Frage 84, 136. Sitzung, Seite 8416 D): In der Fragestunde am 9. Dezember 1982 hatten Sie im Zusammenhang mit der Frage 84 des Kollegen Gansel folgende Zusatzfrage gestellt: Herr Minister, können Sie uns mitteilen, ab wann der Rechtsanwalt des Bundesministers Graf Lambsdorff Einsicht bekommen hat und wie lange die Einsichtnahme in die Akten - durch diese Länge oder Kürze der Einsichtnahme kann ja der Gesamtprozeß auch verzögert worden sein - gedauert hat? Ich hatte Ihnen zugesagt, die Antwort zur Dauer der Akteneinsicht schriftlich nachzureichen: Der Anwalt von Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff hat Anfang Juli sechs Hauptbände, ein Sonderheft und 14 Leitz-Ordner zum Zwecke der Akteneinsicht erhalten. Noch Mitte Oktober sind ihm weitere zwei Hauptbände und 7 Leitz-Ordner überlassen worden. Die Bundesregierung wiederholt daher ihre Auffassung: Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff hat mit der anwaltlichen Stellungnahme vom 1. Dezember, die dazu führen soll, den Verdacht auszuräumen, alles in seiner Macht Stehende getan, um zu einer raschen Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. Die Staatsanwaltschaft sieht sich, wie sie selbst erklärt hat, durch die gestellten Beweisanträge auch veranlaßt, weitere Ermittlungen anzustellen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Freimut Duve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Danke, Herr Präsident.
    Ich möchte das begründen. Ich spreche persönlich, aus eigenem Erleben, auch aus meinem eigenen Leben heraus und in großer Sorge. Vor über 20 Jahren habe ich gemeinsam mit einem Hamburger Freund in der Hamburger Innenstadt die erste Deutschschule für Gastarbeiter ins Leben gerufen. Seither verfolge ich mit Hoffen und Bangen die Entwicklung. Sie hatte gute und schlechte Phasen, sehr gute Phasen für unser Volk, in letzter Zeit aber auch schlechte. Seit einiger Zeit nämlich, meine Damen und Herren, kriecht überall im Lande die Angst vor dem Problem hoch. Niemand darf diese Angst mißbrauchen. Immer war es der entscheidende Prüfstein für die geistig-moralische Kraft der parlamentarischen Demokratie, wie sie mit Minderheiten, die an der Wahl nicht teilnehmen können, umgeht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Es ist in den vorausgegangenen Kommunal- und Landtagswahlen möglich gewesen, gemeinsam solche Gruppen zu bekämpfen, die aus den hier arbeitenden Ausländern politisches Kapital für ihre Ziele schlagen wollen. Ich meine, das sollte auch so bleiben. Ich möchte eine vereinzelte Anzeige der Union aus dem Hamburger Bürgerschaftswahlkampf nicht überbewerten, in der es am 30. November 1982 geheißen hat:
    Wenn es mit der Ausländerpolitik des Dohnanyi-Senats so weitergeht, werden wir bald 200 000 Ausländer in unserer Stadt haben.
    Ich will das nicht überbewerten. Ich hoffe, daß dies ein Ausrutscher war. Ich bitte Sie, Herr Dr. Kohl, sehr eindringlich, als Vorsitzender der Union dafür zu sorgen, daß es zu solchen Entgleisungen im kommenden Bundestagswahlkampf nicht kommt,

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    wie ich auch alle Kollegen aus allen Fraktionen darum bitte, sich meinem Appell anzuschließen.
    Ich vertrete einen Wahlkreis im Zentrum der Hamburger Arbeiterviertel, in dem es Quartiere gibt, in denen der Ausländeranteil bei 20 %, in Einzelfällen bei über 30 % liegt. Ich weiß, wovon ich rede.
    Wir bürden, meine Damen und Herren — das ist meine persönliche Erfahrung —, relativ wenigen unserer deutschen Mitbürger in den entsprechenden Stadtteilen die konkreten Probleme des Zusammenlebens auf, Probleme am Arbeitsplatz, in den Schulen, in den Wohnstraßen, in den Häusern, bei der Veränderung der gewohnten Umgebung. Millionen, die persönlich nicht betroffen sind, verfolgen dieses politische Thema jedoch aus der Distanz, und die meisten von uns Abgeordneten gehen mit statistischen Zahlen um, ebenfalls ohne persönlich betroffen zu sein. Abstrakte, statistische Diskussionen lösen nicht die konkreten Probleme, sondern verschärfen sie.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Gefährlicher als die Probleme ist die abstrakte Angst vor ihnen, wo aktive Menschlichkeit gefordert ist. Und ich muß Sie, Herr Dr. Kohl, im Interesse dieser Menschlichkeit auch als Regierungschef bitten, die Formen des Wahlkampfes zu beachten. Wir hatten bei Äußerungen des Herrn Innenministers in der letzten Woche und auch bei Ihren eigenen Einlassungen am Anfang Ihrer Regierungszeit Anlaß zur Sorge, daß dieses nicht im Interesse der Menschlichkeit so geschieht, wie wir es alle wollen.

    (Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Unsinn!)

    Ich möchte auf den eindringlichen Brief am 4. März 1982 von Frau Liselotte Funcke, der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt verweisen. Sie beschreibt die bedenkliche Stimmung bei all jenen Deutschen und Ausländern, die sich haupt- und ehrenamtlich um das Problem bemühen. Ich zitiere:
    Wenn Kirchen und Synoden, Wohlfahrtsverbände, in- und ausländische Lehrerorganisationen, freiwillige Initiativgruppen aus ihrer jahrelangen Erfahrung heraus dringend vor weiteren Einschränkungen bei der Familienzusammenführung warnen, wissen gerade sie um die schwere Beeinträchtigung, die die bemühte Arbeit um die friedliche und menschliche Eingliederung dadurch erfahren würde.
    Meine Damen und Herren, das Engagement all dieser Menschen und vieler mehr brauchen wir bei 4,7 Millionen Ausländern eben genauso wie bei 1 Million Ausländern oder einer halben Million Ausländern. Wir werden es in unserer Bundesrepublik Deutschland, die Teil eines aufgeschlossenen Europas sein will, immer brauchen, unabhängig von der Ausländerpolitik. Die Angst breitet sich aus bei vielen Ausländern und bei vielen deutschen Bürgern, aber eben auch bei Politikern, die zuweilen Angst haben, Wählerstimmen zu verlieren, wenn sie sich für dieses Problem, für die Ausländer, einsetzen. Bekämpfen wir, meine Damen und Herren, gemeinsam die aufkommende Angst! Verjagen wir das Gespenst der schrecklichen Vereinfacher! Denn kein Politiker nimmt der 70jährigen Rentnerin im Arbeiterstadtviertel Veddel in Hamburg ihre Ängste und Probleme mit den fünf türkischen Familien im
    8960 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982
    Duve
    Haus, wenn dieser Politiker verspricht, die Zahl der bei uns lebenden Ausländer um eine oder eine halbe Million zu verringern. Dadurch verringert er nicht die Probleme dieser Menschen vor Ort. Wir dürfen in der Bundesrepublik Deutschland nicht und vor allem nicht im Wahlkampf, einen Rausschmeißwettlauf dulden. Es darf kein Klima des Vor-die-Tür-Setzens entstehen, wenn wir mit den Bleibenden in Frieden leben wollen.
    Helfen wir den deutschen Bürgern in Städten und Gemeinden und helfen wir den ausländischen Mitbürgern! Niemals dürfen die demokratischen Parteien diese Aufgabe zum Gegenstand des parteipolitischen Wettlaufs um die Gunst des Wählers machen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie ist die seit 1945 größte moralische Herausforderung an unsere christliche — meine Damen und Herren, an unsere christliche — Solidarität und an unsere demokratische Kultur. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, zum besseren Verständnis: Es handelt sich hier nicht um persönliche Erklärungen, weder nach § 30 noch nach § 31, sondern es sind Debattenbeiträge nach § 27 unserer Geschäftsordnung.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Aber zur Sache müssen sie sein!)

Da in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers ebenso wie von Herrn Kollegen Brandt und Herrn Kollegen Dregger der gesamte politische Bereich angesprochen worden ist, ist keine Beschränkung auf das spezifische Gebiet ausschließlich des Art. 68 des Grundgesetzes gegeben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hansheinrich Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Trotz des soeben von Ihnen, Herr Präsident, gegebenen Hinweises, daß es sich heute nicht nur um den vorliegenden Antrag des Bundeskanzlers handelt, sondern daß es im Grunde eine gesamtpolitische Debatte ist, habe ich erhebliche Zweifel, ob vieles, was in den letzten zwei Stunden hier gesagt wurde, mit dem Ernst der Stunde, mit dem Ernst der Entscheidung, die der Deutsche Bundestag als, wie Sie mit Recht, Herr Dregger, gesagt haben, zweites prüfendes Verfassungsorgan, mit der freien Stimmabgabe seiner Mitglieder zu treffen hat, überhaupt in Zusammenhang stehen kann.
    Ich habe leider sehr wenig das Wort Verfassung und Grundgesetz, aber sehr viel das Wort Wahlkampf gehört.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Ich habe ein bißchen den Eindruck, dies ist schon
    sozusagen eine vorbereitende Wahlkampfveranstaltung gewesen, obwohl jeder gleichzeitig gesagt hat,
    es müsse überhaupt erst einmal entschieden werden, ob dies der richtige Weg zu den gewünschten Neuwahlen sei, und der Bundespräsident sei völlig frei in seiner Entscheidung.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Trotzdem hat man hier Vergangenheitsbewältigung, Schuldzuweisungen, Programmpunkte nach dem 6. März, und was weiß ich alles, ausgetauscht, als ob alles schon eine beschlossene Sache wäre und als ob dieses Parlament eigentlich nur — ich sage das sehr ernst — die Aufgabe hätte, bestimmten Vorstellungen der Parteispitzen zu folgen,

    (Vereinzelter Beifall bei der FDP)

    als ob dieses Parlament, wir alle, meine Damen und Herren, nicht auch eine eigenständige Kontrolle über die Wege hätte, als ob wir nicht auch die Aufgabe hätten, festzustellen, ob das, was vorgeschlagen ist, wirklich so verfassungsunbedenklich ist, wie es hier von vielen dargestellt wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

    Ich bin Ihnen, Herr Bundeskanzler, sehr dankbar, daß Sie in Ihrer Begründung wirklich nur kurz und knapp Ihre Vorstellungen zu dieser Antragstellung vorgetragen haben. Damit sollten wir uns auseinandersetzen, und dies ist auch der Grund, weshalb ich mich hier nicht namens meiner Fraktion, sondern persönlich zu Wort gemeldet habe. Persönlich habe ich das aus einer tiefen Sorge als ein Mitglied dieses Hauses getan, das heute und hier nach über 21 Jahren wahrscheinlich seine letzte Debattenrede hält, persönlich aus der Erfahrung eines der nicht mehr allzu vielen Mitglieder dieses Hauses, die noch das Ende der Weimarer Republik, die damalige politische Instabilität, die mit zu vielem geführt hat, auch im familiären Bereich hautnah miterlebt haben, als ein Mitglied dieses Hauses, das die zwölf Jahre Hitler-Diktatur hautnah miterlebt hat und das dieses Grundgesetz, wie es damals geschaffen wurde, als eine Basis ansah, gebaut auf der Erfahrung derer, die damals das alles auch so miterlebt hatten, um für die Zukunft Stabilität für diesen Staat in bestimmten Legislaturperioden zu erreichen, um zu verhindern, daß sich möglicherweise wieder einmal durch instabile politische Verhältnisse, durch häufigeres Wählen und dergleichen mehr in Krisenzeiten schlimme Folgen ergeben.
    Aus dieser Sicht möchte ich einige Bemerkungen machen, ehe ich mich zu meinem Abstimmungsverhalten äußere, wobei ich gleich — ich glaube, ich darf das sagen — feststellen möchte, daß diese Sorge, die ich habe, viel mehr Mitglieder dieses Hauses beschäftigt, als es in der Öffentlichkeit zum Ausdruck kommt,

    (Beifall bei der FDP)

    daß viel mehr Mitglieder dieses Hauses sich Sorgen über die Folgen einer solchen Entscheidung machen.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben als erstes gesagt: Ich will den Weg zu Neuwahlen öffnen. Das wurde hier auch von allen Seiten gesagt, und ich schließe mich dem an.
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982 8961
    Schmidt (Kempten)

    Nach den Versprechungen, die seinerzeit abgegeben und mehrmals wiederholt worden sind, ist die Einlösung oder Nichteinlösung dieses Versprechens zweifellos eine Frage, die den Wähler draußen sehr, sehr stark beschäftigt.
    Aber man muß natürlich darüber diskutieren können und auch verfassungsrechtlich ein wenig prüfen dürfen, ob der Weg dorthin nicht zumindest verfassungsschädlich ist,

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ob der Weg dorthin nicht zumindest am Rand der Verfassung entlang und möglicherweise in Zukunft zu anderen Entwicklungen führt.
    Der Wähler hat Anspruch darauf, daß ein ihm so deutlich gegebenes Versprechen eingelöst wird. Er hat aber auch Anspruch darauf, daß diejenigen, die es einlösen, nicht möglicherweise dabei die Verfassung beschädigen und sich hinterher Konsequenzen daraus ergeben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Hier wurde ja vorhin praktisch die Haushaltsdebatte dieser Woche in ihren wichtigsten politischen Aussagen wiederholt. Hier wurde ja noch einmal dargestellt, was in dieser Woche hier gesagt wurde. Was muß sich eigentlich der Wähler draußen, was muß sich eigentlich derjenige, der nicht hier im Hause, aber am Fernsehschirm die letzten drei Tage erlebt hat, sagen, wenn er heute wieder am Fernsehschirm sitzt und erfährt, daß, nachdem hier die Handlungsfähigkeit einer stabilen Regierung eine Woche bescheinigt wurde, nachdem gestern durch ein hohes Abstimmungsergebnis eine komfortable Mehrheit für den Haushalt 1983 hier vorgelegt und somit die Handlungsfähigkeit für 1983 eigentlich in den Grundzügen festgelegt wurde, plötzlich diese Mehrheit nicht mehr vorhanden ist, daß der Bundeskanzler, der gestern noch das große Vertrauen für den Haushalt, den er und seine Regierung vorgelegt haben, bekommen hat, heute plötzlich das Vertrauen der ihn tragenden Mehrheit nicht mehr bekommt. Er muß sich doch die Frage stellen — das ist doch einer der Punkte —: Ist es denn überhaupt noch richtig, daß hier die Vertrauensfrage in dieser Form gestellt werden kann? Ist es denn überhaupt richtig, ist es nicht verfassungsrechtlich zumindest sehr bedenklich, wenn hier der Bundeskanzler — Herr Bundeskanzler, dies ist kein Angriff gegen Sie; denn es ist ja ein vereinbartes Verfahren — sozusagen einen Antrag vorlegt, nachdem vorher die Fraktionen und Parteien mit Mehrheit beschlossen haben, diesem Antrag nicht zuzustimmen? Ich spreche in diesem Fall einmal für die Mehrheit; denn die fingierte Vertrauensfrage ist ja im Zusammenhang mit einer Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und den ihn tragenden Fraktionen und Parteien zu sehen. Was muß sich eigentlich der Wähler draußen fragen, der nun plötzlich ab morgen — oder ab 6. Januar oder vielleicht auch gar nicht — weiß, daß am 6. März gewählt wird, wenn er feststellt, daß eine Mehrheit, die gestern noch 266 Stimmen für den Haushalt abgab, heute dem Bundeskanzler das Vertrauen nicht mehr ausspricht? Ist das vielleicht Glaubwürdigkeit für dieses Parlament, meine Damen und Herren?

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Hier stehen doch zwei Dinge im Raum: auf der einen Seite das Erfüllen eines Versprechens, um glaubwürdig zu bleiben, und auf der anderen Seite die Glaubwürdigkeit der Verfassung, wenn die Gefahr droht, daß die Fakten auf den Kopf gestellt werden. Es steht doch fest, daß die jetzige Bundesregierung legal zustande gekommen ist. Es steht fest, daß diese Bundesregierung — in der letzten Woche ist das noch einmal deutlich geworden — eine volle Handlungsfähigkeit hat, daß es nicht so ist — Herr Bundeskanzler, ich sage das, weil Sie 1972 angesprochen haben — wie 1972, wo es eben keine Mehrheit mehr für den amtierenden Bundeskanzler gab und sich eben das Problem der Neuwahl stellte.

    (Huonker [SPD]: So ist das!)

    Ich habe bisher noch nirgends in der Verfassung feststellen können, daß es befristete Regierungen geben kann,

    (Beifall bei der SPD)

    daß es befristete Legislaturperioden auf Grund von Parteibeschlüssen geben kann. Oder soll das, meine Damen und Herren — dies ist eine Frage, die das Parlament mit entscheiden soll —, vielleicht Zukunftspraxis werden? Wenn ich heute schon lese und höre, man könne ja einmal eine befristete Große Koalition schließen — so Herr Fehrenbach vor kurzer Zeit —, dann ist doch dieser Begriff draußen schon ein Begriff für die Zukunft. In Zukunft brauchen wir dann gar keine nach dem Grundgesetz befristeten Legislaturperioden mehr, sondern können uns selbst Fristen setzen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Auch die Abgeordneten können eine Meinung haben, z. B. für eine befristete Zeit!)

    — Natürlich. Ich hoffe, dazu etwas beitragen zu können. Denn ich habe den Eindruck — auch die Debatte hat das gezeigt —, daß die verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch problematischen Fragen in diesem Bereich in allen Fraktionen zu wenig diskutiert worden sind. Ich kann nicht ganz so, Herr Kollege Ehmke, über die Interna der SPD-Fraktion berichten.
    Ich war z. B. sehr beeindruckt, daß die Vereinigung für Parlamentsfragen hierzu zum richtigen Zeitpunkt eine Diskussion durchgeführt hat. Ich habe es allerdings bedauert, daß man die Mitglieder des Bundestages in dieser Abendveranstaltung an einer oder höchstens zwei Händen abzählen konnte. Man hätte dort manches über die verfassungsrechtliche Problematik — von „verfassungswidrig" auf der einen Seite bis hin zu „verfassungsunbedenklich" auf der anderen Seite — hören können und vieles über Verfassungsschädlichkeit vielleicht noch dazulernen können.
    Meine Damen und Herren, man kann über die heutige Entscheidung, die wahrscheinlich vorpro-
    8962 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982
    Schmidt (Kempten)

    grammiert ist, sagen: Dies ist eine Einmaligkeit, das wird nie wieder vorkommen. Aber ich warne aus der Sorge heraus, die ich vorhin eindeutig klargelegt habe, davor, daß mit der derartigen Bewegung des Art. 68 für zukünftige Regierungen — es muß gar nicht die nächste sein, es kann auch die übernächste oder auch die überübernächste sein — eine Prämie für die legale Mehrheit in der Auslegung des Art. 68 verankert wird. Eindeutig hat dann eine Mehrheit, mag sie aussehen, wie sie will, die Möglichkeit, über diesen Weg, der heute hier beschlossen werden soll, auch in Zukunft Neuwahlen zu einem anderen Zeitpunkt herbeizuführen, als er eigentlich vom Grundgesetz vorgesehen ist. Warum haben denn die Väter des Grundgesetzes hier gewisse Schranken gesetzt? Nicht nur, weil sie die Erfahrungen der Weimarer Republik hatten, doch auch, weil sie die Erfahrungen in den westlichen Demokratien in Europa hatten und haben: 42 Regierungen in Frankreich, Instabilität in Italien durch laufende parteipolitische Schwierigkeiten mit den Regierungen. Es war doch überhaupt ein Stück Fundament für den Aufbau nach 1949, daß es eben nie kurze Legislaturperioden gab, daß eben immer vier Jahre lang durchregiert werden konnte. Dadurch war Stabilität beim Wiederaufbau möglich.
    Wenn wir die Vertrauensfrage gemäß Art. 68 sozusagen auch zu einer halben Mißtrauensfrage machen — es ist eine Vertrauensfrage, die heute gestellt wird, und das Mißtrauen wird ausgesprochen —, dann wird eines Tages Art. 68 in seiner Verfassungswirkung vor Art. 67 rangieren. Ich frage mich, ob dies gut ist für die Zukunft dieses Parlaments, für die Zukunft der parlamentarischen Demokratie. Ich frage mich — ich glaube, meine Damen und Herren, jeder von Ihnen muß sich das fragen —, ob der einmal beschrittene Weg von der repräsentativen Demokratie, vom repräsentativen System zum plebiszitären System nicht eines Tages nach dem Motto „Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los" zu einem Dauerweg wird. Ich fürchte, daß solche Gefahren auftauchen; sie können sehr schnell auftauchen.
    In den Debattenbeiträgen vorhin ist sehr viel darüber gesagt worden, daß sich die Parteienlandschaft hier nach dem 6. März möglicherweise ändert. Dann kann es schon sehr leicht möglich sein, daß es schwierig werden wird, eine stabile Regierung zu bilden. Nicht umsonst reden die einen von Großer Koalition, die anderen von Unterstützung der stärkeren Minderheit, einfach um dann regieren zu können, wenn es so kommt. Das kann man doch aber dann nicht vier Jahre lang machen. Dann hat man über das jetzt im Rahmen von Art. 68 gewählte Verfahren natürlich wiederum die Möglichkeit, die Dinge befristet zu gestalten.
    Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich Sie alle noch einmal sehr herzlich bitten, genau darüber nachzudenken, welche Entscheidung Sie nachher treffen. Es gibt nicht viele Möglichkeiten. Es gibt die Möglichkeit — ich sage das sehr offen —, daß, Herr Bundeskanzler, was ich begrüßen würde, obwohl ich es seinerzeit nicht getan habe, Ihnen das Vertrauen ausgesprochen wird und so der Weg über eine verfassungsbedenkliche Regelung nicht gegangen wird. Dann gibt es für Sie die Möglichkeit, einen anderen Weg zur Erfüllung des Versprechens zu wählen. Für mich, meine sehr verehrten Damen und Herren — das ist meine persönliche Entscheidung —, gibt es nur einen Weg, und in diesem stimme ich aus unterschiedlichen Motiven mit Ihnen überein, Herr Bundeskanzler: Ich werde mich wegen des von mir nicht gebilligten Verfahrens an dieser Abstimmung nicht beteiligen. Ich möchte nicht schuld sein, wenn die Folgen, die ich hier vorgetragen habe, eines Tages über diese Republik kommen. — Vielen Dank.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und bei der SPD)