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ID0913806900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 Inhalt: Eintritt der Abg. Ginsberg und Riebensahm in den Deutschen Bundestag . . . 8577 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksachen 9/1920, 9/2050, 9/2139 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 9/2141, 9/2281 — . . . . 8577 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 9/2142, 9/2281 — . . . . 8577 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 9/2143, 9/2281 — . . . . 8577 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 9/2144, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 9/2145, 9/2281 — Dr. Dregger CDU/CSU 8578A Dr. Ehmke SPD 8584 B Hoppe FDP 8592 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 8596 C Dr. h. c. Leber SPD 8607 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8616 C Rapp (Göppingen) SPD 8619 D Genscher, Bundesminister AA 8623 B Voigt (Frankfurt) SPD 8629 B Möllemann, Staatsminister AA 8633 D Picard CDU/CSU 8636 B Coppik fraktionslos 8638 B Wieczorek (Duisburg) SPD 8639 C Präsident Stücklen 8596 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 9/2154, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksachen 9/2165, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 9/2158, 9/2281, 9/2289 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 in Verbindung mit Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 9/2160, 9/2281 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 8640 B Frau Traupe SPD 8641 C Dr. Zumpfort FDP 8644 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 8644 B, 8659 B Neumann (Stelle) SPD 8651 C Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 8653 D Popp FDP 8655 B Meinike (Oberhausen) SPD 8656 D Hansen fraktionslos 8659C, 8682A Kolbow SPD 8661 D Schluckebier SPD 8663 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8665 A Dr. Vohrer FDP 8667 D Dr. Holtz SPD 8669 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 8671 B Dr. Kreutzmann SPD 8673 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 8675 D Ronneburger FDP 8677 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8679A Wieczorek (Duisburg) SPD 8682A, B Reddemann CDU/CSU 8682 C Vizepräsident Wurbs 8681 D Nächste Sitzung 8683 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8684* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8577 138. Sitzung Bonn, den 14. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 14. 12. Dr. van Aerssen * 16. 12. Böhm (Melsungen) ** 15. 12. Brandt 16. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Lampersbach 17. 12. Liedtke 15. 12. Löffler 17. 12. Frau Luuk 14. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Rösch ** 16. 12. Schmidt (Wattenscheid) 14. 12. Schmöle 17. 12. Dr. Vohrer ** 16. 12. Weiskirch 17. 12. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Walter Picard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Staatsminister Möllemann hat im wesentlichen auf das, was Herr Kollege Voigt hier vorgetragen hat, geantwortet. Ich möchte mir aber erlauben, noch ein paar Bemerkungen zu machen.
    Herr Kollege Voigt, bei dem Wort „Vertrauensbruch" bin ich leicht zusammengezuckt, weil ich mich an die Große Koalition erinnert habe, an das Verhalten von Teilen unseres damaligen Regierungspartners, der hinter dem Rücken des Bundeskanzlers gewisse Verhandlungen geführt hat, ohne dem Regierungschef ein Wort davon zu sagen. Vertrauensbruch war das in einem hohen Maße,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Kommunistische Partei Italiens! — Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Das war der Herr Ehmke mit der KPI!)

    während das, was Sie als Vertrauensbruch bezeichnet haben, nichts anderes als die Wahrnehmung verfassungsmäßiger Rechte für jedermann hier in diesem Parlament gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben gemeint, Sie müßten die neue Regierung als eine Regierung der Rüstung bezeichnen: „Erst rüsten, dann verhandeln." Wer das behauptet, Herr Kollege Voigt, der hört in diesem Parlament nicht zu, der liest keine Regierungserklärung und liest auch keine Zeitung, sondern er bleibt in seinem vorgefaßten Irrtum, weil er sich in diesem Irrtum wohlfühlt. Bleiben Sie dabei!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Der hört auf Mies!)

    Nur dient das nicht Ihrem Nutzen — das könnte mir egal sein —, es gereicht der deutschen Politik zum Schaden, und das ist mir nicht egal.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine Bemerkung zur Türkei-Hilfe: Wir haben im vergangenen Jahr die Türkei-Hilfe nach einer ausführlichen Debatte im Auswärtigen Ausschuß und hier im Parlament unter Voraussetzungen der innenpolitischen Lage in der Türkei gewährt, die wesentlich schlechter waren als in diesem Jahr. Ich kann also nur feststellen, daß die Resolution des Deutschen Bundestages, auf die der Türkei-Bericht zurückgeht, von Erfolg gewesen ist. Der Unterschied besteht lediglich in der Einschätzung einer pädagogischen Maßnahme — ob man die Maßnahme der Ermutigung ergreift oder die Maßnahme der Bestrafung. Wenn jemand auf dem guten Weg ist, sollte man ihn ermutigen und nicht bestrafen, daß er diesen guten Weg noch nicht bis zum Ende gegangen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sind deshalb der Meinung, daß die Türkei-Hilfe eine Anerkennung der bisherigen Bemühungen innerhalb der Türkei ist, dem Petitum der Resolution, die wir uns ausdrücklich noch einmal zu eigen machen, gerecht zu werden, wenn auch — und da stimmen wir überein — noch nicht mit dem Ergebnis, das wir im vergangenen Jahr gewünscht haben.
    Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren. Wir haben damals beschlossen:
    Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung um eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme und um die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit der mit der Bundesrepublik Deutschland befreundeten und verbündeten Republik Türkei. Er befindet sich dabei in Übereinstimmung mit dem Beschluß der OECD, langfristig zur Gesundung der türkischen Wirtschaft beizutragen.
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8637
    Picard
    Der Deutsche Bundestag erinnert daran, daß die Türkei wie alle Mitglieder des Atlantischen Bündnisses und des Europarates besondere Verpflichtungen zur Wahrung der Grundsätze der Demokratie, der Herrschaft des Rechtes, der Freiheit der Person und der Menschenrechte übernommen hat.
    Wir bleiben dabei, und wir hoffen, daß die Entscheidung, die wir im Auswärtigen Ausschuß und im Haushaltsausschuß mit Mehrheit getroffen haben, für die Türkei ein Ansporn ist, den Weg weiterzugehen, auf dem sie sich befindet und volle demokratische Rechte wieder herzustellen.
    Ich möchte abschließend nur noch daran erinnern — auch das befindet sich im Bericht der Bundesregierung —, daß vor der Übernahme durch die jetzige Regierung nach dem Bericht unserer Botschaft innerhalb von 22 Monaten 3 710 Todesopfer des Terrorismus zu beklagen waren, daß diese Zahl vom 12. September 1980 an, also für einen länger dauernden Zeitraum, auf 357 gefallen ist. Seit dem 12. September 1981 sind 60 Todesopfer als Folge des Terrorismus zu beklagen; das ist immer noch beklagenswert, aber im Verhältnis zu der erstgenannten Zahl doch erheblich weniger. Das war die Ursache für den Wechsel der demokratischen zu einer undemokratischen Regierung, die aber auf dem Weg ist, demokratische Rechte wiederherzustellen. Wir bleiben dabei, das Instrument der Ermutigung ist ein besseres Instrument als der der Bestrafung für einen noch nicht vollständig zurückgelegten Weg.
    Nun einige wenige Bemerkungen zum Einzelplan 05. Ich möchte noch einmal die Erfolgsbilanz der neuen Bundesregierung der Mitte — Kollege Voigt, Sie sollten sich angewöhnen, die Nachfolgeregierung, die die liberalsozialistische Regierung abgelöst hat, als Regierung der Mitte zu bezeichnen —,

    (Zuruf von der SPD: Rechtskoalition!)

    der Regierung Kohl/Genscher, in wenigen Punkten der Außenpolitik deutlich machen. Die neue Bundesregierung hat in wenigen Wochen das ramponierte Ansehen der Bundesrepublik im Ausland wiederhergestellt. Die Bundesrepublik hat im Westen Zuverlässigkeit, Verständnis, Sympathie, also das zurückgewonnen, was wir brauchen, um eine an den Interessen unseres Volkes ausgerichtete Außenpolitik zu treiben. Wir genießen Ansehen und Respekt bei unseren östlichen Nachbarn, einschließlich der Sowjetunion, und zwar in höherem Maße als noch vor wenigen Monaten. Die Behauptung, eine CDU/CSU-geführte Regierung sei eine Gefahr für den Frieden — Sie werden nicht müde, das Tag für Tag zu verkünden —, hat sich als eine leichtfertige, wenn nicht als eine böswillige bloße Behauptung entpuppt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Gegenteil ist richtig. Unsere konsequente, klare, eindeutige Haltung, die auf gute Nachbarschaft und Interessenausgleich gerichtete Politik hat die Chancen für eine aktive Friedenspolitik und Abrüstung vergrößert. Die deutsche Außenpolitik ist wieder berechenbar geworden.
    Die Bundesrepublik hat der europäischen Zusammenarbeit neue Impulse gegeben und damit das Gewicht Europas verstärkt. Nicht zuletzt dies war eine Voraussetzung für die Beilegung der Differenzen der Europäischen Gemeinschaft mit den Vereinigten Staaten in einigen wichtigen Fragen des Verhaltens gegenüber dem Ostblock und den unterschiedlichen Standpunkten bezüglich des Handels mit Stahl und Agrarprodukten. Besonders der Bundeskanzler hat durch sein besonnenes, freundliches, von ungekünstelter Würde und selbstverständlicher Sicherheit

    (Bindig [SPD]: Einfältiges Gegrinse! — Dr. Marx [CDU/CSU]: Und ohne Schulmeisterei!)

    gekennzeichnetes Auftreten dazu beigetragen, klimatische Turbulenzen zu beruhigen und eine Atmosphäre des Vertrauens wieder herzustellen. Einen erhobenen Zeigefinger hat er dazu nicht gebraucht.
    Erlauben Sie mir noch wenige Bemerkungen zum Haushalt. Der Haushalt des Auswärtigen Amtes war von der alten Regierung aufgestellt worden. Er konnte kaum verändert werden. Wir hätten gern auch im Personalbereich ein paar Akzente anders gesetzt. Das Auswärtige Amt hat heute weniger Mitarbeiter als vor zehn Jahren. Es muß aber eine Fülle von zusätzlichen Aufgaben wahrnehmen, besonders im internationalen Bereich, einschließlich neuer Vertretungen. Wir bedauern, daß das Amt nicht von Stellenkürzungen ausgenommen werden konnte. Wir erwarten von der Bundesregierung aber im nächsten Haushalt eine Berücksichtigung dieser Situation. Die Empfehlungen der Reformkommission „Auswärtiger Dienst" sollten verwirklicht werden. Sie sind zwar zehn Jahre alt, aber sie sind immer noch richtig. Das betrifft besonders Zahl und Bedeutung des mittleren Dienstes. Wir wünschen, daß auch bei den diesjährigen Stelleneinsparungen der mittlere Dienst ausgenommen wird.
    Unsere außenpolitische Arbeitsgruppe hat sich eingehend mit der Personalsituation des Auswärtigen Amtes beschäftigt. Sie hält es nicht mehr länger für vertretbar, das Instrument allgemeiner Stellenkürzungen im Auswärtigen Amt so wie bisher aufrechtzuerhalten.
    Auch bei der auswärtigen Kulturpolitik hätten wir gewünscht, daß die Präsenz der Bundesrepublik in den Vereinigten Staaten eine größere Priorität erfahren hätte und dem Antrag meiner Fraktion auf Verdoppelung der Anzahl der Kulturinstitute hätte Rechnung getragen werden können. Immerhin konnten wir aus Anlaß des 300. Jahrestages der ersten Einwanderung Deutscher nach Nordamerika im Jahre 1683 für besondere Vorhaben in den Vereinigten Staaten im nächsten Jahr 2 Millionen DM zusätzlich gewinnen, allerdings durch Kürzung der Verfügungsmittel des Außenministers. Wir erwarten vom Auswärtigen Amt, daß es auf das GoetheInstitut mit Nachdruck einwirkt, trotz der Personalenge eine personelle Verstärkung der Institute in den Vereinigten Staaten vorzunehmen.
    8638 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Picard
    Wie im Haushaltsausschuß beschlossen, fordern wir das Auswärtige Amt auf, im Benehmen mit den Ländern dafür zu sorgen, daß die Personalkosten im Bereich der Auslandsschulen nicht ins Uferlose steigen. Wir müssen zwar der wachsenden Zahl von deutschen Kindern im Ausland — eine Folge der wachsenden internationalen Bedeutung der Bundesrepublik und ihrer weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung — Schulen anbieten können, die mindestens der Qualität unserer heimischen entsprechen, es kann aber doch nicht wahr sein, daß Tausende von Lehrern es vorziehen sollten, arbeitslos zu sein, statt an einer Auslandsschule eine Stelle anzunehmen, auch wenn diese nicht alles in allem 120 000 bis 130 000 DM kostet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die deutsche Außenpolitik hat an Profil gewonnen. Die Kontinuität, soweit in unserem Interesse, ist begrüßenswert. Die Außenpolitik der neuen Regierung der Mitte ist berechenbar. Sie zeichnet sich aus durch Eindeutigkeit, durch Festigkeit und ist eine Garantie für Sicherheit, Freiheit und Frieden. Meine Fraktion dankt dem Herrn Außenminister und seinen Mitarbeitern.
    Wir stimmen dem Etat des Auswärtigen Amtes zu.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Zur Begründung eines Antrages hat der Abgeordnete Coppik das Wort.
— Herr Abgeordneter, ich nehme an, Sie wissen, daß Sie eine begrenzte Redezeit haben.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Manfred Coppik


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag auf Drucksache 9/2321 beantragen wir

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist „wir"?)

    — der Kollege Hansen und ich —, die Militärhilfe für die Türkei zu streichen. Es ist nicht das erste Mal, daß wir einen solchen Antrag hier stellen. Alle Jahre wieder unterhalten wir uns hier

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — ich weiß nicht, vielleicht ist die Sache nicht ganz so lustig, meine Damen und Herren;

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das letzte Mal! — Wie traurig!)

    ich halte das für ein Problem, das wirklich so schwerwiegend ist, daß es vielleicht nicht mit so ein paar kleinen Scherzchen abgetan werden sollte — über Hunderte von Millionen Mark, die alljährlich an die Militärdiktatur in der Türkei gezahlt werden. Dabei werden immer wieder schöne Worte gefunden, Entschließungen verabschiedet, Erwartungen zum Ausdruck gebracht. Nur, geändert hat sich nichts, jedenfalls kaum zum Guten. Die Bundesrepublik zahlt, und in der Türkei werden politisch Verfolgte weiterhin — in vielen Fällen bis zum Tode — gefoltert. Von rechtsstaatlichen Prinzipien ist nach wie vor keine Rede. Die Repressionen gegen Minderheiten, insbesondere gegen Kurden, wurden verstärkt. Speziell ausgebildete Kommandoeinheiten überfallen und durchkämmen die gesamten Dörfer und Städte Kurdistans.
    Die Unterstützungspolitik der Bundesregierung — beider Bundesregierungen; Herr Genscher bürgt da für Kontinuität — hat die türkischen Militärs nicht zu Demokraten gemacht, wohl aber hat diese Unterstützungspolitik psychologische Auswirkungen auf bestimmte Kräfte in der bundesdeutschen Bürokratie und Justiz gehabt. Was da als Folge der Verharmlosung des türkischen Staatsterrors durch das Auswärtige Amt geschieht, etwa in Asylverfahren von politisch verfolgten Kurden, kann nur noch als ein Skandal bezeichnet werden.

    (Zustimmung des Abg. Hansen [fraktionslos])

    Mit einer unglaublichen Menschenverachtung übernehmen inzwischen deutsche Behörden und einige Gerichte — Institutionen in einer parlamentarischen Demokratie also — inhaltlich Positionen der türkischen Militärdiktaktur. Das geschieht bis hin zum Sprachgebrauch. Bewaffnete Terroreinsätze türkischer Kommandoeinheiten gegen kurdische Dörfer werden vom Bundesamt in Zirndorf als „Befriedigungsaktionen" bezeichnet. Menschen, die sich dagegen wehren, sind „Terroristen". Menschen, die — ohne irgendeine Gewalttätigkeit zu begehen — für kulturelle Autonomie für Kurden, für das Recht auf den Gebrauch der eigenen Muttersprache eintreten, sind nach türkischem „Recht" „Separatisten", deren Strafverfolgung laut Bundesamt Rechtens ist. Originalton Zirndorf:
    Es muß deshalb als zulässig angesehen werden, daß der türkische Staat — anders als z. B. die Bundesrepublik Deutschland — separatistische Bestrebungen schon dann mit Strafe bedroht, wenn sie, wie im gegebenen Fall, nicht auf Gewalttätigkeiten hinauslaufen, sondern lediglich in Form einer Meinungsäußerung sich manifestieren.
    Daß dabei gefoltert wird, ist zwar nicht schön, aber nun mal in der Türkei üblich und jedenfalls kein Grund, weshalb man den Gefolterten nicht an seine Folterknechte wieder ausliefern sollte. Was schließlich in der befreundeten und von uns finanzierten Türkei Recht ist, kann in der Bundesrepublik kein Unrecht sein.
    Mit kaum überbietbarem Zynismus stellt das Bundesamt in dem von mir eben zitierten Fall — es handelt sich da um den bekannten kurdischen Rechtsanwalt Serafetin Kaya — fest, ihm drohe nach seiner Rückkehr die Verhaftung und Strafverfolgung. Der Bescheid liest sich wie eine türkische Anklageschrift: Separatismus, Schädigung des Ansehens der Türkei, Zuchthaus nicht unter fünf Jahren — aber das alles quasi Rechtens, wobei ständig auf die Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes Bezug genommen wird.
    Man stelle sich vor, ein Litauer tritt für die Selbständigkeit Litauens ein, wird deshalb in der Sowjetunion verhaftet, flieht und kommt in die Bundesrepublik. Man stelle sich vor, die Bundesrepublik schiebt ihn wieder in die Sowjetunion ab. Unvorstellbar, obwohl den Litauern niemand bei
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8639
    Coppik
    Strafe den Gebrauch ihrer Muttersprache verbietet.
    Im Falle Serafetin Kaya ist es drohende Wirklichkeit, und kein Mensch stellt die Frage, ob Beamte und Richter, die zulassen, daß ein Gefolterter wieder seinem Folterer zugeführt wird, die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit für die freiheitlichdemokratische Grundordnung eintreten.

    (Zustimmung des Abg. Hansen [fraktionslos] und von Abgeordneten der SPD)

    Möglich wird das alles allerdings nur durch die ständige Verharmlosung und Verniedlichung der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei durch das Auswärtige Amt. 170 000 politische Gefangene, über 100 zu Tode Gefolterte, Tausende zu Krüppeln Gefolterte, Massenprozesse, die jedem rechtsstaatlichen Maßstab hohnsprechen — was spielt das schon für eine Rolle, wenn es darum geht, die Südostflanke der NATO zu stärken!
    Einer der Gefolterten ist der frei gewählte Bürgermeister der alten kurdischen Hauptstadt Diyarbakir, Mehdi Zana. Das Verbrechen dieses von der Bevölkerung der Halbmillionenstadt direkt gewählten Menschen: Er bekennt sich zum Kurdentum. Einer der Vorwürfe in der Anklageschrift lautet, daß für die Autobusse, die die Stadt Paris der Stadt Diyarbakir geschenkt hat, bei der Überführung von Paris nach Diyarbakir als Zielland Kurdistan aufgeschrieben war und daß er bei seinen Wahlreden kurdisch als Sprache benutzt hat. Seit seiner Verhaftung kurz nach dem Putsch wird er im Militärgefängnis seiner Heimatstadt nahezu ununterbrochen Folterungen ausgesetzt und wird, wenn überhaupt lebend, dann als Krüppel das Gefängnis verlassen. Man möge die Berichte seiner Schwester lesen, die ihn einige Male besuchen konnte und die in Schweden Zuflucht gefunden hat. Bei uns wäre sie wohl in die Türkei ausgeliefert worden.
    Das Auswärtige Amt ist nicht einmal in der Lage, harmlose deutsche Touristen zu schützen, wie etwa Ralph Braun, der seit Monaten im türkischen Gefängnis sitzen muß, weil er in einem Gespräch die unbestreitbare geschichtliche Tatsache erwähnte, daß in der Türkei einmal die armenische Minderheit verfolgt wurde.
    Das alles macht deutlich, daß letztlich ohne jegliche Bedingungen gezahlt werden soll. Hunderte von Millionen Mark werden zur Stabilisierung einer Militärdiktatur zur Verfügung gestellt, gleichzeitig sollen durch die Fortsetzung der Militär- und Rüstungshilfe nach eigenen Bekundungen der Bundesregierung andere Stellen, wie etwa die EG-Kommission, dazu ermuntert werden, ebenfalls die Diktatur in der Türkei zu stützen. Mit dieser Politik macht sich die Bundesregierung mitschuldig an der Fortsetzung der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.
    Ich rufe alle auf, denen es wirklich ernsthaft um die Wahrung der Menschenrechte geht, unserem Streichungsantrag zuzustimmen. — Danke schön.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Beifall des Abg. Hansen [fraktionslos])