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ID0913007400

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    Vokabeln: 6
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    6. Lenz: 1
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    Plenarprotokoll 9/130 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pieter Dankert, und einer Delegation 8005 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Außenpolitik, zum Ergebnis der USA-Reise, zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zu Europafragen in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Aufgaben, Probleme und Perspektiven des Atlantischen Bündnisses — Drucksachen 9/1532, 9/1739 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union — Drucksache 9/951 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Czaja, Köster, Dr. Stercken, Dr. Hupka, Dr. Todenhöfer, Graf Stauffenberg, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU Einführung eines Europapasses — Drucksache 9/1473 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Politik der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 9/1741 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Regionen Europas Erster Periodischer Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/158 Nr. 1, 9/1040 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft — Drucksachen 9/1211, 9/1993 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 8006 B Wischnewski SPD 8014 C Rühe CDU/CSU 8026 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Genscher, Bundesminister AA 8032 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8040 C Brandt SPD 8042 B Klein (München) CDU/CSU 8046 D Schäfer (Mainz) FDP 8051 D Voigt (Frankfurt) SPD 8055 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 8061A Dr. Vohrer FDP 8065 A Haase (Fürth) SPD 8069 B Hansen fraktionslos 8071 D Dr. Althammer CDU/CSU 8073 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8076 B Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 8079 C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 8080 C Borchert CDU/CSU 8083 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8085 B Reddemann CDU/CSU 8087 A Dr. Linde SPD 8088 B Louven CDU/CSU 8090 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau), Klein (München), Dr. Althammer, Dr. Czaja, Schwarz, Köster, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Stercken, Dr. Lenz (Bergstraße), Graf Huyn, Dr. Marx, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Dr. Wendig, Ronneburger, Frau Dr. Hamm-Brücher, Popp, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Freilassung des polnischen Bürgerrechtlers Jozef Lipski und anderer politischer Häftlinge — Drucksache 9/2103 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8092 A Polkehn SPD 8092 C Nächste Sitzung 8093 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8095* A Anlage 2 Förderung mikroelektronischer Produkte, insbesondere des Mobiltelefons für jedermann MdlAnfr 58, 59 19.11.82 Drs 09/2111 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Riesenhuber BMFT 8095* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 8005 130. Sitzung Bonn, den 25. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 26. 11. Dr. Ahrens 26. 11. Bahner 26. 11. Beckmann 26. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 26. 11. Dr. Dübber 26. 11. Eymer (Lübeck) 26. 11. Gansel 26. 11. Haar 26. 11. Haase (Fürth) 26. 11. Höffkes 26. 11. Dr. Hornhues 26. 11. Jansen 26. 11. Junghans 26. 11. Dr. Mikat 25. 11. Müller (Bayreuth) 26. 11. Nagel 26. 11. Poß 26. 11. Frau Roitzsch 26. 11. Rosenthal 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidt (Wattenscheid) 25. 11. Schmöle 25. 11. Dr. Wieczorek 26. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. Riesenhuber auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 9/2111 Fragen 58 und 59): Anlagen zum Stenographischen Bericht Wie beurteilt die Bundesregierung die technologischen und ökonomischen Chancen des „Mobiltelefons für jedermann", und inwieweit wurde dieses Projekt bisher gefördert, bzw. welche Förderung ist künftig beabsichtigt? Welche Produkte wie das „Mobiltelefon für jedermann" fördert die Bundesregierung ebenfalls wegen der innovativen Bedeutung des hohen Anteils an mikroelektronischen Produkten? Zu Frage 58: Mobilfunksysteme für große Teilnehmerzahlen setzen sogenannte Kleinzellensysteme voraus, die bevorzugt im Frequenzbereich um 900 MHz arbeiten werden. Heutige Kleinzellennetze verwenden eine analoge Sprachenübertragung auf dem Funkweg. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf Systeme mit digitaler Sprachübertragung, die gegenüber den analogen Systemen Vorteile versprechen. Das BMFT fördert Arbeiten zu digitalen Kleinzellennetzen seit Anfang 1979 im Rahmen des Programms „Technische Kommunikation", einem gemeinsamen Programm von BMFT und BMP. Die im Rahmen dieser Projekte erreichten technischen Fortschritte und die künftigen Marktchancen werden günstig bewertet. Zu Frage 59: Um die breite Anwendung der Mikroelektronik zu beschleunigen, wird mit dem zeitlich befristeten Sonderprogramm (1982-1984) die Entwicklung von Produkten, in denen die Mikroelektronik funktionsbestimmend ist, unterstützt. Rund die Hälfte der mehr als 2 500 Anträge sind Produktinnovationen in der Meß- und Regeltechnik (insbesondere für den Maschinenbau, für Energieeinsparung und Umweltschutz), etwa 25 % zielen auf den Markt für Büro und Kommunikation und jeweils ca. 5 % der Anträge sind auf Anwendungen im Kfz-Sektor, auf Haushaltsgeräte und auf Geräte für medizinische Anwendungen gerichtet.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Karsten D. Voigt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja. Diese Wahlprogramme und die damit zusammenhängende Praxis der Kritik an einer aktiven Friedens- und Entspannungspolitik und Ihr jetziger Hinweis auf diese Wahlprogramme und die damit zusammenhän-



    Voigt (Frankfurt)

    gende Praxis bestärken eher meine Befürchtung, als daß sie sie ausräumen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Unbelehrbar!)

    Sie bestärken meine Befürchtung besonders deshalb, weil der Westen zur Zeit eine Wiederaufnahme der Diskussion über ein Containment, ein Neocontainment der Sowjetunion erlebt.
    Nun hat es immer, in der gesamten Nachkriegszeit, Kooperation und Containment gegeben,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Der NATO-Doppelbeschluß ist doch Containment!)

    aber es hat nach dem Auseinanderbrechen der Anti-Hitler-Koalition und den ersten Abrüstungsbemühungen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, die dann ja gescheitert sind, eine Containment-Politik gegeben, die damals von Kennan mit vorgeschlagen worden ist und die dann im Ergebnis zum Kalten Krieg geführt hat, obwohl das so nicht in der Absicht Kennans lag. Nun fürchten wir, daß das Wiederaufgreifen einer Containment-Politik, einer Eindämmungspolitik, zu einer Wiederbelebung und einem Hineinschlittern in Situationen der 50er Jahre und des Kalten Krieges führen wird.
    Dazu möchte ich sagen: Trotz Afghanistan ist das Problem des sowjetischen Einflusses in der Dritten Welt nicht primär ein Problem sowjetischer militärischer Macht und westlicher militärischer Gegenmacht. Trotz des Anwachsens sowjetischer Militärmacht ist die Hauptgefahr für den Westen nicht ein sowjetischer Angriff oder eine sowjetische militärische Erpressung, sondern die wirtschaftlichen Probleme in den einzelnen westlichen Staaten,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Ein wichtiger Teil des Problems!)

    in der westlichen Welt insgesamt und vor allen Dingen auch in den Ländern der Dritten Welt. Deshalb ist es die falsche Reaktion konservativer Regierungen, wenn sie, um der sowjetischen Militärmacht zu begegnen, die Grundlagen der eigenen Wirtschaftskraft untergraben. Das ist zur Zeit in den USA eine aktuelle Gefahr. Wenn man sich auf diese Politik einläßt, kann ich nicht ausschließen, daß dies über längere Sicht, zumindest wenn man Absichten von Manfred Wörner aus früheren Jahren in Erinnerung hat, auch in der Bundesrepublik eine Gefahr werden könnte.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Da bauen Sie sich doch einen Popanz auf!)

    Wer kooperative Schritte vernachlässigt und Neo-containment oder eigene militärische Stärke in den Vordergrund rückt, kann, auch wenn er die Form der Verhandlungen wahrt, diese nicht zu ausgewogenen Kompromissen und Verhandlungsergebnissen führen.
    Das Problem der sowjetischen Militärmacht, das ich nicht übersehe,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr gut! — Dr. Marx [CDU/CSU]: Das kann man gar nicht übersehen!)

    kann nicht primär durch die Verstärkung und Verfeinerung der eigenen Abschreckungsfähigkeit gelöst werden. Das Primat gehört den Verhandlungslösungen. Einseitige Lösungen führen auf Dauer in die Sackgasse, sind auf Dauer auch zu riskant. Wir können zwar auf eine ausreichende Abschrekkungsfähigkeit nicht verzichten, aber die Verstärkung und Verfeinerung der Abschreckung ist auf Dauer keine Lösung. Sie enthält bestenfalls, wie die Denkschrift der Evangelischen Kirche, die Freeze-Bewegung und die amerikanischen Bischöfe gesagt haben, eine Gnadenfrist zur Lösung unserer Sicherheitsprobleme mit anderen Methoden.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Abschreckung und Verhandlungen!)

    Die Risiken der Abschreckung können nicht mit den Methoden der Abschreckung überwunden werden. Dies ist der Kerngedanke der Sicherheitspartnerschaft.
    Und ich sage zuletzt: Die konservative Politik, die wir in den USA kritisieren, die wir in der Bundesrepublik auch kritisieren und die wir in ihrer Praxis in Großbritannien mit Sorge gesehen haben,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Dann war Helmut Schmidt auch ein Konservativer!)

    führt dort, wo sie betrieben wird, wirtschafts- und sozialpolitisch in eine Sackgasse. Diese Politik führt zur Verschärfung sozialer Gegensätze und vermehrt die Arbeitslosigkeit. Diese konservative Politik führt zu vermehrten Risiken für den Welthandel, von dessen Funktionieren wir als exportorientiertes Land in besonderem Maße abhängig sind. Diese konservative Politik blockiert im Sinne des Berichtes der Brandt-Kommission dringend erforderliche Schritte zu einem gerechten Interessenausgleich zwischen Nord und Süd.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Sie beschreiben die Ergebnisse Ihrer Politik!)

    Sie droht den Ost-West-Gegensatz auf das NordSüd-Verhältnis zu übertragen und blockiert Finanzmittel, wo gemeinsame Anstrengungen von Ost und West zum Abbau von Hunger und Not erforderlich wären. Wir brauchen ein Konzept im Nord-Süd-Verhältnis und im Ost-West-Verhältnis, das mehr Zusammenarbeit bewirkt, das Blockkonfrontation überwindet und schließlich zu einer europäischen Friedensordnung führt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Aber das richtige Konzept!)

    Diese europäische Friedensordnung ist der konstruktive Gedanke, der nicht ersetzt und nicht abgelöst werden kann durch eine Wiederaufnahme und einen Rückgriff auf die Konzeptionen der 50er Jahre.
    Wir meinen, daß man den kooperativen Elementen, den Elementen der Zusammenarbeit den Vorrang vor den militärischen Elementen in den Ost-West-Beziehungen geben sollte. Wir fürchten, daß die neue Politik, die Politik der Neokonservativen genauso wie die Politik der Altkonservativen, dazu



    Voigt (Frankfurt)

    führt, daß die richtige Entwicklung nicht begünstigt, sondern eine verkehrte eingeleitet wird.
    Deshalb kann die Anpassung an den gegenwärtig vorherrschenden Trend in der USA-Politik kurzfristig zwar Harmonie als Stimmung erzeugen, aber langfristig würden damit die Widersprüche in der westlichen Allianz bis hin zu einer Gefährdung der Handlungsfähigkeit der westlichen Allianz selber beschleunigt und provoziert werden. Meine Überzeugung und Hoffnung sind natürlich, daß eine solche konservative Politik, sei es in USA, sei es bei uns, langfristig und, wie ich hoffe, auch schon kurzfristig nicht mehrheitsfähig sein wird. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Da werden Sie lange hoffen müssen!)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carl Otto Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Voigt, daß ich einem Satz Ihrer Rede voll und ganz Zustimmung zollen kann: Sie brauchen ein Konzept. Ihre Rede hat nachgewiesen, daß Sie es noch nicht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich nur kurz etwas zum deutschfranzösischen Verhältnis sagen. Lieber Herr Voigt, dieses deutsch-französische Verhältnis bedarf bestimmt der besonderen Pflege und Sorgfalt. Ich halte es für absolut unvertretbar, daß man, wie geschehen, gemeinsame Projekte verspricht, obwohl man nicht einmal geprüft hat, ob auf der einen Seite dafür überhaupt die Voraussetzungen vorliegen. Wenn das diese Regierung machen würde, wie es die vergangene Regierung gemacht hat, dann würden Sie uns an der Seite der Kritiker dieses Vorgehens finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Im übrigen möchte ich das Thema ein bißchen wechseln und auf den 1. Januar 1983 zu sprechen kommen. Dann übernimmt nämlich die Bundesrepublik Deutschland die Präsidentschaft im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften. Das trifft sich gut; denn die Europapolitik ist ein Schwerpunkt in der Politik der neuen Bundesregierung. Bundeskanzler Helmut Kohl hat gleich nach Übernahme seines Amtes deutliche Zeichen in dieser Hinsicht gesetzt, indem er nach Paris, London, Rom, Brüssel und Luxemburg reiste. Der neuen Bundesregierung liegt die Pflege der Beziehungen zu allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft besonders am Herzen; denn solche guten Beziehungen sind wichtig für den Fortgang des europäischen Einigungswerks.
    Gestatten Sie eine persönliche Bemerkung. Ich habe mich gefreut, daß der Herr Bundeskanzler auch nach Luxemburg gefahren ist, in eine Stadt, in der ich sechs Jahre meines Lebens für das Europäische Parlament gearbeitet habe. Deutschland hat
    Luxemburg etwas abzubitten. Wir haben nämlich in den Jahren von 1940 bis 1944 den Versuch unternommen, den Luxemburgern ihre Identität als eigenes Volk zu nehmen. Ich freue mich, daß der Bundeskanzler durch seinen Besuch in Luxemburg diesem Volk ein Zeichen gegeben hat, daß wir es heute als gleichberechtigten Partner in der Europäischen Gemeinschaft behandeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Duve [SPD])

    — Ich nehme an, Herr Kollege Freimut Duve, daß Sie in dem Punkt mit mir übereinstimmen.

    (Duve [SPD]: Aber nicht mit der Form, in der Sie das eben so lässig dargestellt haben, nach einem Überfall!)

    Der Besuch des Bundeskanzlers in Brüssel galt nicht nur dem Königreich Belgien, sondern auch den Europäischen Gemeinschaften. Bundeskanzler Kohl hat dort die Arbeitsräume des Europäischen Parlaments besucht. Er ist der erste Regierungschef gewesen, der das in Brüssel getan hat. Diese demonstrative Geste gegenüber dem von den Völkern Europas direkt gewählten Europäischen Parlament ist dort mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Das Europäische Parlament steht gelegentlich im Schatten anderer europäischer Institutionen, des Rates oder der Kommission, aber dafür von Zeit zu Zeit um so mehr im Brennpunkt der Kritik, einer Kritik, die häufig von mangelnder Sachkenntnis und gelegentlich vom Willen zur Herabsetzung getragen ist. Wer kennt schon die Schwierigkeiten dieses Parlaments aus zehn Nationen, mit zehn verschiedenen Traditionen, mit sieben Amtssprachen, sieben Fraktionen und aus 60 unterschiedlichen Parteien? Ich begrüße es, daß der Präsident des Europäischen Parlaments heute auch diesem Hause einen Besuch abgestattet hat, und ich hoffe, daß sein Besuch hier in Deutschland mehr Verständnis für die Probleme, aber auch für die Möglichkeiten des Europäischen Parlaments zur Folge hat.
    Die europäische Einigung hatte den unerwünschten Nebeneffekt, daß Befugnisse des Deutschen Bundestages und natürlich auch anderer europäischer Parlamente auf den Rat in Brüssel übergegangen sind. Wir wünschen, daß diese Befugnisse auf das Europäische Parlament in der Weise übergehen, daß es ein Mitentscheidungsrecht in allen wichtigen Fragen der Europäischen Gemeinschaft bekommt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ein schwaches, einflußloses Parlament ist dem Ansehen der parlamentarischen Regierungsform abträglich. Wir sind Anhänger dieser Regierungsform, und deswegen treten wir für mehr Befugnisse für das Europäische Parlament ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir würden es auch begrüßen, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Eigenschaft als Präsident des Europäischen Rates vor dem Europäischen Parlament sprechen würden. Sie würden sich dadurch vorteilhaft von Ihrem Vorgänger abheben; und



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    wenn Sie ganz großes Glück haben, werden Sie dort gelegentlich Ihren Vorvorgänger antreffen, denn der kommt als Mitglied des Europäischen Parlaments manchmal dorthin.
    Wir haben, Herr Bundeskanzler, durch Ihre Besuche in den Hauptstädten der Europäischen Gemeinschaft das Interesse der Bundesrepublik Deutschland am Fortgang des europäischen Einigungswerks zum Ausdruck gebracht, und das war nicht nur richtig, sondern auch notwendig. Das vertragsmäßige Funktionieren der Europäischen Gemeinschaft ist für die Bundesrepublik Deutschland und für die anderen Mitgliedstaaten von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Für alle Mitglieder, auch für die Bundesrepublik, sind die übrigen Mitgliedsländer wichtige oder sogar mit Abstand wichtigste Handelspartner. Für die meisten von ihnen ist Deutschland ein unersetzlicher Markt, ebenso wie ihre Märkte für uns unverzichtbare Absatzfelder sind.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, um Ihnen von den Größenordnungen ein Beispiel zu geben, möchte ich sagen, daß unser Handel mit einem der kleineren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, den Niederlanden, größer ist als der Handel mit der Sowjetunion und mit den Vereinigten Staaten zusammengenommen. Außerdem bezahlen die Holländer pünktlich, was man von manchen unserer Abnehmer im Osten nicht sagen kann.
    Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, die Kommission in Brüssel bei der Wahrnehmung der Aufgabe zu unterstützen, das vertragsmäßige Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten und notfalls auch eigene Schritte in dieser Richtung zu tun. Denn der Gemeinsame Markt ist eine unersetzliche Quelle für Beschäftigung und Wohlstand. Ohne Gemeinsamen Markt gibt es keinen gemeinsamen Wohlstand,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    sondern nur gemeinsamen Rückschritt. Ohne den Gemeinsamen Markt wären wir alle ärmer. Ein Mitglied der Brüsseler Kommission hat mir einmal gesagt, die Verflechtung Deutschlands mit dem Gemeinsamen Markt könne auf 560 Milliarden DM beziffert werden. Es mögen ein paar Milliarden mehr oder weniger sein, aber angesichts dieser Größenordnung verblassen alle nationalen wirtschaftspolitischen Möglichkeiten einschließlich noch so gut gemeinter konjunkturpolitischer Programme. Deswegen ist das Offenhalten des Gemeinsamen Marktes der wichtigste Beitrag, den die Bundesregierung für das wirtschaftliche Leben, die Sicherung der Arbeitsplätze und den Wohlstand in unserem Lande leisten kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zum Gemeinsamen Markt gehört der gemeinsame Agrarmarkt. Die gemeinsame Agrarpolitik war bisher, auch wenn sie Geld gekostet hat, erfolgreich.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diejenigen, meine Freunde, die sie reformieren wollen, müssen dies so tun, daß die Substanz des Gemeinsamen Marktes nicht beschädigt wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Was heißt denn das?)

    — Das heißt, daß einiges von dem, was ich eben vom Kollegen Brandt gehört habe, mehr in den Katalog der Beschädigung des Gemeinsamen Marktes als in den der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik gehört.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die europäische Einigung war für die Union, für die Partei Konrad Adenauers, niemals nur eine Frage des Geschäfts, obwohl gute Geschäfte sichere Arbeitsplätze schaffen und damit einen unerläßlichen Beitrag zur Lebensqualität leisten. Die europäische Einigung war und ist für die Union immer auch ein Beitrag für die Erhaltung des Friedens, die Bewahrung der Freiheit und die Sicherung der Zukunft.
    Gelegentlich sieht man auf unseren Straßen junge Leute mit der Aufschrift herumlaufen „No future". Ich finde das eine entsetzliche Aufschrift, muß ich Ihnen sagen. Wir müssen uns fragen, ob wir hier nicht irgend etwas falsch gemacht haben. Es scheint uns jedenfalls nicht gelungen zu sein — und vielleicht haben wir es auch gar nicht genügend versucht —, diese Jugendlichen davon zu überzeugen, daß sie eine Zukunft haben, wenn sie sie nur anpacken, und daß diese Zukunft nicht in fernen Kontinenten, sondern hier in Europa liegt.
    Dem Bundeskanzler und auch dem Bundesaußenminister kann man diesen Vorwurf nicht machen, denn sie haben unermüdlich für den Gedanken der europäischen Einigung als wesentlichen, vielleicht den wesentlichsten Beitrag zur Sicherung unserer Zukunft geworben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt Ihnen beiden dafür.
    Die Union unterstützt deshalb auch die deutschitalienische Initiative für die Europäische Union, die j a schon vor längerer Zeit entworfen worden ist, und wünscht, daß sie nun endlich zustande kommt.