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ID0913004600

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    Plenarprotokoll 9/130 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pieter Dankert, und einer Delegation 8005 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Außenpolitik, zum Ergebnis der USA-Reise, zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zu Europafragen in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Aufgaben, Probleme und Perspektiven des Atlantischen Bündnisses — Drucksachen 9/1532, 9/1739 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union — Drucksache 9/951 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Czaja, Köster, Dr. Stercken, Dr. Hupka, Dr. Todenhöfer, Graf Stauffenberg, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU Einführung eines Europapasses — Drucksache 9/1473 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Politik der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 9/1741 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Regionen Europas Erster Periodischer Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/158 Nr. 1, 9/1040 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft — Drucksachen 9/1211, 9/1993 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 8006 B Wischnewski SPD 8014 C Rühe CDU/CSU 8026 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Genscher, Bundesminister AA 8032 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8040 C Brandt SPD 8042 B Klein (München) CDU/CSU 8046 D Schäfer (Mainz) FDP 8051 D Voigt (Frankfurt) SPD 8055 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 8061A Dr. Vohrer FDP 8065 A Haase (Fürth) SPD 8069 B Hansen fraktionslos 8071 D Dr. Althammer CDU/CSU 8073 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8076 B Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 8079 C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 8080 C Borchert CDU/CSU 8083 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8085 B Reddemann CDU/CSU 8087 A Dr. Linde SPD 8088 B Louven CDU/CSU 8090 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau), Klein (München), Dr. Althammer, Dr. Czaja, Schwarz, Köster, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Stercken, Dr. Lenz (Bergstraße), Graf Huyn, Dr. Marx, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Dr. Wendig, Ronneburger, Frau Dr. Hamm-Brücher, Popp, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Freilassung des polnischen Bürgerrechtlers Jozef Lipski und anderer politischer Häftlinge — Drucksache 9/2103 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8092 A Polkehn SPD 8092 C Nächste Sitzung 8093 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8095* A Anlage 2 Förderung mikroelektronischer Produkte, insbesondere des Mobiltelefons für jedermann MdlAnfr 58, 59 19.11.82 Drs 09/2111 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Riesenhuber BMFT 8095* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 8005 130. Sitzung Bonn, den 25. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 26. 11. Dr. Ahrens 26. 11. Bahner 26. 11. Beckmann 26. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 26. 11. Dr. Dübber 26. 11. Eymer (Lübeck) 26. 11. Gansel 26. 11. Haar 26. 11. Haase (Fürth) 26. 11. Höffkes 26. 11. Dr. Hornhues 26. 11. Jansen 26. 11. Junghans 26. 11. Dr. Mikat 25. 11. Müller (Bayreuth) 26. 11. Nagel 26. 11. Poß 26. 11. Frau Roitzsch 26. 11. Rosenthal 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidt (Wattenscheid) 25. 11. Schmöle 25. 11. Dr. Wieczorek 26. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. Riesenhuber auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 9/2111 Fragen 58 und 59): Anlagen zum Stenographischen Bericht Wie beurteilt die Bundesregierung die technologischen und ökonomischen Chancen des „Mobiltelefons für jedermann", und inwieweit wurde dieses Projekt bisher gefördert, bzw. welche Förderung ist künftig beabsichtigt? Welche Produkte wie das „Mobiltelefon für jedermann" fördert die Bundesregierung ebenfalls wegen der innovativen Bedeutung des hohen Anteils an mikroelektronischen Produkten? Zu Frage 58: Mobilfunksysteme für große Teilnehmerzahlen setzen sogenannte Kleinzellensysteme voraus, die bevorzugt im Frequenzbereich um 900 MHz arbeiten werden. Heutige Kleinzellennetze verwenden eine analoge Sprachenübertragung auf dem Funkweg. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf Systeme mit digitaler Sprachübertragung, die gegenüber den analogen Systemen Vorteile versprechen. Das BMFT fördert Arbeiten zu digitalen Kleinzellennetzen seit Anfang 1979 im Rahmen des Programms „Technische Kommunikation", einem gemeinsamen Programm von BMFT und BMP. Die im Rahmen dieser Projekte erreichten technischen Fortschritte und die künftigen Marktchancen werden günstig bewertet. Zu Frage 59: Um die breite Anwendung der Mikroelektronik zu beschleunigen, wird mit dem zeitlich befristeten Sonderprogramm (1982-1984) die Entwicklung von Produkten, in denen die Mikroelektronik funktionsbestimmend ist, unterstützt. Rund die Hälfte der mehr als 2 500 Anträge sind Produktinnovationen in der Meß- und Regeltechnik (insbesondere für den Maschinenbau, für Energieeinsparung und Umweltschutz), etwa 25 % zielen auf den Markt für Büro und Kommunikation und jeweils ca. 5 % der Anträge sind auf Anwendungen im Kfz-Sektor, auf Haushaltsgeräte und auf Geräte für medizinische Anwendungen gerichtet.
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    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Ehmke, das ist wie mit dem halbvollen und dem halbleeren Glas. Es ist in bestimmten Bereichen eine Übereinstimmung erzielt worden, auch in der Konkretisierung der eben von mir verlesenen Grundsätze aus Versailles. Natürlich ist auch die Beschlußfassung oder Einigung über Studien zu bestimmten Bereichen mit Vorgaben eine Einigung. Aber das liegt alles im Rahmen dieser von mir eben verlesenen Erklärungen, so daß man durchaus begrüßen darf, daß Fortschritte gemacht worden sind. Aber daß wir noch nicht fertig sind, das weiß jedermann. Ich bin gern bereit, in der kommenden Woche im Auswärtigen Ausschuß Ihnen im einzelnen vorzutragen, worin offene und gelöste Fragen bestehen. Ich glaube, es wäre auch nicht im Interesse der Erfolge der Bemühungen um eine gemeinsame westliche Wirtschaftsstrategie, wenn wir die Verhandlungen durch eine öffentliche Diskussion erschwerten.
    Nur eines muß ganz klar sein: zwei Grundsätze gelten für alle Teilnehmer dieser Gespräche in Washington. Erstens. Wir sehen in den Wirtschaftsbeziehungen ein stabilisierendes Element der WestOst-Beziehungen. Zweitens. Aus diesem Grunde kann ein Handelskrieg nicht in Frage kommen. Ich denke, daß das die Basis ist, die auch für uns im Deutschen Bundestag gelten kann.

    (Dr. Ehmke [SPD]: So ist es!)

    Die Fragen, die Herr Kollege Wischnewski in bezug auf die Dritte-Welt-Politik der Bundesregierung gestellt hat, sind durch die Regierungserklärung des Bundeskanzlers mit beantwortet worden, aber auch durch die gestern veröffentlichte Erklärung der Bundesregierung, in der es heißt:



    Bundesminister Genscher
    Für die weltweite Sicherung des Friedens und der Stabilität unterstützt die Bundesrepublik Deutschland echte Blockfreiheit und die Unabhängigkeit der Staaten der Dritten Welt.
    Das sind die Grundsätze, nach denen auch die Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu gestalten ist.
    Ich bin darüber informiert worden, daß gestern im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Informationen zu den von Ihnen genannten Themen Nicaragua, El Salvador und Simbabwe gegeben worden sind. Wie ich höre, sind die Entscheidungen für Nicaragua durch noch nicht abgeflossene Mittel präjudiziert, so daß hier keine Einschränkung in den sachlichen Vorhaben entsteht. Für El Salvador ist eine Entscheidung noch nicht getroffen worden. Auch für Simbabwe sind, wie mir gesagt wird, die Mittel, die gebraucht werden, jetzt vorhanden.
    Was die Entsendung eines Botschafters nach El Salvador angeht, Herr Kollege Wischnewski, so erwägt die Bundesregierung die Entsendung des Botschafters in diesem Zeitpunkt nicht. Ich weise im übrigen darauf hin, daß die Bundesrepublik Deutschland zu der Minderheit der Staaten der Europäischen Gemeinschaft gehört, die überhaupt diplomatische Vertretungen in El Salvador unterhalten, während andere sich zum Teil mit Doppelbesetzungen bzw. Doppelakkreditierungen behelfen. Wir sehen also einen solchen Anlaß im Augenblick nicht.
    Was die Türkei angeht: Es bleibt bei unseren Grundsätzen von der Notwendigkeit der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in der Türkei und der Verwirklichung der Menschenrechte. Die Bundesregierung hat den drei beteiligten Ausschüssen, dem Auswärtigen Ausschuß, dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Bericht zu erstatten. Sie wird diesen Bericht am Mittwoch beschließen. Sie wird dabei auch die Frage zu beantworten haben, Herr Kollege Wischnewski, ob eine Fortsetzung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und auch der anderen Hilfsmaßnahmen zu erwägen ist. Ich möchte jetzt der Entscheidung der Bundesregierung nicht vorgreifen. Ich beabsichtige aber, auch dazu in der kommenden Woche dem Auswärtigen Ausschuß zu berichten.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Wille der Bundesregierung, durch Verbesserung der Zusammenarbeit im westlichen Bündnis, durch Stärkung der Europäischen Gemeinschaft und durch eine Politik der ausgestreckten Hand zum Osten zur Friedenssicherung beizutragen, wird auch in den Vorstellungen deutlich, die wir für die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft entwickelt haben und entwickeln und die wir in den kommenden Monaten ab 1. Januar 1983, wenn wir die Präsidentschaft in der Europäischen Gemeinschaft und in der Europäischen Politischen Zusammenarbeit übernehmen, durchsetzen wollen.
    Wir wissen, daß diese Aufgabe in eine schwierige Zeit fällt. Wir werden uns in unserer Präsidentschaft dennoch nicht darauf konzentrieren, die wirtschaftliche und die politische Funktionsfähigkeit nur zu erhalten; sondern wir wollen unsere ganze Kraft dafür einsetzen, meßbare Fortschritte auf dem Weg zu einer europäischen Union zu erreichen. Wir wollen, wie es der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat, neue Wege zur Einigung Europas eröffnen. Wir müssen uns am Beginn dieser Präsidentschaft bewußt sein, welchen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen wir gegenüberstehen.
    Mehr als elf Millionen Menschen, das sind nahezu 10 % der Erwerbsbevölkerung, sind in der Gemeinschaft als Arbeitsuchende registriert. 40 % davon sind Jugendliche unter 25 Jahren. Die Arbeitslosenunterstützung kommt die Europäische Gemeinschaft oder ihre Staaten etwa genau so teuer wie die Ölrechnung. Viel schlimmer ist das, was für jeden einzelnen Menschen dahintersteht.
    Die Wurzeln dieser hohen Arbeitslosigkeit liegen in den Strukturschwächen und in der weltweiten Rezession. Verschärfend wirkt die demographische Entwicklung. Von 1982 bis 1985 werden — unter Berücksichtigung der Abgänge vorn Arbeitsmarkt — jährlich 1 Million neuer Arbeitssuchender in der Europäischen Gemeinschaft zusätzlich auftreten. Wenn wir also das jetzige Beschäftigungsniveau nicht nur halten, sondern anheben wollen, müssen wir 1 Million neuer Arbeitsplätze und mehr schaffen. Selbst in den 60er Jahren, den Jahren des großen wirtschaftlichen Aufschwungs, konnten in Europa jährlich nur 260 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Das zeigt die ganze Größe der Herausforderungen, vor denen die Staaten der Europäischen Gemeinschaft stehen.
    Zur Lösung dieser Aufgabe muß die Gemeinschaft als solche ihren Beitrag leisten. Nur wenn sie das tut, werden die Menschen in Europa die Oberzeugung gewinnen, daß diese Europäische Gemeinschaft auch für ihre persönlichen Lebenschancen von Bedeutung ist. Die Grundbedingungen für einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung sind vorhanden. Wir haben neue Technologien, die uns in das Zeitalter der dritten industriellen Revolution führen. Wir haben in Telekommunikation, Automatisierung der Produktionsprozesse, Raumfahrt, in den neuen Energie- und Umwelttechnologien Investitionsmöglichkeiten großen Ausmaßes. Die Europäer müssen sich zum Ziel setzen, einen ganz wesentlichen Teil des Nachfragesoges zu bedienen, der durch die Einführung dieser fortgeschrittenen Technologien erzeugt wird. Die Europäische Gemeinschaft verbraucht, um ein Beispiel zu nennen, dem Werte nach 23 % der in der Welt erzeugten integrierten Schaltkreise, aber sie selbst produziert davon nur 5 %. Das zeigt, was hier aufzuholen ist. Zugleich ist weltweit der Bedarf an Industriegütern und Dienstleistungen groß.
    Wir werden als Europäer alle diese Chancen nur nutzen können, wenn wir die kontinentale Dimension unseres eigenen Binnenmarktes nutzen. Dieser Binnenmarkt ist heute durch einen in vielen Formen auftretenden Protektionismus ernsthaft gefährdet. Nichttarifäre Restriktionen und wettbewerbsverzerrende Subventionen haben sich dra-



    Bundesminister Genscher
    stisch vermehrt. Deshalb werden wir in unserer Präsidentschaft mit aller Kraft dafür eintreten, diese Gefahren für den Binnenmarkt abzuwehren. Es ist aber noch mehr notwendig. Wir müssen den Gemeinsamen Markt nicht nur erhalten, sondern weiter ausbauen. Noch gibt es Grenzkontrollen und Formalitäten, die den Warenaustausch in der Gemeinschaft erschweren. Der Kostenaufwand für die Abfertigungszeiten im EG-Warenverkehr wird auf jährlich 36 bis 37 Milliarden DM geschätzt. Bei einem Transport von Holland nach Neapel mit 26 Stunden Fahrtzeit kommen rund zehn Stunden für die Grenzabfertigung zu diesen 26 Stunden hinzu. Vor allem aber muß für viele Bereiche der hohen Technologie ein gemeinsamer Binnenmarkt überhaupt erst geschaffen werden. Besonders die Liberalisierung der öffentlichen Aufträge im Bereich des Fernmeldewesens muß zielstrebig in Angriff genommen werden.
    Es ist darüber hinaus der Augenblick gekommen, einige der in der Europäischen Gemeinschaft entwickelten Ideen zur Stärkung der technologischen Wettbewerbsfähigkeit Europas initiativ aufzugreifen. Vor allem aber müssen wir dafür sorgen, das im Rahmen des ESPRIT-Programm angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich Europa in strategisch wichtigen Bereichen der Kommunikations- und Automationstechnologien in zehn Jahren den Anschluß an Japan und die Vereinigten Staaten zu ermöglichen. Der Zeitraum von zehn Jahren verdeutlicht, welcher Nachholbedarf vorhanden ist. Die Erreichung dieses Ziels wird nur durch eine verstärkte technologische Zusammenarbeit aller Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft möglich sein. Mit nicht abgestimmten, rein nationalen Programmen werden wir die Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit in entscheidenden Bereichen der fortgeschrittenen Technologien nicht erreichen. Das heißt, wir würden damit nicht nur den Weltmarkt verlieren, wie landläufig angenommen wird, sondern auch noch den eigenen europäischen Markt den Konkurrenten überlassen müssen. Eine Beherrschung der modernen Kommunikations- und Automationstechnologien durch die Industrien der Gemeinschaft könnte — das haben Experten errechnet — vier bis fünf Millionen Arbeitsplätze in der EG innerhalb der nächsten zehn Jahre schaffen. Die hohe Arbeitslosigkeit nährt aber überall protektionistische Tendenzen. Protektionismus kann für die Gemeinschaft, die so stark von einem freien Welthandel abhängig ist, kein Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sein.
    Europa muß vielmehr mit den Vereinigten Staaten und mit Japan der gemeinsamen Verantwortung für ein liberales Funktionieren des Welthandelssystems gerecht werden. Unsere amerikanischen Freunde sollten dabei, bei allen sicher auch zum Teil berechtigten Klagen über die Europäische Gemeinschaft, nicht vergessen, daß sie im Handel mit der Europäischen Gemeinschaft Jahr für Jahr hohe Überschüsse erzielen. In den letzten zehn Jahren waren es mehr als 100 Milliarden Dollar. Die Europäische Gemeinschaft ist im Prinzip nach wie vor ein offener Markt. Sie hat im Vergleich zu anderen Industriestaaten einen niedrigeren durchschnittlichen Zolltarif. Sie nimmt — das ist ganz wichtig für unsere Zusammenarbeit mit der Dritten Welt — 27 % der Ausfuhren der Entwicklungsländer auf und ist damit für die Dritte Welt der bedeutendste Markt überhaupt. Denn wer wirklich gleichberechtigte Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft will, der darf sich nicht darauf beschränken, nur in den Kategorien der öffentlichen Entwicklungshilfe zu denken, der darf auch nicht nur in den Kategorien der privaten Investitionen der Entwicklungsländer denken, sondern der muß auch bereit sein, seinen Markt zu öffnen, damit die Entwicklungsländer auch ihre Fertigwaren und Halbfertigwaren bei uns absetzen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Dazu müssen wir auch dort die Kraft finden, wo eigene Probleme entstehen. Dazu müssen wir feststellen, daß auf diesem Gebiet in den Staatshandelsländern die größte Zurückhaltung vorhanden ist.
    Die gegenwärtige Ministertagung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens in Genf muß entschlossen deutlich machen, daß wir den freien Welthandel aufrechterhalten wollen. Das kann nur gelingen, wenn nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch alle anderen ihre Märkte öffnen.
    Meine Damen und Herren, wir können die äußeren wirtschaftlichen Herausforderungen nur bestehen, wenn wir im Innern wirtschaftlich und finanziell die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft erhalten und stärken. Dazu gehört vor allem auch eine bessere Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken. Das ist zugleich auch eine Voraussetzung für das Funktionieren und die Weiterentwicklung des Europäischen Währungssystems. Für den inneren Zusammenhalt der Gemeinschaft ist es wichtig, den Abstand zwischen den reichen und den ärmeren Regionen der Gemeinschaft zu verringern. Wir wollen uns in unserer Präsidentschaft für eine wirksame, auf dieses Ziel gerichtete Regional- und Sozialpolitik einsetzen. Wir wissen, daß hier die Gemeinschaft der sechs Gründerstaaten in den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs manches versäumt hat in der Entwicklung in diesem Bereich vorhandenen zurückgebliebenen Regionen, aber auch in der Entwicklung der Instrumente. Das macht es uns heute so schwer, dieses unbedingte Ziel der Europäischen Gemeinschaft, das auch Auswirkungen auf die Wanderungsbewegungen der Menschen in der Gemeinschaft hat, unter schwierigeren wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen zu erreichen nach dem klaren Grundsatz: Es sollten nicht Menschen aus Existenzgründen entwurzelt und gezwungen werden, die angestammte Heimat zu verlassen, um Arbeit zu finden, sondern es sollte eine Strukturpolitik durchgeführt werden, die überall ein angemessenes Angebot an Arbeitsplätzen schaffen kann.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CDU)

    Nun müssen wir für eine solche Politik die Mittel finden. Der Haushalt der Europäischen Gemeinschaft hat inzwischen ein Volumen von rund 50 Mil-



    Bundesminister Genscher
    liarden DM erreicht und damit nahezu die Ein-Prozent-Grenze der Eigenmittel aus der Mehrwertsteuer ausgeschöpft. Angesichts dieser Entwicklung und angesichts der Finanznöte, in denen die nationalen Haushalte aller Mitgliedstaaten stecken, müssen wir die für eine wirksame Strukturpolitik notwendigen Mittel vor allem durch eine Umschichtung des Gemeinschaftshaushalts schaffen. Das bedeutet, daß wir weniger für Agrar- und mehr für Strukturmaßnahmen ausgeben. Wir können heute feststellen, daß es gelungen ist, seit 1979 den Anteil der Agrarausgaben am EG-Budget von 74 auf 62 Prozent herabzuführen. Das ist eine beachtliche Leistung, und zwar eine große strukturpolitische Leistung, auch wenn — das muß man einschränkend sagen — relativ hohe Weltmarktpreise für Agrarprodukte in der Vergangenheit diese Entwicklung begünstigt haben.
    Wir werden diesen Erfolg nur halten können, wir werden den Agrar-Anteil nur weiter senken können, wenn wir darangehen, unsere Agrarpolitik in der vorgesehenen Weise zu entwickeln. Das Gelingen hängt aber — ich muß es noch einmal sagen — auch von der Entwicklung der Produktion, von den Weltmarktpreisen und dem Dollar-Kurs ab. Dennoch: Wir dürfen in unserem Bemühen hier nicht nachlassen. Die Belastungen durch Überschußproduktion müssen durch mehr Marktwirtschaft und durch stärkere Erzeugermitverantwortung abgebaut werden. Nur so kann es gelingen, den Anstieg geringer zu halten.
    Aber es besteht kein Zweifel — das möchte ich für die Bundesregierung noch einmal sehr klar sagen —: Die tragenden Grundlagen der gemeinsamen Agrarpolitik dürfen nicht in Frage gestellt werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Bei aller auch berechtigten Kritik an Fehlentwicklungen, die niemand bestreitet, die zuallerwenigst in der Landwirtschaft bestritten werden, dürfen wir die unverzichtbaren Leistungen der gemeinsamen Agrarpolitik nicht übersehen. Diese gemeinsame Agrarpolitik, die erste gemeinsam entwickelte Politik, ein Grundelement des Zusammenhalts in der Gemeinschaft übrigens, hat uns allen eine gesicherte Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln gebracht. Diese gemeinsame Agrarpolitik hat uns vor spekulativen Weltmarktentwicklungen bewahrt,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    die die Weltrohstoffmärkte immer wieder erschüttern. Und wer sich über die Entwicklung des Preisindex freut, darf niemals vergessen, daß die Landwirtschaft daran einen ganz wesentlichen Anteil hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die gemeinsame Agrarpolitik hat die Einkommen unserer Landwirte gesichert und die Rezession teilweise abgefedert. Und schließlich hat die gemeinsame Agrarpolitik die Modernisierung der Landwirtschaft begünstigt und damit ganz wesentlich dazu beigetragen, daß Landwirtschaft in Europa auch weiterhin eine Zukunft hat.
    Meine Damen und Herren, wir müssen in der Gemeinschaft für eine gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten unter den Mitgliedstaaten sorgen. Für 1982 konnte der Ausgleich aus dem EG-Haushalt für Großbritannien befriedigend geregelt werden. Damit wurde aber auch zum erstenmal ein deutsches Haushaltsproblem ausdrücklich anerkannt — indem wir für den britischen Ausgleich nur die Hälfte unseres normalen Finanzierungsanteils zahlen. Es geht jetzt darum, die britische Haushaltsentlastung auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen und dabei auch unsere Probleme zu berücksichtigen.
    Besondere Aufmerksamkeit und Dringlichkeit wird die Bundesregierung den Verhandlungen über den Beitritt Portugals und Spaniens widmen. Wir wollen uns dafür einsetzen, die Voraussetzungen für den gleichzeitigen Beitritt beider Länder zu schaffen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir dürfen nicht ein Land zurückhängen lassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht so schnell!)

    — Herr Kollege, niemand wird die ökonomischen und finanziellen Probleme unterschätzen wollen, vor die uns eine Süderweiterung stellt. Und wir wissen, daß das besondere Problem für die Landwirtschaft unserer südlichen Mitgliedstaaten schaffte, und wir wissen, daß wir aufpassen müssen, daß nicht durch eine Verlagerung der Landwirtschaftspolitik auf die Südprodukte Probleme in unserem Bereich entstehen. Darauf werden wir achtzugeben haben.

    (Gallus [FDP]: Sehr gut!)

    Aber wir werden auch zu beachten haben, daß die Demokraten in Portugal und in Spanien auf den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft gesetzt haben. Das dürfen wir nicht enttäuschen.
    Spanien hat sich entschieden, Mitglied des westlichen Bündnisses zu werden. Ich möchte vermeiden, daß die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auch nur den Eindruck in Spanien erwecken könnten, wir seien zwar bereit, für unsere Sicherheit auch spanische Soldaten in Anspruch zu nehmen, aber wir seien nicht bereit, Spanien durch den Beitritt in die Europäische Gemeinschaft eine Verbesserung seiner sozialen und wirtschaftlichen und damit politischen Stabilität zu ermöglichen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Hier werden wir unsere besondere Verantwortung, die ja im Deutschen Bundestag nie umstritten war, zu erfüllen haben.
    Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Ein nach innen gefestigtes Europa muß seine Interessen kraftvoll nach außen vertreten können. Wenn wir auf dem Weg zur Europäischen Union voranschreiten wollen, brauchen wir daher die Entwicklung einer gemeinsamen Außenpolitik in der EPZ und deren Verzahnung mit der gemeinsamen



    Bundesminister Genscher
    Außenwirtschaftspolitik. Die EPZ, die Europäische Politische Zusammenarbeit, hat in den vergangenen Jahren große Bedeutung erlangt: wir wollen sie fortsetzen. Sie hat ihr Gewicht in den Vereinten Nationen, sie hat unsere Positionen zum Nahost-Konflikt und zur Nahost-Frage entwickelt. — Wir halten daran natürlich fest, Herr Kollege Wischnewski.

    (Wischnewski [SPD]: Auch an Venedig?) — Auch an Venedig, Herr Kollege Wischnewski.


    (Wischnewski [SPD]: Gilt das für die ganze Bundesregierung?)

    — So ist es. Wir stehen zu dem, was in Europa als ein Bestand gemeinsamer Politik entwickelt worden ist.

    (Wischnewski [SPD]: Dann muß man den Israelis nicht etwas anderes sagen!)

    Diesen Bestand gilt es aber auszubauen. Wir müssen in der Lage sein, überall in den Krisenzonen einen Beitrag zur friedlichen Konfliktlösung zu leisten. Wir werden ganz sicher einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der West-Ost-Zusammenarbeit im KSZE-Prozeß zu leisten haben.
    Eine besondere Aufgabe für unsere Präsidentschaft wird die Pflege der europäisch-amerikanischen Beziehungen sein. Wir sehen eine wichtige Aufgabe darin, die im transatlantischen Verhältnis sichtbar gewordenen Meinungsunterschiede weiter abzubauen und für eine enge Abstimmung zwischen Europa und den Vereinigten Staaten zu sorgen. Ein starkes einiges Europa, das seine Interessen im Bündnis mit Klarheit und Einigkeit vertritt, ist auch für die Vereinigten Staaten ein besserer, weil berechenbarer Partner. In der Gemeinsamen Erklärung des Bundeskanzlers mit Präsident Reagan heißt es deshalb:
    Die Entwicklung eines geeinten Europas stärkt die Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten und damit auch das Bündnis.
    Meine Damen und Herren, nur ein starkes Europa kann auch seiner Verantwortung gegenüber der Dritten Welt gerecht werden, auch bei der Unterstützung regionaler Zusammenschlüsse — nicht nur des ASEAN-Zusammenschlusses —, auch in der Zusammenarbeit mit entstehenden regionalen Zusammenschlüssen in Afrika und natürlich im Rahmen unserer gemeinsamen Lomé-Politik.
    Wir sind der Meinung, daß unsere Europäische Politische Zusammenarbeit gemeinsam mit dem, was wir in der Gemeinschaftspolitik zu leisten haben, unsere Bemühungen für die Europäische Union voranbringen muß. Wir haben das Ziel, daß die von uns vorgeschlagene italienisch-deutsche Initiative in einem Europäischen Rat unter deutscher Präsidentschaft verabschiedet werden kann.
    Wir brauchen heute nötiger denn je einen starken politischen Impuls, der der Gemeinschaft und ihren Bürgern wieder eine über das ökonomische hinausgehende politische Perspektive vermittelt und damit auch die geistige Kraft der europäischen Einigungsidee mobilisiert. Sicher ist es schwierig, heute wieder jene Europabegeisterung zu wecken, die am Anfang der Gemeinschaft stand. Aber gerade in einer Zeit, in der wir die Besorgnis haben müssen, daß Debatten über Agrarpreise, Haushaltsprobleme, über egoistische Berechnungen, welche Vorteile man hat und was man an Nachteilen in Kauf nehmen muß, im Vordergrund stehen, muß ein neuer Impuls gegeben werden.
    Wir werden die aktuellen Probleme nur dann lösen können, wenn wir das Ziel eines vereinten Europas wieder zum zentralen Anliegen der Politik aller Mitgliedstaaten machen. Das steckt hinter dieser gemeinsamen deutsch-italienischen Initiative. Wir wollen damit ein engeres Zusammenwirken von Europäischer Gemeinschaft und Europäischer Politischer Zusammenarbeit.
    Wir wollen die Institutionen in Europa stärken. Die Kommission muß wieder stärker Motor der Integration werden, und sie muß ihr Initiativrecht voll nutzen. Die Entscheidungsfähigkeit des Rates soll durch Erschwerung der Berufung auf vitale Interessen gestärkt werden. Oder ich will es anders ausdrücken: Wir müssen wieder schrittweise zu dem zurückkehren, was in den Verträgen vorgesehen ist, nämlich zum Mehrheitsprinzip. Das ist auch deshalb notwendig, weil mit der Erweiterung der Gemeinschaft das bisherige Verfahren den Entscheidungsprozeß natürlich noch stärker lähmen würde, als das jetzt der Fall ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der verstärkte Ausbau der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, der mit dem Londoner Bericht von 1981 meßbare Fortschritte gebracht hat, muß fortgesetzt werden. Wir sind der Meinung, daß von besonderer Bedeutung die Stärkung des Europäischen Parlaments ist; denn hier geht es um das demokratische Selbstverständnis der Gemeinschaft. Wir waren froh darüber, daß wir mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, der heute auch begrüßt wurde, gerade unter diesem Gesichtspunkt über unsere Präsidentschaft sprechen konnten. Wir haben dabei deutlich gemacht, daß die beiden zentralen und unverzichtbaren Elemente unserer Initiative die Verbesserung des Entscheidungsverfahrens im Rat und die deutliche Stärkung der Rolle des Parlaments sind.
    Wir sehen natürlich — ich muß das offen bekennen —, daß diese Vorschläge noch nicht bei allen Partnern in der Europäischen Gemeinschaft Zustimmung finden. Wir müssen versuchen, sie geduldig zu überzeugen.
    Wir müssen die politischen Mitwirkungsbefugnisse des Europäischen Parlaments ausbauen. Das Parlament muß ein vollwertiger und verantwortlicher Partner des Rates bei der Formulierung der Gemeinschaftspolitik sein. Wir wollen hierbei Vorschläge verwirklichen, die ohne Vertragsänderung erreicht werden können. Sie reichen von der Ausdehnung des Konzertierungsverfahrens über die Mitwirkung des Parlaments beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge der Gemeinschaft bis hin zur



    Bundesminister Genscher
    Beteiligung des Europäischen Parlaments bei der Ernennung der Mitglieder der Kommission.
    Das Europäische Parlament erfüllt eine wichtige Funktion als Forum für die europäische Bewußtseinsbildung. Hier wird vornehmlich unter europäischen Gesichtspunkten entschieden und nicht, wie häufig in den Räten, noch unter Wahrnehmung vermeintlicher, gar nicht wirklicher nationaler Interessen. Hier wird ein Stück europäischer Identität deutlich. Wir müssen sehen, daß alle diese Fortschritte auch im Blick auf die europäischen Wahlen wichtig sind.
    Wir wollen mit unserem Bemühen auch die Arbeiten des Parlaments an einer europäischen Verfassung unterstützen, die darauf abzielt, die Rechte des europäischen Bürgers zu stärken und die gemeinsame Überzeugung vom freiheitlich verfaßten Europa zu bekräftigen.
    Wir wollen neue Bereiche in die Zusammenarbeit einbeziehen: engere kulturelle und justizpolitische Zusammenarbeit, vor allem aber eine stärkere Zusammenarbeit in den politischen und wirtschaftlichen Fragen der Sicherheit. Der Londoner Bericht zur Europäischen Politischen Zusammenarbeit sieht Konsultationen der Zehn zu diesem Thema, zum Thema der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, vor. Ich will mich als Vorsitzender des Rats dafür einsetzen, daß unter unserer Präsidentschaft und in Abstimmung mit unseren Partnern ein besonderes Außenministertreffen einberufen wird, das sich mit den politischen Aspekten unserer Sicherheit befassen kann. Das wäre ein erheblicher Fortschritt.
    Eine Gemeinschaft, die die Lebensgrundlage ihrer Mitglieder umfassend sichern will, darf keinen Bereich ausklammern. Das gilt auch für die noch vorhandenen Freizügigkeitsbarrieren in Europa, auch in der täglichen Praxis. Die EG-Bürger werden bald einen einheitlichen Paß besitzen. Ich hoffe, daß das noch vor der nächsten Direktwahl sein wird.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Politik der Bundesrepublik Deutschland gewinnt an Gewicht, gewinnt an erhöhter Durchsetzbarkeit auch unserer eigenen nationalen Interessen durch unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft, aber auch im westlichen Bündnis. Auf dieser Grundlage wollen wir Zusammenarbeit, Entspannung, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Wir wissen, daß diese Mitgliedschaft uns nicht behindert, sondern unser Gewicht erhöht. Deshalb haben wir uns so sehr in Europa und für Europa engagiert.
    Wenn wir von Europa sprechen, so wissen wir, daß damit nicht nur das Europa der Europäischen Gemeinschaft gemeint ist. Wenn wir von Europa sprechen, so wissen wir, daß dazu Polen genauso gehört wie Ungarn, die Tschechoslowakei oder Bulgarien,

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    so wie zu Deutschland in unserem Verständnis auch der andere Teil unseres Vaterlandes, die DDR, gehört.
    So steht für uns fest und muß maßgeblich sein für unsere ganze Politik: Deutschland ist unsere Aufgabe, Europa ist unser Schicksal. Für Europas Frieden zu arbeiten, das bedeutet auch, den Deutschen im geteilten Land zu helfen. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen.

(Wehner [SPD]: Unglaublich ist das! — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das ist der neue Stil!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Wischnewski war so freundlich, mich zweimal in die Debatte einzubeziehen: einmal wegen der Vergangenheit, einmal wegen der Gegenwart. Ich will gern darauf antworten.
    Erstens. Herr Kollege Wischnewski hat noch einmal über die alten Vorgänge hinsichtlich des UNO-Beitritts und des Kampfes um die Verträge gesprochen. Ich finde diesen Hinweis, Herr Kollege Wischnewski, eigentlich — verzeihen Sie — unter dem Niveau. Denn Sie haben seinerzeit z. B. gegen die NATO gestimmt; dann kamen Sie an die Regierung und sind dann nicht ausgetreten, sondern haben die NATO als Instrument Ihrer Politik benutzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Freien Demokraten haben früher einmal gegen die Europäische Gemeinschaft gestimmt, kamen in die Regierung und benutzten es als Instrument ihrer Politik. Dies machen wir heute. Es ist doch albern, solche Dinge noch in Erinnerung zu rufen. Sie können die Debatte haben, aber ich glaube, sie bringt keinen von uns nach vorn und findet gerade in der jungen Generation kein Verständnis.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der zweite Punkt betraf die Gegenwart. Ihre Bemerkung über meinen Besuch in beiden Teilen Berlins beantworte ich nicht. Ich glaube, das richtet sich gegen den, der das gesagt hat.
    Es war die Rede von den Kontakten zur DDR. Herr Kollege Wischnewski hat es für richtig gehalten, einige kritische Anmerkungen zu machen. Es tut mir leid, daß Sie sie gemacht haben, obwohl Sie besser wissen, was wirklich geschieht. Das war kein guter Einstieg in die Opposition und auch wenig hilfreich hinsichtlich meines Bemühens, in den Fragen, für die ich die Verantwortung trage, einen breiten Konsens auch hier im Hause herzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich werde mich aber nicht stören lassen, meine Damen und Herren, hier meinen Kurs zu halten.
    Ich bin hier gemahnt worden und es ist öffentlich angekündigt worden, man werde uns hinsichtlich unserer Erfolge auf dem humanitären Gebiet öffentlich befragen. Herr Kollege Wischnewski, Sie wissen, daß das weitergeht. Sie wissen, wie das weitergeht. Sie wissen, daß es auch so weitergeht, wie es der Mann, der hier spricht, vor 20 Jahren ange-



    Bundesminister Dr. Barzel
    fangen hat, nämlich durch Verschwiegenheit im Interesse der Menschen und der Menschlichkeit. Da können Sie mich anzapfen, wie Sie wollen; das wird nur so gut weitergehen, wenn ich an dieser Haltung festhalte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich darf dazu sagen, daß die Verantwortlichen in der DDR in dieser Frage offensichtlich ein besseres Gedächtnis haben und auch eine respektvolle Erinnerung bewahren.
    Sie haben, Herr Kollege Wischnewski, das Kulturabkommen angesprochen. Sie wissen selbst, daß es — ohne Ihr Verschulden — nicht möglich war, in den zehn Jahren diese Verabredung des Grundlagenvertrags zu verwirklichen. Sie wissen, daß die neue Bundesregierung, seit es eine veränderte Situation zum Ende Ihrer Regierungszeit gab — ich räume dies doch ein —, auf einen Termin zum Beginn dieser Gespräche drängt. Das wissen Sie alles. Sie wissen, daß das auch für das Abkommen über Wissenschaft und Technik gilt, das im Grundlagenvertrag vorgesehen ist, das aber auch noch nicht da ist. Dies alles wissen Sie. Aber Sie mahnen uns mit polemischen Fingerübungen.
    Sie mahnen uns an, weitere Verhandlungen zu führen. Sie, Herr Kollege Wischnewski und meine Damen und Herren aus der Opposition, wissen wie dieses Haus, daß der verantwortliche Minister mit den Leitern aller dieser Delegationen selber gesprochen hat, und Sie kennen die Erklärungen, die ich im zuständigen Ausschuß unter Billigung aller Seiten des Ausschusses dazu abgegeben habe. Wir haben da gesagt:
    Die Zusammenarbeit der beiden Staaten in Deutschland soll im Interesse Deutschlands und der Deutschen verbessert werden. Die laufenden Verhandlungen und Gespräche werden fortgesetzt.
    Das ist eine Tatsachenmitteilung.
    Wir prüfen, ob wir mit neuen oder weiterführenden Vorschlägen die da und dort stagnierende Gesprächslage zu beleben und zu tragfähigen Lösungen zu gelangen vermögen. Wir sind an umfassenden längerfristigen Abmachungen zum Nutzen der Menschen und auf der Grundlage der geltenden Abkommen interessiert.
    Wir haben mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt — auch davon war die Rede —, wie sich die Regierung der DDR zum Regierungswechsel hier geäußert hat. Es wurde vielfach vermutet, Ost-Berlin würde einer Regierung Kohl/Genscher die kalte Schulter zeigen. Sie wissen, daß das nicht der Fall ist. Ich darf daran erinnern, daß von dieser Stelle aus noch vor wenigen Wochen die Unglaublichkeit gesagt worden ist, wir seien zwar friedenswillig, aber nicht friedensfähig. Dieser Satz ist ja nun durch die Realitäten in sich selbst zusammengebrochen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie wissen, Herr Kollege Wischnewski, daß es außer den drei Aktivitäten, die der Bundeskanzler in
    der Regierungserklärung genannt hat, allein in diesem Monat gegeben hat: die zweite Verhandlungsrunde über die Neufestsetzung der Postpauschale, die 35. Sitzung der Verkehrskommission. Sie wissen, daß wir uns vorbereiten auf das Kulturabkommen, daß wir arbeiten an der Lösung des Problems der Verschmutzung der Werra, an der Lösung von Problemen dieser Art an der Elbe und auch am Böden. Ich denke, es ist Ihnen auch nicht unbekannt, daß wir uns bemühen, die Anbindung der Autobahn in Berlin voranzutreiben. Und so wird Ihnen nicht entgangen sein, daß unser Kollege Staatsminister Jenninger am 2. Dezember zu verantwortlichen Gesprächen nach Ost-Berlin fahren wird. Was sollen also diese Anmahnungen, meine Damen und Herren?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Wischnewski, Sie haben dann — und das nehme ich natürlich ernst; das andere waren Fingerübungen, die muß man mal so zurückgeben — —

    (Dr. Ehmke [SPD]: Und das sind Zungenübungen! Nun machen Sie mal weiter! — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Kommen Sie mal zur Sache!)

    — Natürlich zur Sache. Ich bin die ganze Zeit dabei. Ich war bei so sachlichen Dingen wie der Versalzung der Werra. Wenn Sie das nicht für sachlich halten, dann weiß ich es nicht.
    Der Kollege Wischnewski hat sich dann einer der Grundfragen zugewandt, die sich beim Abschluß des Grundlagenvertrages als nicht lösbar erwiesen. Ich möchte Ihnen hierzu die Bilanz sagen, die die neue Regierung hier macht: Wir finden einige Abreden vor, die noch nicht verwirklicht sind, obwohl sie im Grundlagenvertrag vorgesehen sind, wie Kulturabkommen, Abkommen über Wissenschaft und Technik und anderes. Wir finden zum anderen abredewidrige Tatbestände vor.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich nenne den Zwangsumtausch, ich nenne die Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten, ich nenne die Schikanen im Verkehr. Meine Damen, meine Herren, wir wünschen unter dem Aspekt guter Nachbarschaft zuerst das herzustellen, was verabredet ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn das hergestellt ist, kann man über anderes reden. Wer vorher Grundfragen, die sich damals nicht lösen ließen, aufwerfen will, muß damit rechnen: Auch wir werden dann Grundfragen aufwerfen. Dies, glaube ich, ist eine klare Position, die hier deutlich gemacht werden sollte.
    In diesem Zusammenhang würde ich gern — und da hoffe ich auf Unterstützung doch aller Seiten des Hauses — sagen, daß sich die Klagen in diesen Tagen mehren, daß humanitäre Lieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland zur Linderung der Notlage des polnischen Volkes leider bei der Durch-



    Bundesminister Dr. Barzel
    reise durch die Deutsche Demokratische Republik besonderen Schikanen begegnen.

    (Tillmann [CDU/CSU]: Ungeheuerlich! — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Ich möchte sagen: Dies ist gegen den Geist guter Nachbarschaft.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Dies richtet sich gegen eine rein humanitäre Aktion, eine Aktion im Interesse der Menschen und der Völker. Ich möchte an die Adresse der Verantwortlichen in der DDR hinzufügen: Gute Nachbarschaft erfordert Respektierung der Zusammengehörigkeit. Wir gehören mit allen Nachbarn zusammen, auch mit den polnischen Nachbarn. Sie sind Europäer wie wir.
    Ich möchte in dieser ersten Intervention in dem Amt, das ich jetzt habe, am Schluß folgendes in Erinnerung rufen, damit es alle wissen und sich niemand irritiert zeigt, weil wir von Deutschland sprechen. Am 21. Dezember 1972 — dies gehört zum Grundlagenvertrag — hat Herr Kollege Bahr, damals als Staatssekretär und Unterhändler der Bundesrepublik Deutschland, an die Regierung der DDR folgenden Brief geschrieben — ich zitiere —:
    Sehr geehrter Herr Kohl!
    Im Zusammenhang mit der heutigen Unterzeichnung des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik beehrt sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, festzustellen, daß dieser Vertrag nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
    Daran halten wir fest — geduldig, friedfertig, unbeirrbar. Wir suchen nicht die Konfrontation, wir suchen nicht die Polemik, weder hier im Hause noch mit der DDR. Wir suchen das Gespräch. Wir suchen nicht die Schlagzeilen, sondern das Ergebnis. — Sie sind eingeladen, daran mitzuwirken, Herr Kollege Wischnewski.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)