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ID0913811800

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    Plenarprotokoll 9/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 Inhalt: Eintritt der Abg. Ginsberg und Riebensahm in den Deutschen Bundestag . . . 8577 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksachen 9/1920, 9/2050, 9/2139 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 9/2141, 9/2281 — . . . . 8577 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 9/2142, 9/2281 — . . . . 8577 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 9/2143, 9/2281 — . . . . 8577 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 9/2144, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 9/2145, 9/2281 — Dr. Dregger CDU/CSU 8578A Dr. Ehmke SPD 8584 B Hoppe FDP 8592 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 8596 C Dr. h. c. Leber SPD 8607 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8616 C Rapp (Göppingen) SPD 8619 D Genscher, Bundesminister AA 8623 B Voigt (Frankfurt) SPD 8629 B Möllemann, Staatsminister AA 8633 D Picard CDU/CSU 8636 B Coppik fraktionslos 8638 B Wieczorek (Duisburg) SPD 8639 C Präsident Stücklen 8596 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 9/2154, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksachen 9/2165, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 9/2158, 9/2281, 9/2289 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 in Verbindung mit Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 9/2160, 9/2281 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 8640 B Frau Traupe SPD 8641 C Dr. Zumpfort FDP 8644 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 8644 B, 8659 B Neumann (Stelle) SPD 8651 C Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 8653 D Popp FDP 8655 B Meinike (Oberhausen) SPD 8656 D Hansen fraktionslos 8659C, 8682A Kolbow SPD 8661 D Schluckebier SPD 8663 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8665 A Dr. Vohrer FDP 8667 D Dr. Holtz SPD 8669 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 8671 B Dr. Kreutzmann SPD 8673 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 8675 D Ronneburger FDP 8677 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8679A Wieczorek (Duisburg) SPD 8682A, B Reddemann CDU/CSU 8682 C Vizepräsident Wurbs 8681 D Nächste Sitzung 8683 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8684* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8577 138. Sitzung Bonn, den 14. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 14. 12. Dr. van Aerssen * 16. 12. Böhm (Melsungen) ** 15. 12. Brandt 16. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Lampersbach 17. 12. Liedtke 15. 12. Löffler 17. 12. Frau Luuk 14. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Rösch ** 16. 12. Schmidt (Wattenscheid) 14. 12. Schmöle 17. 12. Dr. Vohrer ** 16. 12. Weiskirch 17. 12. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Karl-Heinz Hansen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung zum Verteidigungsminister Dr. Wörner. Was Sie hier eben geboten haben, war schlicht und einfach semantischer Brei. Wenn Sie den Kollegen Meinike fragen, warum er nicht von den Raketen der Sowjetunion redet, die auf uns gerichtet sind: Wissen Sie nicht, daß seit 20 Jahren Raketen auch fast der gleichen Qualität auf uns gerichtet waren? Nur: Sie nennen das, was hier passiert, Modernisierung, und das, was dort passiert, Vorrüstung. Das nenne ich semantischen Brei und Verschleierung.
    Ihnen liegt ein Änderungsantrag vom Kollegen Coppik und mir auf Streichung der im NATO-Infrastrukturprogramm vorgesehenen Mittel vor. Mit diesem Geld sollen die bereits begonnenen Baumaßnahmen für die Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen in amerikanischer Verfügungsgewait beschleunigt vorangetrieben und die Voraussetzungen geschaffen werden, zusätzliche amerikanische Truppen im Kriegsfall in Europa schneller einsatzbereit zu machen. Über die Erhöhung dieser Mittel hat sich der Verteidigungsminister in Washington j a bereits mit der amerikanischen Regierung abgestimmt.
    Zahlreiche Äußerungen aus der Umgebung des amerikanischen Präsidenten und von Vertretern der NATO lassen keinen Zweifel daran, daß die US-Regierung fest entschlossen ist, mindestens die im NATO-Aufrüstungsbeschluß vom 12. Dezember 1979 genannte Zahl neuer Atomraketen in Europa zu stationieren.
    Die Verhandlungsbedingungen in Genf waren von Anfang an von der US-Regierung so unangemessen hoch angesetzt, daß eine Störung der Stationierungsentscheidung durch Verhandlungsergebnisse nicht zu befürchten war. Aus amerikanischer Sicht ist das auch konsequent; denn spätestens seit dem Januar 1981, dem Amtsantritt des Präsidenten Reagan, gibt es eine neue amerikanische Nuklearstrategie. Sie will den Atomkrieg nicht
    8660 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Hansen
    mehr nur verhindern, sondern ihn bis zu sechs Monaten führen und als Sieger beenden.
    Der amerikanische Vizepräsident George Bush hat dazu schon 1980 gesagt — ich zitiere —:

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Gut, daß das Ihre letzte Rede ist!)

    Das ist für den sinnlos, der glaubt, daß es bei einem Atomkrieg keinen Sieger gibt. Meine Meinung ist das nicht. Wenn die militärische Kommandozentrale, ein bestimmtes Industriepotential und die Zivilbevölkerung zu einem gewissen Prozentsatz überlebt und wenn man mehr Schaden anrichten kann bei seinem Gegner als er bei uns, dann gibt es auch einen Sieger.
    In dieser Kriegführungsstrategie spielt der begrenzte Atomkrieg eine zentrale Rolle. Der Gegner soll möglichst fern von den USA auf dem potentiellen Schlachtfeld Europa herausgefordert werden. Eines der militärischen Instrumente dazu sind die Pershing II und die Cruise missiles.
    Herr Colin S. Gray, heute Berater des Präsidenten Reagan, dazu:
    Im Kontext eines Atomkrieges über die Sowjetregierung zu sprechen, heißt, über einen bestimmten Zielkatalog sprechen. Nehmen wir an, es handelt sich um 100 Ziele. Wenn wir alle diese 100 Ziele treffen könnten, würden wir jedes Mitglied des Politbüros erwischen, jedes Mitglied des Zentralkomitees. Wir würden alle entscheidenden Bürokraten töten. Wir würden also dem sowjetischen Huhn den Kopf abschneiden.
    Ergänzt wird diese Kriegführungsstrategie heute durch einen immer heißer werdenden Wirtschafts-und Handelskrieg gegen die Sowjetunion, um durch Druck von außen — so wörtlich — „innere Reformen in der Sowjetunion" zu bewirken. Das steht in einem Dokument des Nationalen Sicherheitsrates der USA.
    Die Bundesregierung hat sich seit Jahren dieser agressiven Politik der USA ohne Rücksicht auf die Lebensinteressen des eigenen Volkes nicht nur unterworfen, sondern sie bemüht sich ständig, alles, was an offenen und öffentlichen Bekenntnissen aus Washington zu hören und zu lesen ist, herunterzuspielen und immer neue Beschwichtigungsargumente zu erfinden. Der Austausch der Bundesregierung ist in dieser Hinsicht nur eine Verschlechterung des Schlechten, ein Wandel vom vorauseilenden Gehorsam zu liebedienerischer Unterwürfigkeit gegenüber den USA.
    Aber was die Herren Gray, Pipes, Weinberger, Bush, Rostow, Nitze — alle der Reagan-Administration zugehörig — unmißverständlich unter dem Motto „Victory is possible" von sich geben, läßt sich nun einmal nicht aus der Welt reden.
    Der jüngste Beweis für die Gültigkeit der Kriegführungsdoktrin ist der geplante Rückzug des Führerhauptquartiers der US-Armee über den Ärmelkanal. Wohin soll sich eigentlich das im Stich gelassene Volk, wohin sollen sich eigentlich die potentiellen Schlachtopfer zurückziehen?

    (Beifall des Abg. Coppik [fraktionslos])

    Aber trotz Beschwichtigungs- und Verschleierungspolitik Ihrer Regierung beginnt es immer mehr Menschen in Europa zu dämmern, was ihnen und ihren Kindern jeden Tag blühen kann. Sie wollen nicht länger hilflose Geiseln einer verantwortungslosen Politik sein, so z. B. die 3 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, die mit dem Krefelder Appell fordern, „die Zustimmung zur Stationierung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern in Mitteleuropa zurückzuziehen und im Bündnis künftig eine Haltung einzunehmen, die unser Land nicht länger dem Verdacht aussetzt, Wegbereiter eines neuen, vor allem die Europäer gefährdenden nuklearen Wettrüstens sein zu wollen".
    Nun hören Sie von der Rechten doch endlich auf, die Friedensbewegung als kommunistisch gesteuert und antiamerikanisch zu diffamieren! Oder seien Sie doch wenigstens konsequent

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Wie kommen die sich denn vor?)

    und bezichtigen auch die katholischen Bischöfe, Wissenschaftler und Bürger in der amerikanischen Freeze-Bewegung antiamerikanischer Umtriebe. Dann sind Sie bei McCarthy angekommen. Bezeichnen Sie dann doch auch die Mehrheit im Kongreß gegen MX-Raketen konsequenterweise als MoskauFraktion, wie Sie das sonst so gerne tun. Mit dieser Goebbels-Strategie werden Sie die Friedensbewegung jedenfalls nicht stoppen.

    (Beifall des Abg. Coppik [fraktionslos])

    Es ist schon bedrückend zu sehen, wie sich Geschichte manchmal verhängnisvoll wiederholt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Prost!) — Bei mir ist das nur Wasser.

    Die neue Rechte, die ohnehin den zwielichtigen Gestalten des „Committee on the Present Danger" im Umfeld von Präsident Reagan traditionell geistig näher steht als irgendeine andere politische Gruppierung, will in den kommenden Wochen einen Raketenwahlkampf führen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sie hören „Radio Frieden und Freiheit"!)

    Das hatten wir schon einmal. Schon im März 1952, als vom Totrüsten der Sowjetunion gesprochen wurde, vertraute Adenauer, auf den Sie sich j a heute so gern berufen, einem Journalisten von United Press an — wörtlich —:
    Wer den Frieden will, der muß den Wettlauf mit der sowjetischen Atomrüstung veranstalten.
    Und als es um die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ging, lautete die Überschrift in der „New York Herold Tribune" vom 2. Mai 1958 — damals hatte Adenauer gerade seine Rede in Wipperfürth gehalten — wörtlich: „Adenauer eröffnet den Kampf für die Atomwaffen."
    Damals die Verniedlichung der Atomwaffen als eine Weiterentwicklung der Artillerie; heute die
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8661
    Hansen
    Verharmlosung neuer amerikanischer Punkt-Feuer-Raketen als Defensivwaffen, die zur Erhaltung von „Frieden und Freiheit" dienen.
    Diese Gebetsmühlenformel ist allerdings damals sehr viel offener erläutert worden, nämlich im Bundestag am 25. März 1958 von dem CDU-Abgeordneten Dr. Martin. Er sagte, die eigentliche Gefahr sei nicht die Atombombe, sondern die Existenz eines totalitären Systems.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Und jetzt kommt es: Die physische Vernichtung — ich weiß nicht, ob Sie dann auch noch nicken — sei leichter zu ertragen als die geistige Auslöschung. — Eine moralisch-theologische Rechtfertigung des gerechten Atomkriegs, was sonst! Die Christdemokraten sind auf dem Weg in die 50er Jahre also schon angekommen.
    Das kann man von der SPD allerdings nicht sagen. Obwohl sie der Friedensbewegung — von Teilen, die vorher schon drin waren, einmal abgesehen — mit hängender Zunge hinterherläuft, ist der Wandel durch Annäherung an diese Friedensbewegung noch nicht so weit gediehen, daß damit neue Wählerstimmen zu gewinnen wären.
    Damals, als es um die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ging, hat die SPD viele von ihr regierte Gemeinden durch Ratsbeschlüsse zu „atomwaffenfreien Zonen" erklären lassen. Am 13. Mai 1958 hat die SPD-geführte Landesregierung von Nordrhein-Westfalen im Landtag ausgeführt:
    Eine verantwortungsbewußte Landesregierung muß unter allen Umständen bestrebt sein, jeder zusätzlichen Erhöhung der Gefahren entgegenzuwirken. Eine solche zusätzliche Erhöhung der Gefahren für unser Land würde aber eintreten, wenn in Nordrhein-Westfalen atomare Waffen und Raketen stationiert würden. Dadurch würden strategisch bedeutende Ziele geschaffen, die den Einsatz relativ schwerer Atomwaffen gegen unser Land als sicher erscheinen lassen.
    Heute aber verbietet die SPD-Alleinregierung in Nordrhein-Westfalen den Gemeinden, sich zu atomwaffenfreien Zonen zu erklären — unter Berufung auf die Gemeindeordnung, z. B. in Marl. Das hatte damals die CDU in dieser Diskussion getan.
    Heute ist die Bundesrepublik dank der jahrelangen Mitwirkung der SPD mit atomaren Angriffswaffen und mit chemischen Waffen vollgestopft. Und heute hält die SPD wider besseres Wissen an der falschen Begründung für die Stationierung neuer amerikanischer Atomraketen fest. Es gibt zwar heute Streichungsanträge zum Verteidigungsetat. Aber auf eine namentliche Abstimmung haben Sie verzichtet, weil einige von Ihnen — so der ehemalige Verteidigungsminister Leber — konsequenterweise gesagt haben: Ich kann doch nach acht Wochen nicht ablehnen, wofür ich vor acht Wochen noch war. Sehr beachtlich. Ich finde das ja konsequent. Andere kriegen die Kurve da sehr viel schneller.
    Heute wehren sich auch immer mehr Menschen gegen den NATO-Aufrüstungsbeschluß. Denn sie wollen keine falschen Begründungen in neuer Wahlkampfverpackung, sondern sie wollen eine neue Politik, eine andere Politik.
    Und wir demokratischen Sozialisten fordern mit diesen Menschen: sofortige Einstellung der Stationierungsvorbereitungen — deshalb unser Änderungsantrag —, Abzug und Vernichtung der chemischen Waffen vom Boden der Bundesrepublik und vor allen Dingen eine aktive Politik für eine von ABC-waffenfreie Zone in Europa.

    (Beifall des Abg. Coppik [fraktionslos])

    Wer die Unterwerfungspolitik gegenüber den USA weiter fortsetzt, schadet den Lebensinteressen des eigenen Volkes. Er stört den inneren Frieden und wird sich an Eskalationen mitschuldig machen, wenn eines Tages einige von den Menschen, die Angst vor dem haben, was hier passiert, die die Gehörlosigkeit der Politiker leid sind und die eben nicht alte Argumente in neuer Verpackung hören wollen, hingehen und selbst nachsehen wollen, welche Gefahren ihnen von den hier lagernden und den in Aufstellung begriffenen atomaren und chemischen Waffen drohen.

    (Beifall des Abg. Coppik [fraktionslos])

    In den letzten Sätzen muß ich noch einmal auf die schnelle Wende des Kollegen Voigt eingehen, der sich jetzt ja auch — vor allen anderen — so vehement für die Offenlegung der Stationierungsorte ins Zeug legt. Vor einigen Tagen hat der Parlamentarische Staatssekretär Würzbach der neuen Rechtskoalition auf eine Frage in der Fragestunde hier im Bundestag erklärt, daß aus allen Parteien Einzelpersonen über diese Stationierungsorte bereits informiert seien. Kollege Voigt, machen Sie dann hier keine deklamatorischen Äußerungen mehr. Erkundigen Sie sich bei diesen Einzelpersonen, und erklären Sie den Menschen draußen, die an diesen Stationierungsorten wohnen, welche Gefahren ihnen drohen. Das wäre ehrlicher.

    (Beifall des Abg. Coppik [fraktionslos])

    Weil das so ist, möchte ich Sie bitten, die Sie andere Streichungsanträge angenommen haben, auch dem Streichungsantrag betreffend die Mittel für das NATO-Infrastrukturprogramm zuzustimmen, damit keine festen, unumstößlichen Fakten geschaffen werden und die Stationierungsvorbereitungen für die Aufstellung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen gestoppt werden. — Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall des Abg. Coppik [fraktionslos], des Abg. Schröder [Hannover] [SPD] sowie weiterer Abgeordneter der SPD)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile dem Abgeordneten Kolbow das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Kolbow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen drei Wortmeldungen, einschließlich derjenigen der Bundesregierung, darf ich hier zunächst einleitend bemerken, daß wohl überwiegend im Hause Einigkeit darüber besteht,
    8662 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Kolbow
    daß es eine sowjetische Bedrohung gibt und es deshalb zu verhandeln gilt, um nicht stationieren zu müssen. Das ist im übrigen — das möchte ich Ihnen noch einmal sagen, Herr Bundesverteidigungsminister — Beschlußlage der SPD von München. Wir sind eben die Partei der Verhandlungen. Wir halten Verhandlungen nicht für erfolglos, bevor sie beendet sind. Es ist bei uns auch guter Ton, daß diejenigen, die eine abweichende Begründung bei gleichem Votum zu diesem Einzelplan darlegen wollen, zu Wort kommen können. Dies gilt insbesondere auch für einen Kollegen, der das letzte Mal aus seiner politischen Situation heraus hier in diesem Hause gesprochen hat.
    Ich selbst möchte zum Ende der Debatte über den Einzelplan 14 zur Verteidigungspolitik der sozialdemokratischen Fraktion noch einmal das Wort nehmen und in der mir zur Verfügung stehenden kurzen Zeit, nachdem meine Vorredner aus dem Verteidigungsausschuß zu Einzelfragen des Haushalts Stellung genommen haben, die Frage der Glaubwürdigkeit der Verteidigungspolitik der neuen Regierung ansprechen. Ich tue dies im Vergleich der Reden der Kollegen der CDU/CSU in der Opposition zu ihrem heutigen Handeln in Regierungsverantwortung. Der Minister sagte vorhin: versprochen — gehalten! Die Bilanz sieht anders aus. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander.
    Wie soll denn, so frage ich, Vertrauen in die Politik gerade auf dem verteidigungspolitischen Gebiet insbesondere bei unseren Soldaten geschaffen werden, wenn die Unionsparteien und ihre Sicherheitspolitiker, an der Spitze Herr Wörner, Herr Würzbach und auch Herr Biehle, in der Opposition alles schwarz, schwärzer und am schwärzesten — das liegt ihnen — malten, wesentlich mehr Geld für die Bundeswehr verlangten und kaum, daß sie in der Regierung angelangt waren, nichts anderes oder nur unwesentlich anderes machten als die Sozialdemokraten? Meine Damen und Herren, entweder haben die Kollegen der Union in ihrer Oppositionszeit — zugegebenermaßen ohne Verantwortung — verantwortungslos gehandelt, oder sie sind sich jetzt ihrer Regierungsverantwortung bewußt und das, was sozialdemokratische Verteidigungsminister in der sozialliberalen Koalition getan haben, war richtig. Warum, so frage ich, war zu Oppositionszeiten, meine Damen und Herren auf der Rechten dieses Hauses, Ihr Protest gegen Kürzungen im sozialen Bereich durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz, die sicherlich schmerzlich genug waren, vorhanden, wenn Sie jetzt in der Regierung nichts anderes machen? Warum bleibt es beim Wegfall der Sparförderung der Wehrpflichtigen, wenn Sie sich in der Opposition so sehr darüber empörten?

    (Würzbach [CDU/CSU]: Weil die Schulden noch höher sind als erwartet!)

    Warum bleibt es bei der weiteren Senkung der Beitragsbemessungsgrundlage für die Beitragszahlung
    des Bundes zur Rentenversicherung bei Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden, wenn Sie in der Opposition so sehr dagegen waren?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist verbessert worden!)

    Warum das Beklagen des Fehls von Ausbildern in der Truppe, wenn Ihnen zur Beseitigung nichts einfällt, Herr Minister? Was Sie heute zu dieser beklagenswerten Situation vorgetragen haben, war kein durchgreifender Lösungsvorschlag.
    Warum Ihre früheren Forderungen nach Lösungen für die Dienstzeitbelastung der Soldaten, des Ausgleichs für Spitzendienstzeiten und der Dienstzeitregelung, wenn Sie jetzt keine umfassenderen Lösungsvorschläge in der Regierungsverantwortung auf den Tisch legen können?
    Haben Sie in der Opposition geschlafen? Jetzt merken Sie — ich nehme das auf, was Sie täglich spüren, Herr Kollege Würzbach —: Fordern allein genügt nicht; man muß auch bezahlen können. Wie unglaubwürdig müssen Sie in der Opposition gewesen sein, wenn Sie all das, was Sie damals wollten, jetzt nicht oder nur unzureichend einer Lösung zuführen können, wenn Sie auf der Rechten des Hauses die ausgabenwirksamen Gesetze der letzten Legislaturperioden mit beschlossen haben?
    Herr Minister, im Verteidigungsausschuß — vielleicht hören Sie mir freundlicherweise zu; das Parlament hat Anspruch auf Ihr Ohr — haben Sie sich — ich zitiere Sie wörtlich — als „Fanatiker des Konkreten" bezeichnet. Abgesehen davon, daß ich auf dem Stuhl des Verteidigungsministers keinen Fanatiker sitzen haben möchte, sondern lieber einen überzeugten Anhänger für alle Sorgen, Nöte und Probleme unserer Soldaten, stellt sich dann nicht doch die Frage, Herr Minister, wo Ihre konkreten Antworten auf das sind, was Sie gerade in Ihrer Person in der Opposition stets gefordert haben und nun in der Regierungsverantwortung nicht leisten können?
    Obwohl Sie einer Übergangsregierung angehören
    — das konzediere ich Ihnen —, kann man von Ihnen verlangen, daß Sie zumindest Akzente setzen, die Sie in der Opposition verlangt haben. Aber wie ist die Wirklichkeit?

    (Würzbach [CDU/CSU]: Noch viel besser!)

    — Ich würde mich freuen, Herr Kollege Würzbach, wenn es so wäre.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es ist wirklich so!)

    Der Kollege Neumann hat die Einzelheiten dargestellt. Ich darf noch einmal den Rahmen aufzeigen und ihn mit Ihren Absichten verbinden.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Das Volumen des Einzelhaushalts 14, das um 100 Millionen DM unter dem Entwurf der Vorgängerregierung liegt, schafft lediglich 1 000 zusätzliche Stellen für Zeitsoldaten. Wir sprachen davon. Es sieht 350 Stellenhebungen für Offiziere und Feldwebel vor, die aber aus Mannschaftsstellen genommen werden, und setzt zusätzlich 35 Millionen DM für den Spitzendienstzeitausgleich fest. Das sind alles
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8663
    Kolbow
    Dinge, die Unterstützung verdienen, die aber ein Tropfen auf den heißen Stein sind und Kürzungen bei der Beschaffung von Munition und Ausrüstung nach sich ziehen.
    Wir haben Sie im Verteidigungsausschuß darauf hingewiesen, daß Sie Erwartungshaltungen wecken und damit wohl auf den 6. März setzen; denn Sie wissen, Herr Minister, daß Panzer, Schiffe und Flugzeuge nicht wählen, aber die Soldaten und ihre Angehörigen. Wer aber in der Opposition so geredet hat, wie er in der Regierungsverantwortung nicht handelt, was macht der nach dem Wahltag?

    (Zustimmung bei der SPD)

    Schrauben Sie dann das, was Sie geringfügig im sozialen Bereich haben leisten können, zurück? Dazu kam bisher keine Antwort, meine Damen und Herren, und inbesondere auch nicht von Ihnen, Herr Dr. Wörner.
    Steht nicht zu befürchten, daß Sie sich wieder in Ihre Oppositionsauffassung hineinbewegen und dann, weil die Wahlen vorbei sind, Ihre Umschichtungen vom sozialen Bereich, vom Menschen weg stattfinden werden? Wie lange dauert Ihre Kreidezeit, Herr Dr. Wörner?
    Meine Damen und Herren, das sind Fragen über Fragen, die sich aus dem Widerspruch zwischen früheren Aussagen und Forderungen und dem jetzigen Verhalten ergeben. Dies ist, wie ich eingangs sagte, nicht nur die Frage nach der Glaubwürdigkeit dieses Ministers, sondern auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit dieser Regierung, und es ist auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Politik auf einem ganz besonders sensiblen Gebiet.
    Wer wie Herr Dr. Wörner als Spitzenkandidat der Südwest-CDU meint, unser Volk lechze in Wirklichkeit nach Führung, der muß auch sagen, wie er sich in seinem Verantwortungsbereich Führung vorstellt. Er muß sagen, was gilt, und nicht taktieren. Aber, wie gesagt, Anspruch und Wirklichkeit sind Ihr Problem. „Versprochen — gehalten"? Ich meine: nein.
    Wir Sozialdemokraten glauben, daß Soldaten und Bedienstete der Bundeswehr hinsichtlich der Ausgestaltung des Dienstes und seiner materiellen Rahmenbedingungen nicht schlechter behandelt werden dürfen als andere Bereiche des öffentlichen Dienstes. Die akuten Probleme auf diesem Gebiet habe ich genannt. Sie sind uns allen bekannt. Nur, die neue Regierung hat kein durchgreifendes Konzept, wie sie es in der Opposition immer versprochen hatte.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Wollen Sie in acht Wochen 13 Jahre reparieren, Herr Kollege?)

    Angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Lage — das haben Sozialdemokraten immer gesagt — werden wir sie nicht schnell lösen können. Wir lehnen deshalb auch jegliche Versprechungen ab. Zudem glauben wir, daß die Möglichkeit des vorhandenen Geräts voll genutzt werden muß, bevor jeweils die modernsten und teuersten neuen Geräte angeschafft werden.
    Die Investitionen im Waffenbereich sollten weder im sozialen Gebiet noch im Bildungsbereich noch stärker zu Lasten der Attraktivität des Soldatenberufes gehen. Die neue Regierung und der neue Bundesverteidigungsminister haben in diesem Zusammenhang keine Wege für die Zukunft aufgezeigt. Das gleiche gilt hinsichtlich der personellen Zukunft der Bundeswehr. Deshalb hat dieser Minister nicht das Vertrauen der SPD-Bundestagsfraktion — im Gegensatz zur Bundeswehr. Das dokumentieren wir durch die Ablehnung des Einzelplanes 14. Der Dank der Sozialdemokraten aber gilt allen Soldaten und Bediensteten unserer Streitkräfte für ihren schweren und verantwortungsvollen Dienst. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)