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ID0911409800

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    Plenarprotokoll 9/114 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 114. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6977 A Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6992 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksache 9/1920 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1982 bis 1986 — Drucksache 9/1921 — Dr. Dregger CDU/CSU 6979 D Löffler SPD 6985 D Cronenberg FDP 6992 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 6996 D Dr. Waigel CDU/CSU 7003 D Roth SPD 7010 D Dr. Haussmann FDP 7016A Müller (Remscheid) CDU/CSU 7019C Dr. Mitzscherling SPD 7023A Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 7027 A Westphal, Bundesminister BMA . . . 7031 C Rühe CDU/CSU 7036 B Voigt (Frankfurt) SPD 7041 C Möllemann FDP 7046 D Dr. Wörner CDU/CSU • 7051 C Genscher, Bundesminister AA 7057 D Dr. Ehmke SPD 7059 A Fragestunde — Drucksache 9/1968 vom 10. September 1982 — Übernahme des Document Center in deutsche Verwaltung MdlAnfr 2, 3 10.09.82 Drs 09/1968 Hansen fraktionslos Antw StMin Frau Dr. Hamm-BrücherAA 6977 B, C, D ZusFr Hansen fraktionslos 6977 B,C,D Schikanen gegen ausreisewillige Deutsche in Polen seit Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 MdlAnfr 4 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . . . 6978 A, B, C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6978 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6978 C Ausstattung amerikanischer Universitätsbibliotheken mit Literatur zur Wiedervereinigung Deutschlands MdlAnfr 5 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6979 A, B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6979A, B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6979C Nächste Sitzung 7060 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7061* A Anlage 2 Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau durch die polnische Fluggesellschaft LOT MdlAnfr 45 10.09.82 Drs 09/1968 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* B Anlage 3 Aufpreis für Zeitkarteninhaber bei Benutzung von Bahnbussen MdlAnfr 46 10.09.82 Drs 09/1968 Herberholz SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* C Anlage 4 Aufrechterhaltung der Bundesbahnstrecke Bad Lauterberg/Odertal-Scharzfeld im Südharz MdlAnfr 47 10.09.82 Drs 09/1968 Frau Benedix-Engler CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 6977 114. Sitzung Bonn, den 16. September 1982 Beginn: 8.30 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 7061* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 17.9. Dr. Diederich (Berlin) *** 17.9. Feinendegen 16.9. Frau Fischer*** 17.9. Gobrecht*** 17.9. Handlos 17.9. Hauck 17.9. Dr. Hennig*** 17.9. Dr. Holtz*** 17.9. Hoppe 17.9. Dr. Hüsch 16.9. Klein (München) *** 17.9. Dr. Köhler (Wolfsburg) *** 17.9. Dr. Kreile 16.9. Lampersbach 17.9. Lenzer** 17.9. Frau Dr. Lepsius*** 17. 9. Lintner*** 17.9. Müller (Bayreuth) 17.9. Schröder (Wilhelminenhof) 16.9. Schulte (Unna) 17.9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim** 17.9. Dr. Soell*** 17.9. Dr. Stercken*** 17.9. Topmann** 17.9. Dr. Wendig 17.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an der 69. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 45): Sind der Bundesregierung Schwierigkeiten der polnischen Fluggesellschaft LOT bei ihrer beabsichtigten Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau bekannt, und könnten diese Schwierigkeiten u. a. auf das in der Volksrepublik Polen geltende Kriegsrecht zurückzuführen sein? Der Bundesregierung liegt bisher kein Antrag der polnischen Fluggesellschaft LOT auf Wiedereinrichtung der Fluglinie Warschau-Köln/Bonn vor. Ein solches Vorhaben würde ausschließlich unter dem in den vertraglichen Abmachungen mit Polen festgelegten Gesichtspunkt der Wechselseitigkeit geprüft Anlagen zum Stenographischen Bericht werden. Die gegenwärtige politische Situation in Polen hat hierauf keine Auswirkungen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Herberholz (SPD) (Drucksache 9/1968 Frage 46): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Zeitkartenbenutzer der Deutschen Bundesbahn auf Strecken, auf denen Triebwagen aus Kostengründen eingestellt wurden, bei Benutzung des bereitgestellten Busses jeweils einen Aufpreis zu zahlen haben? Die Fahrpreise der Deutschen Bundesbahn sind im Schienen- und Bahnbusverkehr innerhalb der bei beiden Geschäftszweigen einheitlich gebildeten Entfernungszonen grundsätzlich gleich. Legt der Bus jedoch eine längere Entfernung zurück als das Schienenfahrzeug, können Preisunterschiede auftreten. Diese Preisunterschiede sind jedoch keine Aufpreise. Das Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bundesbahn (DB) gestaltet sein Preis- und Leistungsangebot, und damit auch seine Tarife, im Schienen- wie Bahnbusverkehr grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich. Dementsprechend prüft die DB von sich aus bereits, inwieweit bestehende Preisunterschiede im Schienen- und Bahnbusverkehr bei Beförderungen über die gleiche Strecke und unterschiedliche Entfernungen etwa durch Angleichung der Tarifentfernungszonen bereinigt werden können. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage der Abgeordneten Frau Benedix-Engler (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 47): Sieht die Bundesregierung, daß ein Zusammenhang zwischen dem abnehmenden Reiseaufkommen der Deutschen Bundesbahn und dem sich ständig verschlechternden Angebot in den Nebenstrecken besteht, und ist sie bereit, in diesem Zusammenhang auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß der an sich schon schlechte Verkehrszugang im Südharz-Bereich, der die Benachteiligung dieses Raums ständig erhöht, nicht noch durch weitere Streckenstillegungen (Bad Lauterberg/Odertal und Scharzfeld—Bad Lauterberg) belastet wird. Nein, die Bundesregierung sieht den in Ihrer Frage unterstellten Zusammenhang nicht. Im Gegenteil: Das Angebot der Deutschen Bundesbahn orientiert sich stets an der Nachfrage. So gehört die Teilstrecke Bad Lauterbach-Odertal mit 194 Reisenden im werktäglichen Durchschnitt (beide Richtungen zusammen) zu den schwächst ausgelasteten Reisezugstrecken der Deutschen Bundesbahn. We- 7062* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 gen anstehender Investitionen hat die Deutsche Bundesbahn das Verfahren zur Stillegung der vorgenannten Teilstrecke eingeleitet. Ein Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn mit prüffähigen Unterlagen liegt dem Bundesminister für Verkehr noch nicht vor. Wegen der Lage der Strecke im Zonenrandgebiet wird das Kabinett entscheiden. Der Abschnitt Scharzfeld-Bad Lauterberg soll vorerst sowohl im Reise- als auch im Güterverkehr beibehalten werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinz Westphal


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Erstens ist Ihr Datum falsch, zweitens habe ich das in Erinnerung, drittens ist der Innenminister verantwortlich

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    — ja, sicher; gut, sagen wir: federführend —, und der Arbeitsminister hat seinen Senf dazugegeben; selbstverständlich hat er etwas gesagt. Der Arbeitsminister wird nämlich z. B. darauf hinweisen müssen, daß es ein ganz grober Fehler sein könnte, einen solchen Weg zu gehen. Er hat das längst getan, und zwar öffentlich, und keine Minute geschwiegen. Aber was ich Ihnen hier zu sagen habe, ist, daß Ihr
    Fraktionsvorsitzender dieses Thema von diesem Pult aus hier aufgegriffen hat.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Wir werden das prüfen! Genau wie Sie! Nicht anders! — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Es wird immer schwächer! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Also gut, wir nehmen zur Kenntnis: Die Union hat solche schlechten Absichten nicht.

    (Zuruf von der SPD: Wer glaubt denn der Union?)

    Wollen wir es notieren?
    Meine Damen und Herren, ich nehme ein anderes Beispiel, das des Schüler-BAföG. Darüber stand auch etwas in der „Augsburger Allgemeinen". Das war von der Mehrheit der Ministerpräsidenten über den Bundesrat auch angedeutet worden. Was ist denn auf diesem Gebiet vor sich gegangen? Was ist das für ein Vorgang, daß es gelungen ist, in unserer Öffentlichkeit die Vorstellung weit zu verbreiten, Schüler-BAföG sei so etwas wie die Mopedprämie für Gymnasiasten? Was ist das für eine Denkhaltung?

    (Beifall bei der SPD)

    Da legen sich Arbeitnehmereltern krumm, um es ihren Jungen oder Mädchen zu ermöglichen, eine weiterführende Schule zu besuchen. Es sind die Bezieher kleiner Einkommen, die auf diesem Wege eine Hilfe erhalten. Kein einziger BAföG-Satz führt dazu, daß jemand, der zu den Besserverdienenden dieses Landes gehört, davon etwas abbekommt, es sei denn, er schreibt seine Steuer herunter.

    (Franke [CDU/CSU] und Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Meinen Sie Lambsdorff? — Dr. Wörner [CDU/CSU]: Mit wem setzen Sie sich eigentlich auseinander? Mit Lambsdorff oder mit uns? — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Sie sollten erst mit Ihrer eigenen Regierung ins reine kommen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Mit der CDU/CSU und ihren Vorstellungen. Die Debatte mit Graf Lambsdorff, der jetzt im Augenblick nicht mehr zuhört, führen wir zu einem anderen Zeitpunkt. Jetzt reden wir über den Haushalt 1983. Wenn er gut zugehört hat, wird er meine Kritik ja mitgekriegt haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Na und? Wenn ein Bundesminister dem Bundeskanzler auf dessen Bitte hin seine Auffassung vorträgt und er dabei erläutert, wo er etwas verändern will, dabei aber Bereiche nennt, für die er nicht zuständig ist, dann darf auch ich meine Meinung an irgendeiner Stelle dazu sagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber heute setze ich mich mit Ihnen auseinander;
    denn das kommt j a alles von Ihnen. Ich weiß, was



    Bundesminister Westphal
    wir zu erwarten haben, was der Arbeitnehmer zu erwarten hat,

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Sie wissen doch, daß das alles nicht stimmt, was Sie da sagen!)

    wenn dieses Land konservativ regiert würde, und zwar — das kann ich hinzufügen — ganz gleich, ob die FDP dabei ist oder nicht.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Warten Sie einmal ab! Der Arbeiter denkt anders als Sie! Die Arbeiter laufen uns zu, Herr Westphal, Sie haben es nur noch nicht bemerkt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Herr Müller, ich bin noch bei Ihnen. Sie haben gesagt — das war der Grund meiner Intervention —, man müsse einen neuen Anfang machen. Nun habe ich gelauert, was denn da wohl kommt. Was kam? Sie haben gesagt, die Mißbrauchsbekämpfung müßte intensiviert werden; das war wohl der einzige Gedanke. Nun stehen Sie einem Mann gegenüber, der daran beteiligt ist — genau wie meine Fraktion und die Liberalen —, daß auf diesem Gebiet eine ganze Menge getan worden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir hätten vielleicht zu fragen, ob Sie immer mitgestimmt haben, als wir das hier zur Entscheidung gestellt haben. Aber in dieser Hinsicht kann man ja nun wirklich sagen, daß entscheidende Eingriffe geschehen sind. Ich habe mich gefreut, Herr Müller — ich muß j a auch etwas Positives zu Ihnen sagen —, daß sie deutlich gemacht haben, daß wir besser aufpassen sollten, den Splitter im Auge des Arbeitnehmers nicht überzubewerten und den Balken im Auge des Steuersünders nicht zu übersehen. Da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung. Ich freue mich, wenn Sie uns gegenüber der Mehrheit des Bundesrates helfen, wenn dort am 8. Oktober das erste Mal über unsere Gesetze geredet wird. In diesen Gesetzen geht es z. B. um die Kappung des Ehegattensplittings und auch um die Frage, wie man es mit dem Betriebs-Pkw hält, wenn er privat genutzt wird. Das sind zwei konkrete Beispiele; die Gesetze enthalten noch viele weitere Beispiele dieser Art, an denen Sie zeigen können, daß das mit dem Balken anders ist.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wenn einer gesetzliche Ansprüche — wie beim Ehegattensplitting — geltend macht, ist das doch kein Steuersünder! Was reden Sie denn da?)

    — Er ist kein Steuersünder, wenn er die Gestaltungsmöglichkeiten nutzt. Aber Herr Müller vertritt, so hoffe ich, mit mir zusammen Arbeitnehmer, und die haben gläserne Taschen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann kann doch derjenige, der von Steuern etwas versteht, seinen Grips eigentlich nur darauf verwenden, die Umgehungsmöglichkeiten, die rechtlich gegeben sind, abzubauen und zu stoppen,

    (Beifall bei der SPD)

    nicht aber stolz darauf zu verweisen, so wie es Herr Kreile hier vor ein paar Tagen getan hat, daß einer, der 100 000 DM Einkommen hat, seine Frau bloß 5 000 DM verdienen zu lassen brauche, und schon habe er es geschafft. Ich habe dazwischengerufen — das darf man von der Regierungsbank eigentlich nicht —: Der schickt seine Frau putzen! — 95 000 DM Einkommen, und dann schickt er seine Frau putzen. So ungefähr stelle ich mir die Geisteshaltung bei demjenigen vor, der das Ehegattensplitting mit seinen Vorteilen nun auch noch für sich in Anspruch nehmen will, obwohl er wirklich zu den Reichen dieses Landes gehört.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Das ist ja Klassenkampf! — Letztes Jahrhundert!)

    Ich muß noch einen Gedanken hier einführen, bevor ich zum Schluß komme. Herr Müller, Sie haben mit guten Gründen auf die Äußerungen meines Kollegen Eugen Glombig hingewiesen, in denen es um die Lösung und die Vorbereitung der Lösung von Langzeitproblemen geht. Ich bin dankbar dafür, daß Sie dieses Stichwort angesprochen haben. Es ist nicht Inhalt unserer Debatte, jetzt Einzelheiten dazu darzulegen; Sie haben die Einzelheiten auch nicht angesprochen. Wichtig bei dieser Frage ist aber, vielleicht einmal den Blick darauf zu richten, daß es Eugen Glombig war, der auf dem SPD-Parteitag in München, über den eine ganze Menge anderes und, was Steuerfragen angeht, nicht Zutreffendes geredet oder kommentiert worden ist, einen wohlüberlegten und mit anderen abgesprochenen Diskussionsbeitrag zu dieser Frage vorgetragen hat: Die sozialdemokratischen Sozialpolitiker wissen um die Problematik, was uns an Langzeitaufgaben gestellt ist, gerade dann, wenn es um unsere Alterssicherungssysteme geht; ich spreche, wie Sie ebenfalls in der Mehrzahl. Wenn wir vor der Tatsache stehen, daß wir auch dann, wenn wir wieder Wirtschaftswachstum haben, nicht wieder auf Dauer ein Wirtschaftswachstum in der Größenordnung wie in den vergangenen Jahren haben werden, und wenn wir eine Bevölkerungsentwicklung haben, die die Zahl der Älteren gegenüber der Zahl derjenigen, die aktiv im Arbeitsleben stehen, nach oben hin verändert, dann wissen wir, daß wir — bezogen auf unsere Alterssicherungssysteme, aber auch auf Sonstiges, etwa auf unsere Arbeitskräfteeinteilung in diesem Lande — genau die Probleme betrachten und dazu Langzeitvorschläge machen müssen. Dies ist abgehoben von unseren gegenwärtigen Problemen.
    Ich fühle mich dafür mitverantwortlich und bin dankbar, daß Sie daran erinnert haben, daß es dabei nicht nur um die Rentenversicherung geht, sondern auch um andere Fragen, z. B. um die Beamtenversorgung. Diese Regierung, der ich angehöre, hat entsprechend der Regierungserklärung von 1980 eine Kommission eingesetzt, die sich mit der Harmonisierung der Alterssicherungssysteme befaßt. Dieser Kommission gehören Politiker, Wissenschaftler und Fachleute aller Art an. Auch aus Ihren Reihen sitzt jemand darin. Wir erwarten zum Mai des kommenden Jahres die Ergebnisse dieser Kommission. Dies wird für uns eine Unterlage gewichtiger Art auf diesem Gebiet sein. Sie wird auch gerade für denjeni-



    Bundesminister Westphal
    gen, der dort Verantwortung trägt, mit Unterlage für seine Beratungen, Überlegungen und Vorschläge sein. Sie können davon ausgehen, daß dies eine der wichtigen Fragen für uns ist.
    Letzter Punkt, Herr Müller. Sie haben behauptet, so wie bisher gehe es nicht weiter; hier sei Schluß mit der Sozialpolitik. Das Gegenteil dessen möchte ich Ihnen hier an Hand von ein paar Stichworten deutlich machen. Ich habe gesagt — das will ich hier auch gern mit Beispielen unterstreichen —: Die Sozialpolitik geht auch in schwieriger Zeit weiter. Die Stichworte, die ich Ihnen nennen will, sind die Weiterentwicklung des Sozialgesetzbuchs, das von uns vorbereitete und in Kürze in das Abstimmungsverfahren gehende Arbeitsschutzgesetz, die neue Pflegesatzverordnung für die Krankenhäuser, die Novellierung des Schwerbehindertengesetzes und der Rehabilitationsgesetze, die damit zusammengefaßt werden sollen, und — das ist das Stichwort, mit dem ich enden möchte — das auch aus der Sicht des Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikers entscheidende Bemühen um Überwindung von Arbeitslosigkeit. Sicherlich ist das zuerst eine Aufgabe von Investitionen; dies ist der größte Teil. Niemand von uns widerspricht, wenn hier gesagt und gemeinsam festgestellt wurde: Jawohl, der größere Teil muß in private Investitionen gehen — obwohl man bei der staatlichen Förderung besser zählen kann, was an Arbeitnehmern herauskommt, die Arbeitsplätze gefunden haben, wenn man öffentliche Investitionen macht. Trotzdem bleibt es richtig, so wie es hier gesagt worden ist. Aber da gehört dann für die Zukunft auch der zweite Teil dazu. Dann gehört die Frage dazu, ob die Lebensarbeitszeit so lang sein soll, wie sie heute ist, ob es Wege gibt, die den Arbeitsmarkt und das Potential dort entlasten, um die Arbeit besser verteilen zu können, wenn das Wirtschaftswachstum nicht ausreicht, um die Vollbeschäftigung herbeizuführen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Sie sehen, dies ist also nicht etwa ein Aufhören, sondern es ist ein Ansetzen im Sinne des Korrigierend und des Versuchs, es auf eine sozial ausgewogene Weise zustande zu bringen — da könnten wir besser sein —, und mit der Absicht, dabei die Mittel freizuschaufeln, die wir brauchen, um sie einzusetzen, damit durch unsere Förderungsmaßnahmen Arbeitsplätze entstehen können.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Rühe.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Kein Minister mehr? — Dr. Wörner [CDU/CSU]: Ein kommender Minister!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Doppelrede von zwei Ministern der Bundesregierung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Einmal scheint die Bundesregierung nicht mehr in der Lage zu sein, mit einer Stimme zu sprechen,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    sondern muß hier gleich mehrfach antreten. Aber da habe ich doch eine herzliche Bitte. Ich will mich nicht grundlegend über die Eignung von dem Herrn Westphal äußern. Aber als Schlußredner, der sachkundig und korrekt eine Debatte abschließt, ist er nun wirklich nicht geeignet. Denn wenn Sie am Ende einer Debatte so sprechen, wie Sie das gemacht haben, müßte die Debatte fast unbegrenzt fortgeführt werden.
    Herr Westphal, BAföG, Beitrag fürs Moped, das ist eine Bemerkung von dem Generalsekretär der FDP. Aber wir wollen, daß Ausbildungsförderung bei Schülern und Studenten für diejenigen geleistet wird, die sozial bedürftig und leistungsbereit sind, beides zusammen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gehen Sie mal in einen Betrieb, sprechen Sie mal mit Arbeitern!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das tut er doch nicht!)

    Man braucht die Lohnsteuer von acht Arbeitnehmern, um die Mittel für einen Studienplatz zu finanzieren. Da vertreten Sie mal Ihre Bildungspolitik, die heißt: Ausbildungsförderung ohne den entsprechenden Nachweis der Leistung, dann werden Sie ganz schön untergehen bei den Debatten dort, und das mit Recht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu den Karenztagen ist hier das Nötige gesagt worden. Wenn es einen Kabinettsbeschluß gibt, den Sie ja auch kennen müßten, daß man das prüfen sollte, dann werden Sie doch wohl uns verzeihen, daß auch wir das prüfen, und dann sollten Sie davon Abstand nehmen, hier irgendwelche Verdächtigungen auszusprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Sie haben sich über mehrere Minuten hinweg fast daran berauscht, Sozialgesetze aufzuzählen, von denen wir die wichtigsten mitgeschaffen haben,

    (Zuruf von der SPD: Ach nein?)

    und verkennen dabei die reale Lage der Arbeitnehmer. Es muß doch darum gehen, politische Bedingungen zu schaffen, die die Anwendung dieser Gesetze überflüssig machen, daß sie nicht in dem Maße auf diese Sozialgesetze angewiesen sind, wie das im Augenblick der Fall ist auf Grund der Arbeitslosigkeit, die die Folge Ihrer Politik ist. Diesen Problemen sollten Sie sich zuwenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich wollte mich als Parlamentarier — ich freue mich, daß die nach den Sprechern der Bundesregierung auch einmal wieder zu Wort kommen — eigent-



    Rühe
    lich den Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik zuwenden.

    (Zuruf von der SPD: Dann tun Sie es!) — Ich tue es, zu Befehl.


    (Heiterkeit)

    Der Bundesaußenminister hat in seiner Rede in der letzten Woche zum Bericht über die Lage der Nation völlig zu Recht gesagt, daß im freien Teil Deutschlands die Fragen der Sicherung des Friedens besonders intensiv diskutiert würden und daß auf Grund der geschichtlichen Erfahrung unseres Volkes eine besondere Empfindlichkeit für alle diese Fragen, die mit dem Frieden zusammenhängen, gegeben sei. Mit der Feststellung des Bundesaußenministers, die deutsche Außenpolitik sei vom Tage der Gründung der Bundesrepublik an immer Friedenspolitik gewesen, sollte endlich mit dem Versuch Schluß gemacht werden, dem innenpolitischen Gegner den Willen oder die Fähigkeit zum Frieden zu bestreiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Westintegration unseres Landes ist in der Tat die Grundlage jeder Friedenspolitik. Sie hat uns Frieden und Freiheit im Bündnis mit den westlichen Demokratien gesichert.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Beides!)

    Sicherheitspolitik und Bündnispolitik waren von Anfang an Friedenspolitik. Abrüstung und Rüstungskontrolle waren vom Beginn der Bundesrepublik an Bestandteile unserer Außen- und Sicherheitspolitik.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Bereits 1954 hat die damalige Bundesregierung auf die Herstellung von A-, B- und C-Waffen verzichtet und ihre Bereitschaft zu internationalen Kontrollen erklärt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch auf den Besitz!)

    Meine Damen und Herren, das war 14 Jahre vor der Unterzeichnung des Nichtverbreitungsvertrages und 18 Jahre vor dem internationalen Abkommen über die biologischen Waffen.
    Ebenfalls 1954 hat die Bundesregierung die Prinzipien der UN-Charta für sich für verbindlich erklärt. Das war 19 Jahre vor unserem Beitritt zu den Vereinten Nationen.
    Bereits 1966 hat die damalige Bundesregierung vertrauensbildende Maßnahmen vorgeschlagen, wie sie dann später teilweise in Helsinki verwirklicht worden sind und wie sie heute noch in allen wichtigen Rüstungskontrollverhandlungen auf dem Verhandlungstisch liegen.
    Von der Bundesrepublik Deutschland ist zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für den Frieden ausgegangen. Wir drohen niemandem. Die Politik der aktiven Friedenssicherung, für die sich die CDU/CSU einsetzt, steht in dieser Tradition. Sie vertritt allerdings moralisch und geistig offensiv die Werte der Freiheit, der Menschenwürde, der sozialen Gerechtigkeit sowie der universalen Menschenrechte, darunter das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
    Zusammen mit unseren europäischen und atlantischen Partnern dürfen wir nicht müde werden, diese Werte und Grundüberzeugungen in die internationale Politik einzubringen. Deutsche Außenpolitik jedenfalls war immer und wird immer Friedenspolitik sein.
    Der Bundeskanzler hat am letzten Donnerstag richtigerweise die schlimme Behauptung des Fraktionsvorsitzenden der GAL in Hamburg, Herrn Ebermanns, die CDU und Teile der SPD kalkulierten den Krieg als Konsequenz ihrer Politik ein,

    (Zuruf von der SPD: Wie ist das denn mit der CSU?)

    zu Recht als kommunistische Agitation zurückgewiesen. Betroffen muß es allerdings machen, wenn der sozialdemokratische Bürgermeister von Hamburg, Herr von Dohnanyi, der Verhandlungspartner eben dieses Herrn, in den letzten Wochen immer wieder erklärt hat, man müsse mit der GAL und nicht mit der CDU verhandeln, u. a. weil die CDU in der Friedenspolitik um 180 Grad in die falsche Richtung marschiere.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Unerhört!)

    Meine Damen und Herren, da die CDU in den Fragen der Sicherheit und Abrüstung die im Atlantischen Bündnis gemeinsam erarbeiteten Positionen vertritt, muß man sich fragen: Welchen Kurs wollen denn eigentlich Herr Dohnanyi und die Sozialdemokraten ansteuern?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jedenfalls wird hier die schlechte Tradition fortgesetzt, dem politischen Gegner erst den Willen und später die Fähigkeit zum Frieden zu bestreiten. Wer dies sagt, sagt nicht nur die Unwahrheit, sondern dient vor allem nicht den Interessen unseres Landes.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Der treibt Brunnenvergiftung!)

    Die Schicksalsfrage unserer Außen- und Sicherheitspolitik in den nächsten Jahren lautet, ob es uns auch im kommenden Jahrzehnt gelingt, die Gefahr eines Krieges, und zwar eines nuklearen wie eines konventionellen Krieges, zu bannen, ohne unsere Freiheit zu verspielen. CDU und CSU sind fest davon überzeugt, daß dies mit einer Politik der aktiven Friedenssicherung, wie wir sie planen, möglich ist. Wir verfolgen damit vier Ziele: Erstens das aktive Eintreten für die Freiheit und die Menschenrechte, zweitens Kriegsverhinderung durch Abschreckung sowie die Erhaltung unverminderter Sicherheit durch Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft, drittens das leidenschaftliche Bemühen um wechselseitige und kontrollierte Rüstungsbegrenzung und Abrüstung und viertens den schrittweisen Aufbau einer politischen Friedensordnung der Freiheit und des Rechts, der wechselseitigen Rücksichtnahme, des Interessenausgleichs, der



    Rühe
    friedlichen Konfliktregelung und der Zusammenarbeit auf der Grundlage der Gegenseitigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Entscheidend für die Erfolgsaussichten ist aber der Zusammenhalt des westlichen Bündnisses sowie die Unteilbarkeit der europäisch-amerikanischen Sicherheit. Für die CDU/CSU hat deswegen die Festigung der Sicherheitspartnerschaft mit unseren westlichen Verbündeten Vorrang. Nur so kann es uns gelingen, die Sowjetunion dazu zu bringen, ihre Politik des Gebrauchs militärischer Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele aufzugeben, den Rüstungswettlauf einzustellen und zu einem ausschließlich friedlichen Wettbewerb zwischen den Staaten in Ost und West überzugehen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wie steht es nun in diesen Tagen und Wochen um die Atlantische Gemeinschaft und insbesondere um die deutsch-amerikanische Freundschaft? Der Bundeskanzler, der sicherlich über einer Strategie für die koalitionspolitischen Entscheidungen für die nächsten Wochen brütet und deswegen hier verhindert ist, hat in seiner Rede in der letzten Woche darauf hingewiesen, daß Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Bündnisses nichts Neues seien, sondern etwas Normales und daß man nur darauf achten müsse, daß keine Dauerbelastung eintrete.
    Es hat sicher auch in der Vergangenheit Probleme im Bündnis gegeben. Doch, meine Damen und Herren, niemals zuvor war die Bereitschaft so gering, das Gemeinsame, das Verbindende in den Vordergrund zu stellen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr gut gesagt!)

    Der Wille zur Einigkeit wird jedenfalls nicht ausreichend deutlich. Das bewirkt ein schiefes Bild, das sich vor allen Dingen auch im Bewußtsein der Öffentlichkeit niederschlägt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Streit findet doch im wesentlichen auf der offenen Bühne statt, während man sich vielleicht noch hinter dem Vorhang in kleiner Besetzung der Gemeinsamkeit versichert. Das ist doch eine verkehrte Welt innerhalb der Atlantischen Gemeinschaft. Deswegen muß damit Schluß gemacht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das darf insbesondere auch deswegen nicht so weitergehen, weil sonst gerade in der nachwachsenden Generation politischer Schaden unvermeidlich ist. Es sollte auch im politischen Alltag immer klar werden, wer eigentlich der Verbündete und Freund und wer der politische Gegner ist. Es sollte klar bleiben, wer uns schützt und vor wem wir uns schützen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Besinnung auf das Gemeinsame in der Atlantischen Gemeinschaft darf sich jedenfalls nicht auf Festreden an NATO-Jubiläen beschränken. Wir Europäer, Amerikaner und Kanadier sitzen im selben
    Boot. Wir haben uns dieses Boot, das Rettungsboot, nicht zufällig gewählt, um gemeinsam Sicherheit zu finden. Wir haben uns dieses gemeinsame Boot bewußt ausgesucht; denn uns verbindet eben mehr als nur das nackte Überleben-Wollen. Deshalb sind die Stimmen für die Gemeinsamkeit unseres Bündnisses schädlich, die unsere Partner und Verbündeten auf eine moralische Ebene mit der Sowjetunion bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    So z. B. Willy Brandt im April 1980, wenige Monate nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan, als er von dem „giftigen Gestammel der Weltmächte" sprach. Der Aggressor, der gerade in Afghanistan eingefallen war, und unser Verbündeter, der sich bemühte, darüber nicht einfach international zur Tagesordnung überzugehen, wurden sprachlich auf dieselbe Anklagebank gesetzt.
    Auch das Wort von der „Sicherheitspartnerschaft" mit der Sowjetunion schafft nicht nur sprachliche Verwirrung, sondern signalisiert eine Art geistiger Neutralität,

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Sie verstehen das nur nicht! — Zuruf des Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU])

    indem es den Sicherheitsbegriff reduziert und unterschlägt, daß unser Ziel doch nur die Sicherheit in Freiheit sein kann, die wir nur in der Schicksalsgemeinschaft der westlichen Demokratien finden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In einem Artikel in der „Zeit" vom 28. Mai wird Egon Bahr unter der Überschrift „Das Denken ist seine Lust" mit folgender Ansicht zitiert: „In der NATO sieht Bahr keine Wertegemeinschaft. Die Allianz gilt ihm als Interessengemeinschaft." Meine Damen und Herren, diese Auffassung stößt auf unsere entschiedene Ablehnung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für uns ist die Atlantische Gemeinschaft in erster Linie eine Wertegemeinschaft. Sie ist eine Gemeinschaft, die Grundwerte und Menschenrechte achtet und verteidigt und sich zu Grundsätzen und Idealen bekennt. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich seit Konrad Adenauer mit dem westlichen Bündnis eben nicht für eine zufällige geographische Interessengemeinschaft entschieden, sondern für eine Wertegemeinschaft. Diese Entscheidung war und bleibt die außenpolitische Entsprechung unserer Entscheidung für Demokratie und Freiheit, für den Rechts- und Sozialstaat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr gut gesagt!)

    Die Gemeinschaft des Westens beruht auf einem Fundament gemeinsamer Werte und Grundüberzeugungen. Die CDU hat in ihrer Berliner Erklärung vom Mai dieses Jahres erneut auf diese wichtige Grundlage hingewiesen. Diese Grundlage müssen wir in den Vordergrund stellen, damit in der Öffentlichkeit die moralischen Fundamente unserer Bündnispolitik nicht verschüttet werden. Schädlich sind



    Rühe
    jedenfalls herabsetzende Äußerungen auch von führenden Sozialdemokraten über angeblich mangelnde Friedensfähigkeit der Vereinigten Staaten, ihre Unglaubwürdigkeit in Rüstungskontrollverhandlungen

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Das hat keiner gesagt!)

    — das hat keiner gesagt? dann lesen Sie einmal, was Ihre Kollegen gesagt haben — oder gar ihre angebliche Bereitschaft, einen Atomkrieg führen zu wollen. Diese Äußerungen, die inzwischen wie Unkraut wuchern, sind nicht nur Ausdruck aggressiver Ungerechtigkeit gegenüber den USA, sondern sie schaden den Interessen unseres Landes.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    CDU und CSU haben die deutschen Interessen vom Beginn der Bundesrepublik an entschieden und vor allem erfolgreich vertreten. Deshalb ist der Vorwurf des SPD-Bundesgeschäftsführers Glotz schlicht lächerlich, wir verträten eher amerikanische als deutsche Interessen. Darüber kann man zur Tagesordnung übergehen.

    (Zurufe von der SPD: Erdgas-Röhren-Geschäft!)

    Wir werden auch in Zukunft deutsche Interessen in der Außen- und Sicherheitspolitik mit Nachdruck vertreten. Aber wir sind uns eben auch bewußt, daß es in den Schicksalsfragen unseres Landes eine Gleichheit der Interessen mit den Amerikanern und keinen Gegensatz gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deutschlandpolitik, wirkliche Entspannungspolitik und gerade auch Ostpolitik sind nur auf der Basis einer engen und partnerschaftlichen deutschamerikanischen Zusammenarbeit denkbar.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu den sehr verdienstvollen Bemühungen von Frau Staatsminister Hamm-Brücher um eine Verbesserung der kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika machen. Sie ist ja die Koordinatorin dieser Beziehungen. Aber diese Arbeit darf keine Alibifunktion erhalten. Sie muß endlich unter dem richtigen politischen Vorzeichen zum Erfolg geführt werden. Wer sich einmal vor Augen hält, was alleine von sozialdemokratischer Seite in den letzten Wochen über unseren Bündnispartner USA gesagt worden ist, dem erscheint Frau Hamm-Brücher als jemand — sie möge mir das verzeihen —, den man mit einem Sherry-Glas voll Löschwasser losschickt, um Flächenbrände zu löschen, die inzwischen die anderen Kollegen aus der Regierung, die für die große Politik zuständig sind, ausgelöst haben. Damit muß Schluß sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte in einem zweiten Teil gern etwas sagen zu unserer Position zu den Fragen der Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik. Es ist richtig: Die Erfolge sind bisher gering. Aber wir müssen diese Fragen mit aller Energie weiterverfolgen. Sie gehören wesentlich mit zu einer verantwortlichen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Frage, die heute immer mehr Menschen — und nicht nur junge Menschen — bewegt: Wie stoppen wir den Rüstungswettlauf?, hat bei CDU und CSU einen ganz hohen Stellenwert.

    (Zurufe von der SPD: Na, na!)

    — Sie sind ja nicht einmal mehr in der Lage, ihrem politischen Gegner in der Auseinandersetzung das zu glauben, was er ganz offen und klar sagt. Ich meine, das ist doch die Voraussetzung für jegliche politische Hygiene in diesem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir lassen uns dabei von vier Grundsätzen leiten. Erstens. Abrüstung und Rüstungskontrolle sind im technisch-nuklearen Zeitalter unverzichtbare Gebote politischer Vernunft und Ethik. Sie liegen grundsätzlich im Interesse aller Beteiligten.
    Zweitens. Vorrangiges Friedensziel muß die Abrüstung bei unverminderter Sicherheit sein, d. h. eine Politik zielstrebiger Verhandlungen über eine ausgewogene und nachprüfbare Rüstungsminderung auf ein möglichst niedriges militärisches Niveau bei allen Beteiligten.
    Drittens. Entscheidend für die Friedenssicherung ist die Anerkennung begründeter Sicherheitsinteressen aller Beteiligten auf der Grundlage des Grundsatzes der Gleichberechtigung.

    (Zurufe von der SPD: Sicherheitspartnerschaft!)

    Viertens. Abrüstungserfolge würden Spielraum schaffen für den Kampf gegen Hunger und Armut in den sich entwickelnden Ländern dieser Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    — Sie können ruhig mitklatschen, meine Damen und Herren von der SPD, denn ich weiß, daß das auch Ihre Meinung ist.

    (Zuruf von der SPD: Richtig so!) Das gilt für uns,


    (Jungmann [SPD]: Das, was Sie uns erzählen, ist nicht neu!)

    für die Staaten des Westens, aber auch und besonders für die Sowjetunion und die anderen Staaten des Warschauer Paktes.

    (Weitere Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der CDU/CSU)

    Während z. B. die Sowjetunion — das sollte auch die junge Generation in unserem Lande wissen — 14 bis 15 % ihres Bruttosozialprodukts für Rüstung ausgibt, gab sie 1979 für Entwicklungshilfe nur 0,11 % ihres Bruttosozialprodukts aus.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    1979 haben die in der OECD zusammengeschlossenen westlichen Industrieländer insgesamt 22,4 Milliarden US-Dollar für Entwicklungshilfe ausgegeben. Bei den osteuropäischen Ländern, die im RGW zu-



    Rühe
    sammengeschlossen sind, waren es 1,85 Milliarden US-Dollar.

    (Jungmann [SPD]: Das alles steht im Bericht der Nord-Süd-Kommission! — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Aber es muß hier doch einmal gesagt werden!)

    Das ist nicht einmal ein Zehntel der Leistungen des Westens, und die gesamten Leistungen dieser kommunistischen Staaten machen nur etwas mehr als die Hälfte der Entwicklungshilfeleistung allein der Bundesrepublik Deutschland aus.
    In diesem Zusammenhang ein spezielles Wort an die DDR: Ich meine, auch die DDR sollte von uns ganz deutlich auf ihre Defizite in der Entwicklungshilfe hingewiesen werden. Mehr Brot für die Welt statt immer noch mehr Waffen und Soldaten, das wäre besser für das Ansehen der Deutschen in der Welt!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zustimmung bei Abgeordneten der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Deshalb ist Wischnewski nach Berlin gereist!)

    Wie brechen wir aus dem Teufelskreis von Vorrüstung und Nachrüstung aus? Die Verhandlungen über Mittelstreckenraketen in Genf haben hier eine Schlüsselfunktion. Der Verhandlungsvorschlag des Westens bedeutet einen neuen Ansatz der Rüstungskontrollpolitik. Er versucht eben gerade, die Automatik von Vorrüstung und Nachrüstung zu unterbrechen. Die Verhandlungen in Genf können, wenn sie zielstrebig und fest geführt werden, einen Fahrplan zur Abrüstung bedeuten.
    Carl-Friedrich von Weizsäcker hat in einer Rede in Tutzing im Februar dieses Jahres dazu folgendes erklärt:
    In den Jahren 82/83 halten die Genfer Unterhändler über die eurostrategischen Waffen einen Zipfel vom Schicksal der Welt in ihrer Hand. Trotz meiner Skepsis gegen Abrüstung halte ich in diesem Fall die wirkliche Abrüstung für möglich und für unerläßlich notwendig.
    Er hat auch die vom Westen vorgeschlagene Null-Lösung als die bei weitem sauberste und für die Völker Europas tröstlichste Lösung bezeichnet.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Der neue Rüstungskontrollansatz des Westens scheint allerdings bisher von der Sowjetunion nicht honoriert worden zu sein. Das wird auch nur dann glücken, wenn für die Sowjetunion die geplanten westlichen Raketen genauso real sind wie ihre eigenen bereits stationierten. Deshalb ist es für einen Abrüstungserfolg so wichtig, daß der politische Wille des Westens, notfalls nachzurüsten, nicht ins Zwielicht der Unentschlossenheit und Uneinigkeit gerückt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Sowjets dürfen nicht zu einer falschen Lagebeurteilung verführt werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Verhandlungspositionen dürfen nicht zerstört werden, ehe sie überhaupt nutzbar gemacht werden können. Alle diejenigen, die die westlichen Verhandlungspositionen in Frage stellen, laden die Verantwortung für ein mögliches Scheitern der Raketengespräche in Genf auf sich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Carl-Friedrich von Weizsäcker hat in seiner angesprochenen Rede zu Recht auch die Friedensbewegung in unserem Lande gebeten, bei der Wahl ihrer Strategie im Kampf gegen westliche Nachrüstung zu bedenken, daß durch ihr Verhalten die Abrüstungsbereitschaft der Sowjetunion eher vermindert als gestärkt werden könnte.
    Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat in seiner Rede auf dem Katholikentag und auch hier im Hause zu Recht auf die Chancen des Doppelbeschlusses für die Abrüstung hingewiesen. Ich habe allerdings die Sorge, daß dies in der Sowjetunion nicht richtig verstanden wird, solange es nicht von seinen eigenen Parteifreunden verstanden und öffentlich vertreten wird.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es! Das ist der Punkt!)

    Der Doppelbeschluß hat jedenfalls weit über seine militärische Bedeutung hinaus symbolische Bedeutsamkeit erlangt; er ist ein wichtiger Härtetest für die NATO und ihre Rüstungskontrollpolitik. Er wird aber auch zeigen, wie weit wir für unsere Sicherheit wichtige Entscheidungen, für die es deutliche parlamentarische Mehrheiten gibt, innenpolitisch durchsetzen können.

    (Vor sitz : Vizepräsident Frau Renger)

    Daß manche in unserem Lande sich heute durch westliche Raketen, die noch nicht stationiert sind, mehr bedroht fühlen als durch sowjetische, die heute schon aufgestellt sind, sollte uns nachdenklich machen. Es fragt sich, ob für manche die sowjetische Überlegenheit im Mittelstreckenbereich bereits psychologisch zum Status quo gehört und ob dadurch diejenigen, die das Gleichgewicht wiederherstellen wollen, zu Störenfrieden werden. Wir müssen j eden-falls aus den vergangenen Jahren lernen, wie es hierzu kommen konnte. Für unsere Öffentlichkeit ist es jedenfalls wichtig, zu wissen, daß mit der geplanten westlichen Nachrüstung, falls sie nicht durch Verhandlungserfolge überflüssig wird, keine Überlegenheit des Westens, nicht einmal numerische Parität, sondern nur ein ausreichendes Gegengewicht gegen entsprechende sowjetische Waffen geschaffen werden soll. Unser Ziel bleibt: Keine Raketen auf beiden Seiten!
    CDU und CSU unterstützen im übrigen nicht nur diese westliche Verhandlungsposition in Genf, sondern bei allen übrigen Rüstungskontrollverhandlungen, die zur Zeit stattfinden. Der Westen hat in der Tat dem Warschauer Pakt das breitest angelegte Abrüstungs- und Rüstungskontrollangebot der Nachkriegsgeschichte unterbreitet. Erstmals besteht die Chance auch zu einer echten Reduzierung von Raketen und Waffen. Mir erscheint es deshalb als eine Verzerrung der Wirklichkeit, wenn man, wie z. B. auch der Herr Bundeskanzler zweimal in seiner



    Rühe
    Rede in der letzten Woche, unterschiedslos an „die atomaren Mächte und die nuklearen Supermächte" appelliert, ihrer Verpflichtung zur Abrüstung nachzukommen. Solche neutralen Formulierungen stiften Verwirrung, denn sie spiegeln die unterschiedlichen tatsächlichen Abrüstungsangebote nicht wider. Sind solche Formulierungen Zufall, Gedankenlosigkeit oder der ganz persönliche Kompromiß des Bundeskanzlers mit dem sozialdemokratischen Zeitgeist?

    (Würzbach [CDU/CSU]: Ein fauler Kompromiß!)

    Sie können das vielleicht besser beantworten als ich.
    Wir jedenfalls halten bei den Rüstungskontrollverhandlungen folgende Prinzipien für wichtig:
    Erstens. Beide Seiten müssen in der Lage sein, die Einhaltung von Vereinbarungen zu verifizieren, damit diese funktionieren können. Wachsendes gegenseitiges Vertrauen in die Einhaltung der Abkommen kann nur durch größere Offenheit erreicht werden.
    Zweitens. Die Demokratien des Westens sind offene Gesellschaften. Informationen über unsere Verteidigung stehen unseren Bürgern — die Haushaltsberatungen leisten auch einen Beitrag dazu —, stehen der ganzen Welt zur Verfügung. Umfang und Art der Militärausgaben eines Landes sind aber wichtige Informationen als Maßstab seiner Absichten und der Bedrohung, die dieses Land für seine Nachbarn darstellen könnte. Die UdSSR tut alles, um ihre wirklichen Militärausgaben nicht nur vor uns und vor anderen Ländern, sondern auch vor ihrem eigenen Volk zu verheimlichen. Diese Praxis trägt zu Mißtrauen und Angst vor ihren Absichten bei. Wir unterstützen deshalb den Vorschlag der USA auf der UN-Sondergeneralversammlung, eine internationale Konferenz über Militärausgaben einzuberufen.
    Drittens. Es müssen Schritte unternommen werden, um das gegenseitige Vertrauen, die gegenseitige Kommunikation zu verbessern und die Möglichkeiten einer Fehleinschätzung zu verringern. Deshalb kommt vertrauensbildenden Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu.
    Meine Damen und Herren, CDU und CSU finden sich nicht ab mit einer hochgerüsteten Welt. „Frieden schaffen ohne Waffen", das ist ein nur allzu verständlicher Wunsch, aber leider auch eine gefährliche Illusion. „Frieden schaffen nur durch Waffen", das wäre eine tödliche Verblendung.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Richtig!)

    „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen", das ist unsere Politik, und das ist das Gebot der Stunde. — Schönen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU)