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ID0913003500

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    Vokabeln: 10
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    Plenarprotokoll 9/130 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 130. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pieter Dankert, und einer Delegation 8005 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Außenpolitik, zum Ergebnis der USA-Reise, zur Zukunft des Atlantischen Bündnisses und zu Europafragen in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Aufgaben, Probleme und Perspektiven des Atlantischen Bündnisses — Drucksachen 9/1532, 9/1739 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union — Drucksache 9/951 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Czaja, Köster, Dr. Stercken, Dr. Hupka, Dr. Todenhöfer, Graf Stauffenberg, von der Heydt Freiherr von Massenbach und der Fraktion der CDU/CSU Einführung eines Europapasses — Drucksache 9/1473 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Politik der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 9/1741 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Regionen Europas Erster Periodischer Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/158 Nr. 1, 9/1040 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft — Drucksachen 9/1211, 9/1993 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 8006 B Wischnewski SPD 8014 C Rühe CDU/CSU 8026 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 Genscher, Bundesminister AA 8032 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8040 C Brandt SPD 8042 B Klein (München) CDU/CSU 8046 D Schäfer (Mainz) FDP 8051 D Voigt (Frankfurt) SPD 8055 D Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 8061A Dr. Vohrer FDP 8065 A Haase (Fürth) SPD 8069 B Hansen fraktionslos 8071 D Dr. Althammer CDU/CSU 8073 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8076 B Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 8079 C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 8080 C Borchert CDU/CSU 8083 D Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8085 B Reddemann CDU/CSU 8087 A Dr. Linde SPD 8088 B Louven CDU/CSU 8090 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hoffmann (Soltau), Klein (München), Dr. Althammer, Dr. Czaja, Schwarz, Köster, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Stercken, Dr. Lenz (Bergstraße), Graf Huyn, Dr. Marx, Sauer (Salzgitter) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Vohrer, Dr. Wendig, Ronneburger, Frau Dr. Hamm-Brücher, Popp, Dr. Rumpf und der Fraktion der FDP Freilassung des polnischen Bürgerrechtlers Jozef Lipski und anderer politischer Häftlinge — Drucksache 9/2103 — Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU . . 8092 A Polkehn SPD 8092 C Nächste Sitzung 8093 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8095* A Anlage 2 Förderung mikroelektronischer Produkte, insbesondere des Mobiltelefons für jedermann MdlAnfr 58, 59 19.11.82 Drs 09/2111 Dr. Steger SPD SchrAntw BMin Dr. Riesenhuber BMFT 8095* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 130. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. November 1982 8005 130. Sitzung Bonn, den 25. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 26. 11. Dr. Ahrens 26. 11. Bahner 26. 11. Beckmann 26. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 26. 11. Dr. Dübber 26. 11. Eymer (Lübeck) 26. 11. Gansel 26. 11. Haar 26. 11. Haase (Fürth) 26. 11. Höffkes 26. 11. Dr. Hornhues 26. 11. Jansen 26. 11. Junghans 26. 11. Dr. Mikat 25. 11. Müller (Bayreuth) 26. 11. Nagel 26. 11. Poß 26. 11. Frau Roitzsch 26. 11. Rosenthal 26. 11. Schartz (Trier) 25. 11. Schmidt (Wattenscheid) 25. 11. Schmöle 25. 11. Dr. Wieczorek 26. 11. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Dr. Riesenhuber auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Steger (SPD) (Drucksache 9/2111 Fragen 58 und 59): Anlagen zum Stenographischen Bericht Wie beurteilt die Bundesregierung die technologischen und ökonomischen Chancen des „Mobiltelefons für jedermann", und inwieweit wurde dieses Projekt bisher gefördert, bzw. welche Förderung ist künftig beabsichtigt? Welche Produkte wie das „Mobiltelefon für jedermann" fördert die Bundesregierung ebenfalls wegen der innovativen Bedeutung des hohen Anteils an mikroelektronischen Produkten? Zu Frage 58: Mobilfunksysteme für große Teilnehmerzahlen setzen sogenannte Kleinzellensysteme voraus, die bevorzugt im Frequenzbereich um 900 MHz arbeiten werden. Heutige Kleinzellennetze verwenden eine analoge Sprachenübertragung auf dem Funkweg. Die Forschungsanstrengungen konzentrieren sich auf Systeme mit digitaler Sprachübertragung, die gegenüber den analogen Systemen Vorteile versprechen. Das BMFT fördert Arbeiten zu digitalen Kleinzellennetzen seit Anfang 1979 im Rahmen des Programms „Technische Kommunikation", einem gemeinsamen Programm von BMFT und BMP. Die im Rahmen dieser Projekte erreichten technischen Fortschritte und die künftigen Marktchancen werden günstig bewertet. Zu Frage 59: Um die breite Anwendung der Mikroelektronik zu beschleunigen, wird mit dem zeitlich befristeten Sonderprogramm (1982-1984) die Entwicklung von Produkten, in denen die Mikroelektronik funktionsbestimmend ist, unterstützt. Rund die Hälfte der mehr als 2 500 Anträge sind Produktinnovationen in der Meß- und Regeltechnik (insbesondere für den Maschinenbau, für Energieeinsparung und Umweltschutz), etwa 25 % zielen auf den Markt für Büro und Kommunikation und jeweils ca. 5 % der Anträge sind auf Anwendungen im Kfz-Sektor, auf Haushaltsgeräte und auf Geräte für medizinische Anwendungen gerichtet.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wischnewski, ich glaube, Sie haben sich deswegen so schwergetan, weil Sie es versäumt haben, am Anfang Ihrer Rede die Horrorgemälde abzuräumen, von denen Sie jahrelang politisch gelebt haben,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    bei denen aber nun jedermann weiß, daß sie nicht der Realität entsprechen. Sie haben doch jahrelang gesagt, die Union wäre, wenn sie regieren würde, dialogunfähig, sie wäre gesprächsunfähig, mit uns würde niemand mehr reden, vielleicht im Westen noch ein paar Leute, aber diese auch mit Unbehagen, und im Osten würde niemand mit uns reden. Nun können unsere Mitbürger miterleben, daß dies reine Propaganda war. Das ist bitter für Sie.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind doch in der Situation desjenigen, der als Wetter die große Dürre voraussagt und dann miterleben muß, daß schon am nächsten Tag ein ganz solider, warmer Landregen über das Land geht, und der vor den Augen seiner Mitbürger ganz deutlich als jemand überführt ist, der die Dinge falsch dargestellt hat. Da hilft es Ihnen auch nichts, wenn Sie jetzt versuchen, die nächste Legende hier auf zubauen. Wenn Sie sagen, dort, wo wir Ihre bewährte Politik fortsetzen wollten, bekämen wir Ihre Unterstützung, dann kann ich nur sagen, kein Bereich der Politik wird im Ausland und im Inland so sehr mit dem Altkanzler Schmidt identifiziert wie der NATO-Doppelbeschluß. Helmut Schmidt — Doppelbeschluß, das ist ein internationaler Markenbegriff geworden. Sie sagen, Sie wollten uns in den bewährten Teilen Ihrer Politik unterstützen. Ich habe es nicht als Unterstützung empfunden, was Sie zum NATO-Doppelbeschluß gesagt haben,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das war das Abrükken! — Zuruf des Abg. Reddemann [CDU/ CSU] sowie weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    sondern ich habe das als den Versuch empfunden, das Nein noch näher heranzurücken, von dem schon Egon Bahr gesprochen hat. Sie müssen doch wissen, daß Verhandlungen nur dann erfolgreich geführt werden können, wenn man auch zur Nachrüstung entschlossen ist. Es ist ganz töricht, hier eine Diskrepanz zwischen den beiden Teilen des NATO-Doppelbeschlusses aufzuzeigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn es Ihnen im übrigen um die Kontinuität der deutschen Politik zu tun ist, dann kann ich nur sagen, den einzig wirklich gravierenden Bruch, den ich sehe, das ist der Bruch mit der sicherheitspolitischen Kontinuität, nicht durch uns, sondern durch Sie und durch Ihre Haltung zum NATO-Doppelbeschluß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was Sie dazu in Kiel gesagt haben, das stand zwar unter der Überschrift „Aufbruch nach vorn" — so stand es auf den Transparenten —, aber in Wirklichkeit war das doch ein Aufbruch zur Seite, in die Büsche, aus der Verantwortung für die gemeinsame deutsche Sicherheitspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was Sie hier über den Bundesaußenminister Genscher gesagt haben, kann nun wirklich so nicht stehenbleiben. Es ist ganz billig, wenn Sie auf Meinungsumfragen abheben und sagen, nur weil die Meinungsumfragen so schlecht seien, könne der Bundesaußenminister unser Land im Ausland nicht mehr mit Gewicht vertreten. Ich erinnere mich noch an die Meinungsumfragen im Sommer. Da lagen Sie bei 30 %,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unter 30 %)

    — unter 30 % —, der Helmut Schmidt hätte doch gar nicht mehr über sein Reihenhaus in Langenhorn hinausgehen können, um unser Land zu vertreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist doch eine ganz billige Methode.

    Ich meine im übrigen, daß die Verratslegende sich jetzt immer mehr in ihr Gegenteil umkehrt. Wenn Sie sich mal anschauen, wie fein abgestimmt die Übertritte erfolgen, muß man doch inzwischen fragen: Wer ist eigentlich der Verräter, und wo findet der Verrat statt?

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Da sollten Sie nun nicht eine Kampagne beginnen und das Gewicht und die Glaubwürdigkeit des Bundesaußenministers auf Grund von Meinungsumfragen bestreiten.
    Im übrigen: wenn Sie dann in Ihrem nächsten Kapitel gleich davon sprechen, daß Sie in besonderer Weise geeignet seien, deutsche Interessen wahrzunehmen, kann ich nur sagen: das paßt nun wirklich nicht zusammen, was Sie hier gesagt haben. Sie hätten Ihrer Glaubwürdigkeit viel mehr genützt, wenn Sie schlicht und einfach festgestellt hätten: Die ersten sieben Wochen Außenpolitik unter Bundeskanzler Kohl und Bundesaußenminister Genscher waren sieben erfolgreiche Wochen für die Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Wischnewski — und das gilt für Ihre Kollegen auch —, lassen Sie bitte Ihre Finger von dem Kapitel „Wer vertritt eigentlich die deutschen Interessen am besten?". Zunächst einmal: deutsche Interessen werden nicht durch verbale Ausfälle gegenüber unserem wichtigsten Verbündeten erfolgreich vertreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [SPD]: Durch Ergebenheitsadressen aber auch nicht!)

    Seit dem ersten Tag der Bundesrepublik Deutschland wissen im übrigen unsere Mitbürger, wer die Interessen unseres Landes am besten vertritt. Ich kann Sie nur warnen. Es gab ein unglückliches Wort Ihres damaligen Vorsitzenden in den 50er Jahren über die Außenpolitik Adenauers und die angeblich mangelnde Vertretung deutscher, nationa-



    Rühe
    ler Interessen und eine zu enge Anlehnung an die Alliierten. Dieses ist gescheitert. Seit mehr als 30 Jahren wissen unsere Mitbürger, daß die Interessen Deutschlands in der Führung der Union sehr gut aufgehoben sind, Herr Wischnewski. Deswegen sollten Sie auch nicht versuchen, dieses in Zweifel zu stellen.
    Im übrigen, Herr Wischnewski, wenn Sie meinen, im Zusammenhang mit dem Kanzler von einer „knetbaren Figur" sprechen zu sollen, kann ich Sie nur an die Flugbahn eines Bumerangs erinnern. Ich möchte an Sie die Frage richten, ob Sie persönlich eigentlich gut beraten sind, solche Formulierungen zu verwenden.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was nun die Freunde angeht, kann ich nur sagen: denen muß man in der Not helfen. Dem Herrn Napoleon Duarte, dem Führer der christlichen Demokratie in San Salvador, dem hätten Sie helfen müssen, als er mutig die Landreform betrieben hat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei der FDP)

    Und dem hätten Sie helfen müssen, als er mutig den Kampf gegen die Radikalen von links und rechts betrieben hat.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber da haben Sie eben nicht geholfen. Deswegen ist das nichts wert, was Sie jetzt zu diesem Thema sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/ CSU)

    Die Fraktion begrüßt nachdrücklich und uneingeschränkt die Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Kohl und die Rechenschaft, die er über die ersten sieben Wochen der Außenpolitik der neuen Bundesregierung gegeben hat. Daß der Bundeskanzler Helmut Kohl in rascher Folge sechs westliche Hauptstädte besucht hat, das war alles andere als ein Zufall. Es war vielmehr eine demonstrative Bestätigung für die erklärte Absicht dieser Bundesregierung, die feste Verankerung unseres Landes in der westlichen Gemeinschaft zu einem tragenden Fundament unserer Außenpolitik zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Gespräche haben gezeigt, daß wir gute Freunde in der Welt haben und daß sie auch wissen, daß sie sich auf unsere Freundschaft verlassen können. Gemeinsame Wertvorstellungen, gleichberechtigte Partnerschaft, gegenseitiges Vertrauen, das sind die prägenden Merkmale dieser Freundschaft.
    Natürlich gibt es auch unter Freunden gelegentlich unterschiedliche Interessen, abweichende Meinungen. Das ist normal. Aber das kann am besten dann geregelt werden, wenn das Grundverhältnis stimmt. Dann lassen sich alle derartigen Probleme in einer guten Atmosphäre ohne eine Belastung der Beziehungen regeln. Dann steht eben nicht — wie vielfach in den vergangenen Jahren bei Ihnen —
    das Trennende, sondern das Verbindende im Vordergrund.
    Wir haben uns auch schon als Fraktion zu dem Ergebnis dieser Reisen geäußert. Ich unterstreiche das und spreche gerade hier Bundeskanzler Helmut Kohl für diesen großen Erfolg seiner Außenpolitik unseren besonderen Dank aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn ein Erfolg unserer Politik war es ohne Zweifel, daß bei dem USA-Besuch eine Festigung des Atlantischen Bündnisses, eine Stärkung der deutsch-amerikanischen Freundschaft und auch eine Unterstützung der deutschen Interessen erreicht werden konnten. Dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister ist es gelungen, eine schädliche Periode der Irritationen, der Mißverständnisse und der Spannungen im deutschamerikanischen Verhältnis endlich zu beenden. Seinem persönlichen Einsatz ist es zu verdanken, daß der für uns alle so wichtige Grundkonsens wieder sichtbar geworden ist, die Tatsache nämlich, daß wir nicht in einem bloßen Zweckbündnis leben, sondern daß es tiefgebende Übereinstimmungen in allen wesentlichen Fragen der Politik gibt.
    Wir begrüßen es als einen wichtigen politischen Erfolg, daß durch diesen Besuch in den Vereinigten Staaten der enge Schulterschluß zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland wiederhergestellt worden ist. Denn hierdurch wird gleichzeitig ein Eckpfeiler des Nordatlantischen Bündnisses gefestigt. Das ist auch für die internationale Lage im Ost-West-Verhältnis wichtig, weil es die internationalen Beziehungen berechenbarer macht. Insofern ist es auch ein Stück Stabilisierung der internationalen Politik.
    Dies gilt besonders für die Abrüstungsfrage und für unser Verhältnis zur Sowjetunion und zu den Verbündeten. Der Zufall hat Regie geführt, daß zur gleichen Zeit, als Bundeskanzler Kohl sich mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten traf, unser Bundespräsident und unser Außenminister mit dem neuen sowjetischen Generalsekretär Andropow und auch mit Erich Honecker Gespräche in Moskau führten. Aber dieser Zufall hat, wie ich meine, dennoch seine symbolische Bedeutung. Er illustrierte schlaglichtartig die politische Position der Bundesrepublik Deutschland im Ost-West-Verhältnis.
    Diese wird gekennzeichnet einerseits durch eine feste und verläßliche Freundschaft mit den Partnern des westlichen Bündnisses, besonders mit den USA, andererseits durch die Bereitschaft zum Gespräch sowie zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und der DDR wie auch mit den übrigen Nachbarstaaten im Osten. Unsere feste Verankerung im Westen schafft überhaupt erst den Handlungsspielraum für eine aktive Politik gegenüber dem Osten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nur wenn jedermann weiß, wo wir stehen, sind wir
    ein berechenbarer politischer Faktor, vermeiden
    wir Mißtrauen im Westen und falsche Hoffnungen



    Rühe
    im Osten. Den notwendigen Handlungsspielraum auch in der Ostpolitik gewinnen wir eben nicht dadurch, daß wir unsere Westbindungen lockern. Die Bundesrepublik Deutschland eignet sich aus vielerlei Gründen nicht zum Wanderer zwischen den Welten in West und Ost.
    Wenn wir also mit aller Aufrichtigkeit erklären, daß wir möglichst gute Beziehungen zur Sowjetunion anstreben, dann vergessen wir darüber keine Sekunde die prinzipielle politische Gegnerschaft, die zwischen uns und der Sowjetunion herrscht. Soweit es an uns liegt, darf daraus kein Feindschaftsverhältnis erwachsen. Wir wollen keinen kalten Krieg und schon gar keinen heißen. Aber niemand im Kreml sollte die Illusion haben, man könne diese Bundesrepublik Deutschland mit Drohungen oder Verlockungen aus der westlichen Staatengemeinschaft herausbrechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sosehr wir die Freundschaft zum russischen Volk bejahen, so sehr verweigern wir uns jeder Anbiederung gegenüber einem politischen System, das sich vorgenommen hat, unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung zu beseitigen. Wir werden keine Verwischung der politischen und ideologischen Gegensätze zulassen. Wir werden auch unangenehme Tatsachen beim Namen nennen, und wir werden immer deutlich sagen, wo wir stehen, so daß die Sowjetunion wissen kann, woran sie mit uns ist.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Erwartungen an die Adresse der neuen sowjetischen Führung formulieren. Für die CDU/CSU ist eine Politik der Berechenbarkeit, der Verständigung, des fairen Interessenausgleichs und der friedlichen Konfliktregelung in den deutsch-sowjetischen Beziehungen ein Faktor der Stabilität in ganz Europa. Die CDU/CSU wünscht, daß die neue sowjetische Führung an einem gründlichen Dialog mit der neuen Bundesregierung, aber auch mit den sie tragenden Parteien interessiert ist, um die jeweiligen Grundpositionen und Interessenlagen besser kennenzulernen. Auch wir streben mit der Sowjetunion Kooperation auf möglichst vielen Gebieten an. Wir erwarten allerdings, daß die sowjetische Führung dabei unsere feste Bündnistreue und unsere enge Freundschaft mit den Vereinigten Staaten respektiert und jeden Versuch unterläßt, einen Keil zwischen uns und unsere westlichen Partner zu treiben. Ein solcher Versuch würde nicht nur Fortschritte im deutsch-sowjetischen Verhältnis verhindern, sondern auch schon Erreichtes in Frage stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir unterstreichen auch, daß in den deutsch-sowjetischen Beziehungen die ungelöste deutsche Frage und ihre praktischen Auswirkungen eine gewichtige Rolle spielen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir bestehen nach wie vor auf der Gewährung des Selbstbestimmungsrechtes für das ganze deutsche Volk.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir machen darauf aufmerksam, daß es wirkliche Entspannung und einen gesicherten Frieden in Europa erst dann geben kann, wenn die Teilung Deutschlands gemäß dem Wunsch der Deutschen überwunden wird. Wir weisen nachdrücklich darauf hin, daß die Entwicklung wirklich gutnachbarlicher Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutschland schon jetzt zu einer deutlichen Verminderung von Spannungen führen würde. Daran müßten alle Seiten interessiert sein. Wir bitten daher die Sowjetunion, ihren Einfluß gegenüber der DDR in diesem Sinne geltend zu machen.
    Wir erinnern die Sowjetunion auch nachdrücklich an ihre Verantwortung für Berlin. Die UdSSR ist Vertragspartner des Viermächteabkommens über Berlin, das seiner klaren Zielsetzung nach nicht zum Austragen unterschiedlicher Rechtsauffassungen gedacht ist, sondern die Situation Berlins in der Praxis verbessern soll. Diese positive Zielsetzung sollte nicht durch den ständigen Versuch einer Seite unterlaufen werden, West-Berlin von seinen Bindungen an den Westen abzukoppeln.
    Die CDU/CSU hofft auch, daß die Sowjetunion Einsicht in die Sicherheitsinteressen Westeuropas beweist und nicht ausschließlich auf die USA fixiert bleibt. Schließlich bedrohen die SS-20-Mittelstrekkenraketen Westeuropa. Nichts anderes gilt für die weit überlegenen konventionellen Streitkräfte der Sowjetunion, insbesondere die Panzerwaffe. Wir erwarten, daß die Sowjetunion künftig eine größere Bereitschaft zum Abbau ihrer für Westeuropa bedrohlichen Überrüstung zeigt. Dieses sollte im Rahmen der Verhandlungen in Genf und in Wien möglich sein. Wir erwarten, daß die Sowjetunion auf der KSZE-Nachfolgekonferenz, also der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa positive Zeichen setzt, d. h. praktische Schritte im Sinne der KSZE-Schlußakte unternimmt. Dieses würde dann auch dazu beitragen, die Chancen für das Projekt einer Konferenz über Abrüstung in Europa zu erhöhen.
    Mir scheint, daß gerade auch der Führungswechsel im Kreml eine Chance bietet, im deutsch-sowjetischen Verhältnis voranzukommen. Ich weiß, daß manche im Westen jetzt vielleicht eher zur Zurückhaltung raten, weil das Gewicht, der Kurs und die Amtsdauer der neuen sowjetischen Führung noch unbekannte Größen sind. Ich bin aber der Meinung, daß wir uns jetzt nicht abwartend, sondern aufgeschlossen gegenüber der neuen Regierung in Moskau verhalten sollten, und zwar vor allem aus zwei Gründen. Zum einen stehen jetzt wichtige politische Entscheidungen an, bei denen die Sowjetunion eine maßgebliche Rolle spielt, z. B. bei den Genfer INF-Verhandlungen, in Madrid und nicht zuletzt auch in Polen. Alles, was der Westen zur Entscheidungswilligkeit der Sowjetunion beitragen kann, sollte er auch tun. Zum anderen bietet sich für die neue sowjetische Führung ganz generell, wie ich meine, eine historische Chance, die politische Erstarrung, von der die Breschnew-Ära in ihrer Spätphase gekennzeichnet war, zu überwinden. Es liegt auch im Interesse des Westens, eine größere politische Beweglichkeit der Sowjetunion zu fördern, um



    Rühe
    damit das Ost-West-Verhältnis insgesamt zu entkrampfen.


Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Voigt?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Gern.