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ID0911409100

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    Plenarprotokoll 9/114 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 114. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6977 A Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6992 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksache 9/1920 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1982 bis 1986 — Drucksache 9/1921 — Dr. Dregger CDU/CSU 6979 D Löffler SPD 6985 D Cronenberg FDP 6992 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 6996 D Dr. Waigel CDU/CSU 7003 D Roth SPD 7010 D Dr. Haussmann FDP 7016A Müller (Remscheid) CDU/CSU 7019C Dr. Mitzscherling SPD 7023A Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 7027 A Westphal, Bundesminister BMA . . . 7031 C Rühe CDU/CSU 7036 B Voigt (Frankfurt) SPD 7041 C Möllemann FDP 7046 D Dr. Wörner CDU/CSU • 7051 C Genscher, Bundesminister AA 7057 D Dr. Ehmke SPD 7059 A Fragestunde — Drucksache 9/1968 vom 10. September 1982 — Übernahme des Document Center in deutsche Verwaltung MdlAnfr 2, 3 10.09.82 Drs 09/1968 Hansen fraktionslos Antw StMin Frau Dr. Hamm-BrücherAA 6977 B, C, D ZusFr Hansen fraktionslos 6977 B,C,D Schikanen gegen ausreisewillige Deutsche in Polen seit Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 MdlAnfr 4 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . . . 6978 A, B, C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6978 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6978 C Ausstattung amerikanischer Universitätsbibliotheken mit Literatur zur Wiedervereinigung Deutschlands MdlAnfr 5 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6979 A, B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6979A, B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6979C Nächste Sitzung 7060 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7061* A Anlage 2 Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau durch die polnische Fluggesellschaft LOT MdlAnfr 45 10.09.82 Drs 09/1968 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* B Anlage 3 Aufpreis für Zeitkarteninhaber bei Benutzung von Bahnbussen MdlAnfr 46 10.09.82 Drs 09/1968 Herberholz SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* C Anlage 4 Aufrechterhaltung der Bundesbahnstrecke Bad Lauterberg/Odertal-Scharzfeld im Südharz MdlAnfr 47 10.09.82 Drs 09/1968 Frau Benedix-Engler CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 6977 114. Sitzung Bonn, den 16. September 1982 Beginn: 8.30 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 7061* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 17.9. Dr. Diederich (Berlin) *** 17.9. Feinendegen 16.9. Frau Fischer*** 17.9. Gobrecht*** 17.9. Handlos 17.9. Hauck 17.9. Dr. Hennig*** 17.9. Dr. Holtz*** 17.9. Hoppe 17.9. Dr. Hüsch 16.9. Klein (München) *** 17.9. Dr. Köhler (Wolfsburg) *** 17.9. Dr. Kreile 16.9. Lampersbach 17.9. Lenzer** 17.9. Frau Dr. Lepsius*** 17. 9. Lintner*** 17.9. Müller (Bayreuth) 17.9. Schröder (Wilhelminenhof) 16.9. Schulte (Unna) 17.9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim** 17.9. Dr. Soell*** 17.9. Dr. Stercken*** 17.9. Topmann** 17.9. Dr. Wendig 17.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an der 69. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 45): Sind der Bundesregierung Schwierigkeiten der polnischen Fluggesellschaft LOT bei ihrer beabsichtigten Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau bekannt, und könnten diese Schwierigkeiten u. a. auf das in der Volksrepublik Polen geltende Kriegsrecht zurückzuführen sein? Der Bundesregierung liegt bisher kein Antrag der polnischen Fluggesellschaft LOT auf Wiedereinrichtung der Fluglinie Warschau-Köln/Bonn vor. Ein solches Vorhaben würde ausschließlich unter dem in den vertraglichen Abmachungen mit Polen festgelegten Gesichtspunkt der Wechselseitigkeit geprüft Anlagen zum Stenographischen Bericht werden. Die gegenwärtige politische Situation in Polen hat hierauf keine Auswirkungen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Herberholz (SPD) (Drucksache 9/1968 Frage 46): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Zeitkartenbenutzer der Deutschen Bundesbahn auf Strecken, auf denen Triebwagen aus Kostengründen eingestellt wurden, bei Benutzung des bereitgestellten Busses jeweils einen Aufpreis zu zahlen haben? Die Fahrpreise der Deutschen Bundesbahn sind im Schienen- und Bahnbusverkehr innerhalb der bei beiden Geschäftszweigen einheitlich gebildeten Entfernungszonen grundsätzlich gleich. Legt der Bus jedoch eine längere Entfernung zurück als das Schienenfahrzeug, können Preisunterschiede auftreten. Diese Preisunterschiede sind jedoch keine Aufpreise. Das Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bundesbahn (DB) gestaltet sein Preis- und Leistungsangebot, und damit auch seine Tarife, im Schienen- wie Bahnbusverkehr grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich. Dementsprechend prüft die DB von sich aus bereits, inwieweit bestehende Preisunterschiede im Schienen- und Bahnbusverkehr bei Beförderungen über die gleiche Strecke und unterschiedliche Entfernungen etwa durch Angleichung der Tarifentfernungszonen bereinigt werden können. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage der Abgeordneten Frau Benedix-Engler (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 47): Sieht die Bundesregierung, daß ein Zusammenhang zwischen dem abnehmenden Reiseaufkommen der Deutschen Bundesbahn und dem sich ständig verschlechternden Angebot in den Nebenstrecken besteht, und ist sie bereit, in diesem Zusammenhang auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß der an sich schon schlechte Verkehrszugang im Südharz-Bereich, der die Benachteiligung dieses Raums ständig erhöht, nicht noch durch weitere Streckenstillegungen (Bad Lauterberg/Odertal und Scharzfeld—Bad Lauterberg) belastet wird. Nein, die Bundesregierung sieht den in Ihrer Frage unterstellten Zusammenhang nicht. Im Gegenteil: Das Angebot der Deutschen Bundesbahn orientiert sich stets an der Nachfrage. So gehört die Teilstrecke Bad Lauterbach-Odertal mit 194 Reisenden im werktäglichen Durchschnitt (beide Richtungen zusammen) zu den schwächst ausgelasteten Reisezugstrecken der Deutschen Bundesbahn. We- 7062* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 gen anstehender Investitionen hat die Deutsche Bundesbahn das Verfahren zur Stillegung der vorgenannten Teilstrecke eingeleitet. Ein Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn mit prüffähigen Unterlagen liegt dem Bundesminister für Verkehr noch nicht vor. Wegen der Lage der Strecke im Zonenrandgebiet wird das Kabinett entscheiden. Der Abschnitt Scharzfeld-Bad Lauterberg soll vorerst sowohl im Reise- als auch im Güterverkehr beibehalten werden.
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Einbringungsrede hatte ich darauf hingewiesen, daß manches an Diskussion bei uns in der Bundesrepublik Deutschland wehleidig und provinziell verlaufe. Das hat Herrn Abgeordneten Pfeffermann zu einem Zwischenruf veranlaßt, aus dem ich den Eindruck gewinne, daß er annimmt, daß ich die Sorge um die Arbeitslosigkeit als provinziell abgetan hätte. Das muß ich mit allem Ernst zurückweisen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Der Zusammenhang, aus dem heraus ich die Worte „wehleidig" und „provinziell" gewählt habe, ergibt sich aus dem Text sehr eindeutig.
    Ich will aber, meine Damen und Herren, heute an diesem Punkt der Debatte sieben Beispiele für das geben, was ich unter „wehleidig" und „provinziell" fassen möchte.
    Ich will als erstes Beispiel das gerade bei fast allen Rednern der Union — vielleicht mit Ausnahme von Herrn Dregger — festzustellende Fehlen des ausreichenden Eingehens auf internationale Zusammenhänge nennen. Herr Dregger hat eine Ausnahme gemacht. Er hat ja recht: Man soll sich nicht nur immer mit dem vergleichen, bei dem die einzelnen Zahlen schlechter sind oder eine Zahlenkombination schlechter ist als bei uns. Er hat recht, in diesem Zusammenhang auch Japan und die Schweiz heranzuziehen, wenn dies in differenzierter Form geschieht. Ich bin bereit zuzugestehen, daß die Japaner und die Schweizer — übrigens nicht nur sie — nach dem Krieg Enormes hingestellt haben. Aber, bitte schön, wir doch auch! Es besteht also überhaupt kein Anlaß, uns durch den Vergleich mit Japan und der Schweiz sozusagen als das Armenhaus Europas oder der industrialisierten Welt hinzustellen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was im übrigen dieser internationale Zusammenhang nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern allgemeinpolitisch bedeutet, kann jeder nachlesen, wenn er die neueste Nummer von „Foreign Affairs" zur Hand nimmt. Ich darf dies uns allen wirklich empfehlen; ich meine den Artikel, den der Bundesaußenminister über die Grundfragen der West-West-Politik zu dieser Thematik geschrieben hat.

    (Rühe [CDU/CSU]: Sehr lesenswert!)

    Was die Wehleidigkeit und dieses Selbstmitleid angeht, so habe ich heute in der „International
    Herald Tribune" ein prächtiges Beispiel von John Dornberg gefunden, der in München sitzt und gerade die Bundesregierung in den letzten Jahren außergewöhnlich kritisch begleitet hat. Er schreibt in der heutigen Ausgabe — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Versuch machen, dies frei, aber hoffentlich zutreffend, zu übersetzen — unter der Überschrift „Die Deutschen sehen die Dinge durch ein anderes Prisma":
    Unter den gegebenen Umständen erscheint es fast lächerlich, davon zu reden, daß Deutschland sich wirtschaftlich in Schwierigkeiten befindet. Unter den schlimmsten Umständen ist Deutschlands ,Wunderkind' von damals erwachsen geworden.
    Er schließt seinen Artikel mit dem Hinweis: Aber die Politik
    — und er meint damit unsere Politik hier in unserem Land —
    folgt einer anderen Logik, wenn man sie durch das Zerrglas des Weltschmerzes betrachtet, ein sehr wirkungsvolles Zerrglas, das eine Sternschnuppe wie das Zentrum der Welt erscheinen läßt.
    Wir sollten uns von dieser gelassenen Betrachtungsweise, die Herr Dornberg uns empfiehlt, anstecken lassen. Dann kann man vieles sehr viel ruhiger und, denke ich, auch in der richtigen Proportion diskutieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Drittes Beispiel: Heute morgen ist — ich glaube, Herr Haussmann war es — von dem Anteil der öffentlichen und privaten Investitionen gesprochen worden. Herr Haussmann, Sie haben die Anlageinvestitionen herangezogen. Dann kommt man in der Tat auf einen öffentlichen Anteil von 16%. Wenn wir die Bauinvestitionen hinzunähmen, wären es 25 %. Was mir von meinem Platz aus aufgefallen ist, ist die ganz merkwürdige Beifallsverteilung zu diesem Teil Ihrer Ausführungen. Sie sprachen von der Notwendigkeit, private Investitionen zu stärken. Das ist Allgemeingut aller drei im Bundestag vertretenen Gruppen. Großer Beifall bei der Union. Dann sprachen Sie aber von der ebenso selbstverständlich gegebenen Notwendigkeit, auch öffentliche Investitionen zu stärken. Und bei der Union rührt sich keine Hand. So wird eine an sich ökonomisch sinnvolle und auch haushaltspolitisch relevante Diskussion auf Umstände der Tagestaktik und der Tagespolitik verkürzt. Ich glaube, damit erweist man niemandem einen Dienst.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dann kann man in der Tat zu Gespensterschlachten kommen.
    Daß das heute morgen nach meinem Eindruck nicht der Fall war, ist — das möchte ich persönlich sagen — sicherlich auch ein Verdienst meines Kollegen Graf Lambsdorff, für dessen Ausführungen heute morgen ich mich für meinen Teil ausdrücklich bedanken möchte. Daraus hat sich eine Diskussion ergeben. Interessant ist nur — ich hoffe, daß das



    Bundesminister Lahnstein
    auch draußen nicht unbemerkt geblieben ist —, daß die Diskussion, sobald sie sachlich und in Einzelfragen geführt wurde, an der Mitte des Hauses vorbeiging. Diese Diskussion ist in durchaus sachlicher Form zwischen Herrn Haussmann, Herrn Roth und Herrn Mitzscherling geführt worden. Auch das wird man wohl konstatieren dürfen.
    Viertes Beispiel für „provinziell": Ich halte es nicht für gut — wie das gestern ein paarmal passiert ist —, daß sozusagen, wenn der eine oder andere den Fall AEG erwähnt, wie ein Pawlowscher Reflex irgendeiner Neue Heimat ruft. Ich hielte auch das Umgekehrte für schlecht. Was soll damit bewirkt werden? Es sind ja nicht nur die beiden großen Unternehmen in Schwierigkeiten, sondern viele andere mehr. Sich sozusagen gegenseitig Etiketten oder — wie Herr Schmitz gestern in einem anderen Zuammenhang gesagt hat — Bonbons ans Hemd zu kleben, das wird dem Problem nicht gerecht und schadet insgesamt unserem Ansehen im In- und Ausland. Wir sollten das nicht tun.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Fünfter Punkt: Der Umgang mit Zahlen. Da bin ich nun bei Herrn Dregger.

    (Zuruf von der [CDU/CSU]: Oberlehrerhaft!)

    — Ich bin zwar kein Lehrer, aber ich erlaube mir jetzt ein Urteil über die Ausführungen von Herrn Dregger heute morgen. Das darf ich wohl als Finanzminister.

    (Beifall bei der SPD)

    Er kann nicht hier sein. Bitte, geben Sie es ihm weiter.
    Es ist unredlich, jedenfalls ist es unrichtig, so zu tun, als ob sich die Investitionsströme aus irgendwelchen ideologischen und politischen Gründen in den letzten Jahren total in das Gegenteil verkehrt hätten. Auf einen Grund ist schon hingewiesen worden: auf die völlig veränderte Kursrelation zwischen D-Mark und Dollar. Ein anderer Grund muß hinzugefügt werden: die enorme Differenz beim Nominalzins zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten. Aber immerhin sind 1981 — das ist das letzte Jahr, hinsichtlich dessen wir über Statistiken verfügen — 8 Milliarden DM in die Bundesrepublik Deutschland als Anlage geflossen. Allein die Zunahme im Bestand deutscher Aktien in der Hand von Ausländern hat zwischen 1979 und 1981 1,3 Milliarden DM betragen. Dann von einer irgendwie politisch-psychologisch motivierten großen Flucht zu reden, das verkehrt die Realität eher in ihr Gegenteil.
    Das gleiche gilt im Zusammenhang mit Konkursen. Viele haben heute morgen und auch gestern die Konkurse beklagt. Wer wird das denn nicht tun? Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß 1981 die Zahl der Selbständigen in der Bundesrepublik Deutschland um 4 000 höher lag als 1976,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    daß die Zahl der Neugründungen die Zahl der Betriebsschließungen jahrelang, bis 1981, bei weitem überstiegen hat.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Augenwischerei!)

    Wir haben genügend Leute in unserem Land, die auch unter schwierigen Umständen bereit sind, sich selbständig zu machen. Dieser Weg muß natürlich erleichtert werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Augenwischerei!)

    — Das ist überhaupt keine Augenwischerei. Ich würde diese Zahlen nie irgendeiner Bundesregierung sozusagen auf die gute Seite legen wollen. Aber sind Sie dann bitte auch so gut und tun nicht permanent das Gegenteil, insbesondere draußen, oder vermitteln zumindest den Eindruck!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das letzte, was ich „wehleidig und provinziell" nennen möchte, ist der Weg in die persönliche Herabsetzung, den Herr Waigel heute morgen gewählt hat, als er von Herrn Matthöfer gesprochen hat, indem er so tat, als wäre Herr Matthöfer nur deshalb, weil er hier finanzpolitisch und gesamtpolitisch unbequeme Dinge ausgesprochen habe, sozusagen degradiert worden. Das ist im übrigen auch kein zutreffendes Urteil über die große Aufgabe der Deutschen Bundespost.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich habe bereits gestern darauf hingewiesen: Sie ist der größte Investor in unserem Lande.
    Nun ein Hinweis zu den Zahlen und zu ihrer Vorläufigkeit. Wir brauchen diese Debatte hier ja nicht wieder voll aufzunehmen; nur sage ich, wie auch Graf Lambsdorff es heute morgen gesagt hat, noch einmal: Wir haben auf diese Risiken seit Anfang Juli immer wieder und in aller Offenheit hingewiesen, vor der Pressekonferenz, hier im Deutschen Bundestag und auch sonstwo. Wir haben diese Risiken nicht geleugnet. Deshalb ist die Unterstellung von Herrn Glos, dahinter stecke wohl Methode, noch einmal mit allem Nachdruck zurückzuweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein inhaltlich am Ende dieses Abschnitts der Debatte sehr viel gewichtigerer Teil war die Auseinandersetzung über die zusammenhängenden Fragen von Steuerlast, Abgabenlast und Steuerpolitik. Herr Häfele sagte gestern — und auch heute morgen ist dies wieder erwähnt worden —, wir dürften nicht die Steuerquote allein sehen, sondern müßten dies auf die Abgabenquote fortschreiben. Herr Häfele, ich würde Ihnen voll zustimmen! Aber wenn man das tut, sagen Sie damit doch zweierlei. Erstens erkennen Sie an, daß die Steuerlastquote, für sich genommen, seit 1952 stabil geblieben ist.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU]: Es kommt immer auf das Vergleichsjahr an!)




    Bundesminister Lahnstein
    Das ist in sich — und dies ist doch der direkte Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt — eine enorme politische Leistung.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Zweitens bleibt noch die Frage der Sozialabgaben, wobei es nicht ganz richtig ist — aber ich gebe zu, hier ist vielleicht die Sprache etwas ungenau —, alles, was im sozialen Bereich — auch an Beiträgen — läuft, nun gleich mit dem leicht negativ besetzten Wort „Abgabe" zu belegen.
    Hier liegt nun — und das ist, glaube ich, politisch wichtig — nicht erst seit heute, sondern spätestens seit dem von Ihnen immer wieder angegriffenen Münchener Parteitag meiner Partei ein für Sozialdemokraten sehr weitgehendes Angebot vor, daß Herr Mitzscherling eben noch einmal in die dürren Begriffe der Ökonomie gekleidet hat. Es ist das Angebot, das Gesamtsystem der sozialen Sicherungsleistungen und der sozialen Transfers, Herr Müller, an die kleiner gewordenen ökonomischen Entwicklungsmöglichkeiten anzupassen. Dieses Angebot so und so weitgehend zu formulieren, wie wir es getan haben, ist uns gewiß nicht leichtgefallen. Von mir aus geht die herzliche Bitte an Sie und auch an die Kollegen aus der FDP, dieses Angebot nicht leichten Herzens und leichtfertig aus der Hand zu schlagen. Man kann dies in der Tat nur langfristig, geduldig und — wie Herr Mitzscherling gesagt hat — behutsam beginnen. Ich habe mich gestern bemüht, auf den gleichen Punkt hinzuweisen.
    Nur, Herr Müller, bei aller Wertschätzung, die ich für meinen ersten Arbeitgeber habe: Sie haben heute mit dem, was Sie gesagt haben, nach meinem Eindruck den Januskopf der Union vorgeführt,

    (Zuruf von der SPD: So ist es!) und zwar in aller Klarheit.


    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Zudem hörte sich vieles von dem, was Sie z. B. zum hier immer wieder zitierten Papier von Graf Lambsdorff gesagt haben, ganz anders an als das, was aus der gleichen Fraktion gestern nachmittag und heute morgen dazu zu hören war.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auch dies muß ausdiskutiert werden und darf ja wohl nicht unbemerkt bleiben.
    Zur Steuerpolitik selber: Herr Dregger fordert die Rücknahme der „heimlichen Steuererhöhungen". Auch Herr Häfele hat, glaube ich, gestern diese Forderung erhoben. Diese Forderung verwendet wiederum einen doch etwas unscharfen Begriff. Wir haben natürlich in der Tat — Sie haben die Bezugsgrößen gewählt, und auch ich würde keine anderen wählen — rein nominal Steuererhöhungen in einem Teil unseres Steuersystems, Herr Häfele.

    (Roth [SPD]: Die sind doch nicht heimlich! Siehe Steuertabelle!)

    — „Heimlich" meine ich nicht in dem Sinne, daß sie
    nicht offen ausgewiesen wären. Denn in der Tat, aus
    der Lohnsteuertabelle kann man sie ja fein herauslesen. Aber ich darf diesen Begriff einmal verwenden.
    Wir haben dann aber mindestens auch zu sehen, daß es den gleichen Prozeß in umgekehrter Richtung gibt. Ich nehme also einmal dieses schlimme Wort „heimlich", wende es an und sage: „heimliche Steuerentlastungen".

    (Roth [SPD]: Auch die sind nicht heimlich!)

    Wir müssen beides zusammen sehen. Wenn wir die Steuerlastquote insgesamt konstant halten wollen — und ich habe begriffen, das will hier jeder —, dann muß jeder Ausgleich im Steuersystem selber diesem Gebot unterworfen werden. Zu diesem Ergebnis führt nicht jeder Diskussionsbeitrag der letzten Tage. Wenn das jedoch richtig ist, wie kann man sich dann hier hinstellen und mit einem leisen Triumph in der Stimme, wie Herr Dregger dies heute morgen getan hat, darauf hinweisen: Und wir haben euch die für den 1. Juli 1983 vorgesehene Mehrwertsteuererhöhung Gott sei Dank kaputtgemacht; denn die hätte nur zur Abgabenerhöhung geführt. — Hätte sie nicht! Sie wissen doch ganz genau, daß die Mehrwertsteueranhebung die Gegenrechnung für die Investitionszulage war, also für eine Steuererleichterung, die strukturell völlig in die gleiche Richtung geht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir wollten an sie anschließen.

    (Roth [SPD]: Herr Minister, ist das nicht ein eigenartiger Debattenteilnehmer, der nicht einmal die Antworten abwartet?)

    — Ich will niemanden kritisieren.

    (Roth [SPD]: Dregger hat geredet und war weg in den Wahlkampf! Unanständig ist das!)

    Ich habe jedenfalls die ganze Zeit hier gesessen. Das gehört sich auch so.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist denn der Herr Bundeskanzler, Herr Minister?)

    Wir werden, wenn wir dann über Steuerlastquoten und Verschiebungen in der Steuerstruktur diskutieren, nicht ganz übersehen dürfen, mit welchen Argumenten zweimal hintereinander unser Vorschlag für eine etwas zeitnähere Bewertung baureifer, aber unbebauter Grundstücke von Ihnen abgelehnt worden ist. Auch der Punkt gehört dann wohl in die Diskussion der nächsten Monate hinein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Einen interessanten Vorschlag fand ich den über einen teilweisen Schuldzinsenabzug bei Hypotheken. Es gibt ja Vorschläge, die bei der Bausparzwischenfinanzierung ansetzen, wenn ich es recht sehe, übrigens in beiden Parteien der Koalition. Hier sind Ansätze, die man vielleicht im Gesamtzusammenhang der nächsten Monate zusammen mit unseren anderen Vorschlägen für Abbau von Steuervorteilen oder in einem anderen geeigneten Zusammenhang sinnvoll diskutieren kann.



    Bundesminister Lahnstein
    Noch einmal, der hauptsächliche Punkt: Wir müssen bei all dem an zwei Dingen festhalten. Ein Grundsatz ist die Konstanz der Steuerquote in beiden Richtungen; laßt uns nicht auf ein Zehntelprozent genau rechnen, das kann niemand sagen. Der zweite Punkt ist ebenso wichtig und muß uns allen gleichmäßig am Herzen liegen, egal, wieviel Kämmerer wir in den Kommunen stellen: Die kommunale Finanzautonomie muß bei all dem uneingeschränkt aufrechterhalten werden, sonst wird da kein Schuh draus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Bleiben wir noch eine Minute bei der Steuerpolitik. Herr Häfele, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie unter dem Etikett „familienfreundliches Steuersystem" letzten Endes ein Zurück hinter die Kindergeldregelung gefordert.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU]: Duales System!)

    Technisch gesprochen: Kinderfreibetrag und Kindergeld als Restgröße

    (Dr. Häfele [CDU/CSU]: Ergänzend!)

    für die besonders Bedürftigen. So haben Sie sich, glaube ich, ausgedrückt.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU]: Wie man es ausgestaltet!)

    Das heißt also, der volle Progressionsvorteil soll für die höherverdienenden Familien mit Kindern wiederhergestellt werden.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ja, das müssen wir festhalten. Unser Weg geht ja eher in die gegenteilige Richtung. Wir fragen uns in der Tat — und ich glaube, dafür gibt es gute Gründe —, warum denn jemand —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum kürzt ihr das Kindergeld?)

    nehmen wir den berühmten Mann — mit seinen 100 000 DM Jahreseinkommen noch Kindergeld bekommen muß.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Häfele [CDU/ CSU]: Der kriegt es ja nicht!)

    Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie haben das geklärt. Sie wollen zum alten System zurück: Kinderfreibeträge im Zusammenhang mit dem Tarif, d. h. also, voller Progressionsvorteil, und unten für die Härtefälle Kindergeld.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU]: Wer Kinder hat, soll nicht so besteuert werden wie der ohne!)

    Das wird man dann gut diskutieren können.

    (Zuruf von der SPD: Das ist soziale Gerechtigkeit!)

    An dieser Stelle wiederhole ich meine Bitte, weil hier häufiger das Wort vom Klassenkampf in die Debatte geworfen worden ist. Ich bin ein Besserverdienender; und hier sitzen viele solche im Saal. Bitte einen Vorschlag an Stelle der Vorschläge, die wir hier in der vergangenen Woche eingebracht haben, der mich treffen würde! Bitte einen einzigen Vorschlag! Dann könnten wir weiterdiskutieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP— Dr. Hävfele [CDU/CSU]: Zurücktreten ohne Bezüge!)

    — Ja, das habe ich gedacht, daß Sie mir das sagen würden: Wenn ich ohne Bezüge zurückträte, dann wäre der Beitrag geleistet. Sie werden zugeben: Erstens ist er ein bißchen radikal und wird zweitens auch nicht aufgehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der geht schon finanziell nicht auf, auch sonst nicht.
    Aber denjenigen, die in diesem Zusammenhang über die Ergänzungsabgabe reden, muß man doch bei allen Vorbehalten — der eine oder andere weiß ja, daß ich technische Vorbehalte habe — folgendes sagen. Dieses Instrument ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es macht doch überhaupt keinen Sinn, dies sozusagen vom Grund her zu verteufeln oder zu lobpreisen. Die Frage ist doch nur die Zweckmäßigkeit der Anwendung. Sie ist unter Franz Josef Strauß praktiziert worden. Und hier, dachte ich, bietet möglicherweise der Gesichtspunkt, den Herr Haussmann und Herr Roth heute morgen ausgetauscht haben, den Ansatz für eine wirklich vernünftige Debatte: Wie finde ich also einen Weg — ich weiß auch noch nicht, wo er endet; aber wir sollten uns der Diskussion nicht verweigern —, an die soziale Ausgewogenheit über eine Belastung der Höherverdienenden unter den Kautelen, die der Bundeskanzler in der letzten Woche zusätzlich in die Diskussion eingeführt hat, heranzukommen, ohne die schädliche Nebenwirkung auf die investiv verwendeten Einkommens- und Gewinnanteile dabei in Kauf nehmen zu müssen? So ist die Frage präzis und richtig gestellt. Und an diesem Punkt, denke ich, werden wir wie zu allen anderen Fragen zum gegebenen Zeitpunkt mit präzisen Vorschlägen kommen können.
    Ich fand es im Zusammenhang mit den Steuervorteilen interessant — damit bin ich bei den Subventionen; dazu nur einen Satz —, daß außer Herrn Waigel heute morgen niemand mehr aus der Opposition die Querbeetkürzungen gefordert hat. Das ist ein Fortschritt. Den muß man objektiv feststellen. Das macht uns vielleicht den Umgang mit diesem Tatbestand in allen Gruppen etwas leichter.
    Ich wollte ein Wort zu den heutigen Ausführungen von Herrn Cronenberg und den gestrigen von Herrn Zumpfort sagen. Lieber Herr Cronenberg, noch einmal: Wir haben doch die Absicht — ich habe es in der Einbringungsrede gestern gesagt — und den Willen, soziale Transfers an ökonomische Gegebenheiten anzupassen. Dies kann man ohne gegenseitige Schelte und ohne gegenseitigen Vorwurf tun, sicher mit Engagement, aber, wie ich sagte, in Ruhe und Behutsamkeit.
    Herrn Zumpfort wollte ich nur sagen, daß ich sehr wohl die Frage der Zinslasten für den Bundeshaushalt erwähnt habe, und zwar zweimal.



    Bundesminister Lahnstein
    Wir müssen festhalten, was Herr Glos gesagt hat, auch vor landespolitischem Hintergrund, der j a nicht ganz uninteressant ist. Ich jedenfalls möchte dies festhalten: Herr Glos hat den untauglichen und wirklich schlimmen Versuch unternommen, die Schwierigkeiten bei AEG der Bundesregierung politisch ans Bein zu binden. Herr Glos war es, der, übrigens in vollem Gegensatz zu Herrn Dregger, die Behauptung aufgestellt hat, die Lohnkostenentwicklung im Jahr 1982 sei ökonomisch über das Maß des Notwendigen und Vernünftigen hinausgegangen. Herr Glos hat die, die ein 50-Milliarden-Beschäftigungsprogramm gefordert haben, wörtlich als „Quacksalber" bezeichnet. Das verdient, hervorgehoben zu werden. Dabei muß man nicht mit jeder Forderung des DGB einiggehen. Auch ich tue das nicht. Aber die Sorge und die richtigen Denkansätze hinter den Anstößen des DGB, die u. a. zu der Gemeinschaftsinitiative geführt haben, schlichtweg als Quacksalberei zu bezeichnen, ist schon ein starkes Stück — muß ich sagen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Schäuble [CDU/CSU])

    — Ja, so hat er im Zusammenhang formuliert.
    Ein allerletzter Hinweis. Herr Schröder hat gestern, wie ich fand — und das hat doch mit Zensur nichts zu tun; ich darf doch die Debatte aus meiner Sicht bewerten; das muß ich doch tun; denn wir müssen ja mit dem Haushalt weiter umgehen —, völlig zu Recht auf die Verteilungswirkung der Kreditaufnahme hingewiesen. Ich will wiederholen, was in Antwort darauf Herr Hoffmann gestern schon gesagt hat: Das ist in der Tat nicht unbedenklich. Die Verteilungswirkung von Kreditaufnahme über die Zinszahlungen wirft Fragen auf, die möglicherweise weiter reichen als die Verteilungswirkung der einen oder anderen alternativen Finanzierung, also über Steuern und Abgaben.
    Darauf muß man in zwei Richtungen antworten. Und darauf ist Herr Schröder leider die Antwort schuldig geblieben. Erstens gilt es, durch Auswahl im Debt-Management die negativen Verteilungswirkungen zu minimieren — man wird sie nicht ganz ausschalten können. Zweitens. Wo diese negativen Verteilungswirkungen dann verbleiben, da muß man allerdings eine Antwort auf die Frage geben, die Herr Hoffmann gestern dazu gestellt hat: Wie haltet Ihr es denn — nicht mit den kleinen Sparern; an die denkt ja sowieso niemand in der Richtung, daß man ihnen ihre Erträge wegnehmen will — mit denen, die hier über wesentlich größere Einkünfte aus Kapital- und Zinserträgen verfügen?
    Mein allerletzter Punkt kann sehr kurz sein. Den habe ich überschrieben: Vorschläge der CDU. Ich habe genau zwei Vorschläge gefunden. Ich habe mich bemüht, wirklich alles zu lesen. Der eine präzise Vorschlag war der mit dem teilweisen Schuldzinsenabzug von Herrn Dregger heute morgen. Der andere Gedankengang war der von Herrn Häfele unter dem Rubrum familienfreundliche Ausgestaltung der Lohn- und Einkommensteuer. — Und sonst nichts. Deswegen höre ich an dem Punkt auf.
    Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten mit einem Zitat aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von heute schließen. Die Überschrift lautet:
    Remmers: Wirtschaftskonzept der Union Aufforderung an die Bundespartei/ ..
    Es heißt dort:
    Die niedersächsische CDU drängt die Union, als Opposition in Bonn nun nicht länger mit der Vorlage eines Gesamtkonzepts für die Belebung der Wirtschaft, den Abbau der Arbeitslosigkeit und die Sanierung der öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik zu warten. Ihre Landtagsfraktion und auch die Mitglieder des Kabinetts Albrecht halten einen solchen Vorstoß für dringend erforderlich, und sie erwarten, daß er spätestens gleich nach der Landtagswahl in Hessen unternommen werde.
    Vielleicht stimmt diese Prognose, im Unterschied zu mancher anderen. — Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Kommen die jetzt alle hintereinander?)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Westphal


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Reihenfolge ist insofern etwas seltsam,

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: In der Tat!)

    als mein Beitrag in eine sozialpolitische Debatte gehört, die bisher aber erst durch einen Redner bestritten worden ist. Das, was Sie, Herr Müller (Remscheid) gesagt haben, muß aber hier eine Antwort bekommen. Deshalb bitte ich um Verständnis, daß ich mich nach dem Finanzminister gemeldet habe.
    Herr Müller, Sie haben auf eine Bemerkung hingewiesen, die ich von diesem Pult zu einem Zeitpunkt gemacht habe, als ich für meine Fraktion als finanzpolitischer Sprecher geredet habe. Ich stehe nicht an, mich zu dem zu bekennen, was ich damals sinngemäß gesagt habe, nun wäre — wir sagen etwas leicht — „Ende der Fahnenstange", wenn es um die Frage der Einschnitte in die sozialen Leistungen gehe. Ich will Ihnen gern bestätigen, daß es — auch in der Verantwortung als Finanzpolitiker meiner Fraktion — meine finstere Entschlossenheit war, daran mitzuwirken, daß in diesem Bereich leichtfertiges Herumfuhrwerken verhindert würde. Ich stehe auch heute dazu.
    Daß es Wirtschaftsdaten und Wirtschaftsentwicklungen gegeben hat, die uns eine neue schwierige Entwicklung gebracht haben, war Inhalt der Debatte über zwei Tage. Ich kann es mir ersparen, dies hier noch einmal zu erläutern.
    Herr Müller, die von Ihnen angesprochene Berner-kung habe ich zu einem Zeitpunkt gemacht, wo jeder von uns praktisch jeden Tag in der Zeitung lesen konnte, daß einer der Ihren — einer der CDU-Ministerpräsidenten, einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU oder Ihr Fraktions-



    Bundesminister Westphal
    vorsitzender hier im Bundestag, Herr Kohl — etwas im Sinne von „Es muß in die sozialen Leistungsgesetze eingeschnitten werden" gesagt hatte. Tag für Tag gab es solche Meldungen.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Das sagt doch auch Ihr Kanzler!)

    Ich will ein Zweites — man könnte das Bekenntnis nennen — sagen. Ich habe den Begriff, den Sie von sich abwehren wollten, den der „sozialen Demontage", von einem bestimmten Tag an nicht mehr benutzt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Schreckliches Wort!)

    Es ist zwar eine Indiskretion, die ich begehe, aber ich glaube, es muß einmal gesagt werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es ist auch niemand da!)

    Es war Herr Stoltenberg, Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein (CDU), Mitglied des Vermittlungsausschusses, der sozusagen von mir erwartet hat — auch ich war damals Mitglied des Vermittlungsausschusses —, daß ich diesen Begriff nicht mehr verwende. Ich habe damit nicht seiner Erwartung, sondern meiner eigenen Einstellung entsprochen; denn das, was ich damals mitzutragen aufgeladen bekommen habe an Kürzungsabsichten, die von der Mehrheit des Bundesrates kamen — das ging viel weiter als das, was nachher im Vermittlungsausschuß beschlossen wurde —, im Hinblick auf die Schwächsten in diesem Lande, die Sozialhilfeempfänger, hat mich veranlaßt, mir zu sagen: Jetzt darfst du nicht mehr vor andere Menschen gehen und von sozialer Demontage reden. Du bist mitverantwortlich. Du hast einen Teil davon mitgetragen, auch wenn du wußtest, daß das eine falsche Richtung war, aber mitgetragen, weil anderes durchgesetzt werden mußte. Inzwischen hat das Haus diese Korrekturen in diesem Bereich vorgenommen; aber lassen Sie sich das ruhig hier einmal offen sagen.
    Herr Müller, Sie haben das schlimme Wort gewählt, wir hätten die Rentenkassen „geplündert". Lassen Sie mich mit ein paar Strichen deutlich machen, was Sache ist, was den Tatsachen entspricht.
    Erstens. In der Zeit, in der in diesem Land eine sozialliberale Koalition regiert, ist das Rentenniveau enorm gesteigert worden, und wir wollten dies. Dies war notwendig.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Zweitens. Die Steigerung des Rentenniveaus ist sogar noch in der Zeit weitergegangen, als wir eine erste ökonomische Krise, geboren aus den Ölpreissteigerungen in der Mitte der 70er Jahre, hatten. Wenn ich das mit dem Anwachsen der Arbeitnehmereinkommen vergleiche, die j a netto zu rechnen sind, dann wird mir jeder bestätigen, daß die Renteneinkommen sowohl im Zeitraum von 1970 bis jetzt als auch im Zeitraum von 1976 bis jetzt stärker als die Arbeitnehmereinkommen gestiegen sind.

    (Franke [CDU/CSU]: Nennen Sie doch einmal die Gründe, Herr Westphal!)

    — Das war die Sozialgesetzgebung, die wir getragen haben.

    (Beifall bei der SPD — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU — Franke [CDU/CSU]: Er erweckt den Eindruck, als wüßte er es wirklich nicht besser! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Drittens. Durch das Zwanzigste und Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz hat es eine erhebliche Veränderung und Verbesserung der gesamten Finanzsituation der Rentenversicherung gegeben. Sie hätte diese 15 % Steigerung, die sonst eingetreten wäre, wie es Herr Müller hier gesagt hat, wohl nicht ertragen können. Ich kann mir vorstellen, wie Ihre Argumentation ausgesehen hätte, wenn dies nicht erfolgt wäre.
    Dieser Vorgang der — nennen wir ihn ruhig so — Sanierung der Rentenfinanzen hat es mit sich gebracht, daß jetzt — was Sie kritisieren und was ich nicht leichtfertig positiv beurteilen kann, aber mitzutragen habe — eine Korrektur in der Größenordnung des Zuschusses des Bundes an die Rentenversicherungskassen für dieses Jahr 1983 noch einmal in einer Größenordnung von 1,3 Milliarden DM erfolgt. Die Folge davon ist aber nicht, daß die Rentenversicherung in ihrer Finanzierung in Unordnung kommt. Das, was wir als Grundlage haben müssen und was sicher in der Rentenkasse sein muß, ist auch sicher darin, so daß wir die Renten sicher und ordentlich bezahlen können und trotzdem noch eine Reserve haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Viertens. Was die Union vorgehabt hat, Herr Müller, und was Rückwirkungen auf die Rentenkasse gehabt hätte, ist in dem von mir am Freitag voriger Woche schon einmal zitierten Dokument nachzulesen. Ich meine die Beschlüsse, mit denen die Mehrheit des Bundesrates am 26. September 1981 zum Zweiten Haushaltsstrukturgesetz — d. h. zu dem, was wir uns angewöhnt haben, die „Operation '82" nennen — Stellung genommen hat. Dort war die Aufforderung an die Bundesregierung enthalten, Herr Müller, sofort für das Jahr 1982 einen Rentnerkrankenversicherungsbeitrag von 2 bis 3 % einzuführen. Dort war die Aufforderung an die Bundesregierung enthalten, den Beitrag, den die Bundesanstalt für Arbeit für die Arbeitslosen an die Rentenversicherung und die Krankenversicherung zahlt — es steht dort an: die Sozialversicherung —, auf die Bemessungsgrundlage der Lohnersatzleistung herabzusenken. Das wäre ein enorm tiefer Einschnitt, der bei den Rentenkassen erhebliche negative Finanzfolgen gehabt hätte.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU]: Was machen Sie denn jetzt?)

    — Die Hälfte. Das habe ich hier klargemacht. Sie waren nicht da. Sie haben am Freitag Herrn Franke reden lassen. Wie Sie das einteilen, ist Ihre Sache, aber dort habe ich dazu gesprochen. Ich brauche das hier alles nicht zu wiederholen. Vielleicht lesen Sie einmal das Protokoll nach!

    (Zurufe von der CDU/CSU)




    Bundesminister Westphal
    Herr Müller, falls Sie draußen jemand hört, so können Ihre Äußerungen erneut die Wirkung haben, daß bei älteren Menschen Ängste erweckt werden,

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Die haben Sie bei der Regierung!)

    und zwar durch die Vorstellung, die Rentenversicherung und ihre Kassen seien nicht in Ordnung. Der, der die Verantwortung dafür hat, sagt Ihnen und allen hier mit allem Verantwortungsbewußtsein noch einmal: Der Rentner braucht um die Zahlung seiner Rente nicht zu fürchten.

    (Beifall bei der SPD)

    Am 1. Januar des folgenden Jahres, 1983, für das wir hier über eine Reihe von sehr tiefgreifenden und schwierigen Einschnitten zu reden haben, wird der Rentner eine Rentenerhöhung von etwa 4,6 % bekommen, und dabei ist der Anteil des Rentnerkrankenversicherungsbeitrags schon abgezogen. Herr Müller, Sie wissen das. Warum sagen Sie das nicht?!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Müller, Sie haben behauptet — auch das ist ein Wort, das ich aufgreifen muß —, am Ende unserer Sozialpolitik stünde ein Scherbenhaufen. Ich habe mir eben noch einmal die Liste geben lassen. Einer meiner Vorgänger war Walter Arendt, ein hochgeschätzter Arbeitsminister dieses Landes.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Der „beste" Arbeitsminister aller Zeiten! — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Warum mußte der gehen?)

    — Jawohl, Herr Vogel. — Ich habe hier in schwieriger Zeit zu handeln. Sie haben gelernt, daß hier kein Illusionist steht.
    Aber das gehört zu unserer Gesetzgebung: die Reform der Betriebsverfassung, das Mitbestimmungsgesetz, die Unverfallbarkeit der Betriebsrenten. Ich frage Sie, was bei AEG und den Menschen los wäre, wenn es dieses Gesetz nicht gäbe.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Weiter: Konkursausfallgeld. Darf ich Sie einmal fragen, was es in einer Wirtschaftssituation wie wir sie haben, für die Arbeitnehmer bedeutete, wenn wir dieses Instrument nicht zur Verfügung hätten?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Vielleicht würden Sie auch anerkennen, daß in diese Zeit, in der die sozialliberale Koalition Sozialpolitik gemacht hat, die Schaffung der flexiblen Altersgrenze gehört, auch die Verbesserung für die Behinderten auf diesem Gebiet. Auch die Rente nach dem Mindesteinkommen gehört dazu. Weiter nenne ich: das Betriebsärztegesetz, die Arbeitsstättenverordnung, die Erweiterung des Mutterschaftsurlaubs, das Schwerbehindertengesetz, das Reha-Angleichungsgesetz sowie die Schaffung eines einheitlichen Kindergeldes für alle, das eben nicht mehr eine
    Entlastung vor allem der reicheren Eltern bedeutet.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Ständig steigende Arbeitslosenzahlen und Schulden haben Sie vergessen!)

    Ich habe diese Liste einmal aus folgendem Gesichtspunkt in Erinnerung gebracht.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Die Arbeitslosen haben Sie vergessen!)

    Ich möchte Ihnen und vielleicht auch anderen, die mir zuhören, gern sagen, daß heute keines dieser Gesetze fehlt. Sie alle helfen uns jetzt in schwieriger Zeit. Sie bilden das, was man soziales Netz nennt und was wir in schwieriger Zeit besonders brauchen.

    (Beifall bei der SPD)

    Denjenigen, die sagen, hier entstünde ein Scherbenhaufen und es sei kein soziales Zeitalter eingetreten,

    (Franke [CDU/CSU]: Ihr sammelt doch alles wieder ein!)

    füge ich hinzu: Man kann die Zahlen aus dem Mund des Bundeskanzlers, die Sie, Herr Müller, uns entgegengehalten haben, auch in einer positiven Weise zur Darstellung bringen. Sie als Sozialpolitiker sollten die Gelegenheit dazu nicht unbedingt auslassen.
    Der Anteil dessen, was in den sozialen Bereich geht, am Bruttosozialprodukt unseres Landes, also an dem, was die Bürger im Laufe eines Jahres erarbeiten, ist seit der Zeit, wo die sozialliberale Koalition ihre Verantwortung übernommen hat, bis zum Jahr 1981 — alles über alles gerechnet — von 24 auf 31 % gestiegen. Wenn Sie dies bedenken, dann wissen Sie, welch enorme Milliardensummen für die Kleinen, für die sozial Schwachen, für die Arbeitnehmer dahinterstehen. Wenn ich hinzufüge, daß das, was wir Operation '82 nennen, daß das, was wir jetzt an Einschnitten verantworten, insgesamt zu einer Rückführung des Anteils am Bruttosozialprodukt von 31 auf 30% führt, dann weiß jeder, wie hart die Wirkungen auf den einzelnen sind; jeder hat seine Beispiele. Aber jeder wird, insgesamt gesehen, auch sagen müssen: Das ist ein Siebtel der Größenordnung, die bestand, als wir anfingen. Das zeigt, daß hier nicht etwa das soziale Netz kaputtgemacht worden ist. Mir lag daran, dies deutlich zu machen.
    Meine Damen und Herren, ich bringe das nicht deshalb vor, um etwa anderen — da meine ich Ihre Kollegen, Herr Müller, die Beifall geklatscht haben, aber an anderer Stelle, als sie es gern gehabt hätten — noch mehr Appetit zu tieferen Einschnitten zu machen. Sie müssen sich erinnern, Herr Müller: Sie sind stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. Ihr Vorsitzender, der sonst dort neben Ihnen sitzt, hat in der „Augsburger Allgemeinen" gesagt: Arbeitslosengeld kürzen! Bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Karenztage einführen!

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das hat er so nicht gesagt!)




    Bundesminister Westphal
    — Nein, nicht in der „Augsburger Allgemeinen", sondern an diesem Pult hat er es gesagt; Entschuldigung! Ich lese es noch einmal nach. Aber ich weiß, daß er es von diesem Pult aus gesagt hat.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Das hat er nicht gesagt! Nehmen Sie es zurück!)

    — Natürlich hat er es gesagt. Er hat von der Möglichkeit der Einführung von Karenztagen gesprochen.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Na also!)

    — Und? Was ist da denn anders? Wenn Sie regieren, müssen wir damit rechnen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Das gehört zu Ihrem Konzept.
    Aber nehmen wir ein anderes Beispiel.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das Lambsdorff-Papier!)

    — Ich setze mich im Augenblick mit Ihnen, mit dem Haushalt 1983 und mit dem auseinander, was Ihrerseits an Vorschlägen auf dem Tisch liegt.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Sie müssen sich erst in der Regierung einig werden, was Sie wollen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)