Rede:
ID0913008400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter,: 1
    3. gestatten: 1
    4. Sie: 1
    5. eine: 1
    6. Zwischenfrage: 1
    7. des: 1
    8. Abgeordneten: 1
    9. Voigt: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/130 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pieter Dankert, und einer Delegation 8005 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Außenpolitik, zum Ergebnis der USA-Reise, zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zu Europafragen in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Aufgaben, Probleme und Perspektiven des Atlantischen Bündnisses — Drucksachen 9/1532, 9/1739 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union — Drucksache 9/951 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Czaja, Köster, Dr. Stercken, Dr. Hupka, Dr. Todenhöfer, Graf Stauffenberg, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU Einführung eines Europapasses — Drucksache 9/1473 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Politik der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 9/1741 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Regionen Europas Erster Periodischer Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/158 Nr. 1, 9/1040 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft — Drucksachen 9/1211, 9/1993 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 8006 B Wischnewski SPD 8014 C Rühe CDU/CSU 8026 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Genscher, Bundesminister AA 8032 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8040 C Brandt SPD 8042 B Klein (München) CDU/CSU 8046 D Schäfer (Mainz) FDP 8051 D Voigt (Frankfurt) SPD 8055 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 8061A Dr. Vohrer FDP 8065 A Haase (Fürth) SPD 8069 B Hansen fraktionslos 8071 D Dr. Althammer CDU/CSU 8073 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8076 B Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 8079 C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 8080 C Borchert CDU/CSU 8083 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8085 B Reddemann CDU/CSU 8087 A Dr. Linde SPD 8088 B Louven CDU/CSU 8090 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau), Klein (München), Dr. Althammer, Dr. Czaja, Schwarz, Köster, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Stercken, Dr. Lenz (Bergstraße), Graf Huyn, Dr. Marx, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Dr. Wendig, Ronneburger, Frau Dr. Hamm-Brücher, Popp, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Freilassung des polnischen Bürgerrechtlers Jozef Lipski und anderer politischer Häftlinge — Drucksache 9/2103 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8092 A Polkehn SPD 8092 C Nächste Sitzung 8093 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8095* A Anlage 2 Förderung mikroelektronischer Produkte, insbesondere des Mobiltelefons für jedermann MdlAnfr 58, 59 19.11.82 Drs 09/2111 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Riesenhuber BMFT 8095* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 8005 130. Sitzung Bonn, den 25. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 26. 11. Dr. Ahrens 26. 11. Bahner 26. 11. Beckmann 26. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 26. 11. Dr. Dübber 26. 11. Eymer (Lübeck) 26. 11. Gansel 26. 11. Haar 26. 11. Haase (Fürth) 26. 11. Höffkes 26. 11. Dr. Hornhues 26. 11. Jansen 26. 11. Junghans 26. 11. Dr. Mikat 25. 11. Müller (Bayreuth) 26. 11. Nagel 26. 11. Poß 26. 11. Frau Roitzsch 26. 11. Rosenthal 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidt (Wattenscheid) 25. 11. Schmöle 25. 11. Dr. Wieczorek 26. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. Riesenhuber auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 9/2111 Fragen 58 und 59): Anlagen zum Stenographischen Bericht Wie beurteilt die Bundesregierung die technologischen und ökonomischen Chancen des „Mobiltelefons für jedermann", und inwieweit wurde dieses Projekt bisher gefördert, bzw. welche Förderung ist künftig beabsichtigt? Welche Produkte wie das „Mobiltelefon für jedermann" fördert die Bundesregierung ebenfalls wegen der innovativen Bedeutung des hohen Anteils an mikroelektronischen Produkten? Zu Frage 58: Mobilfunksysteme für große Teilnehmerzahlen setzen sogenannte Kleinzellensysteme voraus, die bevorzugt im Frequenzbereich um 900 MHz arbeiten werden. Heutige Kleinzellennetze verwenden eine analoge Sprachenübertragung auf dem Funkweg. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf Systeme mit digitaler Sprachübertragung, die gegenüber den analogen Systemen Vorteile versprechen. Das BMFT fördert Arbeiten zu digitalen Kleinzellennetzen seit Anfang 1979 im Rahmen des Programms „Technische Kommunikation", einem gemeinsamen Programm von BMFT und BMP. Die im Rahmen dieser Projekte erreichten technischen Fortschritte und die künftigen Marktchancen werden günstig bewertet. Zu Frage 59: Um die breite Anwendung der Mikroelektronik zu beschleunigen, wird mit dem zeitlich befristeten Sonderprogramm (1982-1984) die Entwicklung von Produkten, in denen die Mikroelektronik funktionsbestimmend ist, unterstützt. Rund die Hälfte der mehr als 2 500 Anträge sind Produktinnovationen in der Meß- und Regeltechnik (insbesondere für den Maschinenbau, für Energieeinsparung und Umweltschutz), etwa 25 % zielen auf den Markt für Büro und Kommunikation und jeweils ca. 5 % der Anträge sind auf Anwendungen im Kfz-Sektor, auf Haushaltsgeräte und auf Geräte für medizinische Anwendungen gerichtet.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Vohrer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Lassen Sie mich als Redner direkt nach dem Kollegen Lenz die Gelegenheit nutzen, dem Kollegen Lenz herzlich zu seiner Ernennung zum Koordinator für die deutsch-französischen Beziehungen zu gratulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich glaube, das ist eine wichtige Aufgabe im Sinne der europäischen Freundschaft. Ich darf Ihnen dazu viel Erfolg wünschen.
    Meine Damen und Herren, das Jahr 1982 hat uns in der Europäischen Gemeinschaft nicht die Fortschritte gebracht, die wir uns erhofft haben und die für die Gemeinschaft notwendig gewesen wären. Viele Hoffnungen, aber auch begründete Erwartungen wurden enttäuscht. Zu häufig mußten wir zur Kenntnis nehmen, daß wichtige Entscheidungen vertagt wurden, daß Probleme nicht gelöst werden konnten und daß der Ministerrat sich nicht einig werden konnte. Mancher wendet sich in dieser Situation ab, und die Bereitschaft, sich für die Europäische Gemeinschaft einzusetzen, wird geringer, auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Die Europäische Gemeinschaft sieht sich heute vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Probleme vielfältiger Kritik ausgesetzt. Aufgabe der Politik muß es in dieser Situation sein, diese Kritik nüchtern zu prüfen.
    Lassen Sie mich zwei Beispiele herausgreifen, die gemeinsame Fischereipolitik und — dieses Thema hat auch Herr Lenz vorher angesprochen — unsere Rolle als Zahlmeister in der EG.
    Die gemeinsame Fischereipolitik gehört sicher nicht zu den Aktivposten der Gemeinschaft. Auch wenn man sich vor Augen führt, daß der Teufel hier, wie auch anderswo, im Detail steckt, so ist doch zu bedenken, daß — dies wird deutlich, wenn man verfolgt, an welchen vergleichsweise kleinen Punkten die Einigung scheitert — hier oftmals der gute Wille fehlt. Es ist, glaube ich, nicht länger hinzunehmen, wenn eine gemeinsame Fischereipolitik wegen eines geringfügigen Anteils für ein Land an der EGMakrelenfangquote nicht zustande kommt. Andererseits müssen wir aber auch bedenken, daß diese Probleme durch eine Gemeinschaft, die sich in den letzten Jahren teilweise auch positiv entwickelt hat, überhaupt erst entstanden sind. Ohne eine Überwindung der nationalen Grenzen in Nord- und Ostsee und ohne eine Einigung auf eine gemeinsame europäische Fischereizone von 200 Meilen hätten wir gar nicht das Problem, wie eine europäische Zone gemeinsam genutzt werden soll. Dafür hätten wir dann aber andere Probleme, und diese wären sicherlich nicht weniger schwierig.
    Von der Bundesrepublik Deutschland ist, wenn wir an die Beiträge denken, immer wieder als dem „Zahlmeister" für die Gemeinschaft die Rede. Ich möchte hier darauf hinweisen, daß eine verengte Sicht auf die Finanzprobleme ausgesprochen gefährlich ist. Wenn wir nur die 6,5 Milliarden DM sehen, die wir im Jahre 1981 netto zugezahlt haben, werden wir der Rolle der Bundesrepublik in der Europäischen Gemeinschaft nicht gerecht. Es ist aber nahezu unmöglich, diesen Betrag zu dem in Relation zu setzen, was wir an Vorteilen aus der Gemeinschaft haben, zu dem, was wir von dem größeren Binnenmarkt haben, und zu den beschäftigungspolitischen Wirkungen, die aus einem größeren Markt für eine Industrienation entstehen. Deshalb sollten wir uns gerade vor dem Hintergrund und unserer Arbeitsmarktsituation überlegen, ob wir allein auf diese Beträge schauen sollten und ob wir eine Kosten-Nutzen-Analyse der EG-Mitgliedschaft auf die Frage der Nettozahlungen reduzieren sollten.
    Die jüngsten Beschlüsse des Haushaltsausschusses des Europäischen Parlaments im Bereich der Regional- und Sozialpolitik — man ist bereit, den Haushalt erheblich zu erhöhen — zeigen, daß wir auf dem besten Weg sind, ein Europa zu schaffen, in dem die Nettozahlungen dazu beitragen, die Kluft zwischen arm und reich zu verringern.
    Meine Damen und Herren, es wurde hier viel über den Genscher-Colombo-Plan gesprochen. Für viele außerhalb dieses Hauses ist dieser Begriff sicherlich fach-chinesisch, mit dem sie wenig anfangen können und den ich deshalb erläutern möchte. Wer die Rede von Außenminister Genscher im Europäischen Parlament im Oktober dieses Jahres nachliest, darf sich keine allzu großen Hoffnungen für die Europäische Akte machen. Ihr Schicksal ist während der dänischen Präsidentschaft ungewiß geworden. Zu viele Widerstände aus einzelnen Mitgliedsländern haben sich aufgetan. Aber liegt das nicht auch daran, daß hier zuviel auf Beamtenebene verhandelt und nicht auf politischer Ebene entschieden wurde?
    Für uns ist die Europäische Akte nach wie vor ein geeigneter Schritt, um die Gemeinschaft auf dem Weg zu einer handlungsfähigen Europäischen Union weiterzubringen. Sie, die Europäische Akte,



    Dr. Vohrer
    soll erstens das politische Ziel der Einigung Europas weithin sichtbar vor unser aller Augen stellen. Sie soll zweitens auch einen Rahmen für die Zusammenarbeit der Institutionen in der Gemeinschaft schaffen. Sie soll drittens die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten weiter harmonisieren. Sie soll schließlich viertens die Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit verbessern. Dies sind die Kernpunkte der Initiative der beiden Außenminister. Wir fordern die Bundesregierung auf, während ihrer Präsidentschaft einen erneuten, energischen Anlauf vorzunehmen, um im Rat zu einem Beschluß über die Akte zu kommen.
    Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich nach wie vor für die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft ein. Die Verhandlungen über die Aufnahme von Spanien und Portugal sollten bald abgeschlossen werden. Wir wissen zwar, daß die Gemeinschaft mit diesem Beitritt vor eine neue Belastungsprobe gestellt wird, aber für uns überwiegen die politischen Vorteile, die sich mit diesem Beitritt ergeben. Wir alle in der EG, aber auch die neuen Beitrittspartner sollten die Zeit bis zum endgültigen Beitritt nutzen, die überfälligen Reformen in der Gemeinschaft anzupacken, um den Erfolg der zweiten Erweiterung zu sichern und die mit ihr verbundenen Lasten in vertretbaren Grenzen zu halten. Der Herr Bundesaußenminister hat darauf aufmerksam gemacht, welche — insbesondere agrarischen — Probleme mit dieser Erweiterung auf uns zukommen. Wir fordern den Europäischen Rat, der Anfang Dezember in Kopenhagen zusammentreffen wird, auf, die politischen Ziele der geplanten Süd-Erweiterung besonders deutlich zu machen, damit nicht anschließend in den Fachministerräten Fortschritte wiederum an Detailfragen scheitern, wie wir das ja oft erleben mußten. Die FDP-Bundestagsfraktion wertet diesen Schritt der Erweiterung als Zeichen der demokratischen Solidarität mit diesen Ländern.
    Die mit dem Beitritt Spaniens und Portugals verbundenen Probleme sind auch finanzieller Art. Sie sollten Anlaß sein, über die Finanzierung der Gemeinschaft grundsätzlich nachzudenken, und zwar im Hinblick auf das Ziel, das wir erreichen wollen, nämlich die Europäische Union. Die FDP-Bundestagsfraktion hat dieses Problem zu Beginn dieses Jahres ausführlich diskutiert und folgendes beschlossen:
    Erstens. Die Gemeinschaft muß politische Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeiten immer dann erhalten, wenn sie die Probleme wirksamer lösen kann als einzelne Mitgliedstaaten.
    Zweitens. Die Verteilung der Zuständigkeiten darf nicht ausschließlich deshalb erfolgen, um den Mitgliedstaaten ein Mitwirkungsrecht zur Wahrung ihrer Interessen zu geben.
    Drittens. Die Finanzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaat muß dieser Aufgabenteilung entsprechen. Dies bedeutet: Künftig müssen wir zuerst die Aufgaben der Gemeinschaft definieren und dann den finanziellen Bedarf zu ihrer Lösung festlegen. Wir müssen die Gemeinschaft angemessen mit Mitteln ausstatten, die dann nach den
    Grundsätzen einer sparsamen Haushaltsführung verwendet werden müssen.
    Wenn Aufgaben von den Mitgliedsländern auf die Gemeinschaft übertragen werden, muß sichergestellt werden, daß mit der Finanzierung dieser Aufgaben auf Gemeinschaftsebene die nationalen Haushalte entsprechend entlastet werden. Gerade dieser Aspekt sollte in der öffentlichen Diskussion stärker in den Vordergrund geschoben werden.
    Wenn man diesen Grundsätzen zustimmt und die Erweiterung mit berücksichtigt, darf nach unserer Auffassung der Höchstsatz von einem Prozent des Mehrwertsteueraufkommens kein Tabu sein. Den durch den Beschluß vom 29. April 1970 vorgeschriebenen Höchstsatz werten wir als einen Schritt auf dem Weg zu einem Anteil der Gemeinschaft an einem gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystem. Dies heißt nun nicht, daß wir sofort die 1-ProzentGrenze abschaffen wollten, ganz im Gegenteil. Wenn wir davon ausgehen, daß zunächst die Aufgaben der Gemeinschaft gleich bleiben, kommt eine Erhöhung der 1-Prozent-Mehrwertsteuer-Grenze so lange nicht in Betracht, solange nicht eine befriedigende Regelung der Agrarreform erreicht ist.
    Ich anerkenne hier ohne weiteres die Anstrengungen, die gemacht wurden, um den Anteil des Agrarhaushalts von 75 % auf 62 % der Gesamtausgaben herunterzudrücken. Wir setzen uns aber dafür ein, die Ausgabensteigerungen im Agrarbereich unter das jährliche Wachstum der EG-Einnahmen zu senken, um Mittel für die dringend notwendigen Aufgaben im Bereich der Infrastruktur-, der Regional-, der Sozial- und Entwicklungspolitik zu haben.
    Die FDP-Bundestagsfraktion hält den europäischen Agrarmarkt nach wie vor für einen tragenden Pfeiler des europäischen Integrationsprozesses. Er kann dies aber nur dann in Zukunft weiter sein, wenn die Grundlagen der Finanzierung und eine deutliche Zielsetzung in bezug auf die Erhaltung der flächenbezogenen Landwirtschaft auf der Basis des Familienbetriebes neu erarbeitet oder weiterentwickelt werden.
    Wir müssen uns darüber im klaren sein: Die europäische Integration mit allen ihren Vorteilen gerade für uns als exportorientiertes Land kann es nicht zum Nulltarif geben. Die Kritik an den zu hohen Kosten für die Gemeinschaft ist in meinen Augen unberechtigt. Und dies kann an einigen wenigen Zahlen auch erläutert werden. Der Gesamthaushalt der Europäischen Gemeinschaft macht weniger als 1 Prozent des Bruttosozialproduktes der Gemeinschaft aus. Und der EG-Haushalt entspricht 2,5 Prozent der Summe aller nationalen Haushalte der Mitgliedstaaten.
    Die Wirtschaftskrise, in der wir uns in der Gemeinschaft befinden, hat überall die Versuchung vergrößert, sich auf sich selbst zurückzuziehen und das eigene Heil in nationalen Aktionen zu suchen. Wenn wir den Gemeinsamen Markt insgesamt betrachten, so sehen wir eine Fülle nationaler Subventionen, die schwer oder überhaupt nicht mit Buchstaben und Geist der Römischen Verträge zu vereinbaren sind. Und wir sehen mehr und mehr



    Dr. Vohrer
    nichttarifäre Handelshemmnisse, die den Warenaustausch in der Gemeinschaft ernsthaft behindern. Frankreich, unser Nachbarland, hat — um nur ein Beispiel zu nennen — gerade in jüngster Zeit erhebliche Importbeschränkungen eingeführt, die zu einem ernsthaften Zerwürfnis führen können, wenn die Franzosen in der EG und auch gegenüber anderen Ländern im Rahmen des GATT nicht wieder die Freizügigkeit des Handels über die Grenzen hinweg herstellen. Für die Väter der Römischen Verträge war gerade die Freiheit des Binnenmarktes ein wesentliches politisches Ziel, aber auch die Voraussetzung für alle weiteren Integrationsschritte.
    Jeder, der sich für Protektionismus ausspricht oder ihn als kleineres Übel akzeptiert, verkennt die wachstums- und beschäftigungsfördernde Wirkung des internationalen Handels. Die Weltwirtschaft braucht den Druck des internationalen Wettbewerbs, um aktiv den schwierigen Prozeß struktureller Anpassung bewältigen zu können. Nur ein von unnötigen Hemmnissen freier Handel bringt mehr Wachstum, damit mehr Beschäftigung, und schafft den finanziellen Spielraum, um den Entwicklungsländern zu helfen.
    Meiner Meinung nach hat die EG-Kommission bisher zu häufig nationale Beihilfen akzeptiert. Die Kommission selbst hat in ihrem 11. Bericht über die EG-Wettbewerbspolitik festgestellt, daß der protektionistische Druck in den Mitgliedsländern zugenommen habe und die öffentliche Hand immer mehr zur Gewährung von Beihilfen tendiere. Dies sollte uns veranlassen, nicht nur nationale Beihilfen in anderen Staaten zu kritisieren, sondern auch in unserem Lande gewährte Subventionen kritisch zu überprüfen. Wir Freien Demokraten fordern deshalb die EG-Kommission auf, ihre Rolle als Hüterin der Römischen Verträge ernst zu nehmen, alle Vertragsverletzungen diesbezüglicher Art zu bekämpfen und sie vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen.
    Angesichts der beunruhigenden Zunahme der Arbeitslosigkeit sowie der regionalen Unterschiede in den Mitgliedstaaten der EG kommt der Regional-und Sozialpolitik besondere Bedeutung zu. Wir unterstützen daher den Versuch des Europäischen Parlaments, die Regional- und Sozialpolitik der Gemeinschaft weiter auszubauen. Nur so können wir uns dem Ziel der Römischen Verträge, die Lebens-und Beschäftigungsbedingungen der Menschen in der gesamten Gemeinschaft zu verbessern und den Abstand zwischen Armen und Reichen in der Gemeinschaft zu verringern, wirklich nähern. Die Instrumente hierzu, wie Regional- und Sozialfonds, sind stärker mit Mitteln auszustatten. Die Aufteilung der Mittel soll nach Quoten erfolgen, die sich aus den objektiven strukturpolitischen Bedürfnissen der benachteiligten Gebiete ergeben. Die verschiedenen Fonds, die der regionalen Entwicklung dienen, müssen deshalb besser koordiniert werden. Erforderlich hierzu ist eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen und
    Regionen in der Gemeinschaft. Dort, wo Kontrolle notwendig ist, ist dies Aufgabe des Parlaments.
    Meine Damen und Herren, ich komme zu einem Problem, das mir besonders am Herzen liegt. Es ist der Bereich des Umweltschutzes. Denn Probleme wie der saure Regen machen nicht an nationalen Grenzen halt und zeigen die Notwendigkeit internationaler Umweltschutzabkommen besonders deutlich. Eine umfassende europäische Umweltpolitik muß dafür sorgen, daß die lebenswichtigen ökologischen Kreisläufe in Europa im Gleichgewicht bleiben. Grundprinzipien europäischer Umweltpolitik müssen sein das Vorsorgeprinzip, das Verursacherprinzip und das Kooperationsprinzip. Eine auf diesen Prinzipien beruhende Politik der Europäischen Gemeinschaft, die zugleich Voraussetzung für ein langfristig erfolgreiches Wirtschaften ist, muß zügig verwirklicht werden. Dies bedeutet konkret: Erstens. Eine zielbewußte Vorsorge im Rahmen einer langfristigen Umweltstrategie, die vom Schutz und der rationellen Nutzung der natürlichen Ressourcen ausgeht und die darauf angelegt ist, Umweltbelastungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Zweitens. Die Verantwortlichkeit des die Umweltbelastungen und Umweltschäden Verursachenden dafür, daß diese beseitigt und künftig vermieden werden, macht es notwendig, daß dazu Maßnahmen veranlaßt werden und deren Kosten dem Verursacher angelastet werden. Das dritte Prinzip, das Kooperationsprinzip, bedingt die verständnisvolle Zusammenarbeit aller betroffenen Gruppen zur Lösung der Umweltprobleme. Dies kann und muß, wo notwendig, grenzüberschreitend erfolgen.
    Neben dem Europarat, der im Bereich des Umweltschutzes wichtige Maßstäbe gesetzt hat, ist insbesondere die Europäische Gemeinschaft dazu aufgerufen, Impulse für eine grenzüberschreitende Umweltpolitik zu geben. Wichtige Umweltrichtlinien konnten bereits verabschiedet werden. Ich erinnere an die Seveso-Richtlinie, an die Richtlinie für Blei in der Luft. Trotzdem ist eine Vielzahl von Umweltfragen auf europäischer Ebene noch nicht gelöst. Die deutsche EG-Präsidentschaft hat daher die große Chance, hier Zeichen zu setzen und deutlich zu machen, daß für die Bundesregierung einer der Schwerpunkte ihrer Politik der Umweltschutz ist. Es gibt eine ganze Reihe von noch nicht verabschiedeten Richtlinien im Bereich der Luftreinhaltung, im Gewässerschutz, für die Lärm- und Abgasverringerung bei Kraftfahrzeugen und für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Probleme der Abfallwirtschaft sind noch nicht gelöst. Die Bemühungen der Bundesregierung um schrittweise Senkung der Schadstoffbelastung der Luft können keine nur nationale Maßnahme sein. Der Novellierung der TA Luft muß eine entsprechende Regelung auf EGEbene folgen. Gleiches gilt für den Gewässerschutz. Vorhaben wie das Schwerpunktprogramm Nordsee und die Einberufung einer internationalen Nordseekonferenz sollten jetzt durchgeführt werden.
    Wir haben in den letzten Jahren hier im Bundestag immer wieder feststellen müssen, daß eine Reihe unserer Kompetenzen auf die Europäische Gemeinschaft übergegangen sind. Richtlinien und



    Dr. Vohrer
    Verordnungen werden national wirksames Recht, ohne daß diese Entscheidungen auf EG-Ebene parlamentarisch kontrolliert werden. Die Gemeinschaft schließt heute internationale Handelsverträge, und es gibt kein Parlament, das die Befugnis hätte, die Verträge zu ratifizieren. Die nationalen Parlamente können das nicht mehr, das Europäische Parlament kann es noch nicht. Wir haben die Gesetzgebung der Gemeinschaft dem Ministerrat anvertraut, der hinter verschlossenen Türen und ohne öffentliche Kontrolle solche Entscheidungen trifft. Der Ort für eine solche Kontrolle muß das Europäische Parlament sein. Die Liberalen treten deshalb engagiert dafür ein, diesem Parlament mehr Kompetenzen zu geben, um diese Aufgaben wirksam erfüllen zu können.

    (Beifall der Abg. Frau Dr. Engel [FDP])

    Wir wünschen aber auch eine klare Aufgabenteilung der europäischen Parlamente, nämlich zwischen dem Europarat und dem Europäischen Parlament. Während ich hier die Aufgabe des Europäischen Parlamentes beschrieben habe, sehe ich die Aufgabe der Parlamentarischen Versammlung des Europarates stärker in der Konzentration auf Grundsatzfragen der Politik. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates muß auch den Mut haben, zukunftsorientierte Fragen aufzugreifen und eine europäische Orientierungslinie zu erarbeiten, die für die nationalen Parlamente eine Richtschnur dafür darstellen kann, in welcher Richtung europäische Lösungen gefunden werden können.
    Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich für eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem Bundestag und dem Europäischen Parlament ein. Auf der Ebene der Fraktionen in beiden Parlamenten haben wir diesen Schritt bereits vollzogen, und zwar durch die Einrichtung eines Arbeitskreises Europa, dem auch die deutschen Kollegen der liberalen und demokratischen Fraktion des Europäischen Parlamentes angehören. Der Kommission des Ältestenrats zur Behandlung dieser Frage liegt der Entwurf eines Antrags vor, in dem die Einsetzung einer Europa-Kommission des Bundestages gefordert wird. Ich wünsche mir, daß sich alle drei Bundestagsfraktionen möglichst bald mit diesem Vorschlag befassen, damit es zu einer entsprechenden institutionalisierten Kooperation zwischen diesen beiden Parlamenten kommen kann und europapolitische Entscheidungen stärker als bisher das Interesse dieses Hauses finden.
    Ich möchte in dem Zusammenhang auch den Wunsch äußern, daß es zukünftig möglich sein sollte, daß nicht nur der Präsident der Vereinigten Staaten in diesem Hohen Hause das Rederecht erhält — etwa um eine Grußadresse zu verlesen —, sondern daß auch der Präsident des Europäischen Parlamentes, wenn er uns einen Besuch abstattet, in diesem Hohen Hause zu uns reden kann.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Selbst wenn es den einen oder anderen gibt, der Präsidenten nur danach beurteilt, welche Macht hinter ihm steht, möchte ich doch sagen: Gerade deshalb sollte der Präsident des Europäischen Parlamentes ein analoges Rederecht wie Präsident Reagan in diesem Hause haben; denn damit wird symbolisch deutlich, welchen Stellenwert für uns Europa und das Europäische Parlament hat.
    Was vielleicht viele nicht oder nicht mehr für möglich hielten: Im Mai 1982 hat der Ministerrat mit Mehrheit eine Entscheidung über die Agrarpreise und das Argentinien-Embargo getroffen. Wir haben jahrelang die Überwindung des Einstimmigkeitsprinzips im Rat gefordert. Wir wünschen uns, daß auch zukünftig Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat die Regel sind. Nur so kann der Ministerrat die notwendige Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit erreichen. Wir fordern die Bundesregierung auf, nachdrücklich und konsequent die grundsätzliche Anwendung des Mehrheitsprinzips auf europäischer Ebene zu fordern.
    Die Kürze der Zeit erlaubt es mir nicht, auf die Verfassungsvorstellungen der FDP einzugehen. Wir sind der Ansicht, daß es möglich sein muß, Grund- und Bürgerrechte für die Gemeinschaft zu formulieren. In einer solchen Verfassung muß eindeutig die Abschaffung der Todesstrafe in der Gemeinschaft verankert werden. Darin müßte auch festgelegt werden, daß die Gewährung des aktiven und passiven Wahlrechtes auf kommunaler Ebene und zum Europäischen Parlament für Bürger der Gemeinschaft im Lande ihres ständigen Wohnsitzes möglich ist.


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voigt (Frankfurt)?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Vohrer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich komme zwar zum Schluß, aber gerne.