Herr Kollege Voigt, die erste Antwort darauf ist meine Frage an Sie: Wer ist „wir"? Ist die SPD neuerdings geschlossen für atomwaffenfreie Zonen, oder ist das die Stimme des Herrn Voigt entgegen der Stimme des früheren Bundeskanzlers?
Es wird Zeit, daß Sie erst einmal Klarheit über Ihre eigene Position in der SPD schaffen, ehe Sie sie mit Vorwürfen gegenüber uns verbinden.
Ich sage noch einmal: Wenn Sie als Partei oder wenn Sie als Fraktion dieses Ziel übernehmen und damit in Windeseile von der Sicherheitspolitik ihrer eigenen Bundesregierung Abschied nehmen, dann ist das Ihre Sache. Dabei habe ich nichts mitzureden. Nur gegen eines wehre ich mich mit aller Entschiedenheit: daß Sie diejenigen, die die Politik Ihrer Regierung in diesem Punkt übernommen haben, angreifen und sie verdächtigen, sie seien für schrankenlose Ausbreitung der Nuklearwaffen. Darum geht es doch.
— Ich sage Ihnen: Sie hatten vorher Ihre Möglichkeit, Ihre Argumente darzulegen. Jetzt müssen Sie sich meine anhören, Herr Voigt.
Ich sage Ihnen noch einmal: Atomwaffenfreie Zonen schützen nicht vor der Anwendung von Atomwaffen gegen diejenigen, die in solchen atomwaffenfreien Zonen leben, d. h. sie bieten keine zusätz-
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Bundesminister Dr. Wörner
liche Sicherheit für die Bürger. Das ist die Erkenntnis, um die es geht. Der Beweis dafür — ich bringe ihn noch einmal, obwohl er Ihnen offensichtlich nicht gefallen hat — ist: Die einzigen Atomwaffen, die je geworfen wurden in der Geschichte der Menschheit, sind auf ein Land geworfen worden, das keine Atomwaffen hatte. Deswegen können Sie den Bürgern nicht den Eindruck vermitteln wollen, als ob atomwaffenfreie Zonen ein Schutz gegen die Anwendung von Atomwaffen seien.
Der nächste Punkt, auf den ich noch kurz eingehen möchte: Sie haben sich dann mit der Frage beschäftigt, die in den letzten Tagen auch in der deutschen Öffentlichkeit heftig diskutiert wurde, nämlich mit den Überlegungen zur Verlegung des EUCOM-Hauptquartiers in Stuttgart. Herr Kollege Voigt, zunächst einmal: Die Meldung, mit der ich mich am letzten Freitag beschäftigt habe, liegt mir hier vor, auf Grund Ihrer Zwischenfrage. Es war die Meldung des „Guardian" — in Großbritannien —, in der es hieß, die amerikanische Regierung habe beschlossen, das Hauptquartier ihrer Truppen in Europa von Stuttgart nach Großbritannien zu verlegen. Ich habe daraufhin gesagt, ich halte das für eine Falschmeldung. Ich wiederhole das hier und sage Ihnen: Das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa bleibt in Stuttgart. Das ist klar und eindeutig und ist auch von der amerikanischen Regierung so bekräftigt.
Das zweite, womit ich mich auf Grund Ihrer Zwischenfrage beschäftigt habe, ist die Behauptung in der Meldung des „Guardian" — „auf Grund dieser Nachricht" heißt es hier —, seien Militär- und Kongreßkreise in Washington überzeugt, daß die NATO-Streitkräfte in einem europäischen Krieg nicht in der Lage wären, Westdeutschland zu halten. Ich habe nicht angestanden, auch diese Schlußfolgerung als das zu bezeichnen, was sie ist: eine eklatante tendenziöse Falschmeldung. Denn alles, was wir beobachten können, deutet darauf hin, daß die Amerikaner versuchen, ihre Truppenverbände nicht nur weiter nach vorne zu bringen, sondern sie in einem Ernstfall zu verstärken. Das heißt, sie wollen Europa nicht preisgeben, sondern sie wollen deutlich machen: sie halten zu Europa, sie schützen dieses Europa, und sie schrecken vor einem Krieg ab. Angesichts dieser Tatsache, das kann ich nur sagen, ist diese tendenziöse Falschmeldung das, als was ich sie gekennzeichnet habe.
Jetzt komme ich zu der anderen Geschichte, die man als das darstellen muß, was es ist, nämlich als etwas Selbstverständliches: Daß in dem Augenblick, in dem es zu einem Krisenfall käme,
die eigentlichen Aufgaben der operativen Führung der Streitkräfte auf General Rogers in seinem Hauptquartier in Belgien übergingen, ist klar und eindeutig. Auch hier kann man also nicht davon sprechen, daß die Amerikaner weg- oder zurückverlegen. Was bliebe dann für ein solches Hauptquartier der amerikanischen Truppen? Aufgaben von Nachschub, von Verstärkung und allgemeiner Truppenverwaltung. Ich sage Ihnen: Es ist nicht nur sinnvoll, es ist etwas absolut Normales, daß man sich hier Ausweichüberlegungen macht. Daraus eine so sensationelle Nachricht abzuleiten, bringen eben nur Leute fertig, denen es im Grunde genommen darum geht, Angst und Unsicherheit in Europa zu verbreiten, statt das zu tun, was unsere Aufgabe ist: die Bevölkerung aufzuklären und ihr die Gewißheit zu geben, daß sie geschützt wird und daß wir alles versuchen, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern.
Nun zum Etat! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, eine Erkenntnis ist grundlegend: Ohne die Bundeswehr, ohne die Soldaten der Bundeswehr gäbe es weder Frieden noch Freiheit. Daher wird diese Bundesregierung alles daransetzen — ich hoffe, mit der Unterstützung aller Fraktionen —, den Soldaten der Bundeswehr den Respekt und die Anerkennung zu verschaffen und zu sichern, die sie auf Grund dieser Tatsache verdienen.
Den Soldaten der Bundeswehr sage ich: Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben. Ganz im Gegenteil! Sie tun einen Dienst im Interesse aller unserer Bürger, ihrer Sicherheit, ihrer Freiheit und des Friedens. Deswegen hat der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Kohl, und habe auch ich nicht angestanden, diesen Dienst das zu nennen, was er ist: ein Ehrendienst im Interesse unseres Volkes.
Deswegen werden wir gegen alle jene zu Felde ziehen, die da versuchen, die Bundeswehr zu verunsichern oder sie in Frage zu stellen. Die Soldaten der Bundeswehr brauchen keine Angst zu haben: Wir werden sie nicht allein lassen.
Die Soldaten der Bundeswehr müssen erkennen können, daß sie von den Politikern, von der politischen Führung, und das heißt auch vom Parlament insgesamt, getragen werden, daß dieses Parlament, daß wir alle zu ihnen stehen. Es sind unsere Soldaten. Deswegen werden wir sie nicht in den Kasernen verstecken. Das ist die feste und erklärte Absicht dieser Bundesregierung. Und deswegen wird es auch in Zukunft da und dort — nicht im Übermaß, aber in einem sinnvollen Ausmaß — öffentliche Gelöbnisse geben, weil wir es für selbstverständlich halten, daß junge Staatsbürger, die aus unserem Volk kommen, die für dieses Volk Dienst tun, dies auch vor diesem unserem Volk öffentlich geloben.
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Deswegen braucht sich auch kein junger Wehrpflichtiger, der die Uniform des Soldaten anzieht, zu genieren oder sich für den Dummen zu halten. Er ist nicht der Dumme; er ist derjenige, der erkannt hat, daß eine Gemeinschaft, daß ein Volk, wenn es leben will, den Dienst derer braucht, die nicht nur nach sich, sondern auch nach anderen fragen.