Rede von
Dr.
Manfred
Wörner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, ich komme sonst mit der Zeit nicht zu Rande.
Dann kommen Ihre Kürzungsvorschläge bei den laufenden Vorhaben der Schiffs- und Flugzeugbeschaffung mit zusammen 70 Millionen DM dazu. Mich würde einmal interessieren, wie Sie das beispielsweise der betroffenen deutschen Werftindustrie klarmachen wollen.
Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn wir Ihren Kürzungsvorschlägen folgten, würde das nicht nur bedeuten, daß die Erfüllung des Auftrags der Streitkräfte in Frage gestellt wäre, es würde auch erhebliche Risiken für weitere Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland nach sich ziehen.
— Frau Kollegin Traupe, Sie mögen das als unglaublich darstellen. Ich sage Ihnen, Ihre Kürzungsvorschläge erscheinen mir unglaublich. Ich denke etwa an die Tatsache, daß Sie in den Bereichen kürzen, die noch mein Vorgänger mit dieser Summe bedacht hat.
Nun aber zurück zu dem, wovon ich ausgegangen bin. Ich sprach vom sicherheitspolitischen Grundkonsens. Eine Ausprägung dieses Grundkonsenses heißt: Es darf in der Bundesrepublik Deutschland keine Wahlfreiheit zwischen Wehrdienst und zivilem Ersatzdienst geben. Dieser Bundestag hält an der allgemeinen Wehrpflicht fest. Das heißt: Staatsbürgerliche Grundpflicht jedes jungen Mannes bleibt die Ableistung des Wehrdienstes.
Daher, meine verehrten Damen und Herren, ist es so unglaublich wichtig, daß wir mehr tun als bisher, um das Bewußtsein von der Notwendigkeit der Verteidigung und den Willen zur Verteidigung zu wekken und wachzuhalten.
Über alle materiellen Dinge hinaus, über die wir hier diskutieren, über alle finanziellen Sorgen hinaus macht mir zweierlei die größten Sorgen: einmal der Verlust der Einsicht in den Sinn des Wehrdienstes und zum zweiten der weitverbreitete Eindruck derer, die gedient haben, auf Grund ihrer Erfahrung in der Bundeswehr, ihr Dienst in der Bundeswehr habe sich nicht gelohnt; es habe zuviel sinnlosen Leerlauf gegeben; man habe gegammelt. Hier sehe ich die zwei vorrangigen Schwerpunkte meiner Tätigkeit. Die Bundeswehr muß alle Möglichkeiten ausschöpfen, junge Wehrpflichtige vom Sinn des Dienens zu überzeugen, aber nicht nur die Bundeswehr, mehr noch die Schule in der Bundesrepublik Deutschland.
Deswegen appelliere ich noch einmal leidenschaftlich an die Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Verantwortung zu genügen.
8650 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
Bundesminister Dr. Wörner
Ich möchte dem Kollegen Kultussenator von Hamburg, Herrn Grolle, ausdrücklich widersprechen, der formuliert hat:
Ist nicht Zweifel geboten, ob es wirklich zum pädagogisch begründbaren Erziehungsauftrag der Schule gehört, für Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit zu sorgen?
Ich sage nein, und ich sage dieses Nein in Übereinstimmung mit einem früheren Bundeskanzler namens Willy Brandt und mit meinem Amtsvorgänger Hans Apel, die ebenfalls an die Kultusminister appelliert haben, ihrer Verantwortung zu genügen.
Der Bundestag als der Souverän dieses Volkes hat bis zum heutigen Tage an der allgemeinen Wehrpflicht festgehalten. In unserer Verfassung steht die Verteidigung, auch die Pflicht zur Verteidigung. Solange das so ist, solange können wir von denen, die an unseren Schulen unterrichten, erwarten, daß sie in den Schulen vom Sinn und der Notwendigkeit der Landesverteidigung und davon reden, daß sie eine Grundpflicht junger Staatsbürger ist.
Ich werde die Kultusminister — egal, welchen Bundeslandes, und gleichgültig, welcher parteipolitischen Zugehörigkeit — nicht aus der Verantwortung entlassen; denn die Bundeswehr ist nicht die Hilfsschule der Nation, sie ist auch nicht für den politischen Nachhilfeunterricht der Nation verantwortlich. Elternhaus und Schule haben hier ihrer Verantwortung zu genügen.