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ID0913005100

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    Plenarprotokoll 9/130 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pieter Dankert, und einer Delegation 8005 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Außenpolitik, zum Ergebnis der USA-Reise, zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zu Europafragen in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Aufgaben, Probleme und Perspektiven des Atlantischen Bündnisses — Drucksachen 9/1532, 9/1739 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union — Drucksache 9/951 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Czaja, Köster, Dr. Stercken, Dr. Hupka, Dr. Todenhöfer, Graf Stauffenberg, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU Einführung eines Europapasses — Drucksache 9/1473 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Politik der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 9/1741 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Regionen Europas Erster Periodischer Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/158 Nr. 1, 9/1040 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft — Drucksachen 9/1211, 9/1993 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 8006 B Wischnewski SPD 8014 C Rühe CDU/CSU 8026 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Genscher, Bundesminister AA 8032 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8040 C Brandt SPD 8042 B Klein (München) CDU/CSU 8046 D Schäfer (Mainz) FDP 8051 D Voigt (Frankfurt) SPD 8055 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 8061A Dr. Vohrer FDP 8065 A Haase (Fürth) SPD 8069 B Hansen fraktionslos 8071 D Dr. Althammer CDU/CSU 8073 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8076 B Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 8079 C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 8080 C Borchert CDU/CSU 8083 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8085 B Reddemann CDU/CSU 8087 A Dr. Linde SPD 8088 B Louven CDU/CSU 8090 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau), Klein (München), Dr. Althammer, Dr. Czaja, Schwarz, Köster, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Stercken, Dr. Lenz (Bergstraße), Graf Huyn, Dr. Marx, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Dr. Wendig, Ronneburger, Frau Dr. Hamm-Brücher, Popp, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Freilassung des polnischen Bürgerrechtlers Jozef Lipski und anderer politischer Häftlinge — Drucksache 9/2103 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8092 A Polkehn SPD 8092 C Nächste Sitzung 8093 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8095* A Anlage 2 Förderung mikroelektronischer Produkte, insbesondere des Mobiltelefons für jedermann MdlAnfr 58, 59 19.11.82 Drs 09/2111 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Riesenhuber BMFT 8095* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 8005 130. Sitzung Bonn, den 25. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 26. 11. Dr. Ahrens 26. 11. Bahner 26. 11. Beckmann 26. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 26. 11. Dr. Dübber 26. 11. Eymer (Lübeck) 26. 11. Gansel 26. 11. Haar 26. 11. Haase (Fürth) 26. 11. Höffkes 26. 11. Dr. Hornhues 26. 11. Jansen 26. 11. Junghans 26. 11. Dr. Mikat 25. 11. Müller (Bayreuth) 26. 11. Nagel 26. 11. Poß 26. 11. Frau Roitzsch 26. 11. Rosenthal 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidt (Wattenscheid) 25. 11. Schmöle 25. 11. Dr. Wieczorek 26. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. Riesenhuber auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 9/2111 Fragen 58 und 59): Anlagen zum Stenographischen Bericht Wie beurteilt die Bundesregierung die technologischen und ökonomischen Chancen des „Mobiltelefons für jedermann", und inwieweit wurde dieses Projekt bisher gefördert, bzw. welche Förderung ist künftig beabsichtigt? Welche Produkte wie das „Mobiltelefon für jedermann" fördert die Bundesregierung ebenfalls wegen der innovativen Bedeutung des hohen Anteils an mikroelektronischen Produkten? Zu Frage 58: Mobilfunksysteme für große Teilnehmerzahlen setzen sogenannte Kleinzellensysteme voraus, die bevorzugt im Frequenzbereich um 900 MHz arbeiten werden. Heutige Kleinzellennetze verwenden eine analoge Sprachenübertragung auf dem Funkweg. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf Systeme mit digitaler Sprachübertragung, die gegenüber den analogen Systemen Vorteile versprechen. Das BMFT fördert Arbeiten zu digitalen Kleinzellennetzen seit Anfang 1979 im Rahmen des Programms „Technische Kommunikation", einem gemeinsamen Programm von BMFT und BMP. Die im Rahmen dieser Projekte erreichten technischen Fortschritte und die künftigen Marktchancen werden günstig bewertet. Zu Frage 59: Um die breite Anwendung der Mikroelektronik zu beschleunigen, wird mit dem zeitlich befristeten Sonderprogramm (1982-1984) die Entwicklung von Produkten, in denen die Mikroelektronik funktionsbestimmend ist, unterstützt. Rund die Hälfte der mehr als 2 500 Anträge sind Produktinnovationen in der Meß- und Regeltechnik (insbesondere für den Maschinenbau, für Energieeinsparung und Umweltschutz), etwa 25 % zielen auf den Markt für Büro und Kommunikation und jeweils ca. 5 % der Anträge sind auf Anwendungen im Kfz-Sektor, auf Haushaltsgeräte und auf Geräte für medizinische Anwendungen gerichtet.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben nach dem Regierungswechsel gesagt, wir seien auf Grund unseres Verständnisses von nationaler, gesamtstaatlicher Verantwortung nicht daran interessiert, die amtierende Bundesregierung auf den Gebieten der Außenpolitik mit mehr als der gebotenen Kritik zu begleiten. Es gibt nämlich auch sonst genug, worüber zu streiten sich lohnt, und es wäre ja das Schlechteste nicht, wenn in der auswärtigen Politik ein hohes Maß an Kontinuität gewahrt und damit ein Konsens hergestellt würde.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich bin allerdings nicht sicher, ob diese unsere Einstellung schon gut genug verstanden worden ist. Es hat doch hoffentlich niemand geglaubt, wir scheuten die offene, lebhafte Auseinandersetzung, wenn sie uns geboten erscheint. Manche Äußerungen der letzten Tage und auch des heutigen Vormittages scheinen dafür zu sprechen, daß es noch einmal notwendig sein wird, unsere friedenspolitischen Überzeugungen und die in den zurückliegenden Jahren daraus abgeleiteten Initiativen vor einer breiten Öffentlichkeit zu begründen, sie mit den Haltungen anderer zu vergleichen und nicht zuzulassen, daß „Kontinuität" gesagt, aber womöglich Etikettenschwindel betrieben wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will die Grundpositionen der deutschen Sozialdemokraten hier noch einmal deutlich machen, und ich tue das in ausdrücklicher Übereinstimmung mit Hans-Jochen Vogel.
    Wir halten erstens an der Europäischen Gemeinschaft, am nordatlantischen Bündnis und an der deutsch-amerikanischen Freundschaft fest, die sich natürlich nicht — worauf Hans-Jürgen Wischnewski zu Recht hingewiesen hat — allein auf die jeweilige Administration erstreckt, und wir halten am besonderen Charakter der deutsch-französischen Zusammenarbeit fest.
    Wir drängen zweitens darauf, daß die deutsche Außenpolitik auch in der Aussöhnung mit dem Osten ihre Stetigkeit behält.
    Wir werden also drittens unverändert und unverdrossen für gute Nachbarschaft in Mitteleuropa — auch im Verhältnis zum anderen deutschen Staat — und für eine Außenpolitik im Geist der Friedensbereitschaft und Friedfertigkeit eintreten.
    Wir bejahen und unterstützen viertens den Beitrag der Bundeswehr zur gemeinsamen westlichen Verteidigung.
    Wir bestehen fünftens zugleich auf dem Anspruch der Bundesrepublik darauf, daß die Großmächte auf dem Verhandlungsweg zur Abrüstung ihrer Kernwaffen kommen. Hier geht es dann auch, wovon heute kaum noch die Rede war, um den Zusammenhang zwischen START und INF, was natürlich für das breite Publikum nicht so geläufig sein kann; in dem einen Fall geht es um die interkontinentalen Zerstörungsmaschinen, in dem anderen Fall um die von geringerer Reichweite, aber auch mit gewaltiger Zerstörungskraft.
    Ich füge sechstens hinzu: Bei den Verhandlungen der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion über



    Brandt
    nukleare Mittelstreckenraketen werden wir nicht müde werden, einerseits die Sowjetunion zu drängen, daß sie sich bewegt, und andererseits unsere amerikanischen Freunde immer wieder zu bitten, die größten Anstrengungen zu unternehmen, damit die Aufstellung neuer Waffen überflüssig bleibt.

    (Beifall bei der SPD)

    In der Kieler Erklärung unserer Bundeskonferenz vom vorigen Freitag heißt es:
    Mit der Politik der vereinbarten schrittweisen Abrüstung bei annäherndem Gleichgewicht erstreben wir eine Partnerschaft der Sicherheit.
    Ich wüßte nicht — und ich sage dies an die Adresse des Kollegen Rühe —, was vernünftigerweise dagegen ins Feld geführt werden könnte.
    Dem Bundeskanzler möchte ich sagen, er sollte jeden Eindruck vermeiden, als lege er sich vorweg auf etwas fest, was sich aus einem ihm ebenso wie uns anderen unbekannten Ausgang der Genfer Verhandlungen unmittelbar ergeben könnte.

    (Beifall bei der SPD)

    Für uns gibt es — und ich bestätige dies ausdrücklich nach der kritischen Bemerkung des Bundesaußenministers — in der Tat weder Automatismen noch Blankovollmachten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn die Regierung zu früh Festlegungen träfe, würde und müßte dies nachdrücklichen Widerspruch hervorrufen.
    Kontinuität heißt nicht, einen negativen Ausgang der Verhandlungen vorwegzunehmen,

    (Beifall bei der SPD)

    sondern mit großem Nachdruck positiv auf den Gang der Verhandlungen einzuwirken. Wenn Regierung und Opposition gemeinsam auf positive Verhandlungsergebnisse drängen, dann nehmen sie in der Tat gemeinsam ein friedenspolitisches und nationales Interesse wahr.
    Meine Damen und Herren, dies sollte ursprünglich eine europapolitische Bundestagsdebatte werden. Ich möchte mich mit diesem ursprünglich vorgesehenen Thema ein wenig befassen.
    Vorweg ein Wort zur Begründung eines Entschließungsantrages, den die gegenwärtigen Koalitionsfraktionen vorgestern zur Europapolitik eingebracht haben. Da hat die Fraktion des Bundesaußenministers übrigens nicht mehr so sehr auf den genauen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Antrag geachtet, den sie gemeinsam mit uns am 16. Juni eingebracht hatte. Ich werde darauf zurückkommen.
    Für das Gegenteil einer auf Kontinuität angelegten Politik halte ich jedoch den Text, mit dem die Fraktion der CDU/CSU den gemeinsam mit der FDP — oder soll ich sagen, FDP-Mehrheit — eingebrachten Entschließungsantrag von vorgestern begründet hat. Da heißt es in diesem Antrag von vorgestern, dem europäischen Einigungswerk solle ein neuer Impuls gegeben werden. Warum eigentlich nicht? Aber dann folgt ein Satz über die, wie es
    heißt — und ich zitiere —, „insbesondere unter der Kanzlerschaft Schmidts um sich greifende und sogar geförderte Europamüdigkeit in der Bundesrepublik Deutschland".
    Das ist, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, zunächst nicht besonders freundlich gegenüber dem Herrn, der auch bei Bundeskanzler Schmidt Außenminister war, und es ist extrem unsachlich, wo von „gefördert" die Rede ist; unsachlich deshalb, weil der Verfasser des über Gebühr polemischen Textes gewiß weiß, was in den letzten Jahren von Bonn aus mit bewegt worden ist, wo es sich zum Beispiel um die Erweiterung der Gemeinschaft handelte oder um das Lomé-Abkommen mit einer großen Zahl von Entwicklungsländern oder um das Europäische Währungssystem. Wenn ich Erweiterung gesagt habe, will ich äußerlich deutlich machen, daß meine Fraktion weiter zu dem steht, was sie bisher zur Süderweiterung gesagt hat.
    Trotzdem, das Wort von der Europamüdigkeit, losgelöst von der Polemik, ist natürlich nicht aus der Luft gegriffen. Ich bin nicht sicher, ob es heutzutage irgendeinem von uns gelänge, gegen das laute oder unterdrückte Gähnen anzukommen, mit dem ein großer Teil der Bürger das Thema Europa begleitet.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Nationale oder europäische Bürokratien, begleitet durch allerlei Schönredner, haben es in der Tat fertiggebracht, den europäischen Gedanken um Saft und Kraft zu bringen. Dabei ist man dann doch immer wieder überrascht, daß die Europäische Gemeinschaft auch heute für manche in Europa ein Quell der Hoffnung ist und daß viele in der Welt, in der Welt um uns herum, zumal auch in der Dritten Welt, hohe Erwartungen an die Europäische Gemeinschaft knüpfen.
    Im übrigen wird kaum jemand in diesem Hause in Abrede stellen wollen: die Europäische Gemeinschaft ist für uns, für die Bundesrepublik Deutschland, ohne vernünftige Alternative. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. Die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft hat sich für unser Land wirtschaftlich vorteilhaft ausgewirkt. Sie ist uns auch außenpolitisch zugute gekommen.
    Wovor ich jedoch nachdrücklich warnen möchte, das ist die naive Vorstellung, daß die Mühle am rauschenden europäischen Bach schon munter weiter klappern werde. Routine in Sachen Europa heißt leider das Zudecken tiefgreifender Mängel mit schönen Sprüchen, z. B. denen, die von einer Europäischen Union und deren Verfassung handeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich rate uns und allen, die es angeht, sich nicht bei schönen Worten aufzuhalten, sondern sich mit der weniger schönen Realität auseinanderzusetzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Da trifft es natürlich zu, worauf der Bundesaußenminister uns vor der Mittagspause aufmerksam gemacht hat: in gut einem Monat wird die Bundesrepublik turnusgemäß für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Ge-



    Brandt
    meinschaft übernehmen. Es wäre in der Tat gut, wenn unsere heutigen Beratungen dazu beitragen könnten, denen, die die Bundesrepublik auf verschiedenen Ebenen in der Zeit der Ratspräsidentschaft zu vertreten haben, die damit verbundene Verantwortung zu erleichtern. Doch machen wir bitte uns und anderen nichts vor: wer Wahlen zum Deutschen Bundestag im März ernstnimmt, kann nicht auch noch den Eindruck erwecken wollen, er könne in Brüssel in den ersten Monaten des neuen Jahres viel bewegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Gleichwohl bleibt gewiß richtig, daß gerade die Bundesrepublik ein vitales Interesse an einer wirtschaftlich starken, einer politisch handlungsfähigen und einer demokratisch legitimierten Europäischen Gemeinschaft hat.
    Wo es um die demokratische Kontrolle auf europäischer Ebene geht, müßte dem direkt gewählten Europäischen Parlament eine wichtigere, wenn nicht die entscheidende Rolle zukommen. Ich bezweifle, daß sich die damaligen Regierungschefs hierüber voll im klaren waren, als sie Direktwahlen für 1979 ansetzten. Jetzt jedoch müßten alle demokratischen Kräfte ein Interesse daran haben, daß die nächsten Direktwahlen im Jahr 1984 nicht durch extrem niedrige Wahlbeteiligung in ein Votum gegen Europa umschlagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Da sage ich: Erfolg werden die Europäer nur haben, wenn es gelingt, offenkundigen Fehlentwicklungen energischer als bisher zu begegnen. Die Entscheidungsfähigkiet der Gemeinschaftsorgane muß jedenfalls dringend verbessert werden. Das stimmt ja alles nicht mehr, was ursprünglich mal für die Abgrenzung zwischen Rat und Kommission festgelegt worden war.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Es müßte dazu natürlich gehören, die Rechte des Europäischen Parlaments so zu erweitern, daß es seiner Rolle als direkt gewählte Volksvertretung in etwa entsprechen kann. Ich kann da weitgehend dem zustimmen, was heute vormittag dazu aus der Sicht der Bundesregierung gesagt worden ist.
    Ich sage dies auch, weil ich selber habe feststellen müssen, daß ich mein Mandat im Europäischen Parlament, das zu übernehmen mich meine Partei 1977 gebeten hatte, nicht werde beibehalten können. Ich denke, ich habe doch einiges zur Arbeit des Europäischen Parlaments beitragen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber so, wie sich diese Arbeit gestaltet hat, stellt es sich auch ohne die zusätzlichen Pflichten eines Parteivorsitzenden als praktisch unmöglich heraus, ein Doppelmandat im nationalen Parlament und im Europäischen Parlament wahrzunehmen.

    (Zuruf von der SPD: Leider!)

    Die inzwischen bewährte Europäische Politische Zusammenarbeit sollte — da stimme ich dem, was gesagt worden ist, ausdrücklich zu — auch unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten fortentwickelt und mit den vertraglich festgelegten Entscheidungsmechanismen der Gemeinschaft verzahnt werden.
    Die deutsch-italienische Initiative einer Europäischen Akte enthält Vorschläge, denen meine Fraktion ihre Zustimmung gegeben hat und weiterhin geben kann, wie es auch im Antrag der damaligen Koalitionsfraktionen vom Juni dieses Jahres zum Ausdruck gekommen ist. Doch ich muß wiederholen, was ich bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Schwächen in der Substanz der Gemeinschaft lassen sich durch keinerlei politisch-verbale Verzierungen kompensieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Zur Weiterentwicklung und Vertiefung der europäischen Integration bedarf es erkennbarer Fortschritte in den Bereichen, in denen nationale Lösungsansätze zu kurz greifen. Die Beschäftigungspolitik einschließlich einer Verkürzung der Arbeitszeit, wie sie jetzt noch einmal von der EG-Kommission angeregt worden ist, Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit, Energiepolitik, Umweltpolitik, industrielle Erneuerung, eine weitgehende wirtschaftspolitische Koordinierung, die Umstrukturierung bestimmter industrieller Sektoren, unsere früheren, jetzt von den Franzosen wieder aufgenommenen Überlegungen in Richtung eines europäischen Sozialraums: auf diesen Gebieten wird sich meiner Überzeugung nach entscheiden, was aus der Gemeinschaft wird. Angesichts von elf Millionen Arbeitslosen in den Ländern der Gemeinschaft wird sich hier entscheiden, ob eine Mehrheit der Bürger und der Wähler eigene Interessen an der Europäischen Gemeinschaft erkennen kann.
    Die jüngste Brüsseler Tagung des Jumbo-Rats, also der Finanz-, der Wirtschafts- und der Arbeitsminister der Europäischen Gemeinschaft, sollte, so hieß es, gemeinsame Aktionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit behandeln. Soweit ich sehen kann, ist nichts Nennenswertes dabei herausgekommen.

    (Zuruf des Abg. Voigt [Frankfurt] [SPD])

    Soweit ich erkennen kann, hat auch die jetzige Bundesregierung nichts Vernünftiges, nach vorn Weisendes bewirken können. Mit den Beteuerungen, wie sie der Bundesaußenminister hier und auch sonst für das Fernsehpublikum bereithält, ist der Arbeitslosigkeit offensichtlich nicht beizukommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Apropos Erblast, die ja nun wohl zu einem der Wahlkampfthemen gemacht werden soll. Professor Ralf Dahrendorf war es, der dieser Tage im Rundfunk sagte, von Erblast sprächen heutzutage neue Regierungen immer und überall. Im Fall der Bundesrepublik, so Dahrendorf, sei das besonders merkwürdig, weil die alte Regierung ja in der neuen Regierung z. B. im wirtschaftlichen Bereich vertreten sei.

    (Dr. Schwörer [CDU/CSU]: In der Finanzpolitik nicht!)

    Dahrendorf weiter: Die Bundesrepublik schneide in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit vergleichsweise gut ab. Wörtlich:



    Brandt
    Die Erblast, die eine neue Regierung in der Bundesrepublik übernimmt, ist also eine vergleichsweise positive.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Bohl [CDU/CSU]: Ach du grüne Neune! — Zuruf des Abg. Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU] — Dr. Althammer [CDU/CSU]: Das sagen Sie mal den Arbeitslosen!)

    Und Dahrendorf, der in London lebt, weiß, wovon er spricht.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Der erklärte Wille zur Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft muß seinen Niederschlag auch in einer ausgewogenen Haushaltsstruktur der Gemeinschaft finden. Das wird sich ohne eine angemessene Reform der europäischen Agrarpolitik nicht bewerkstelligen lassen. Meine politischen Freunde im Europäischen Parlament haben konkrete und, wie ich meine, realistische Vorschläge zur Kostenbegrenzung unterbreitet.
    Es bleibt für mich eines der großen Geheimnisse der jetzigen Bundesregierung, wie sie ihre gelegentliche Kritik an unzureichender Preispolitik in Brüssel mit der bisher im Bundesrat und im Bundestag von allen Seiten vertretenen Forderung nach Beibehaltung der einprozentigen Mehrwertsteuerregelung für die Gemeinschaft unter einen Hut bekommen will. Für uns Sozialdemokraten gilt jedenfalls nach wie vor, was auch im gemeinsamen Antrag unserer Fraktion und der Fraktion der Freien Demokraten vom Juni steht, nicht jedoch im Entschließungsantrag der neuen Koalition von vorgestern: Wir werden keiner Erhöhung der 1 %-Mehrwertsteuergrenze zustimmen, solange nicht eine befriedigende Regelung für die europäische Agrarpolitik erkennbar ist,

    (Beifall bei der SPD)

    d. h. für eine Politik, die seit Jahren zwei Drittel des EG-Haushalts oder mehr in Anspruch genommen hat.
    Bei der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben darf darüber hinaus der Gesichtspunkt des gerechten Ausgleichs nicht zu kurz kommen. Belastungen und Vorteile aus dem Gemeinschaftshaushalt müssen in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines jeden Mitgliedstaates und seiner Bürger stehen.
    Schließlich natürlich auch noch dies: Eine Identifikation mit der Gemeinschaft wird sich natürlich leichter herausbilden, wenn die Einigungsbemühungen auch im täglichen Leben der Bürger sichtbar werden. Dazu kann die Einführung eines europäischen Reisepasses und eines gemeinsamen Führerscheins beitragen. Dies ergibt meines Erachtens aber nur dann Sinn, wenn gleichzeitig eine ernstere Anstrengung unternommen wird, die immer noch kleinlichen Grenzkontrollen in der Europäischen Gemeinschaft abzuschaffen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die damals jungen Europäer sind nach dem Zweiten Weltkrieg ja nicht dafür eingetreten, daß die Schlagbäume schöner angestrichen würden. Sie wollten, daß die Schlagbäume verschwänden.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, nun kann man andere und sich selbst fragen — ich habe es hier ja auch schon einmal anklingen lassen —, ob eigentlich mit den Vorstellungen und den institutionellen Ansätzen der 50er Jahre eine vernünftige Europapolitik für die 80er und 90er Jahre überhaupt noch gestaltet werden kann. Der wachsende Wunsch vor allem vieler junger Menschen nach einem eigenständigen, unverwechselbaren, selbstbestimmten Lebensentwurf für Europa kontrastiert in bedrückender Weise mit dem kläglichen Bild, das die Gemeinschaft dem Betrachter jetzt immer wieder in bedrückender Vielfalt bietet. Es entsteht dann die Frage: Bedarf es nicht eines neuen Integrationsansatzes, eines Ansatzes, der die Europäische Gemeinschaft als Wirtschaftsgemeinschaft zunächst einmal so funktionieren läßt, daß sie wirklich dazu beitragen kann, Arbeitsplätze zu sichern und neu zu schaffen, eines Ansatzes, der zugleich auf die Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen abzielt, der auf ein sozial und umweltverträgliches Wachstum abzielt, der auf die Entwicklung und Sicherung der regionalen Vielfalt und Eigenständigkeit, auf die Gleichberechtigung, auf Mitbestimmung in der Großwirtschaft und die Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen in unterschiedlichen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens abzielt?
    Ich möchte zwei Aktionsprogramme der EGKommission hervorheben. Das eine, auf das die Kolleginnen im Europäischen Parlament besonders gedrungen haben, betrifft die Chancengleichheit im Erwerbsleben. Das andere hat den Umweltschutz zum Inhalt und geht von der Notwendigkeit einer vorausschauenden Schadensverhütung aus.
    Nun habe ich mit einigem Interesse festgestellt, daß es in dem schon erwähnten Entschließungsantrag der gegenwärtigen Koalition heißt, „koordinierte Maßnahmen im Bereich der grenzüberschreitenden Umweltprobleme" sollten „unter Zugrundelegung der jeweils strengsten nationalen Gesetzgebung" angegangen werden. Ich habe damit keine Probleme, aber ich frage mich, wie das mit dem übereinstimmt, was Graf Lambsdorff noch vor kurzem zu Papier gebracht hat.
    Im übrigen, meine Damen und Herren, sage ich noch einmal: Abstrakte Diskussionen über eine wie auch immer geartete europäische Verfassung tragen jetzt nicht weit. Vielmehr werden konkrete Fortschritte in einigen wesentlichen Bereichen — ich habe einige solche genannt — darüber entscheiden, ob sich die Gemeinschaft so entwickelt, daß eine große Mehrheit der Bürger ihr Vertrauen entgegenbringt.
    Im übrigen wird — da versuche ich, an meine einleitenden Bemerkungen anzuknüpfen — das Werk der europäischen Einigung natürlich daran gemessen werden, wie wirksam es der Friedenssicherung



    Brandt
    zugute kommt. Die Entwicklung hat bestätigt, daß Europa wie die Welt mehr und nicht weniger Entspannung braucht. Ich bleibe bei der einfachen Wahrheit, daß die Menschheit in Gefahr ist, sich zu Tode zu rüsten, und daß die Existenz der Völker Europas jedenfalls aufs Spiel gesetzt ist, käme es zum dritten Weltkrieg. Die europäischen Völker würden eine solche Katastrophe mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überleben.
    Also müßte es darauf ankommen, unsere Kräfte und die anderer zu bündeln, möglichst viele europäische Kräfte zu bündeln, um die Ost-West-Beziehungen zu stabilisieren und neu zu beleben, um das Bemühen zugunsten von Entspannung und Zusammenarbeit zu vertiefen, auch durch die Abwehr törichter Reaktionen, wie wir sie im Zusammenhang mit dem Erdgas-Röhren-Geschäft erlebten, um Rückfälle in den Kalten Krieg zu vermeiden und dazu beizutragen, daß dem Wettrüsten ein Ende bereitet wird. Es stellt sich ja mittlerweile heraus, daß in diesem Jahr, 1982, nicht, wie man noch vor einigen Jahren meinte, 500 Milliarden, nicht 600 Milliarden, sondern 650 Milliarden Dollar weltweit für Zwecke der Rüstung ausgegeben werden — und dies, während für den Kampf gegen Hunger und Elend in der Welt nicht mehr, sondern deutlich weniger Mittel zur Verfügung stehen.

    (Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Aber am meisten wird für Rüstung im Ostblock ausgegeben!)

    Es läßt sich kaum widerlegen, daß die immensen Rüstungsausgaben die wirtschaftliche Stabilität beeinträchtigen und zusätzlich gefährden, und zwar nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den Industriestaaten. Aus dem Wettrüsten ist für die ohnehin anfällige und gefährdete Weltwirtschaft Gift geworden.
    Im Verhältnis zur Dritten Welt und bei der gebotenen Neuordnung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen könnte die EG Bahnbrechendes leisten. Die gerade begonnenen GATT-Verhandlungen in Genf, also über die Bedingungen des internationalen Handels, zeigen, wie schwierig dies ist. Aber niemand kann der Gemeinschaft die Verantwortung abnehmen, die mit der Wahrnehmung wohlverstandener europäischer Interessen zusammenfällt.
    An die beiden Weltmächte — bei allen uns hier in diesem Hause geläufigen und wohl zu registrierenden Unterschieden — geht zuerst die Aufforderung, vernünftige Wege einzuschlagen und durch die Vereinbarung eines annähernden Gleichgewichts auf deutlich niedrigerem militärischen Niveau mehr Sicherheit zu schaffen. Ich kann bei aller gebotenen Skepsis — um nicht zu sagen: Mißtrauen — nur hoffen, daß die Signale, die jetzt zwischen Washington und Moskau ausgetauscht werden, zu mehr als zu neuer Polemik und neuen Umdrehungen der Rüstungsspirale führen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aus unserer deutschen und unserer europäischen
    Interessenlage müssen wir darauf dringen, daß die
    Verhandlungen über eine Begrenzung und Kon-
    trolle von Rüstungen beschleunigt und daß sie zu Ergebnissen gebracht werden.

    (Beifall bei der SPD)

    In Wien — Thema: Beiderseitiger Abbau von Truppen in Europa — sollte es möglich sein, nachdem man sich bei der Daten-Diskussion seit Jahren im Kreise dreht, zu einem ersten Zwischenergebnis zu gelangen. In Madrid — Thema: Fortführung des aus der gesamteuropäischen Helsinki-Konferenz erwachsenen Prozesses — sollte man sich darüber verständigen, daß eine besondere Konferenz über vertrauensbildende Maßnahmen und Fragen der Abrüstung in Europa einberufen wird. Vor allem aber richten sich die Blicke auf Genf, wo über die interkontinentalen Nuklearwaffen und über nukleare Mittelstreckenraketen verhandelt wird.
    Ich unterstreiche noch einmal, was wir von den Verhandelnden erwarten. Wir erwarten, daß einseitige Bedrohungen beseitigt und daß solche Voraussetzungen geschaffen werden, die eine Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen überflüssig machen.

    (Beifall bei der SPD)

    Und ich sage: Genf darf nicht ohne Erfolg bleiben, sonst würden die Völker Europas — nach einem Wort der Friedensnobelpreisträgerin Alva Myrdal — noch stärker zu Geiseln im nuklearen Pokerspiel der Supermächte werden. Der Frieden in Europa und für die Welt wäre dann ein gefährliches Stück unsicherer geworden.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland steht weiterhin in der Pflicht, sich noch mehr als andere anzustrengen — weil sie noch mehr als andere betroffen sein würde —, wo immer es darum geht, daß die Erfordernisse europäischer Friedenspolitik zum Durchbruch kommen und sich behaupten. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Klein (München).

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    Rede von Hans Klein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die neue Bundesregierung ist noch nicht ganz acht Wochen im Amt, also wenig länger als die Hälfte jener hundert Tage Schonfrist, die in angelsächsischen Demokratien neuen Regierungen eingeräumt wird.

    (Zuruf von der SPD: Die versprechen auch nicht immer gleich Neuwahlen!)

    Ihr wurde eine solche Schonfrist nicht gewährt, im Gegenteil.

    (Unruhe bei der SPD)

    Dennoch hat sie auch in der Außenpolitik bereits eine stattliche Erfolgsbilanz vorzuweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Klein (München)

    Die Bundesrepublik Deutschland hat in dieser vergleichsweise kurzen Zeit wieder an internationaler Statur gewonnen.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Vertrauen im Westen, Berechenbarkeit für den Osten, beides ist weitgehend wiederhergestellt, aus dem Zwielicht gerückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und da die SPD-Fraktion, wie der Herr Kollege Ehmke am 13. Oktober vor diesem Hohen Hause erklärt hat, eine breite Gemeinsamkeit in der Außenpolitik für wünschenswert hält, kann sie sich jetzt über diese eindruckvollen Erfolge von Bundeskanzler Dr. Kohl mit uns freuen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist ein Prahlhans!)

    Angesichts der schweren außenpolitischen Probleme, zu deren Lösung wir als geteiltes Land auch deshalb beitragen müssen, um eines Tages diese Teilung überwinden zu können, läge eine solche Haltung der Opposition im wohlverstandenen Staatsinteresse.
    Die SPD wird in den kommenden Monaten und Jahren ohnehin viel Kraft brauchen, um ihre von radikalpazifistischem Gedankengut beherrschten Gruppierungen von jenen sicherheitspolitischen Notwendigkeiten zu überzeugen, die auch die frühere, von ihr geführte Bundesregierung formuliert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie erwiese sich aber einen Bärendienst, wenn sie fortführe, von einem Einschwenken der CDU/CSUFDP-Bundesregierung auf die außenpolitische Linie der SPD zu sprechen. Sie würde damit nur ihren verschiedenen Flügeln ein Angebot an widersprüchlichen Bezugspunkten liefern. Denn welche war denn die außenpolitische Linie der SPD?

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Welche war denn die von Strauß?)

    Die des damaligen Bundeskanzlers? Die ihres Parteivorsitzenden? Die von Egon Bahr? Oder die von Erhard Eppler?

    (Bohl [CDU/CSU]: Oder die von Lafontaine?)

    Genau an diesem Punkt haben doch, um es ganz unpolemisch zu sagen, vor einigen Jahren die Schwierigkeiten der SPD und damit der von ihr geführten Bundesregierung begonnen. Es blieb unseren westlichen Verbündeten ebenso wenig verborgen wie unseren kommunistischen Kontrahenten, daß der damalige Bundeskanzler in entscheidenden außen- und sicherheitspolitischen Fragen zwar auf die Kooperationsbereitschaft der Unionsfraktion, dagegen nicht mehr auf die geschlossene Zustimmung seiner eigenen Fraktion bauen konnte.

    (Bohl [CDU/CSU]: So ist es!)

    Es waren keineswegs namenlose Hinterbänkler, die der Politik ihrer eigenen Regierung widersprachen. Es waren international bekannte sozialdemokratische Spitzenpolitiker, die unsere Position im westlichen Bündnis in Zweifel zogen, unsere Beziehungen zu den USA und zur UdSSR auf eine Stufe stellten und gegenüber Washington einen aggressiven Ton anschlugen, den sie gegenüber Moskau niemals anzuschlagen wagten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Sagen Sie endlich einmal etwas zur Sache!)

    Der Kollege Wischnewski hat vorhin mit Tremolo in der Stimme bedauert, daß die neue Bundesregierung noch keinen Koordinator für die deutschamerikanischen Beziehungen bestimmt habe. Er hat der Frau Hamm-Brücher ein Kompliment für ihre Arbeit gemacht, dem anzuschließen für mich keine Beschwer bedeutet. Aber, meine sehr verehrten Kollegen von der SPD, diese Koordinatorfunktion war auch eine Feigenblattfunktion. Dies hat die neue Bundesregierung in diesem Umfang und in dieser Art überhaupt nicht nötig.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Wischnewski [SPD])

    Herr Kollege Wischnewski, auf der anderen Seite des Atlantiks ist Richard Allen soeben von Präsident Reagan

    (Zuruf von der SPD: Sagen Sie einmal etwas zur Sache, Herr Klein!)

    zum Chairman für die US-deutsche Regierungskommission ernannt worden, die die Dreihundertjahrfeier für nächstes Jahr vorbereiten soll.

    (Wischnewski [SPD]: Aber als Sicherheitsberater ist er rausgeflogen!)

    Dieser Richard Allen wird von Ihrem Kollegen Männing in dem sozialdemokratischen Pressedienst vom 11. November dieses Jahres als „privatisierender Politbrandstifter" bezeichnet.

    (Zuruf von der SPD: Da hat er recht!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Mann, der, von dem Präsidenten mit seinem Vertrauen ausgestattet, auf der anderen Seite des Atlantiks deutsch-amerikanische Beziehungen koordiniert. Und das ist die Tonlage, in der prominente sozialdemokratische Politiker mit ihm umgehen! Und da fragen Sie, wo die Gründe für das Zerwürfnis liegen, j a, bestreiten sogar, daß ein solches vorgelegen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt alles, nur nicht das Prädikat „prominent" für Herrn Männing!)

    Damit ich nicht mißverstanden werde: Ich bin in jedem Falle gegen aggressiven Ton in der Außenpolitik, auch gegenüber Moskau.

    (Zurufe von der SPD: Seit wann denn das? Auch gegenüber Franz Josef Strauß?)

    Daß der Ton auch in der Außenpolitk die Musik macht, ist Bundeskanzler Kohl ganz offensichtlich stärker bewußt, als es seinem Vorgänger bewußt gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Klein (München)

    Meine Damen und Herren, neben Kompetenz und Glaubwürdigkeit spielen das persönliche Auftreten und die Fähigkeit, auf seinen Partner einzugehen, bei wichtigen außenpolitischen Begegnungen eine Rolle.

    (Zuruf von der SPD)

    Es gibt neben der subjektiven Glaubwürdigkeit gleichrangig eine objektive Glaubwürdigkeit, die bei einem Bundeskanzler davon abhängt, ob er für eine geschlossene Mehrheit spricht oder nicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Bundeskanzler Kohl hat bei all seinen außenpolitischen Gesprächen für eine Mehrheit der Bürger dieses Landes und im Namen einer geschlossenen parlamentarischen Mehrheit gesprochen.

    (Zuruf von der SPD: Auch für die FDP?)

    Das haben seine Gesprächspartner gewußt und gewürdigt. Sein Vorgänger hat es gleichwohl für richtig gehalten, auf dem sogenannten Kleinen Parteitag der SPD letzte Woche zu erklären, es reiche nicht aus, in ausländischen Hauptstädten nur Ergebenheitsadressen abzuliefern.

    (Demonstrativer Beifall bei der SPD)

    — Herr Apel, es ist mir völlig klar, daß Sie dafür Applaus spenden. — Nun sollte man solche Äußerungen angesichts der bekannten Polemisierlust des Kollegen Schmidt nicht auf die Goldwaage legen, insbesondere auch deshalb nicht, weil er damit seine ansonsten dankenswert klare Darstellung unserer Bedrohung durch das wachsende Raketenarsenal der Sowjetunion für die versammelten Genossen offenbar konsumierbar machen mußte. Aber er hat mit dieser Formulierung, wie so oft zuvor, eine Diffamierungsparole ausgegeben, die schließlich zum Schaden jener Politik ins Feld geführt wird, die auch er für richtig hält. Doch anscheinend bringt er es nicht über sich, den überzeugenden Erfolg seines Nachfolgers anzuerkennen.
    Bundeskanzler Kohl hat deutsche Auffassungen und Interessen vielfach wesentlich nachdrücklicher vorzutragen vermocht als sein Vorgänger.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Aber er hat eben zunächst dafür gesorgt, daß — wie mein Freund Volker Rühe das nannte — das Grundverhältnis wieder stimmt. Als Partner, als Verbündeter, als Freund der mächtigsten Demokratie dieser Erde halte ich es geradezu für abwegig, nicht zu leugnende Unterschiede zu Lasten der tatsächlichen Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Diesen Fehler hat Bundeskanzler Kohl nicht begangen.
    Weil Sie diesen Namen ständig auf der Zunge tragen, erlauben Sie mir, Ihnen an Hand eines fast drei Jahre zurückliegenden Beispiels die unterschiedliche Art und Weise darzulegen, in der ein führender Unionspolitiker und ein führender SPD-Politiker deutsche Interessen in Amerika vertreten haben. Als Franz Josef Strauß im Frühjahr 1980 in Washington war, wurde er im Senat mit einer Aussage Helmut Schmidts konfrontiert. Der damalige Bundeskanzler hatte gegenüber den amerikanischen Gesetzgebern die Interessenverschiedenheit zwischen unseren beiden Staaten mit der Feststellung begründet, daß sowjetische Panzereinheiten nur wenige Marschstunden von seiner Heimatstadt Hamburg entfernt stünden. Strauß dagegen unterstrich die Gemeinsamkeit der deutsch-amerikanischen Interessen mit dem Hinweis, daß sowjetische Interkontinentalraketen im Zweifel rascher New York oder Washington erreichen könnten als sowjetische Panzer Hamburg. Ich wiederhole: Beide haben deutsche Interessen vertreten. Nur, Helmut Schmidt hat mit seiner Beweisführung den Eindruck gefährlich eingeschränkter Handlungsfähigkeit erweckt. Franz Josef Strauß hat den Amerikanern klargemacht, daß sie mit uns in einem sicherheitspolitischen Boot sitzen.
    Bundeskanzler Kohl hat Präsident Reagan versichert, daß die Bundesrepublik Deutschland zum NATO-Doppelbeschluß stehe, daß sie beim Scheitern der Genfer Verhandlungen den Nachrüstungsteil zu vollziehen entschlossen sei und daß er ein baldiges Gipfeltreffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem neuen Generalsekretär der KPdSU für wünschenswert halte. Es gehört schon eine starke Portion Böswilligkeit dazu, das alles als „Ergebenheitsadresse" abzuqualifizieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Kollegen von der SPD, lassen Sie uns offen und ernsthaft über den NATO-Doppelbeschluß diskutieren. Ihr Kanzlerkandidat — für dessen Wirklichkeitssinn es spricht, daß er nach dem 6. März 1983 für den SPD-Fraktionsvorsitz zu kandidieren beabsichtigt — hat in Kiel erklärt, die Bundesregierung lege das Gewicht stärker auf den Nachrüstungsteil, während der Akzent der SPD auf dem Verhandlungsteil liege. Das ist heute im Laufe der Debatte mehrfach so oder anders betont worden.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich unterstelle sicher zu Recht, daß beide Seiten dieses Hauses das Idealziel der sogenannten NullLösung anstreben.

    (Conradi [SPD]: Was heißt denn „sogenannt"?)

    Entschieden werden muß über die Frage, auf welchem Wege wir dieses Idealziel — Verschrottung der sowjetischen SS-20-Raketen und Nichtstationierung geplanter bzw. in Bau befindlicher amerikanischer Raketen — am wahrscheinlichsten erreichen.

    (Conradi [SPD]: Die Engländer und die Franzosen machen weiter!)

    Es gibt keinen einzigen historischen Hinweis darauf, daß die Sowjetunion bislang eine westliche Vorleistung durch eigene Mäßigung honoriert hätte, im Gegenteil. Wer also wie Egon Bahr öffentlich verkündet, das Nein der SPD zur Stationierung sei nähergerückt, wer wie der SPD-Kanzlerkandidat oder heute der Kollege Wischnewski vom „Akzent auf dem Verhandlungsteil" spricht, wer wie der Münchner SPD-Parteitag den NATO-Doppelbeschluß zur späteren Disposition stellt, wer von Moratorium oder Einfrieren spricht — der Westen



    Klein (München)

    kann nichts einfrieren, was er noch nicht hat —, nährt auf sowjetischer Seite die — nach meiner festen Überzeugung falsche — Hoffnung, ein Verzicht des Westens auf die Stationierung moderner Mittelstreckenraketen könne ohne sowjetische Gegenleistung erreicht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese falsche Hoffnung wird auch genährt, wenn die innenpolitische Diskussion bei uns durch ansonsten ernsthafte Politiker mit verzerrten Zitaten angeheizt wird. Herr Kollege Wischnewski, im Gegensatz zu Ihnen hatte ich voriges Jahr das Vergnügen, am CSU-Parteitag teilzunehmen, auf dem der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende über den NATO-Doppelbeschluß gesprochen hat. Ich habe — wieder im Gegensatz zu Ihnen — den Vorzug, den korrekten Wortlaut zur Hand zu haben.

    (Wischnewski [SPD]: Ich habe meinen Text aus dem „Bayernkurier"! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist eine sehr gute Zeitung, die sich besser verkauft als der „Vorwärts"!)

    — Der „Bayernkurier" ist zwar eine vorzügliche Zeitung mit einem hohen Informationsgehalt, Herr Kollege Wischnewski, aber wenn Sie eine wichtige politische Rede zitieren, müssen Sie sich schon den ganzen Wortlaut besorgen. Da ist der „Bayernkurier" im Zweifelsfall so wenig in der Lage, vollständig zu sein, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" oder irgendein anderes Blatt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vom „Vorwärts" ganz zu schweigen!)

    Herr Kollege Wischnewski, ich erspare es mir aus Zeitgründen — Sie haben offenbar eine andere Verpflichtung —, Ihnen diesen Text jetzt vorzulesen. Aber ich bin gern bereit, ihn Ihnen zur Verfügung zu stellen. Sie werden feststellen: Er deckt sich nicht mit dem, was Sie hier als Formel aus dem Mund von Franz Josef Strauß eingeführt haben.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Das ist der Fehler, wenn man aus dem „Bayernkurier" zitiert! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist eine gute Reklame!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe soeben — Sie haben mir nicht widersprochen — die Linie der SPD im Blick auf den NATO-Doppelbeschluß zu beschreiben versucht.

    (Dr. Linde [SPD]: Können Sie sich nicht mal auf Ihre Konzepte besinnen? — Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

    — Ich bin immer bei der Sache. Wenn Sie mir nicht folgen können, ist das Ihr Problem!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer — das ist die Linie der CDU/CSU, das ist die Linie dieser Koalition — seine Entschlossenheit aber glaubhaft bekundet, im Falle gescheiterter Abrüstungsverhandlungen den Nachrüstungsteil des Doppelbeschlusses zu vollziehen, wird dem harten, aber keineswegs risikolüsternen sowjetischen Verhandlungspartner die zwingende Notwendigkeit der Abrüstung vor Augen führen.
    Vor diesen beiden Fragen stehen wir, vor diesen beiden Verhaltensformen stehen wir.
    In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung zum neuen Kremlchef Juri Andropow, von dem heute schon mehrfach die Rede war, sicher angebracht. Seine langjährige Erfahrung als KGB-Vorsitzender gewährleistet zweifellos einen hohen Informationsstand über die Verhältnisse auch in westlichen Demokratien. Das berechtigt zumindest zu der Annahme, daß ihn übertriebene Berichte über Stärke und Einfluß der Pazifismusgruppierungen nicht zu Fehleinschätzungen der realen Lage im Westen verleiten. Diese Lage hat sich — dafür sind die erfolgreichen außenpolitischen Aktivitäten von Bundeskanzler Kohl ein Beleg — in den letzten Wochen im Sinne größerer Geschlossenheit und im Sinne vertrauensvollerer Gemeinsamkeit verbessert.
    In gleichem Maße, wie das Verhältnis zwischen den USA und Europa, insonderheit der Bundesrepublik Deutschland, bereinigt wurde, begannen auch die Europäer wieder Tritt zu fassen. Dies ist von großer Bedeutung für einen beiderseits befriedigenden Ausgleich mit der Sowjetunion. Es entspricht auch der Notwendigkeit zu verstärkter europäischer Zusammenarbeit bei der Überwindung so drängender Probleme wie Arbeitslosigkeit, Inflation und wirtschaftliche Stagnation, über deren Dimensionen der Herr Bundesaußenminister vorhin eindrucksvolle Angaben gemacht hat.
    Vor allem muß die Europäische Gemeinschaft in der Lage bleiben, eigenständig, aber auch in zuverlässiger Partnerschaft mit den USA friedenstiftende, die Menschenrechte befördernde und die wirtschaftliche Entwicklung gewährleistende Aufgaben in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zu erfüllen. Gerade im Blick auf die Dritte Welt, die von der Sowjetunion und den übrigen kommunistischen Staaten leider so gut wie überhaupt keine Entwicklungshilfe erhält, aber im Übermaß militärische Güter und Revolutionsexperten, sind intakte und offene Märkte der westlichen Industrienationen Voraussetzung für globalen Fortschritt. Protektionistische Tendenzen vermögen heute angesichts der weltweiten gegenseitigen Abhängigkeiten kaum noch einen einzelnen Industriezweig, geschweige denn einen Industriestaat auch nur mittelfristig vor Schaden zu bewahren. Im Gegenteil! Wer, um es auf eine einfache Formel zu bringen, anderen nichts abkauft, von dem werden die anderen auch nichts kaufen — auf die Dritte Welt angewandt heißt dies: auch nichts kaufen können.
    In diesem außenpolitischen Zusammenhang steht der große Industriestaat Japan. Wir wären schlecht beraten, Erfindungsgabe, Fleiß, Organisationskraft und Markttalent dieses hochentwickelten Volkes mit seinem bedeutenden Lebensstandard auf die unkundige Unterstellung zu reduzieren, Japan sei ein Billiglohnland. Für die westliche Staatengemeinschaft ist ein wachsender Beitrag bei der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, von der Verteidigung bis zur Entwicklungshilfe, seitens die-



    Klein (München)

    ses hochindustrialisierten und mit ihr vielfach verbundenen asiatischen demokratischen Staates von Bedeutung.
    Die neue Bundesregierung wird in der Kontinuität der außenpolitischen Vorstellungen von CDU und CSU die Beziehungen zur Volksrepublik China, zu Indien, zu den ASEAN-Staaten weiterentwikkeln. Sie wird Pakistan dabei helfen, die Probleme zu bewältigen, die das Millionenheer afghanischer Flüchtlinge geschaffen hat, die den sowjetischen Invasoren entkommen sind. Sie wird im Nahen Osten und in Afrika in engem Schulterschluß mit ihren europäischen und amerikanischen Verbündeten eine Politik betreiben, die den drei Prinzipien entspricht, die die Bundesrepublik Deutschland seit den Tagen Konrad Adenauers auch im Blick auf das nationale Anliegen der Deutschen stets als gleichrangig und unauflösbar miteinander verbunden betrachtet: Recht auf Selbstbestimmung, Respektierung der Souveränität und Integrität von Nachbarstaaten, Verzicht auf Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele oder rechtlicher Standpunkte.
    Dies gilt für den Staat Israel, dem gegenüber die Deutschen in einer besonderen historischen Pflicht stehen. Dies gilt für die Palästinenser als einem Zweig der arabischen Völkerfamilie, zu der die Deutschen traditionell freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Dies gilt für die Bewohner des afrikanischen Kontinents, für deren staatliche Entwicklungsprozesse, deren kulturelle Identitätsfindung und deren allmählichen wirtschaftlichen Aufstieg wir weiter Zusammenarbeit anbieten. Auch gegenüber Lateinamerika, dem dritten Kontinent der Zukunft, der Europa historisch und kulturell so eng verbunden ist, wird eine unionsgeführte Bundesregierung einer Politik das Wort reden, die sich als komplementär und nicht als alternativ empfindet zur amerikanischen Politik.
    Meine Fraktion wird die Bundesregierung auch stets ermutigen, sich der Deutschen im Ausland, sei es in der argentinischen Pampa, in amerikanischen Großstädten, am Rande der Wüste Nabib oder in der Steppe Kasakstans, mit besonderer Fürsorge anzunehmen. Mit Auslandsdeutschen meine ich jene loyalen Bürger fremder Staaten, die selber oder deren Vorfahren aus Deutschland ausgewandert sind und oft unter großen persönlichen Opfern die geistig-kulturelle Verbindung zur alten Heimat aufrechtzuerhalten trachten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung führt eine Außenpolitik der Kontinuität. Gleichwohl setzt sie überall dort, wo sich in den letzten 13 Jahren die Gewichte in die falsche Richtung verlagert haben, wieder neue Akzente. Unter Kontinuität verstehen wir den Ausbau der deutsch-französischen Freundschaft, die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Großbritannien und allen größeren und kleineren Partnerländern in der EG. Unter Kontinuität verstehen wir die Weiterentwicklung der guten Beziehungen zu den skandinavischen Ländern und den Mittelmeeranrainern, die Festigung des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses als einer Wertegemeinschaft. Unter Kontinuität verstehen wir insbesondere das enge Vertrauensverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA.
    Damit der Begriff nicht zu falschen Interpretationen verlockt, sage ich: Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung steht auch in der Politik gegenüber der Sowjetunion in der Kontinuität Konrad Adenauers, unter dessen Kanzlerschaft die diplomatischen Beziehungen mit der UdSSR aufgenommen wurden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    von denen er jedoch seinerzeit in einem Schreiben an Marschall Bulganin feststellte, daß dies keine Anerkennung des derzeitigen beiderseitigen territorialen Besitzstands darstelle; die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands bleibe dem Friedensvertrag vorbehalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu dieser Kontinuität gehört die Friedensnote des Bundeskanzlers Ludwig Erhard vom 25. März 1966, in der es hieß:
    Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits mit ihren westlichen Verbündeten Gewaltverzichtserklärungen ausgetauscht. Da die Regierungen der Sowjetunion und einiger europäischer Staaten wiederholt ihre, wenn auch unbegründete, Sorge über einen deutschen Angriff ausgedrückt haben, schlägt die Bundesregierung vor, auch mit den Regierungen der Sowjetunion, Polens, der Tschechoslowakei und jedes anderen osteuropäischen Staates, der dies wünscht, förmliche Erklärungen auszutauschen, in denen jede Seite gegenüber dem anderen Volk auf die Anwendung von Gewalt zur Regelung internationaler Streitfragen verzichtet.
    Schließlich, meine Damen und Herren, gehört zu dieser Kontinuität auch all das an politischen Anstrengungen, was von CDU und CSU seinerzeit aus der Opposition heraus unternommen wurde, um sicherzustellen, daß die Verträge mit den osteuropäischen Staaten und der DDR nicht Grenzverträge, sondern Gewaltverzichtsverträge wurden. Kurt Georg Kiesinger hat dazu am 17. Mai 1972 erklärt: Die Verträge dienen der Herstellung eines Modus vivendi, d. h. eines geregelten Übergangszustands, der zentrale Fragen der Sicherheit und des Friedens in Europa nicht präjudiziert.
    Der Brief zur deutschen Einheit, 1970 entscheidend von der CDU/CSU mit durchgesetzt, und die verfassungskonforme Auslegung des Grundlagenvertrags mit der DDR, durch die Klage der bayerischen Staatsregierung beim Bundesverfassungsgericht 1973 erwirkt, gehören ebenfalls zu dieser Kontinuität.
    Die CDU/CSU und die von ihr geführte Bundesregierung brauchen weder irgendwo hinzuschwenken noch auf jemanden einzuschwenken, um diese klare Kontinuitätslinie weiterzuführen.
    Ich finde es deshalb, mit Verlaub gesagt, billig, wenn die SPD bei jeder sich bietenden Gelegenheit



    Klein (München)

    der Berufung eines Unionspolitikers auf, sagen wir, die KSZE-Schlußakte oder von ihr betriebene Gesetze, Verträge und Abkommen ähnlichen Inhalts so reagiert, als sei dies unzulässig. Richtig, wir wagen gegen diese Unterzeichnung, wie wir gegen viele außenpolitische Schritte der früheren Regierung gestimmt haben. Das würden wir, zumindest in den meisten Fällen, auch heute in der Kontinuität unserer außenpolitischen Grundüberzeugungen wieder tun, was nichts damit zu tun hat, daß für uns ganz selbstverständlich geschlossene Verträge und Abkommen als Grundlage der weiteren Politik dienen müssen.
    Meine Damen und Herren, dieser Kontinuität hatte die frühere Bundesregierung schließlich die Basis zu verdanken, auf der sie überhaupt eine unabhängige, freie Außenpolitik betreiben konnte. Aber wir haben die Sozialdemokraten nicht bei jeder Gelegenheit daran erinnert, daß sie so gut wie alle Verträge abgelehnt haben, auf deren Grundlage der Zusammenschluß des freien Europas, die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Staatengemeinschaft und die Mitgliedschaft in einem unsere Freiheit schützenden Verteidigungsbündnis möglich wurden und die nach der Punktation, die der Kollege Brandt hier soeben vorgetragen hat, von der SPD heute größtenteils bejaht und unterstützt werden.
    Die außenpolitische Entwicklung von knapp acht Wochen hat auch ausgereicht, die verantwortungslose Formel, daß unser Staat unter einer unionsgeführten Bundesregierung in die Isolierung geriete, ad absurdum zu führen. Selbstverständlich ist diese Aussage nicht eingetroffen. Aber mehr noch, schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß die Regierungen zahlreicher Staaten den Regierungswechsel äußerst positiv bewerteten. Der neue Bundeskanzler kam auf Anhieb mit seinen ausländischen Partnern — selbst wenn es sich, wie im Falle des französischen Staatspräsidenten Mitterrand, um jemanden einer ganz anderen politischen Richtung handelte — offenkundig besser zurecht als sein Vorgänger.

    (Roth [SPD]: Aua, aua!)

    Und die düsteren Prophezeiungen eines politischen Kälteeinbruchs in unseren Beziehungen zu den kommunistischen Staaten Osteuropas? Moskau hat auf mannigfache Weise öffentlich und dieskret signalisiert, es sei an der Fortsetzung guter Beziehungen stark interessiert. Das gleiche gilt für die meisten anderen Ostblockstaaten und für die DDR. Dieses Interesse ist ja — das ist auf der Gegenseite bekannt — durchaus wechselseitig. Die einzige mir bekannte auffällige Ausnahme bilden hier die Äußerungen des Propagandaapparats der polnischen Militärregierung, doch dieser Apparat spiegelt sicher nicht die Empfindungen des polnischen Volkes,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    das in einer schweren Not die Hilfsbereitschaft der Deutschen zu würdigen weiß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Außenpolitik und die Deutschlandpolitik der Bundesrepublik Deutschland — so hat der heutige Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Dr. Rainer Barzel, vor über zehn Jahren an die Adresse der damaligen SPD-geführten Bundesregierung gesagt — waren vor dieser Bundesregierung Friedenspolitik, und sie werden es nach ihr bleiben.
    Bleiben wird auch als ewige Konstante unsere geopolitische Lage im Herzen Europas. Geblieben sind die Teilung unseres Vaterlandes und der Verfassungsauftrag an das gesamte deutsche Volk, in freier Selbstbestimmung Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben mit den eindrucksvollen außenpolitischen Aktivitäten Ihrer ersten acht Regierungswochen, über die Sie in Ihrer heutigen Regierungserklärung berichtet haben, im Sinne dieses Verfassungsauftrags gehandelt. Dafür darf ich Ihnen namens der CDU/CSU-Fraktion Respekt und Dank ausdrücken. Der Fraktion ist wie Ihnen bewußt, daß der Weg zur schließlichen Erfüllung dieses Verfassungsgebots noch weit ist. Er führt über die Anerkennung der Menschenrechte aller europäischen Völker, und er kann nur gegangen werden, wenn in der Welt Frieden herrscht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)