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ID0913010700

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    6. Dr.: 1
    7. Hamm-Brücher.: 1
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    Plenarprotokoll 9/130 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pieter Dankert, und einer Delegation 8005 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Außenpolitik, zum Ergebnis der USA-Reise, zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zu Europafragen in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Aufgaben, Probleme und Perspektiven des Atlantischen Bündnisses — Drucksachen 9/1532, 9/1739 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union — Drucksache 9/951 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Czaja, Köster, Dr. Stercken, Dr. Hupka, Dr. Todenhöfer, Graf Stauffenberg, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU Einführung eines Europapasses — Drucksache 9/1473 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Politik der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 9/1741 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Regionen Europas Erster Periodischer Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/158 Nr. 1, 9/1040 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft — Drucksachen 9/1211, 9/1993 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 8006 B Wischnewski SPD 8014 C Rühe CDU/CSU 8026 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Genscher, Bundesminister AA 8032 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8040 C Brandt SPD 8042 B Klein (München) CDU/CSU 8046 D Schäfer (Mainz) FDP 8051 D Voigt (Frankfurt) SPD 8055 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 8061A Dr. Vohrer FDP 8065 A Haase (Fürth) SPD 8069 B Hansen fraktionslos 8071 D Dr. Althammer CDU/CSU 8073 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8076 B Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 8079 C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 8080 C Borchert CDU/CSU 8083 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8085 B Reddemann CDU/CSU 8087 A Dr. Linde SPD 8088 B Louven CDU/CSU 8090 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau), Klein (München), Dr. Althammer, Dr. Czaja, Schwarz, Köster, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Stercken, Dr. Lenz (Bergstraße), Graf Huyn, Dr. Marx, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Dr. Wendig, Ronneburger, Frau Dr. Hamm-Brücher, Popp, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Freilassung des polnischen Bürgerrechtlers Jozef Lipski und anderer politischer Häftlinge — Drucksache 9/2103 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8092 A Polkehn SPD 8092 C Nächste Sitzung 8093 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8095* A Anlage 2 Förderung mikroelektronischer Produkte, insbesondere des Mobiltelefons für jedermann MdlAnfr 58, 59 19.11.82 Drs 09/2111 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Riesenhuber BMFT 8095* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 8005 130. Sitzung Bonn, den 25. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 26. 11. Dr. Ahrens 26. 11. Bahner 26. 11. Beckmann 26. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 26. 11. Dr. Dübber 26. 11. Eymer (Lübeck) 26. 11. Gansel 26. 11. Haar 26. 11. Haase (Fürth) 26. 11. Höffkes 26. 11. Dr. Hornhues 26. 11. Jansen 26. 11. Junghans 26. 11. Dr. Mikat 25. 11. Müller (Bayreuth) 26. 11. Nagel 26. 11. Poß 26. 11. Frau Roitzsch 26. 11. Rosenthal 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidt (Wattenscheid) 25. 11. Schmöle 25. 11. Dr. Wieczorek 26. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. Riesenhuber auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 9/2111 Fragen 58 und 59): Anlagen zum Stenographischen Bericht Wie beurteilt die Bundesregierung die technologischen und ökonomischen Chancen des „Mobiltelefons für jedermann", und inwieweit wurde dieses Projekt bisher gefördert, bzw. welche Förderung ist künftig beabsichtigt? Welche Produkte wie das „Mobiltelefon für jedermann" fördert die Bundesregierung ebenfalls wegen der innovativen Bedeutung des hohen Anteils an mikroelektronischen Produkten? Zu Frage 58: Mobilfunksysteme für große Teilnehmerzahlen setzen sogenannte Kleinzellensysteme voraus, die bevorzugt im Frequenzbereich um 900 MHz arbeiten werden. Heutige Kleinzellennetze verwenden eine analoge Sprachenübertragung auf dem Funkweg. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf Systeme mit digitaler Sprachübertragung, die gegenüber den analogen Systemen Vorteile versprechen. Das BMFT fördert Arbeiten zu digitalen Kleinzellennetzen seit Anfang 1979 im Rahmen des Programms „Technische Kommunikation", einem gemeinsamen Programm von BMFT und BMP. Die im Rahmen dieser Projekte erreichten technischen Fortschritte und die künftigen Marktchancen werden günstig bewertet. Zu Frage 59: Um die breite Anwendung der Mikroelektronik zu beschleunigen, wird mit dem zeitlich befristeten Sonderprogramm (1982-1984) die Entwicklung von Produkten, in denen die Mikroelektronik funktionsbestimmend ist, unterstützt. Rund die Hälfte der mehr als 2 500 Anträge sind Produktinnovationen in der Meß- und Regeltechnik (insbesondere für den Maschinenbau, für Energieeinsparung und Umweltschutz), etwa 25 % zielen auf den Markt für Büro und Kommunikation und jeweils ca. 5 % der Anträge sind auf Anwendungen im Kfz-Sektor, auf Haushaltsgeräte und auf Geräte für medizinische Anwendungen gerichtet.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Althammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kehre zur Europapolitik zurück. Es sind 13 Monate her, seit die CDU/CSU ihren Antrag zur Europapolitik gestellt hat. Es ist schon ein Hinweis für den Stellenwert der Europapolitik, daß es erst jetzt möglich ist, darüber zu debattieren. Um so mehr freuen wir uns, daß die neue Regierung die wenigen Plenartage, die bis zur Bundestagswahl im nächsten Jahr zur Verfügung stehen, darauf verwendet, diese Debatte nun doch noch führen zu können.

    (Zuruf von der SPD: Das stand schon lange fest!)

    Nachdem der Kollege Brandt hier gesprochen hat, ist es notwendig, ein paar Bemerkungen zu der Bilanz von 13 Jahren SPD-dominierter Politik in den Fragen der Europapolitik zu machen. Wir haben erlebt, daß der damalige Bundeskanzler Brandt im Dezember 1969 nach der Haager Gipfelkonferenz stolz angekündigt hat, ab dem 1. Januar 1970 werde die Integration der Gemeinschaft in die Endphase ihrer Entwicklung gehen. Nach 13 Jahren müssen wir leider feststellen, daß in der Frage der Integration so gut wie keine Fortschritte zu verzeichnen sind.
    Auch Institutionen wie die Europäische Politische Zusammenarbeit und der Europäische Rat haben einen schwerwiegenden Geburtsfehler. Sie sind nämlich Gremien der nationalen Begegnung und



    Dr. Althammer
    wirken damit nicht integrierend; es besteht auch keinerlei Verbindung zum Europäischen Parlament.
    Der Bundeskanzler Brandt hat in den Jahren seiner Kanzlerschaft seine Aktivität so einseitig auf die Ostpolitik ausgerichtet, daß offenbar für europäische Initiativen keine Zeit mehr verblieben ist. Vielleicht hat ihn auch die erklärte Feindschaft der Sowjetunion gegen die politische Einigung Europas in dieser Haltung beeinflußt.
    Sein Nachfolger, der frühere Bundeskanzler Schmidt, zog ganz sichtbar nationale Konsultationen den integrierten europäischen Gremien vor. Das Europaparlament beehrte er in den acht Jahren seiner Kanzlerschaft nicht ein einziges Mal mit seinem Besuch.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Es kommt hinzu, daß die SPD nichts unternommen hat, die europafeindlichen Tendenzen bei ihren sozialistischen Schwesterparteien in Europa — in Dänemark, in Großbritannien und in Griechenland — abzufangen. Es ist so weit gekommen, daß man heute, 13 Jahre nach dem Beginn dieser Regierungszeit der SPD, nicht mehr wagt, Vertragsentwürfe vorzulegen, weil man befürchten muß, daß die Parlamente einiger Mitgliedstaaten die Ratifizierung ablehnen würden. Auch darin drückt sich die europafeindliche Haltung einiger sozialistischer Schwesterparteien der SPD aus.
    Es wurde auch in Europa durchaus registriert, daß der frühere Bundeskanzler Schmidt keinerlei persönliche Initiativen in Richtung Integrierung Europas unternommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der frühere dänische Ministerpräsident Jörgensen hat bei seinen antiintegrativen Äußerungen zu Europa beim Amtsantritt seiner EG-Präsidentschaft sich am 8. Juli 1982 ausdrücklich auf Helmut Schmidt bezogen.
    Der Bundeskanzler Helmut Kohl hat in seiner Regierungserklärung vom 13. Oktober seine europapolitischen Ziele definiert. Er hat als erster deutscher Kanzler sofort nach Amtsübernahme den europäischen Organen in Brüssel seinen Antrittsbesuch abgestattet. Zu Recht stellte Kanzler Kohl in seiner Rede in Brüssel fest — ich zitiere —: „Wenn wir in diesem Jahrzehnt nicht einen entscheidenden Fortschritt in Europa machen, werden wir die Chance unserer Generation versäumt haben." — Er hat dies heute hier an dieser Stelle wiederholt.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Genauso ist es!)

    Entwürfe zur Errichtung der politischen Europäischen Union liegen zur Genüge vor. Die Bundesregierung will mit der Genscher/Colombo-Initiative zu einer Europäischen Akte weiterkommen. Bundeskanzler Kohl wird vor allem ab 1. Januar 1983 als Ratsvorsitzender diese Initiative vorantreiben. Die CDU/CSU hat hier im Parlament einen Antrag gestellt, der ebenfalls in Richtung auf die Integration Europas geht. Das Europäische Parlament hat in einer dramatischen Sitzung am 5. und 6. Juli dieses Jahres Leitlinien für eine Europäische Union beschlossen, die noch vor dem Sommer 1984 realisiert werden sollen. Die Europa-Union hat ein Aktionsprogramm für eine Europäische Union erarbeitet und durch ihren Präsidenten Walter Scheel dem Bundeskanzler Helmut Kohl überreicht.
    Ich brauche all das, was hier an Entwürfen und Plänen vorhanden ist, nicht im einzelnen vorzustellen. Wichtig ist dabei, daß der Weg zur politischen Union konsequent weiter beschritten werden muß und daß allen Tendenzen zu einer Schrumpfung auf ein Europa bloß nationaler Konsultationen eine Absage erteilt werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich möchte das hier kurz in fünf Punkten vortragen.
    Erstens. Das geeinte Europa — das ist heute schon von verschiedenen Rednern betont worden — muß für den Bürger sichtbar, spürbar und erlebbar werden. Dazu gehört, daß die Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft endlich abgebaut werden. Die Freizügigkeit für die Bürger, die längst verbindlich vereinbart ist, muß in allen Bereichen auch praktisch realisiert werden.
    Der Herr Außenminister möge uns bitte dabei unterstützen, den Europapaß, von dem er heute auch gesprochen hat, so schnell wie möglich einzuführen. Es ist dafür notwendig, daß eine Novelle zum deutschen Paßgesetz erarbeitet wird. Ich bin dafür, das jetzt zu tun, auch wenn wir dieses Gesetz erst in der nächsten Legislaturperiode verabschieden können.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Völlig richtig!)

    In diesen und anderen praktischen Fragen finden die Bürokraten der nationalen Verwaltungen hundert Wenn und Aber, um bürgerwirksame sichtbare und spürbare Maßnahmen für ein geeintes Europa zu verzögern. In 32 Referaten sind 200 Beamte und Angestellte in der Bundesverwaltung mit europäischen Fragen befaßt. Sie müssen verpflichtet werden, alle ihre Energien für Europa und nicht für nationale Vorbehalte einzusetzen.
    Zweitens. Die Arbeitslosigkeit in Europa kann nicht nur national, sondern sie muß auf europäischer Ebene bekämpft werden.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Ja, sehr richtig!)

    Der Trend zur wirtschaftlichen Desintegration muß umgekehrt werden. Nur ein intakter und dynamischer europäischer Binnenmarkt kann zu einer Wirtschaftsbelebung führen. Hier wäre das jüngste französische Memorandum aufzugreifen, das in seiner Ziffer 8 ausdrücklich fordert, daß endlich die rechtlichen, technischen und steuerlichen Voraussetzungen für einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt geschaffen werden. Dazu gehört auch — das ist heute ebenfalls schon wiederholt betont worden — der Ausbau der europäischen Regionalpolitik, um die Gegensätze zwischen armen und wohlhabenden Regionen innerhalb Europas abzubauen. Mit Entschiedenheit müssen eine



    Dr. Althammer
    gemeinsame europäische Energiepolitik, eine Umweltpolitik, eine gemeinsame Forschungspolitik und eine Verkehrspolitik vorangetrieben werden.
    Drittens. Die schmerzlichste Lücke ist wohl — gerade angesichts der wachsenden Krise auch in Osteuropa — das Fehlen einer europäischen Sicherheitspolitik. Man muß sich nur einmal einen Augenblick lang vorstellen, in welcher Situation Europa heute wäre, wenn die Europäische Verteidigungsgemeinschaft 1954 hätte verwirklicht werden können. Es wäre in der Tat ein Kernstück der europäischen Einigung gewesen. Aber auch hier war es so, daß die deutschen Sozialdemokraten über zwei Jahre lang diesem Entwurf Widerstand entgegengesetzt haben,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Und die französischen Kommunisten selbstverständlich!)

    bis schließlich 1954 die französische Nationalversammlung, ebenfalls sozialistisch dominiert, eine Mehrheit für die Ablehnung gefunden hat. Konrad Adenauer hat in seiner letzten Fernsehsendung vor seinem Tode in einem Interview auf die Frage des Journalisten, was für ihn die dunkelste Stunde seiner politischen Arbeit gewesen sei, ohne Zögern erklärt, das sei jene Nacht gewesen, in der die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Frankreich abgelehnt worden sei.
    Nun hören wir, daß im Rahmen der Intensivierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit die Sicherheitspolitik ein neues Schwergewicht erhalten kann. Es ist sicher richtig, daß man bei der Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen bei der Planung beginnen muß; sonst ist es nicht möglich, etwa einen gemeinsamen Panzer oder ein gemeinsames Flugzeug zu bauen.
    Ich gebe allerdings zu überlegen, ob diese künftige deutsch-französische Zusammenarbeit auf dem Sicherheitssektor nicht für andere europäische Länder, die der NATO angehören, geöffnet werden soll, damit es möglich wird, aus dieser deutsch-französischen Zusammenarbeit eine erweiterte europäische Zusammenarbeit auf dem Sicherheitssektor zu machen; der Herr Bundesaußenminister hat diesen Punkt heute ja schon angesprochen. Ich möchte hoffen, daß die Bundesregierung mit diesem Weg zu einem europäischen Sicherheitsrat Erfolg haben wird.
    Viertens. Die neue Bundesregierung sollte mit der Übernahme des Ratsvorsitzes dafür sorgen, daß Rat und Kommission der Europäischen Gemeinschaft wieder Impulse geben. Die Kommission muß ermutigt werden, wirksame Vorschläge zum weiteren Ausbau und zur Vollendung der Europäischen Gemeinschaft zu machen. Es ist doch absurd, wenn das Europäische Parlament die Kommission verklagen muß, weil sie untätig geblieben ist. Das ist z. B. auf dem Verkehrssektor geschehen.
    Der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft bedarf ebenfalls eines Impulses. Die Reformvorschläge zur Agrarpolitik liegen auf dem Tisch. Auch über die Finanzausstattung der Europäischen Gemeinschaft wird zu beschließen sein.
    Hier hat — das ist in der Debatte ja auch schon angesprochen worden — der frühere Bundeskanzler Schmidt mit seinem Schlagwort vom Zahlmeister Europas eine unheilvolle Rolle gespielt. Ich habe allerdings nie gehört, daß ein Mitglied der SPD-Regierung dieses Klagelied auch bei der Finanzierung der Ostpolitik angestimmt hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Fünfter Punkt: Das Europäische Parlament muß gestärkt werden. Am 5. Juni 1979 hat der damalige Bundeskanzler Schmidt im ZDF folgendes erklärt — ich zitiere wörtlich —:
    Wir setzen uns nicht dafür ein, daß das Europäische Parlament nun durch Vertragsänderungen zusätzliche Kompetenzen übertragen erhält.
    Da haben Sie einen Hinweis auf das, was vorhin an der Haltung des früheren Bundeskanzlers kritisiert worden ist.
    Bundeskanzler Helmut Kohl hat dagegen demonstriert, daß er die Stellung des Europäischen Parlaments stärken will, sei es durch Regierungsvereinbarungen wie die Europäische Akte, sei es auch durch Vertragserweiterungen, wie es die Leitlinien des Europäischen Parlaments für eine Europäische Union vorsehen. Das Europäische Parlament ist das einzige Organ der Gemeinschaft, das öffentlich tagt, das die Probleme und Bemühungen um die Einigung Europas für den Bürger sichtbar und durchschaubar macht. Es ist auch der einzige Ansprechpartner für den europäischen Bürger — und das nicht nur im Kampf um das Reinheitsgebot beim Bier.
    Schließlich ist das Europäische Parlament die einzige demokratische Kontrollinstanz der Gemeinschaft. Es sollte keinem Demokraten genügen, daß europäische Exekutivorgane Rechtsnormen ohne ein Parlament setzen können. Ich bin sicher, daß Bundeskanzler Kohl und seine Bundesregierung jede Möglichkeit ausschöpfen werden, um das Europäische Parlament mit weiteren Mitwirkungsrechten zu versehen. Bundeskanzler Kohl wird als Ratspräsident im Europäischen Parlament Rede und Antwort stehen, so wie das in der Zeit vorher von Margaret Thatcher und Tindemans mit Erfolg praktiziert worden ist.
    Es wäre schließlich auch wünschenswert, wenn es der Bundesregierung gelänge, das Parlament in den Dialog mit den neugebildeten Gremien, also dem Europäischen Rat und der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, miteinzubeziehen. Dies wäre ein wirksamer Schritt in Richtung auf eine Europäische Union vom Faktischen her. Das Europäische Parlament hat sich als die konsequenteste dynamische Kraft zur weiteren Einigung Europas erwiesen. Ich bin sicher, daß die Bundesregierung Kohl/Genscher das Europäische Parlament in der Zukunft tatkräftig unterstützen wird.
    Es gibt auf dem europäischen Sektor in den kommenden Monaten eine Menge zu tun, auch wenn im März gewählt und das Parlament vielleicht sogar noch in diesem Jahr aufgelöst wird.



    Dr. Althammer
    Die Fraktion der CDU/CSU wird die Bundesregierung bei allen Schritten unterstützen, die die Integration und die politische Einigung Europas weiterführen. Hier allerdings knüpfen wir an die Tradition der CDU/CSU aus den vergangenen Jahren ganz bewußt an.
    Der Entschließungsantrag unserer Fraktion führt eine große europäische Tradition in christlich-demokratischem und christlich-sozialem Sinn fort. Wir fühlen uns einem Wort Konrad Adenauers verpflichtet, das sich in seinen „Erinnerungen" findet. Ich darf wörtlich zitieren:
    Die CDU
    — das gleiche gilt natürlich auch für die CSU —
    tritt seit ihrem Bestehen aus tiefer Überzeugung für eine europäische Föderation ein. Wir sahen und sehen in ihrer Schaffung die alleinige Möglichkeit, den Bestand, die Tradition und den Einfluß Europas zu retten.
    Konrad Adenauer hat am 19. Januar 1956 an alle seine Bundesminister eine Weisung dafür gegeben, wie sie in ihrem Verantwortungsbereich die Integration Europas voranzubringen hätten. Ich empfehle dem gegenwärtigen Bundeskanzler, diese Weisung aus dem Jahre 1956 wieder einmal nachzulesen. — Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hildegard Hamm-Brücher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bitte erlauben Sie, daß ich in dieser in moderatem Kammerton geführten Debatte noch einen moderaten Part hinzufüge und nach den „Europäern", Herr Kollege Althammer, doch noch einmal auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen zurückkomme; denn ich habe nach der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, nach seiner, wie von allen Seiten bestätigt wurde, sehr erfolgreichen ersten USA-Reise und den anderen ersten Besuchen, die er in Europa absolviert hat, das Gefühl, daß der Start — wenn man so will — in die außenpolitische Kontinuität sehr gut gelungen ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber es beschäftigt mich sehr oft, meine Damen und Herren — bitte erlauben Sie mir, das aus meiner jahrelangen früheren Tätigkeit hier auch einmal vorzutragen —, was wir eigentlich aus solchen Debatten am guten Ende in die Öffentlichkeit hinaustransportieren wollen;

    (Zustimmung bei der SPD)

    denn es sollte am Ende einer solchen Debatte dieses Parlaments ein bißchen mehr an außenpolitischem Bewußtsein in unserer Bevölkerung vorhanden sein als am Anfang. Und da muß es möglich sein, festzustellen — und das möchte ich am Anfang meiner Rede schnell tun —, daß hier sehr viel Gemeinsames deutlich geworden ist. Andererseits sind Probleme andiskutiert, aber nicht so ausgeleuchtet worden, wie das unsere Bürger draußen erwarten.
    Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind nicht ganz so problemlos, wie es in der Regierungserklärung dargestellt wurde, aber sie sind auch nicht ganz so problembeladen, wie uns das hier von seiten der Opposition heute vorgetragen wurde. Und ich möchte hinzufügen: Ganz gewiß sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen außerordentlich pflegebedürftig. Sie sind es nicht nur an den Spitzen der Regierungen — dazu möchte ich nachher noch etwas sagen —, sondern sie sind auch gefährdet, zumindest partiell nicht dicht genug, unterhalb der Regierungsebene. Darüber haben wir, Kollegen aller Fraktionen, uns wiederholt in großer Übereinstimmung unterhalten. Ich möchte vor der Illusion warnen, daß wir, weil sich der neue Bundeskanzler und der neue Präsident nun so gut verstehen, die Beziehungen unterhalb der Regierungsebene womöglich zu den Akten legen und sagen könnten: die Hauptsache sind die da oben! während wir ansonsten alles wieder sich selbst überlassen könnten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Liebe Kollegen, was ist uns denn gemeinsam wichtig? Das kam hier heraus. Ich fasse es noch einmal in den Schwerpunkten zusammen: die transatlantischen Beziehungen, das Bündnis, die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten, die Sicherheit für Berlin, die Zukunft einer friedlichen Entwicklung in Europa. All dies ist ohne vertrauensvolle, ohne tiefgehende deutsch-amerikanische Beziehungen gar nicht möglich. Das Bündnis muß hier mehr sein als ein Zweckbündnis, mehr als eine gemeinsame militärische Veranstaltung. Das ist eine Gemeinschaft von Demokratien mit gleichen Grundüberzeugungen, mit gleichen Werten. Ich glaube, das sollten wir doch aus dieser Debatte mit nach Hause nehmen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das sagt doch die Regierung!)

    Ich fand den Fehdehandschuh des Bundeskanzlers, als er in der ersten Regierungserklärung sagte, daß er dazu ausersehen sei, die deutsch-amerikanischen Beziehungen aus dem Zwielicht zu befreien, ein bißchen überflüssig. Dieser Fehdehandschuh hat mich auch persönlich sozusagen noch gestreift. Darum wollte ich das heute ansprechen, damit es dann aus der Welt ist.
    Ich glaube, Herr Kollege Mertes, die sozialliberale Koalition hat genauso wie die jetzige das Problemfeld der Pflege und Intensivierung der deutsch-amerikanischen Beziehungen, die Überwindung der Defizite, sehr rechtzeitig erkannt. Ich habe mir bei der Vorbereitung dieser Debatte die beiden Kommuniqués der Besuche des damaligen Bundeskanzlers im Januar dieses Jahres und des Bundeskanzlers jetzt noch einmal angesehen. Der eben angesprochene Bereich hat im Kommuniqué des ehemaligen Bundeskanzlers Schmidt eine viel größere Rolle gespielt als im jetzigen. Ich möchte mir jetzt nicht vorwerfen lassen, daß wir nicht alles getan haben, um rechtzeitig dem entgegenzuwir-



    Frau Dr. Hamm-Brücher
    ken, was unter Umständen an Schwierigkeiten und Belastungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis auftauchen könnte.