Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Staatsminister Möllemann hat im wesentlichen auf das, was Herr Kollege Voigt hier vorgetragen hat, geantwortet. Ich möchte mir aber erlauben, noch ein paar Bemerkungen zu machen.
Herr Kollege Voigt, bei dem Wort „Vertrauensbruch" bin ich leicht zusammengezuckt, weil ich mich an die Große Koalition erinnert habe, an das Verhalten von Teilen unseres damaligen Regierungspartners, der hinter dem Rücken des Bundeskanzlers gewisse Verhandlungen geführt hat, ohne dem Regierungschef ein Wort davon zu sagen. Vertrauensbruch war das in einem hohen Maße,
während das, was Sie als Vertrauensbruch bezeichnet haben, nichts anderes als die Wahrnehmung verfassungsmäßiger Rechte für jedermann hier in diesem Parlament gewesen ist.
Sie haben gemeint, Sie müßten die neue Regierung als eine Regierung der Rüstung bezeichnen: „Erst rüsten, dann verhandeln." Wer das behauptet, Herr Kollege Voigt, der hört in diesem Parlament nicht zu, der liest keine Regierungserklärung und liest auch keine Zeitung, sondern er bleibt in seinem vorgefaßten Irrtum, weil er sich in diesem Irrtum wohlfühlt. Bleiben Sie dabei!
Nur dient das nicht Ihrem Nutzen — das könnte mir egal sein —, es gereicht der deutschen Politik zum Schaden, und das ist mir nicht egal.
Eine Bemerkung zur Türkei-Hilfe: Wir haben im vergangenen Jahr die Türkei-Hilfe nach einer ausführlichen Debatte im Auswärtigen Ausschuß und hier im Parlament unter Voraussetzungen der innenpolitischen Lage in der Türkei gewährt, die wesentlich schlechter waren als in diesem Jahr. Ich kann also nur feststellen, daß die Resolution des Deutschen Bundestages, auf die der Türkei-Bericht zurückgeht, von Erfolg gewesen ist. Der Unterschied besteht lediglich in der Einschätzung einer pädagogischen Maßnahme — ob man die Maßnahme der Ermutigung ergreift oder die Maßnahme der Bestrafung. Wenn jemand auf dem guten Weg ist, sollte man ihn ermutigen und nicht bestrafen, daß er diesen guten Weg noch nicht bis zum Ende gegangen ist.
Wir sind deshalb der Meinung, daß die Türkei-Hilfe eine Anerkennung der bisherigen Bemühungen innerhalb der Türkei ist, dem Petitum der Resolution, die wir uns ausdrücklich noch einmal zu eigen machen, gerecht zu werden, wenn auch — und da stimmen wir überein — noch nicht mit dem Ergebnis, das wir im vergangenen Jahr gewünscht haben.
Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren. Wir haben damals beschlossen:
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung um eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme und um die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit der mit der Bundesrepublik Deutschland befreundeten und verbündeten Republik Türkei. Er befindet sich dabei in Übereinstimmung mit dem Beschluß der OECD, langfristig zur Gesundung der türkischen Wirtschaft beizutragen.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8637
Picard
Der Deutsche Bundestag erinnert daran, daß die Türkei wie alle Mitglieder des Atlantischen Bündnisses und des Europarates besondere Verpflichtungen zur Wahrung der Grundsätze der Demokratie, der Herrschaft des Rechtes, der Freiheit der Person und der Menschenrechte übernommen hat.
Wir bleiben dabei, und wir hoffen, daß die Entscheidung, die wir im Auswärtigen Ausschuß und im Haushaltsausschuß mit Mehrheit getroffen haben, für die Türkei ein Ansporn ist, den Weg weiterzugehen, auf dem sie sich befindet und volle demokratische Rechte wieder herzustellen.
Ich möchte abschließend nur noch daran erinnern — auch das befindet sich im Bericht der Bundesregierung —, daß vor der Übernahme durch die jetzige Regierung nach dem Bericht unserer Botschaft innerhalb von 22 Monaten 3 710 Todesopfer des Terrorismus zu beklagen waren, daß diese Zahl vom 12. September 1980 an, also für einen länger dauernden Zeitraum, auf 357 gefallen ist. Seit dem 12. September 1981 sind 60 Todesopfer als Folge des Terrorismus zu beklagen; das ist immer noch beklagenswert, aber im Verhältnis zu der erstgenannten Zahl doch erheblich weniger. Das war die Ursache für den Wechsel der demokratischen zu einer undemokratischen Regierung, die aber auf dem Weg ist, demokratische Rechte wiederherzustellen. Wir bleiben dabei, das Instrument der Ermutigung ist ein besseres Instrument als der der Bestrafung für einen noch nicht vollständig zurückgelegten Weg.
Nun einige wenige Bemerkungen zum Einzelplan 05. Ich möchte noch einmal die Erfolgsbilanz der neuen Bundesregierung der Mitte — Kollege Voigt, Sie sollten sich angewöhnen, die Nachfolgeregierung, die die liberalsozialistische Regierung abgelöst hat, als Regierung der Mitte zu bezeichnen —,
der Regierung Kohl/Genscher, in wenigen Punkten der Außenpolitik deutlich machen. Die neue Bundesregierung hat in wenigen Wochen das ramponierte Ansehen der Bundesrepublik im Ausland wiederhergestellt. Die Bundesrepublik hat im Westen Zuverlässigkeit, Verständnis, Sympathie, also das zurückgewonnen, was wir brauchen, um eine an den Interessen unseres Volkes ausgerichtete Außenpolitik zu treiben. Wir genießen Ansehen und Respekt bei unseren östlichen Nachbarn, einschließlich der Sowjetunion, und zwar in höherem Maße als noch vor wenigen Monaten. Die Behauptung, eine CDU/CSU-geführte Regierung sei eine Gefahr für den Frieden — Sie werden nicht müde, das Tag für Tag zu verkünden —, hat sich als eine leichtfertige, wenn nicht als eine böswillige bloße Behauptung entpuppt.
Das Gegenteil ist richtig. Unsere konsequente, klare, eindeutige Haltung, die auf gute Nachbarschaft und Interessenausgleich gerichtete Politik hat die Chancen für eine aktive Friedenspolitik und Abrüstung vergrößert. Die deutsche Außenpolitik ist wieder berechenbar geworden.
Die Bundesrepublik hat der europäischen Zusammenarbeit neue Impulse gegeben und damit das Gewicht Europas verstärkt. Nicht zuletzt dies war eine Voraussetzung für die Beilegung der Differenzen der Europäischen Gemeinschaft mit den Vereinigten Staaten in einigen wichtigen Fragen des Verhaltens gegenüber dem Ostblock und den unterschiedlichen Standpunkten bezüglich des Handels mit Stahl und Agrarprodukten. Besonders der Bundeskanzler hat durch sein besonnenes, freundliches, von ungekünstelter Würde und selbstverständlicher Sicherheit
gekennzeichnetes Auftreten dazu beigetragen, klimatische Turbulenzen zu beruhigen und eine Atmosphäre des Vertrauens wieder herzustellen. Einen erhobenen Zeigefinger hat er dazu nicht gebraucht.
Erlauben Sie mir noch wenige Bemerkungen zum Haushalt. Der Haushalt des Auswärtigen Amtes war von der alten Regierung aufgestellt worden. Er konnte kaum verändert werden. Wir hätten gern auch im Personalbereich ein paar Akzente anders gesetzt. Das Auswärtige Amt hat heute weniger Mitarbeiter als vor zehn Jahren. Es muß aber eine Fülle von zusätzlichen Aufgaben wahrnehmen, besonders im internationalen Bereich, einschließlich neuer Vertretungen. Wir bedauern, daß das Amt nicht von Stellenkürzungen ausgenommen werden konnte. Wir erwarten von der Bundesregierung aber im nächsten Haushalt eine Berücksichtigung dieser Situation. Die Empfehlungen der Reformkommission „Auswärtiger Dienst" sollten verwirklicht werden. Sie sind zwar zehn Jahre alt, aber sie sind immer noch richtig. Das betrifft besonders Zahl und Bedeutung des mittleren Dienstes. Wir wünschen, daß auch bei den diesjährigen Stelleneinsparungen der mittlere Dienst ausgenommen wird.
Unsere außenpolitische Arbeitsgruppe hat sich eingehend mit der Personalsituation des Auswärtigen Amtes beschäftigt. Sie hält es nicht mehr länger für vertretbar, das Instrument allgemeiner Stellenkürzungen im Auswärtigen Amt so wie bisher aufrechtzuerhalten.
Auch bei der auswärtigen Kulturpolitik hätten wir gewünscht, daß die Präsenz der Bundesrepublik in den Vereinigten Staaten eine größere Priorität erfahren hätte und dem Antrag meiner Fraktion auf Verdoppelung der Anzahl der Kulturinstitute hätte Rechnung getragen werden können. Immerhin konnten wir aus Anlaß des 300. Jahrestages der ersten Einwanderung Deutscher nach Nordamerika im Jahre 1683 für besondere Vorhaben in den Vereinigten Staaten im nächsten Jahr 2 Millionen DM zusätzlich gewinnen, allerdings durch Kürzung der Verfügungsmittel des Außenministers. Wir erwarten vom Auswärtigen Amt, daß es auf das GoetheInstitut mit Nachdruck einwirkt, trotz der Personalenge eine personelle Verstärkung der Institute in den Vereinigten Staaten vorzunehmen.
8638 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
Picard
Wie im Haushaltsausschuß beschlossen, fordern wir das Auswärtige Amt auf, im Benehmen mit den Ländern dafür zu sorgen, daß die Personalkosten im Bereich der Auslandsschulen nicht ins Uferlose steigen. Wir müssen zwar der wachsenden Zahl von deutschen Kindern im Ausland — eine Folge der wachsenden internationalen Bedeutung der Bundesrepublik und ihrer weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung — Schulen anbieten können, die mindestens der Qualität unserer heimischen entsprechen, es kann aber doch nicht wahr sein, daß Tausende von Lehrern es vorziehen sollten, arbeitslos zu sein, statt an einer Auslandsschule eine Stelle anzunehmen, auch wenn diese nicht alles in allem 120 000 bis 130 000 DM kostet.
Meine Damen und Herren, die deutsche Außenpolitik hat an Profil gewonnen. Die Kontinuität, soweit in unserem Interesse, ist begrüßenswert. Die Außenpolitik der neuen Regierung der Mitte ist berechenbar. Sie zeichnet sich aus durch Eindeutigkeit, durch Festigkeit und ist eine Garantie für Sicherheit, Freiheit und Frieden. Meine Fraktion dankt dem Herrn Außenminister und seinen Mitarbeitern.
Wir stimmen dem Etat des Auswärtigen Amtes zu.