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ID0913005300

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    Plenarprotokoll 9/130 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pieter Dankert, und einer Delegation 8005 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Außenpolitik, zum Ergebnis der USA-Reise, zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zu Europafragen in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Aufgaben, Probleme und Perspektiven des Atlantischen Bündnisses — Drucksachen 9/1532, 9/1739 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union — Drucksache 9/951 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Czaja, Köster, Dr. Stercken, Dr. Hupka, Dr. Todenhöfer, Graf Stauffenberg, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU Einführung eines Europapasses — Drucksache 9/1473 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Politik der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 9/1741 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Regionen Europas Erster Periodischer Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/158 Nr. 1, 9/1040 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft — Drucksachen 9/1211, 9/1993 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 8006 B Wischnewski SPD 8014 C Rühe CDU/CSU 8026 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Genscher, Bundesminister AA 8032 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8040 C Brandt SPD 8042 B Klein (München) CDU/CSU 8046 D Schäfer (Mainz) FDP 8051 D Voigt (Frankfurt) SPD 8055 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 8061A Dr. Vohrer FDP 8065 A Haase (Fürth) SPD 8069 B Hansen fraktionslos 8071 D Dr. Althammer CDU/CSU 8073 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8076 B Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 8079 C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 8080 C Borchert CDU/CSU 8083 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8085 B Reddemann CDU/CSU 8087 A Dr. Linde SPD 8088 B Louven CDU/CSU 8090 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau), Klein (München), Dr. Althammer, Dr. Czaja, Schwarz, Köster, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Stercken, Dr. Lenz (Bergstraße), Graf Huyn, Dr. Marx, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Dr. Wendig, Ronneburger, Frau Dr. Hamm-Brücher, Popp, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Freilassung des polnischen Bürgerrechtlers Jozef Lipski und anderer politischer Häftlinge — Drucksache 9/2103 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8092 A Polkehn SPD 8092 C Nächste Sitzung 8093 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8095* A Anlage 2 Förderung mikroelektronischer Produkte, insbesondere des Mobiltelefons für jedermann MdlAnfr 58, 59 19.11.82 Drs 09/2111 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Riesenhuber BMFT 8095* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 8005 130. Sitzung Bonn, den 25. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 26. 11. Dr. Ahrens 26. 11. Bahner 26. 11. Beckmann 26. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 26. 11. Dr. Dübber 26. 11. Eymer (Lübeck) 26. 11. Gansel 26. 11. Haar 26. 11. Haase (Fürth) 26. 11. Höffkes 26. 11. Dr. Hornhues 26. 11. Jansen 26. 11. Junghans 26. 11. Dr. Mikat 25. 11. Müller (Bayreuth) 26. 11. Nagel 26. 11. Poß 26. 11. Frau Roitzsch 26. 11. Rosenthal 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidt (Wattenscheid) 25. 11. Schmöle 25. 11. Dr. Wieczorek 26. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. Riesenhuber auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 9/2111 Fragen 58 und 59): Anlagen zum Stenographischen Bericht Wie beurteilt die Bundesregierung die technologischen und ökonomischen Chancen des „Mobiltelefons für jedermann", und inwieweit wurde dieses Projekt bisher gefördert, bzw. welche Förderung ist künftig beabsichtigt? Welche Produkte wie das „Mobiltelefon für jedermann" fördert die Bundesregierung ebenfalls wegen der innovativen Bedeutung des hohen Anteils an mikroelektronischen Produkten? Zu Frage 58: Mobilfunksysteme für große Teilnehmerzahlen setzen sogenannte Kleinzellensysteme voraus, die bevorzugt im Frequenzbereich um 900 MHz arbeiten werden. Heutige Kleinzellennetze verwenden eine analoge Sprachenübertragung auf dem Funkweg. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf Systeme mit digitaler Sprachübertragung, die gegenüber den analogen Systemen Vorteile versprechen. Das BMFT fördert Arbeiten zu digitalen Kleinzellennetzen seit Anfang 1979 im Rahmen des Programms „Technische Kommunikation", einem gemeinsamen Programm von BMFT und BMP. Die im Rahmen dieser Projekte erreichten technischen Fortschritte und die künftigen Marktchancen werden günstig bewertet. Zu Frage 59: Um die breite Anwendung der Mikroelektronik zu beschleunigen, wird mit dem zeitlich befristeten Sonderprogramm (1982-1984) die Entwicklung von Produkten, in denen die Mikroelektronik funktionsbestimmend ist, unterstützt. Rund die Hälfte der mehr als 2 500 Anträge sind Produktinnovationen in der Meß- und Regeltechnik (insbesondere für den Maschinenbau, für Energieeinsparung und Umweltschutz), etwa 25 % zielen auf den Markt für Büro und Kommunikation und jeweils ca. 5 % der Anträge sind auf Anwendungen im Kfz-Sektor, auf Haushaltsgeräte und auf Geräte für medizinische Anwendungen gerichtet.
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    Rede von Hans Klein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Bundesregierung ist noch nicht ganz acht Wochen im Amt, also wenig länger als die Hälfte jener hundert Tage Schonfrist, die in angelsächsischen Demokratien neuen Regierungen eingeräumt wird.

    (Zuruf von der SPD: Die versprechen auch nicht immer gleich Neuwahlen!)

    Ihr wurde eine solche Schonfrist nicht gewährt, im Gegenteil.

    (Unruhe bei der SPD)

    Dennoch hat sie auch in der Außenpolitik bereits eine stattliche Erfolgsbilanz vorzuweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Klein (München)

    Die Bundesrepublik Deutschland hat in dieser vergleichsweise kurzen Zeit wieder an internationaler Statur gewonnen.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Vertrauen im Westen, Berechenbarkeit für den Osten, beides ist weitgehend wiederhergestellt, aus dem Zwielicht gerückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und da die SPD-Fraktion, wie der Herr Kollege Ehmke am 13. Oktober vor diesem Hohen Hause erklärt hat, eine breite Gemeinsamkeit in der Außenpolitik für wünschenswert hält, kann sie sich jetzt über diese eindruckvollen Erfolge von Bundeskanzler Dr. Kohl mit uns freuen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist ein Prahlhans!)

    Angesichts der schweren außenpolitischen Probleme, zu deren Lösung wir als geteiltes Land auch deshalb beitragen müssen, um eines Tages diese Teilung überwinden zu können, läge eine solche Haltung der Opposition im wohlverstandenen Staatsinteresse.
    Die SPD wird in den kommenden Monaten und Jahren ohnehin viel Kraft brauchen, um ihre von radikalpazifistischem Gedankengut beherrschten Gruppierungen von jenen sicherheitspolitischen Notwendigkeiten zu überzeugen, die auch die frühere, von ihr geführte Bundesregierung formuliert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie erwiese sich aber einen Bärendienst, wenn sie fortführe, von einem Einschwenken der CDU/CSUFDP-Bundesregierung auf die außenpolitische Linie der SPD zu sprechen. Sie würde damit nur ihren verschiedenen Flügeln ein Angebot an widersprüchlichen Bezugspunkten liefern. Denn welche war denn die außenpolitische Linie der SPD?

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Welche war denn die von Strauß?)

    Die des damaligen Bundeskanzlers? Die ihres Parteivorsitzenden? Die von Egon Bahr? Oder die von Erhard Eppler?

    (Bohl [CDU/CSU]: Oder die von Lafontaine?)

    Genau an diesem Punkt haben doch, um es ganz unpolemisch zu sagen, vor einigen Jahren die Schwierigkeiten der SPD und damit der von ihr geführten Bundesregierung begonnen. Es blieb unseren westlichen Verbündeten ebenso wenig verborgen wie unseren kommunistischen Kontrahenten, daß der damalige Bundeskanzler in entscheidenden außen- und sicherheitspolitischen Fragen zwar auf die Kooperationsbereitschaft der Unionsfraktion, dagegen nicht mehr auf die geschlossene Zustimmung seiner eigenen Fraktion bauen konnte.

    (Bohl [CDU/CSU]: So ist es!)

    Es waren keineswegs namenlose Hinterbänkler, die der Politik ihrer eigenen Regierung widersprachen. Es waren international bekannte sozialdemokratische Spitzenpolitiker, die unsere Position im westlichen Bündnis in Zweifel zogen, unsere Beziehungen zu den USA und zur UdSSR auf eine Stufe stellten und gegenüber Washington einen aggressiven Ton anschlugen, den sie gegenüber Moskau niemals anzuschlagen wagten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Sagen Sie endlich einmal etwas zur Sache!)

    Der Kollege Wischnewski hat vorhin mit Tremolo in der Stimme bedauert, daß die neue Bundesregierung noch keinen Koordinator für die deutschamerikanischen Beziehungen bestimmt habe. Er hat der Frau Hamm-Brücher ein Kompliment für ihre Arbeit gemacht, dem anzuschließen für mich keine Beschwer bedeutet. Aber, meine sehr verehrten Kollegen von der SPD, diese Koordinatorfunktion war auch eine Feigenblattfunktion. Dies hat die neue Bundesregierung in diesem Umfang und in dieser Art überhaupt nicht nötig.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Wischnewski [SPD])

    Herr Kollege Wischnewski, auf der anderen Seite des Atlantiks ist Richard Allen soeben von Präsident Reagan

    (Zuruf von der SPD: Sagen Sie einmal etwas zur Sache, Herr Klein!)

    zum Chairman für die US-deutsche Regierungskommission ernannt worden, die die Dreihundertjahrfeier für nächstes Jahr vorbereiten soll.

    (Wischnewski [SPD]: Aber als Sicherheitsberater ist er rausgeflogen!)

    Dieser Richard Allen wird von Ihrem Kollegen Männing in dem sozialdemokratischen Pressedienst vom 11. November dieses Jahres als „privatisierender Politbrandstifter" bezeichnet.

    (Zuruf von der SPD: Da hat er recht!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Mann, der, von dem Präsidenten mit seinem Vertrauen ausgestattet, auf der anderen Seite des Atlantiks deutsch-amerikanische Beziehungen koordiniert. Und das ist die Tonlage, in der prominente sozialdemokratische Politiker mit ihm umgehen! Und da fragen Sie, wo die Gründe für das Zerwürfnis liegen, j a, bestreiten sogar, daß ein solches vorgelegen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt alles, nur nicht das Prädikat „prominent" für Herrn Männing!)

    Damit ich nicht mißverstanden werde: Ich bin in jedem Falle gegen aggressiven Ton in der Außenpolitik, auch gegenüber Moskau.

    (Zurufe von der SPD: Seit wann denn das? Auch gegenüber Franz Josef Strauß?)

    Daß der Ton auch in der Außenpolitk die Musik macht, ist Bundeskanzler Kohl ganz offensichtlich stärker bewußt, als es seinem Vorgänger bewußt gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Klein (München)

    Meine Damen und Herren, neben Kompetenz und Glaubwürdigkeit spielen das persönliche Auftreten und die Fähigkeit, auf seinen Partner einzugehen, bei wichtigen außenpolitischen Begegnungen eine Rolle.

    (Zuruf von der SPD)

    Es gibt neben der subjektiven Glaubwürdigkeit gleichrangig eine objektive Glaubwürdigkeit, die bei einem Bundeskanzler davon abhängt, ob er für eine geschlossene Mehrheit spricht oder nicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Bundeskanzler Kohl hat bei all seinen außenpolitischen Gesprächen für eine Mehrheit der Bürger dieses Landes und im Namen einer geschlossenen parlamentarischen Mehrheit gesprochen.

    (Zuruf von der SPD: Auch für die FDP?)

    Das haben seine Gesprächspartner gewußt und gewürdigt. Sein Vorgänger hat es gleichwohl für richtig gehalten, auf dem sogenannten Kleinen Parteitag der SPD letzte Woche zu erklären, es reiche nicht aus, in ausländischen Hauptstädten nur Ergebenheitsadressen abzuliefern.

    (Demonstrativer Beifall bei der SPD)

    — Herr Apel, es ist mir völlig klar, daß Sie dafür Applaus spenden. — Nun sollte man solche Äußerungen angesichts der bekannten Polemisierlust des Kollegen Schmidt nicht auf die Goldwaage legen, insbesondere auch deshalb nicht, weil er damit seine ansonsten dankenswert klare Darstellung unserer Bedrohung durch das wachsende Raketenarsenal der Sowjetunion für die versammelten Genossen offenbar konsumierbar machen mußte. Aber er hat mit dieser Formulierung, wie so oft zuvor, eine Diffamierungsparole ausgegeben, die schließlich zum Schaden jener Politik ins Feld geführt wird, die auch er für richtig hält. Doch anscheinend bringt er es nicht über sich, den überzeugenden Erfolg seines Nachfolgers anzuerkennen.
    Bundeskanzler Kohl hat deutsche Auffassungen und Interessen vielfach wesentlich nachdrücklicher vorzutragen vermocht als sein Vorgänger.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Aber er hat eben zunächst dafür gesorgt, daß — wie mein Freund Volker Rühe das nannte — das Grundverhältnis wieder stimmt. Als Partner, als Verbündeter, als Freund der mächtigsten Demokratie dieser Erde halte ich es geradezu für abwegig, nicht zu leugnende Unterschiede zu Lasten der tatsächlichen Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Diesen Fehler hat Bundeskanzler Kohl nicht begangen.
    Weil Sie diesen Namen ständig auf der Zunge tragen, erlauben Sie mir, Ihnen an Hand eines fast drei Jahre zurückliegenden Beispiels die unterschiedliche Art und Weise darzulegen, in der ein führender Unionspolitiker und ein führender SPD-Politiker deutsche Interessen in Amerika vertreten haben. Als Franz Josef Strauß im Frühjahr 1980 in Washington war, wurde er im Senat mit einer Aussage Helmut Schmidts konfrontiert. Der damalige Bundeskanzler hatte gegenüber den amerikanischen Gesetzgebern die Interessenverschiedenheit zwischen unseren beiden Staaten mit der Feststellung begründet, daß sowjetische Panzereinheiten nur wenige Marschstunden von seiner Heimatstadt Hamburg entfernt stünden. Strauß dagegen unterstrich die Gemeinsamkeit der deutsch-amerikanischen Interessen mit dem Hinweis, daß sowjetische Interkontinentalraketen im Zweifel rascher New York oder Washington erreichen könnten als sowjetische Panzer Hamburg. Ich wiederhole: Beide haben deutsche Interessen vertreten. Nur, Helmut Schmidt hat mit seiner Beweisführung den Eindruck gefährlich eingeschränkter Handlungsfähigkeit erweckt. Franz Josef Strauß hat den Amerikanern klargemacht, daß sie mit uns in einem sicherheitspolitischen Boot sitzen.
    Bundeskanzler Kohl hat Präsident Reagan versichert, daß die Bundesrepublik Deutschland zum NATO-Doppelbeschluß stehe, daß sie beim Scheitern der Genfer Verhandlungen den Nachrüstungsteil zu vollziehen entschlossen sei und daß er ein baldiges Gipfeltreffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem neuen Generalsekretär der KPdSU für wünschenswert halte. Es gehört schon eine starke Portion Böswilligkeit dazu, das alles als „Ergebenheitsadresse" abzuqualifizieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Kollegen von der SPD, lassen Sie uns offen und ernsthaft über den NATO-Doppelbeschluß diskutieren. Ihr Kanzlerkandidat — für dessen Wirklichkeitssinn es spricht, daß er nach dem 6. März 1983 für den SPD-Fraktionsvorsitz zu kandidieren beabsichtigt — hat in Kiel erklärt, die Bundesregierung lege das Gewicht stärker auf den Nachrüstungsteil, während der Akzent der SPD auf dem Verhandlungsteil liege. Das ist heute im Laufe der Debatte mehrfach so oder anders betont worden.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich unterstelle sicher zu Recht, daß beide Seiten dieses Hauses das Idealziel der sogenannten NullLösung anstreben.

    (Conradi [SPD]: Was heißt denn „sogenannt"?)

    Entschieden werden muß über die Frage, auf welchem Wege wir dieses Idealziel — Verschrottung der sowjetischen SS-20-Raketen und Nichtstationierung geplanter bzw. in Bau befindlicher amerikanischer Raketen — am wahrscheinlichsten erreichen.

    (Conradi [SPD]: Die Engländer und die Franzosen machen weiter!)

    Es gibt keinen einzigen historischen Hinweis darauf, daß die Sowjetunion bislang eine westliche Vorleistung durch eigene Mäßigung honoriert hätte, im Gegenteil. Wer also wie Egon Bahr öffentlich verkündet, das Nein der SPD zur Stationierung sei nähergerückt, wer wie der SPD-Kanzlerkandidat oder heute der Kollege Wischnewski vom „Akzent auf dem Verhandlungsteil" spricht, wer wie der Münchner SPD-Parteitag den NATO-Doppelbeschluß zur späteren Disposition stellt, wer von Moratorium oder Einfrieren spricht — der Westen



    Klein (München)

    kann nichts einfrieren, was er noch nicht hat —, nährt auf sowjetischer Seite die — nach meiner festen Überzeugung falsche — Hoffnung, ein Verzicht des Westens auf die Stationierung moderner Mittelstreckenraketen könne ohne sowjetische Gegenleistung erreicht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese falsche Hoffnung wird auch genährt, wenn die innenpolitische Diskussion bei uns durch ansonsten ernsthafte Politiker mit verzerrten Zitaten angeheizt wird. Herr Kollege Wischnewski, im Gegensatz zu Ihnen hatte ich voriges Jahr das Vergnügen, am CSU-Parteitag teilzunehmen, auf dem der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende über den NATO-Doppelbeschluß gesprochen hat. Ich habe — wieder im Gegensatz zu Ihnen — den Vorzug, den korrekten Wortlaut zur Hand zu haben.

    (Wischnewski [SPD]: Ich habe meinen Text aus dem „Bayernkurier"! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist eine sehr gute Zeitung, die sich besser verkauft als der „Vorwärts"!)

    — Der „Bayernkurier" ist zwar eine vorzügliche Zeitung mit einem hohen Informationsgehalt, Herr Kollege Wischnewski, aber wenn Sie eine wichtige politische Rede zitieren, müssen Sie sich schon den ganzen Wortlaut besorgen. Da ist der „Bayernkurier" im Zweifelsfall so wenig in der Lage, vollständig zu sein, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" oder irgendein anderes Blatt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vom „Vorwärts" ganz zu schweigen!)

    Herr Kollege Wischnewski, ich erspare es mir aus Zeitgründen — Sie haben offenbar eine andere Verpflichtung —, Ihnen diesen Text jetzt vorzulesen. Aber ich bin gern bereit, ihn Ihnen zur Verfügung zu stellen. Sie werden feststellen: Er deckt sich nicht mit dem, was Sie hier als Formel aus dem Mund von Franz Josef Strauß eingeführt haben.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Das ist der Fehler, wenn man aus dem „Bayernkurier" zitiert! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist eine gute Reklame!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe soeben — Sie haben mir nicht widersprochen — die Linie der SPD im Blick auf den NATO-Doppelbeschluß zu beschreiben versucht.

    (Dr. Linde [SPD]: Können Sie sich nicht mal auf Ihre Konzepte besinnen? — Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

    — Ich bin immer bei der Sache. Wenn Sie mir nicht folgen können, ist das Ihr Problem!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer — das ist die Linie der CDU/CSU, das ist die Linie dieser Koalition — seine Entschlossenheit aber glaubhaft bekundet, im Falle gescheiterter Abrüstungsverhandlungen den Nachrüstungsteil des Doppelbeschlusses zu vollziehen, wird dem harten, aber keineswegs risikolüsternen sowjetischen Verhandlungspartner die zwingende Notwendigkeit der Abrüstung vor Augen führen.
    Vor diesen beiden Fragen stehen wir, vor diesen beiden Verhaltensformen stehen wir.
    In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung zum neuen Kremlchef Juri Andropow, von dem heute schon mehrfach die Rede war, sicher angebracht. Seine langjährige Erfahrung als KGB-Vorsitzender gewährleistet zweifellos einen hohen Informationsstand über die Verhältnisse auch in westlichen Demokratien. Das berechtigt zumindest zu der Annahme, daß ihn übertriebene Berichte über Stärke und Einfluß der Pazifismusgruppierungen nicht zu Fehleinschätzungen der realen Lage im Westen verleiten. Diese Lage hat sich — dafür sind die erfolgreichen außenpolitischen Aktivitäten von Bundeskanzler Kohl ein Beleg — in den letzten Wochen im Sinne größerer Geschlossenheit und im Sinne vertrauensvollerer Gemeinsamkeit verbessert.
    In gleichem Maße, wie das Verhältnis zwischen den USA und Europa, insonderheit der Bundesrepublik Deutschland, bereinigt wurde, begannen auch die Europäer wieder Tritt zu fassen. Dies ist von großer Bedeutung für einen beiderseits befriedigenden Ausgleich mit der Sowjetunion. Es entspricht auch der Notwendigkeit zu verstärkter europäischer Zusammenarbeit bei der Überwindung so drängender Probleme wie Arbeitslosigkeit, Inflation und wirtschaftliche Stagnation, über deren Dimensionen der Herr Bundesaußenminister vorhin eindrucksvolle Angaben gemacht hat.
    Vor allem muß die Europäische Gemeinschaft in der Lage bleiben, eigenständig, aber auch in zuverlässiger Partnerschaft mit den USA friedenstiftende, die Menschenrechte befördernde und die wirtschaftliche Entwicklung gewährleistende Aufgaben in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zu erfüllen. Gerade im Blick auf die Dritte Welt, die von der Sowjetunion und den übrigen kommunistischen Staaten leider so gut wie überhaupt keine Entwicklungshilfe erhält, aber im Übermaß militärische Güter und Revolutionsexperten, sind intakte und offene Märkte der westlichen Industrienationen Voraussetzung für globalen Fortschritt. Protektionistische Tendenzen vermögen heute angesichts der weltweiten gegenseitigen Abhängigkeiten kaum noch einen einzelnen Industriezweig, geschweige denn einen Industriestaat auch nur mittelfristig vor Schaden zu bewahren. Im Gegenteil! Wer, um es auf eine einfache Formel zu bringen, anderen nichts abkauft, von dem werden die anderen auch nichts kaufen — auf die Dritte Welt angewandt heißt dies: auch nichts kaufen können.
    In diesem außenpolitischen Zusammenhang steht der große Industriestaat Japan. Wir wären schlecht beraten, Erfindungsgabe, Fleiß, Organisationskraft und Markttalent dieses hochentwickelten Volkes mit seinem bedeutenden Lebensstandard auf die unkundige Unterstellung zu reduzieren, Japan sei ein Billiglohnland. Für die westliche Staatengemeinschaft ist ein wachsender Beitrag bei der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, von der Verteidigung bis zur Entwicklungshilfe, seitens die-



    Klein (München)

    ses hochindustrialisierten und mit ihr vielfach verbundenen asiatischen demokratischen Staates von Bedeutung.
    Die neue Bundesregierung wird in der Kontinuität der außenpolitischen Vorstellungen von CDU und CSU die Beziehungen zur Volksrepublik China, zu Indien, zu den ASEAN-Staaten weiterentwikkeln. Sie wird Pakistan dabei helfen, die Probleme zu bewältigen, die das Millionenheer afghanischer Flüchtlinge geschaffen hat, die den sowjetischen Invasoren entkommen sind. Sie wird im Nahen Osten und in Afrika in engem Schulterschluß mit ihren europäischen und amerikanischen Verbündeten eine Politik betreiben, die den drei Prinzipien entspricht, die die Bundesrepublik Deutschland seit den Tagen Konrad Adenauers auch im Blick auf das nationale Anliegen der Deutschen stets als gleichrangig und unauflösbar miteinander verbunden betrachtet: Recht auf Selbstbestimmung, Respektierung der Souveränität und Integrität von Nachbarstaaten, Verzicht auf Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele oder rechtlicher Standpunkte.
    Dies gilt für den Staat Israel, dem gegenüber die Deutschen in einer besonderen historischen Pflicht stehen. Dies gilt für die Palästinenser als einem Zweig der arabischen Völkerfamilie, zu der die Deutschen traditionell freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Dies gilt für die Bewohner des afrikanischen Kontinents, für deren staatliche Entwicklungsprozesse, deren kulturelle Identitätsfindung und deren allmählichen wirtschaftlichen Aufstieg wir weiter Zusammenarbeit anbieten. Auch gegenüber Lateinamerika, dem dritten Kontinent der Zukunft, der Europa historisch und kulturell so eng verbunden ist, wird eine unionsgeführte Bundesregierung einer Politik das Wort reden, die sich als komplementär und nicht als alternativ empfindet zur amerikanischen Politik.
    Meine Fraktion wird die Bundesregierung auch stets ermutigen, sich der Deutschen im Ausland, sei es in der argentinischen Pampa, in amerikanischen Großstädten, am Rande der Wüste Nabib oder in der Steppe Kasakstans, mit besonderer Fürsorge anzunehmen. Mit Auslandsdeutschen meine ich jene loyalen Bürger fremder Staaten, die selber oder deren Vorfahren aus Deutschland ausgewandert sind und oft unter großen persönlichen Opfern die geistig-kulturelle Verbindung zur alten Heimat aufrechtzuerhalten trachten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung führt eine Außenpolitik der Kontinuität. Gleichwohl setzt sie überall dort, wo sich in den letzten 13 Jahren die Gewichte in die falsche Richtung verlagert haben, wieder neue Akzente. Unter Kontinuität verstehen wir den Ausbau der deutsch-französischen Freundschaft, die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Großbritannien und allen größeren und kleineren Partnerländern in der EG. Unter Kontinuität verstehen wir die Weiterentwicklung der guten Beziehungen zu den skandinavischen Ländern und den Mittelmeeranrainern, die Festigung des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses als einer Wertegemeinschaft. Unter Kontinuität verstehen wir insbesondere das enge Vertrauensverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA.
    Damit der Begriff nicht zu falschen Interpretationen verlockt, sage ich: Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung steht auch in der Politik gegenüber der Sowjetunion in der Kontinuität Konrad Adenauers, unter dessen Kanzlerschaft die diplomatischen Beziehungen mit der UdSSR aufgenommen wurden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    von denen er jedoch seinerzeit in einem Schreiben an Marschall Bulganin feststellte, daß dies keine Anerkennung des derzeitigen beiderseitigen territorialen Besitzstands darstelle; die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands bleibe dem Friedensvertrag vorbehalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu dieser Kontinuität gehört die Friedensnote des Bundeskanzlers Ludwig Erhard vom 25. März 1966, in der es hieß:
    Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits mit ihren westlichen Verbündeten Gewaltverzichtserklärungen ausgetauscht. Da die Regierungen der Sowjetunion und einiger europäischer Staaten wiederholt ihre, wenn auch unbegründete, Sorge über einen deutschen Angriff ausgedrückt haben, schlägt die Bundesregierung vor, auch mit den Regierungen der Sowjetunion, Polens, der Tschechoslowakei und jedes anderen osteuropäischen Staates, der dies wünscht, förmliche Erklärungen auszutauschen, in denen jede Seite gegenüber dem anderen Volk auf die Anwendung von Gewalt zur Regelung internationaler Streitfragen verzichtet.
    Schließlich, meine Damen und Herren, gehört zu dieser Kontinuität auch all das an politischen Anstrengungen, was von CDU und CSU seinerzeit aus der Opposition heraus unternommen wurde, um sicherzustellen, daß die Verträge mit den osteuropäischen Staaten und der DDR nicht Grenzverträge, sondern Gewaltverzichtsverträge wurden. Kurt Georg Kiesinger hat dazu am 17. Mai 1972 erklärt: Die Verträge dienen der Herstellung eines Modus vivendi, d. h. eines geregelten Übergangszustands, der zentrale Fragen der Sicherheit und des Friedens in Europa nicht präjudiziert.
    Der Brief zur deutschen Einheit, 1970 entscheidend von der CDU/CSU mit durchgesetzt, und die verfassungskonforme Auslegung des Grundlagenvertrags mit der DDR, durch die Klage der bayerischen Staatsregierung beim Bundesverfassungsgericht 1973 erwirkt, gehören ebenfalls zu dieser Kontinuität.
    Die CDU/CSU und die von ihr geführte Bundesregierung brauchen weder irgendwo hinzuschwenken noch auf jemanden einzuschwenken, um diese klare Kontinuitätslinie weiterzuführen.
    Ich finde es deshalb, mit Verlaub gesagt, billig, wenn die SPD bei jeder sich bietenden Gelegenheit



    Klein (München)

    der Berufung eines Unionspolitikers auf, sagen wir, die KSZE-Schlußakte oder von ihr betriebene Gesetze, Verträge und Abkommen ähnlichen Inhalts so reagiert, als sei dies unzulässig. Richtig, wir wagen gegen diese Unterzeichnung, wie wir gegen viele außenpolitische Schritte der früheren Regierung gestimmt haben. Das würden wir, zumindest in den meisten Fällen, auch heute in der Kontinuität unserer außenpolitischen Grundüberzeugungen wieder tun, was nichts damit zu tun hat, daß für uns ganz selbstverständlich geschlossene Verträge und Abkommen als Grundlage der weiteren Politik dienen müssen.
    Meine Damen und Herren, dieser Kontinuität hatte die frühere Bundesregierung schließlich die Basis zu verdanken, auf der sie überhaupt eine unabhängige, freie Außenpolitik betreiben konnte. Aber wir haben die Sozialdemokraten nicht bei jeder Gelegenheit daran erinnert, daß sie so gut wie alle Verträge abgelehnt haben, auf deren Grundlage der Zusammenschluß des freien Europas, die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Staatengemeinschaft und die Mitgliedschaft in einem unsere Freiheit schützenden Verteidigungsbündnis möglich wurden und die nach der Punktation, die der Kollege Brandt hier soeben vorgetragen hat, von der SPD heute größtenteils bejaht und unterstützt werden.
    Die außenpolitische Entwicklung von knapp acht Wochen hat auch ausgereicht, die verantwortungslose Formel, daß unser Staat unter einer unionsgeführten Bundesregierung in die Isolierung geriete, ad absurdum zu führen. Selbstverständlich ist diese Aussage nicht eingetroffen. Aber mehr noch, schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß die Regierungen zahlreicher Staaten den Regierungswechsel äußerst positiv bewerteten. Der neue Bundeskanzler kam auf Anhieb mit seinen ausländischen Partnern — selbst wenn es sich, wie im Falle des französischen Staatspräsidenten Mitterrand, um jemanden einer ganz anderen politischen Richtung handelte — offenkundig besser zurecht als sein Vorgänger.

    (Roth [SPD]: Aua, aua!)

    Und die düsteren Prophezeiungen eines politischen Kälteeinbruchs in unseren Beziehungen zu den kommunistischen Staaten Osteuropas? Moskau hat auf mannigfache Weise öffentlich und dieskret signalisiert, es sei an der Fortsetzung guter Beziehungen stark interessiert. Das gleiche gilt für die meisten anderen Ostblockstaaten und für die DDR. Dieses Interesse ist ja — das ist auf der Gegenseite bekannt — durchaus wechselseitig. Die einzige mir bekannte auffällige Ausnahme bilden hier die Äußerungen des Propagandaapparats der polnischen Militärregierung, doch dieser Apparat spiegelt sicher nicht die Empfindungen des polnischen Volkes,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    das in einer schweren Not die Hilfsbereitschaft der Deutschen zu würdigen weiß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Außenpolitik und die Deutschlandpolitik der Bundesrepublik Deutschland — so hat der heutige Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Dr. Rainer Barzel, vor über zehn Jahren an die Adresse der damaligen SPD-geführten Bundesregierung gesagt — waren vor dieser Bundesregierung Friedenspolitik, und sie werden es nach ihr bleiben.
    Bleiben wird auch als ewige Konstante unsere geopolitische Lage im Herzen Europas. Geblieben sind die Teilung unseres Vaterlandes und der Verfassungsauftrag an das gesamte deutsche Volk, in freier Selbstbestimmung Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben mit den eindrucksvollen außenpolitischen Aktivitäten Ihrer ersten acht Regierungswochen, über die Sie in Ihrer heutigen Regierungserklärung berichtet haben, im Sinne dieses Verfassungsauftrags gehandelt. Dafür darf ich Ihnen namens der CDU/CSU-Fraktion Respekt und Dank ausdrücken. Der Fraktion ist wie Ihnen bewußt, daß der Weg zur schließlichen Erfüllung dieses Verfassungsgebots noch weit ist. Er führt über die Anerkennung der Menschenrechte aller europäischen Völker, und er kann nur gegangen werden, wenn in der Welt Frieden herrscht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Schäfer (Mainz).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Klein, ich gratuliere Ihnen als Kollege zu Ihrer großen außenpolitischen Jungfernrede. Bisher war es ja vorwiegend auswärtige Kulturpolitik.
    Ich habe nicht gezählt, wie häufig Sie das Wort Kontinuität gebraucht haben. Es fällt mir nun schwer, es noch zu wiederholen. Ich bin zwar völlig Ihrer Meinung, aber wir geraten jetzt ein bißchen in Schwierigkeit, mit diesem Wort zu häufig umzugehen.
    Es ist ja nun schon mancher vom Saulus zum Paulus geworden. Ich habe mir — das sage ich hier ganz ernst und ganz offen — beim Wechsel dieser Regierung in Bonn auch Gedanken darüber gemacht, ob es tatsächlich so etwas wie eine Kontinuität der Außenpolitik in einigen Feldern geben wird. Ich bekenne das hier ganz offen, denn ich habe ja nun in langjährigen Erfahrungen im Auswärtigen Ausschuß — weniger mit Herrn Klein, aber doch mit einigen Kollegen von ihm — und auch sonstwo den Eindruck gehabt, daß es schon ganz beträchtliche Unterschiede in der Beurteilung der außenpolitischen Lage gab, vor allem im Bereich der Ost- und Entspannungspolitik, aber auch in der Nord-SüdPolitik. Ich bin sehr froh, daß der Herr Bundeskanzler und auch der Herr Außenminister heute in ihren Erklärungen deutlich gemacht haben — und dadurch sind zumindest meine Befürchtungen, meine Zweifel doch erheblich geringer geworden —, daß es — und hier muß ich das Wort Kontinuität nun doch gebrauchen — bei dieser Kontinuität bleibt. Ich bin sehr froh, wenn es bei dieser Kontinuität



    Schäfer (Mainz)

    bleibt und werde alles dazu tun, um dies gerade auch in den von mir genannten Feldern zu fördern.
    Meine Damen und Herren, es gibt sicher keinen Zweifel darüber, daß sowohl die Koalitionsvereinbarungen als auch die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers heute vormittag wie auch die ersten Treffen mit Bündnispartnern im Westen, über die der Herr Bundeskanzler berichtet hat, aber auch das Zusammentreffen des Herrn Bundespräsidenten mit dem Nachfolger des verstorbenen sowjetischen Generalsekretärs in Moskau und mit weiteren Regierungsvertretern in der sowjetischen Hauptstadt deutlich gemacht haben, daß die deutsche Außenpolitik weiterhin aktiv bleibt und von ihrem guten Haben-Stand lebt.
    Ich meine, daß das, was Herr Kollege Wischnewski heute morgen hier gesagt hat, nicht so ganz begründet werden konnte, daß er nämlich befürchtet, daß nach dem 6. März sich diese Politik nun doch durch eine Diskontinuität verändern würde. Den Beweis ist er eigentlich nicht angetreten. Ich muß allerdings eine Einschränkung machen, und die werden Sie mir bitte verzeihen. Herr Wischnewski hat keine sehr freundlichen Ausführungen zu dem Vorsitzenden meiner Partei, dem Bundesaußenminister, heute morgen hier gemacht. Ich habe dafür Verständnis.

    (Zuruf des Abg. Rühe [CDU/CSU])

    — Na ja, Verständnis aus den Kreisen der SPD, daß man nun sehr böse ist, darf ich j a nun wohl hier noch äußern. Sie werden es gleich hören; ich komme noch dazu.

    (Rühe [CDU/CSU]: Das war doch unter Niveau von Wischnewski!)

    — Herr Rühe, ich habe das alles in meinem Papier vorgesehen. Lassen Sie mich doch mal weiterreden.
    Ich meine aber, Herr Kollege Wischnewski, daß ein ganz entscheidender Punkt im Wahlkampf zu diesen Wahlen am 6. März doch der sein wird, ob es gelingen wird, die FDP trotz Ihrer begreiflichen Verärgerung noch in diesem Deutschen Bundestag zu haben. Genauer gesagt, wer diese Partei hier nicht mehr wünscht, sondern möglicherweise eine absolute Mehrheit der CDU/CSU will — oder aber auch die Grünen an unserer Stelle —, für den ist, das muß ich allerdings sagen, die Kontinuität dieser deutschen Außenpolitik nicht gewährleistet. Ich meine, das sollten alle draußen sehen, sosehr man auch vielleicht gelegentlich den Stab über der FDP gebrochen hat.
    Und wenn Herr Kollege Wischnewski Herrn Kohl heute morgen aufgefordert hat, das böse Wort vom Zwielicht, das in die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten gekommen sei, zurückzunehmen, dann darf ich in diesem Zusammenhang sagen, ich fand sein Wort zu Herrn Genscher mindestens ebenso böse; denn, wie man auch politisch zu Herrn Genscher stehen und ihn beurteilen mag, an einem gab es auch für seine Kritiker in der FDP keinen Zweifel: daß er seine
    Außenpolitik fortsetzt und daß es für die Bundesrepublik Deutschland schädlich ist, wenn man heute hier feststellt, daß Herr Genscher, da er angeblich das Vertrauen in Deutschland verloren habe, nunmehr nun auch kein Vertrauen mehr draußen in der Welt habe. Ich halte diese Behauptung für mindestens so böse und wäre froh, wenn Herr Wischnewski das zurücknehmen würde.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Was nun das deutsch-amerikanische Verhältnis betrifft — —

    (Zuruf von der SPD: Das gilt uneingeschränkt!)

    — Ich habe ja Verständnis für Sie. Aber wir dürfen uns ja nicht dauernd weiter ärgern. Es bringt, glaube ich, nicht allzuviel für den Fortgang unserer Außenpolitik. Nur darauf habe ich mich bezogen. Ich muß das sehr deutlich sagen.
    Die gelegentlichen Trübungen unseres Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten sind sicher auf die Kontroversen zurückzuführen gewesen, die notwendigerweise von Zeit zu Zeit auch mit unserem amerikanischen Bundesgenossen aufgetreten sind und, wie ich meine, auch in Zukunft zwangsläufig auftreten werden. Es ist einfach Unsinn, zu glauben, daß bei wirtschaftlichen Fragen immer und von vornherein zwischen den USA und uns Übereinstimmung bestehen würde. Es ist also keinesfalls auszuschließen, daß es auch in Zukunft an dieser so wichtigen Stelle gelegentliche Dissense geben muß. Ich meine, hier ist es gut, wenn die Bundesregierung, wenn die Bundesrepublik Deutschland, wenn die Europäer ihre Interessen wahrnehmen und auch diese Kontroversen nicht fürchten. Ich halte es für falsch, wenn man hier hysterisch reagiert, daß es gelegentlich in Amerika Kritik an uns oder hier Kritik an den Vereinigten Staaten gibt. Das ist wohl unter Freunden gar nicht zu vermeiden. Es kommt natürlich darauf an, in welcher Form diese Kritik geübt wird.

    (Zuruf von der SPD)

    Wir haben auch heute noch einen Dissens, und ich sage das ganz klar, auch in meiner Beurteilung der Vereinigten Staaten, zu bestimmten Kreisen um den Präsidenten, insbesondere am rechten Flügel der Republikanischen Partei. Hier gibt es einfach eine Weltsicht, die wir nie geteilt haben. Ich glaube auch nicht, daß die CDU/CSU sich in der Nachbarschaft dieser Politiker befindet, die immer wieder alle Probleme, die in der Welt auftauchen, sehr schnell mit dem Einfluß des Kommunismus verwechseln — das gilt insbesondere auch für die lateinamerikanische Hemisphäre —, die die Entspannungspolitik niemals gewollt haben. Hier wurde ja einer dieser Herren zitiert, der gesagt hat: Die Entspannung ist tot. Nach unserer Auffassung war sie und ist sie nicht tot. Im Schlußkommuniqué des Gespräches, das der Bundeskanzler mit dem amerikanischen Präsidenten geführt hat, ist ganz klar geworden, daß auch der amerikanische Präsident unserer Auffassung zuneigt, daß natürlich die



    Schäfer (Mainz)

    Entspannungspolitik, daß die Ostpolitik fortgesetzt wird.
    Es gibt auch Dissense zu Fragen der Entwicklungspolitik. Hier meine ich, wir können natürlich als Bundesrepublik, als Bundesregierung doch nicht alle vier Jahre bei dem Wechsel des amerikanischen Präsidenten und seiner engsten Berater wieder eine neue Politik vollziehen, d. h. sozusagen nahtlos den Amerikanern folgen. Sondern hier müssen wir natürlich eine bewährte Politik fortsetzen, auch wenn eine neue Administration zu anderen Ergebnissen kommt. Ich glaube, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Es gibt einen Dissens zu den Richtlinien, die die Reagan-Administration zu ihrer Entwicklungspolitik herausgegeben hat, wo sie ja militärische Sicherheit in den Vordergrund stellt, was nicht unsere Vorstellung von Entwicklungspolitik ist. Aber solche Kontroversen sind doch nicht tödlich für ein Bündnis. Sie sind auch nicht gefährlich. Ich halte sie für notwendig. Wir sollten sie nicht scheuen, wenn sie notwendig werden. Es geht eben nur darum, daß wir den rechten Ton finden, sie auszutragen. An dem grundlegenden Konsens mit den Vereinigten Staaten und an unserer Partnerschaft hat doch in diesem Hause niemand gezweifelt. Das ist ja für uns lebensnotwendig. Hier braucht das Wort „Kontinuität" nicht bemüht zu werden. Ich würde hier sagen, das ist Selbstverständlichkeit.
    Ich bin dem Bundeskanzler auch dankbar, daß er heute in seiner Regierungserklärung ein deutliches Wort zu dem zunächst uns etwas erschreckenden Ergebnis gesagt hat, das angeblich mit den Vereinigten Staaten über Maßnahmen zur Erreichung eines breiteren Konsenses in der Ost-West-Handelspolitik erzielt worden sei, daß also ein Abkommen bereits getroffen worden sei. Es hat sich herausgestellt — der Bundesaußenminister hat es heute deutlich bestätigt —, daß wir hier erst auf dem Wege sind. Ich gehe davon aus, Herr Vorsitzender Marx, daß wir das im Auswärtigen Ausschuß auch vorher noch einmal diskutieren dürfen, bevor es dann endgültig verabschiedet wird.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wenn wir die Zeit dazu hätten!)

    Denn das Parlament soll ja ein bißchen kritisch die Regierung mit verfolgen, und wir dürfen auch vielleicht den einen oder anderen Rat geben.
    Ich glaube, daß es gefährlich wäre, wenn jetzt von den beiden großen Parteien in diesem Bundestag gegenseitig Zweifel gesät würden, von der einen Seite zur anderen, daß sie nur einen Teil des NATO-Doppelbeschlusses gerne verwirklichen wollte. Das ist heute morgen schon zum Ausdruck gekommen. Ich halte davon nichts. Es war letzten Endes Bundeskanzler Schmidt, der sich für diesen NATO-Doppelbeschluß entschieden eingesetzt und ihn mit der deutschen Bundesregierung, mit der sozialliberalen Koalition herbeigeführt hat. Es ist Unsinn, wenn man jetzt so tut, als wolle die SPD nur die Verhandlungslösung, aber nicht über die Nachrüstung nachdenken, und umgekehrt sie der CDU vorwirft, sie
    sei überhaupt nur an der Nachrüstung interessiert. Das führt uns hier nicht weiter.

    (Rühe [CDU/CSU]: Es stimmt auch nicht!)

    Es schadet auch den Verhandlungen. Und es stimmt natürlich auch nicht. Herr Rühe, wir sind völlig einig. Aber genauso empfehle ich, nicht umgekehrt der anderen Seite zu unterstellen, hier sei man überhaupt nicht interessiert und hier werde man dem zweiten Teil des Nachrüstungsbeschlusses nicht folgen.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Wenn Sie meinen, daß einzelne SPD-Abgeordnete das möglicherweise lieber anders sähen — Herr Lenz, wenn Sie mich das fragen wollten: ich habe es erfaßt —, dann gebe ich Ihnen das zu. Aber noch gelten für mich

    (Zuruf des Abg. Lambinus [SPD])

    — das habe ich ja gerade gesagt — eigentlich die Parteitagsbeschlüsse und -programme, auch die Außerungen der Parteiführungen. Und hier ist, meine ich, auch die SPD immer noch in der Kontinuität ihrer früheren Politik. Auch das muß man hier vielleicht einmal deutlich sagen.
    Ich halte es für sehr richtig und sehr wichtig, daß der Bundeskanzler den amerikanischen Präsidenten gedrängt hat, sich zu dem seit langem vorgesehenen Gipfelgespräch mit dem sowjetischen Generalsekretär bereitzufinden. Ich meine nämlich, auch mit Kollegen des Auswärtigen Ausschusses, daß es zwar schön ist, sehr viele Rüstungskontrollverhandlungen und Abrüstungsverhandlungen zu haben und neue Konferenzen zu fordern, daß es aber ein bißchen lang bei einigen dieser Konferenzen zugegangen ist. Vielleicht bedarf es doch eines Pushes von oben, damit nun endlich Ergebnisse etwas schneller herbeigeführt werden können. Gerade bei MBFR in Wien ist es nach neun Jahren an der Zeit, daß sich Lösungen abzeichnen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Es müssen die richtigen Zahlen auf den Tisch!)

    Vielleicht bedarf es hier natürlich einer Initiative auf höchster Ebene. Die könnte nur hilfreich sein.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Es müssen die richtigen Zahlen auf den Tisch!)

    — Herr Kollege Marx, selbstverständlich geht es um die richtigen Zahlen. Aber was die Zahlen betrifft, so gerate auch ich gelegentlich in Verwirrung. Denn die ändern sich von Tag zu Tag. General Rogers hat nun erklärt, in allen Bereichen seien, wenn ich ihn recht verstanden habe, die Sowjets im Verhältnis 2:1 überlegen. Es wird mir sehr schwerfallen, das so nachzuvollziehen, da es ja eine Fülle anderer Zahlen gibt. Die Zahlenarithmetik wird sicher nicht weiterführen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Allein nicht! Das ist gewiß! Aber es ist die Grundlage für eine Vereinbarung!)




    Schäfer (Mainz)

    — Wir sind uns einig. Ich wollte das nur noch einmal herausstellen.
    Ich glaube auch, daß beide Seiten — sowohl die Sowjetunion als auch die Vereinigten Staaten von Amerika — gewissen Begehrlichkeiten ihrer Militärs nach immer neuen Waffen und immer neuen Technologien im Waffenbereich widerstehen müssen. Ich glaube nicht daran — und hier treffe ich mich j a mit manchem Kritiker dieser Entwicklung —, daß Rüstung allein schon den Frieden garantiert. Ich glaube auch daran, daß in der amerikanischen Innenpolitik die von Herrn Wischnewski zu Recht zitierte Freeze-Bewegung und auch der Hirtenbrief der katholischen Bischöfe deutlich machen, daß solche Vorstellungen auf Dauer innenpolitisch kaum mehr durchzuhalten sein werden. Und ich glaube, in der Sowjetunion werden sie wirtschaftspolitisch nicht mehr durchzuhalten sein.
    Ich begrüße es, daß der neue Generalsekretär in einer aufsehenerregenden Rede vor dem ZK vor zwei Tagen, die Carl Gustaf Ströhm in der „Welt" interessanterweise gestern als „beinahe revolutionär" bezeichnet hat, die Formulierung verwendet hat, „die KPdSU wolle nicht, ,daß Waffen und die Bereitschaft, sie einzusetzen, zum Maßstab des Potentials von Gesellschaftsordnungen werden`". Das ist ein recht interessanter und vom Auswärtigen Amt nachzuprüfender Satz. Ich hoffe nur, daß sich das in praktischen Taten niederschlagen wird. Das gilt für Wien, für Genf, aber auch für Madrid. Wir jedenfalls sind daran interessiert. Es darf keinen Zweifel an unserer Ernsthaftigkeit und der amerikanischen Ernsthaftigkeit geben, die Verhandlungen zu einem sinnvollen und guten Ende zu bringen.
    Ich kann in diesem Zusammenhang auch sagen, daß die Sorge von Herrn Wischnewski nicht berechtigt ist, daß der Dialog mit dem Osten nicht fortgesetzt würde. Er hat schon begonnen. Es war ziemlich aufsehenerregend, daß der Bundespräsident und der Bundesaußenminister in Moskau immerhin eine Stunde vom neuen sowjetischen Generalsekretär empfangen worden sind und daß der Bundespräsident auch mit dem Staatschef der DDR, Herrn Honecker, zusammengetroffen ist. All dies halte ich für eine Fortsetzung des Dialogs. Ich bin froh, daß mein Kollege Voigt vor kurzem bemüht war und ich an diesem Wochenende in Moskau bemüht sein werde, mit dem bescheidenen Anteil als Parlamentarier den Dialog fortzusetzen und daß wir im nächsten Jahre damit rechnen können, daß zum ersten Mal nach vielen Jahren wieder ein Austausch von Parlamentarierdelegationen stattfinden wird, nämlich der deutsch-sowjetischen Parlamentariergruppe und umgekehrt der Parlamentariergruppe des Obersten Sowjets. All das wird dazu beitragen, die Mißverständnisse ein bißchen zu verringern und auch deutlich zu machen, daß wir den Willen haben, weiterzukommen.
    Ich glaube, daß ein Feld der Außenpolitik noch vor Bewährungsproben, auch was die neue Regierung angeht, steht. Das ist die Nord-Süd-Politik. Hier muß manches noch präziser werden. Hier dürfen wir sicher auch nicht in die Vorstellung zurückfallen, wir sollten den Vereinigten Staaten das Feld überlassen, weil eigentlich nur sie eine Weltmacht seien, wir uns auch als kleine Mittelmacht oder mittlere Kleinmacht bei der Lösung bestimmter Probleme vielleicht doch besser nicht beteiligen sollten. Ich halte das für falsch. Wir haben hier — ob in Afrika, Asien oder Lateinamerika — ein Kapital gewonnen, das wir nicht aufgeben werden, nicht aufgeben dürfen. Es gibt für mich auch keine Vorhöfe. Das gilt sowohl für Afghanistan als auch für Zentralamerika. Ich meine, man sollte nicht bestimmte Dinge in Zentralamerika rechtfertigen wollen und gleichzeitig den Sowjets Vorwürfe im Hinblick auf Afghanistan machen. Das geht nicht. Entspannung ist unteilbar. Aber auch die Menschenrechte sind unteilbar.
    Das gilt auch für den Nahen Osten. Ich bin sehr dankbar, daß wir unseren israelischen Freunden deutlich gemacht haben — der Bundesaußenminister hat es heute morgen noch einmal deutlich gemacht —, daß es auch an der Strategie von Venedig nichts zu ändern gibt. Das gute deutsch-israelische Verhältnis enthebt uns nicht der Notwendigkeit, eine bestimmte Politik gegenüber einer Regierung zu betreiben, die sich nicht immer nur an Moral hält, sondern gelegentlich auch handfeste Machtpolitik betreibt. Wer also die Invasion in Afghanistan verurteilt, wird sicher nicht die Invasion im Libanon rechtfertigen wollen. Wer Opfer in Afghanistan beklagt, wird sicherlich nicht umhinkönnen, auch die Massaker in Beirut hier nicht totzuschweigen. Hier sind moralische Abgründe deutlich geworden, zu denen wir nicht schweigen dürfen, nur weil wir ein gutes Verhältnis zu den Juden und zum Staat Israel haben. Es geht hier auch um die Handlungen einer Regierung, einer Armee. Es geht auch um die Uneinsichtigkeit bestimmter israelischer Politiker, die bis zur Stunde z. B. nicht bereit sind, sich mit den Vorschlägen des amerikanischen Präsidenten zu beschäftigen. All das wird sicher Thema der Besprechungen mit dem israelischen Außenminister sein, der die Bundesrepublik in Kürze j a auch besuchen wird. Ich meine, wir sollten uns hier vor einer falschen Sentimentalität hüten. Auch im Nahen Osten geht es um die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik. Das habe ich hier wiederholt gesagt, und ich wiederhole es heute.
    Das gilt auch für das südliche Afrika. Wer uns gebeten hat, an der Lösung des Namibia-Konflikts mitzuwirken — die Bundesrepublik hat dabei eine große Verantwortung mit übernommen, und sie hat sie für meine Begriffe unter dem Engagement des Bundesaußenministers der Welt auch hervorragend zur Kenntnis gebracht —, muß heute auch sehen, daß wir nicht wiederum neue Forderungen der Südafrikaner zur Grundlage für einen Fortschritt in den Fragen annehmen. Ich muß hier ganz deutlich sagen: Wer will, daß die Kubaner aus Angola verschwinden — ich glaube, das wollen wir alle —, darf nicht eine südafrikanische Intervention in Angola totschweigen wollen oder billigen wollen. Sonst wird er die Kubaner dort noch sehr lange sitzen haben. Er sollte vielmehr genau diesen Ländern helfen, aus der Umklammerung herauszukommen, in die sie nicht ohne Schuld des Westens hineinge-



    Schäfer (Mainz)

    kommen sind. Das gilt auch für Mosambik. Ich hoffe sehr, daß wir in Gesprächen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ganz deutlich machen, daß sich unsere Politik hier auf keinen Fall verändern wird,

    (Beifall der Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP])

    daß wir auch den Ländern helfen wollen, deren Gesellschaftsordnung nicht so ist, wie es uns im Augenblick gerade gefällt. Wir müssen also darauf drängen, daß diese Länder frei werden, aber nicht mit den falschen Mitteln, die einigen hier vielleicht als die richtigen erscheinen.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich kann nur hoffen, daß das, was Herr Klein mit dem Wort „Kontinuität" so häufig beschworen hat, nicht nur ein verbales Bekenntnis bleibt. Ich bin der Auffassung, nach dem, was wir heute vom Kanzler und vom Außenminister gehört haben, gibt es das wirklich, wird das in praktische Politik umgesetzt. Sosehr die Opposition das Wächteramt in dieser Frage behalten muß, so sehr wird die FDP mit dem alten und neuen Außenminister dafür zu sorgen haben, daß in dieser Hinsicht kein Jota an der bisherigen erfolgreichen Politik der sozialliberalen Koalition verändert wird. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)