Nein, meine Damen und Herren, ich antworte jetzt auf Schorsch Leber; bitte, lassen Sie diesen Dialog zu.
Meine Damen und Herren, hätten wir nichts gemacht, hätten wir die Hände in den Schoß gelegt, wäre die Rentenversicherung im August nächsten Jahres illiquid, zahlungsunfähig gewesen. Die Opfer, die wir abverlangen, sichern die Renten!
Ich berufe mich ausdrücklich auf das, was Schorsch Leber hier eindrucksvoll vorgetragen hat:
Die Rente wird nicht aus irgendwelchen angesparten Beiträgen finanziert, sondern immer nur aus
dem Geld, das jetzt in die Rentenkassen eingezahlt wird. Also ist Arbeitslosigkeit — ich wiederhole mich: Arbeitslosigkeit, die Sie uns hinterlassen haben — der schwerste Angriff auf die soziale Sicherheit — und damit auf die Rentner.
Meine Damen und Herren, zu dem, was wir zur Einnahmeverbesserung vorschlagen, haben Sie doch nur eine einzige Alternative. Es ist die Ergänzungsabgabe. Das ist die einzige Alternative, die mir bekannt ist,
die einzige Alternative für Mehreinnahmen, die wir nicht vorgesehen haben. Diese Ergänzungsabgabe bringt nach Ihren eigenen Berechnungen Einnahmen von 2,5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, das stimmt doch wohl? Die Schulden, die Sie uns hinterlassen haben, verursachen eine Zinslast von 25 Milliarden. Das ist zehnmal soviel, wie die Ergänzungsabgabe einbringen würde. Jetzt frage ich Sie — Sie, Schorsch Leber —: Wer erhält die 25 Milliarden Zinsen, die wir auf Grund Ihrer Hinterlassenschaft zu zahlen haben? Ganz bestimmt nicht die armen Leute!
Diese 25 Milliarden Zinsen, die der Staat zahlen muß, kommen den Reicheren zugute. Damit haben Sie eine Umverteilung von unten nach oben organisiert, und die hinterlassen Sie uns!
Schuldenmachen ist — diese Behauptung stelle ich auf, und, Schorsch Leber, wenn das nicht stimmt, bitte ich Sie, an dieses Rednerpult zu gehen — die asozialste Politik, die es gibt, die Politik auf den Knochen der kleinen Leute, und diese Politik haben Sie gemacht!
Meine Mutter, eine Rentnerin, hat von den Zinsen, die der Staat zahlt, nichts. Sie hat sich keine Bundesschatzbriefe kaufen können. Meine Damen und Herren, Sie haben die Reichen reicher gemacht, und deshalb haben Sie kein Recht, hier jetzt so anzutreten.
Kommen wir nun zum Kindergeld. Natürlich steht für uns die Familienpolitik im Vordergrund, aber, meine Damen und Herren, wir wollen hier doch die Proportionen richtig stehenlassen.
Das Kindergeld wird für die Besserverdienenden gekürzt, und bei diesen Besserverdienenden wird kein Durchschnittsarbeitnehmer sein. Ich nenne die Zahlen für jedermann: Das Kindergeld wird gekürzt bei einer Zweikinderfamilie ab einem Bruttoeinkommen von 62 000 DM, bei einer Dreikinderfamilie ab einem Bruttoeinkommen von 74 000 DM und bei einer Vierkinderfamilie ab einem Bruttoeinkommen von 86 000 DM. Jetzt frage ich Sie: Wel-
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8619
Bundesminister Dr. Blüm
cher deutsche Arbeiter verdient denn im Normalfall so viel, daß er von dieser Kürzung betroffen wird? Wir haben eine soziale Komponente in das Kindergeld eingeführt. Das haben Sie jahrelang nicht zustande gebracht!
Wir haben die Steuerfreibeträge reduziert, gegen die Sie so polemisieren. Die haben nicht Sie reduziert.
— Soll ich Ihnen die Zahlen nennen? Wir haben die Steuerabzugsfähigkeit reduziert und damit auch korrigiert, was Sie immer beklagt haben.
Ein Weiteres: Rentenkassen, Kasse der Bundesanstalt für Arbeit. Lassen Sie uns über Zahlen reden. Sie wollten die Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung um 1,3 Milliarden DM kürzen. Wir kürzen sie um 900 Millionen DM. Das ist immer noch schmerzlich, es ist aber um 400 Millionen DM weniger, als Sie sie kürzen wollten, obwohl wir von einer höheren Arbeitslosigkeit ausgehen als Sie. Sie wollten der Bundesanstalt für Arbeit 900 Millionen DM Zuschüsse geben. Wir geben der Bundesanstalt für Arbeit 5,4 Milliarden DM — mit anderen Worten: 4,5 Milliarden DM mehr.
Ich fasse zusammen: Wir kürzen die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung weniger als Sie, und wir geben der Sozialversicherung mehr Geld als Sie. Was ist daran unsozial? Wir korrigieren Fehler, die Sie gemacht haben.
Lieber, verehrter Kollege Schorsch Leber, an einer Stelle war mir die Entrüstung völlig unverständlich. Wieso entrüsten sich Sozialdemokraten über den Begriff „Sozialist"? Ihre Jugendorganisation heißt doch „Jungsozialisten",
und dadurch werden Sie sich doch nicht diffamiert fühlen.