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ID0911407500

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    Plenarprotokoll 9/114 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 114. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6977 A Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6992 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksache 9/1920 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1982 bis 1986 — Drucksache 9/1921 — Dr. Dregger CDU/CSU 6979 D Löffler SPD 6985 D Cronenberg FDP 6992 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 6996 D Dr. Waigel CDU/CSU 7003 D Roth SPD 7010 D Dr. Haussmann FDP 7016A Müller (Remscheid) CDU/CSU 7019C Dr. Mitzscherling SPD 7023A Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 7027 A Westphal, Bundesminister BMA . . . 7031 C Rühe CDU/CSU 7036 B Voigt (Frankfurt) SPD 7041 C Möllemann FDP 7046 D Dr. Wörner CDU/CSU • 7051 C Genscher, Bundesminister AA 7057 D Dr. Ehmke SPD 7059 A Fragestunde — Drucksache 9/1968 vom 10. September 1982 — Übernahme des Document Center in deutsche Verwaltung MdlAnfr 2, 3 10.09.82 Drs 09/1968 Hansen fraktionslos Antw StMin Frau Dr. Hamm-BrücherAA 6977 B, C, D ZusFr Hansen fraktionslos 6977 B,C,D Schikanen gegen ausreisewillige Deutsche in Polen seit Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 MdlAnfr 4 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . . . 6978 A, B, C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6978 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6978 C Ausstattung amerikanischer Universitätsbibliotheken mit Literatur zur Wiedervereinigung Deutschlands MdlAnfr 5 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6979 A, B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6979A, B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6979C Nächste Sitzung 7060 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7061* A Anlage 2 Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau durch die polnische Fluggesellschaft LOT MdlAnfr 45 10.09.82 Drs 09/1968 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* B Anlage 3 Aufpreis für Zeitkarteninhaber bei Benutzung von Bahnbussen MdlAnfr 46 10.09.82 Drs 09/1968 Herberholz SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* C Anlage 4 Aufrechterhaltung der Bundesbahnstrecke Bad Lauterberg/Odertal-Scharzfeld im Südharz MdlAnfr 47 10.09.82 Drs 09/1968 Frau Benedix-Engler CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 6977 114. Sitzung Bonn, den 16. September 1982 Beginn: 8.30 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 7061* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 17.9. Dr. Diederich (Berlin) *** 17.9. Feinendegen 16.9. Frau Fischer*** 17.9. Gobrecht*** 17.9. Handlos 17.9. Hauck 17.9. Dr. Hennig*** 17.9. Dr. Holtz*** 17.9. Hoppe 17.9. Dr. Hüsch 16.9. Klein (München) *** 17.9. Dr. Köhler (Wolfsburg) *** 17.9. Dr. Kreile 16.9. Lampersbach 17.9. Lenzer** 17.9. Frau Dr. Lepsius*** 17. 9. Lintner*** 17.9. Müller (Bayreuth) 17.9. Schröder (Wilhelminenhof) 16.9. Schulte (Unna) 17.9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim** 17.9. Dr. Soell*** 17.9. Dr. Stercken*** 17.9. Topmann** 17.9. Dr. Wendig 17.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an der 69. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 45): Sind der Bundesregierung Schwierigkeiten der polnischen Fluggesellschaft LOT bei ihrer beabsichtigten Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau bekannt, und könnten diese Schwierigkeiten u. a. auf das in der Volksrepublik Polen geltende Kriegsrecht zurückzuführen sein? Der Bundesregierung liegt bisher kein Antrag der polnischen Fluggesellschaft LOT auf Wiedereinrichtung der Fluglinie Warschau-Köln/Bonn vor. Ein solches Vorhaben würde ausschließlich unter dem in den vertraglichen Abmachungen mit Polen festgelegten Gesichtspunkt der Wechselseitigkeit geprüft Anlagen zum Stenographischen Bericht werden. Die gegenwärtige politische Situation in Polen hat hierauf keine Auswirkungen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Herberholz (SPD) (Drucksache 9/1968 Frage 46): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Zeitkartenbenutzer der Deutschen Bundesbahn auf Strecken, auf denen Triebwagen aus Kostengründen eingestellt wurden, bei Benutzung des bereitgestellten Busses jeweils einen Aufpreis zu zahlen haben? Die Fahrpreise der Deutschen Bundesbahn sind im Schienen- und Bahnbusverkehr innerhalb der bei beiden Geschäftszweigen einheitlich gebildeten Entfernungszonen grundsätzlich gleich. Legt der Bus jedoch eine längere Entfernung zurück als das Schienenfahrzeug, können Preisunterschiede auftreten. Diese Preisunterschiede sind jedoch keine Aufpreise. Das Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bundesbahn (DB) gestaltet sein Preis- und Leistungsangebot, und damit auch seine Tarife, im Schienen- wie Bahnbusverkehr grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich. Dementsprechend prüft die DB von sich aus bereits, inwieweit bestehende Preisunterschiede im Schienen- und Bahnbusverkehr bei Beförderungen über die gleiche Strecke und unterschiedliche Entfernungen etwa durch Angleichung der Tarifentfernungszonen bereinigt werden können. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage der Abgeordneten Frau Benedix-Engler (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 47): Sieht die Bundesregierung, daß ein Zusammenhang zwischen dem abnehmenden Reiseaufkommen der Deutschen Bundesbahn und dem sich ständig verschlechternden Angebot in den Nebenstrecken besteht, und ist sie bereit, in diesem Zusammenhang auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß der an sich schon schlechte Verkehrszugang im Südharz-Bereich, der die Benachteiligung dieses Raums ständig erhöht, nicht noch durch weitere Streckenstillegungen (Bad Lauterberg/Odertal und Scharzfeld—Bad Lauterberg) belastet wird. Nein, die Bundesregierung sieht den in Ihrer Frage unterstellten Zusammenhang nicht. Im Gegenteil: Das Angebot der Deutschen Bundesbahn orientiert sich stets an der Nachfrage. So gehört die Teilstrecke Bad Lauterbach-Odertal mit 194 Reisenden im werktäglichen Durchschnitt (beide Richtungen zusammen) zu den schwächst ausgelasteten Reisezugstrecken der Deutschen Bundesbahn. We- 7062* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 gen anstehender Investitionen hat die Deutsche Bundesbahn das Verfahren zur Stillegung der vorgenannten Teilstrecke eingeleitet. Ein Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn mit prüffähigen Unterlagen liegt dem Bundesminister für Verkehr noch nicht vor. Wegen der Lage der Strecke im Zonenrandgebiet wird das Kabinett entscheiden. Der Abschnitt Scharzfeld-Bad Lauterberg soll vorerst sowohl im Reise- als auch im Güterverkehr beibehalten werden.
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    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir sind uns — da stimme ich dem Bundeswirtschaftsminister zu — jetzt doch völlig einig, daß wir zur Zeit diesen großen Konzern AEG nicht vom Taumeln ins Stürzen geraten lassen dürfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Und wir dürfen das nicht nur wegen der Bankverbindlichkeiten oder -forderungen tun, sondern wir tun das wegen der Zulieferindustrien und wegen der vielen Beschäftigten bei AEG und in der kleinen und mittleren Wirtschaft.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Hier gibt es keinen Unterschied. Wenn ich Sie so verstehen soll, daß Sie das ablehnen, wäre es ein bemerkenswerter Beitrag zu dem hessischen Landtagswahlkampf, von dem Herr Dregger gesprochen hat.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich will in einer zweiten Äußerung auf das eingehen, was Herr Waigel gesagt hat. Er hat dem Bundeskanzler — bemerkenswert, muß ich sagen — Opportunismus vorgeworfen.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Das ist auch richtig!)

    — Das ist ein starkes Stück. Jedenfalls habe ich das von keinem neutralen kritischen Beobachter dieser Regierung jemals gehört. Ich weise das zurück.
    Aber ich will zwei Beispiele von Opportunismus vorführen,

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Von Herrn Schmidt!)

    und zwar zuerst durch ein Zitat vom 3. August 1982:
    Jedem Gewerkschafter
    — da bitte ich auch die Liberalen zuzuhören —
    muß das Herz bluten, wenn er sieht, wie die Sozialdemokraten zur Deckung der Löcher im Bundeshaushalt
    — über den wir heute reden —
    die Sozialkassen plündern. Nennen wir doch die Dinge beim Namen: Arbeitnehmer wie Arbeitslose, Rentner und Kranke sollen mit ihren Groschen der SPD die Macht in Bonn sichern.
    So Helmut Kohl am 3. August 1982.

    (Beifall des Abg. Pfeffermann [CDU/CSU] — Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

    Das ist Opportunismus,

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    wenn in einer derartigen Phase der Staatsbankrott an die Wand gemalt und bei Einsparungen in diesem Umfang behauptet wird, da würden die Menschen ausgeplündert. — Das ist Opportunismus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Die Wahrheit!)

    Ich will mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein zweites Zitat bringen, und zwar von einem Freund der CDU, Gerd Bucerius.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Ein lieber Freund! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Ein ganz lieber Freund!)

    — Sie unterstützen also meine Einschätzung, daß er Ihr Freund ist.
    Er sagte am 23. Juli in der „Zeit":
    Von einer CDU/CSU-Regierung erwarten sie
    — die Bürger —
    Sparsamkeit und Gewissenhaftigkeit im Umgang mit öffentlichen Geldern ... Und da passiert dieses: Weil Sparen nicht immer nur den kleinen Mann treffen soll, will die Koalition auch den (von Arbeitslosigkeit nicht bedrohten) Beamten ein Opfer zumuten: Die Beamtengehälter sollen nicht (rückwirkend) zum 1. Mai, sondern erst drei Monate später, zum 1. August erhöht werden. Ersparnis: eine Milliarde Mark.
    Herr Bucerius fährt fort:
    Ein solches Gesetz muß der Bundesrat (CDU/ CSU-Mehrheit!) billigen. Hier also könnte die Opposition beweisen, daß sie, wenn die Lage des Landes es verlangt, auch ihre Freunde und Wähler (das dürfte die Mehrheit der Beamten sein) nicht verschont. Aber die Opposition hat schon beim erstenmal,
    — wo sie Verantwortung zu tragen hatte —
    versagt.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich hier hinzufügen — um kein Mißverständnis zu erzeugen —: Uns ist es nicht leichtgefallen, die Anpassung um ein Vierteljahr zu ver-



    Roth
    schieben. Ich denke da an den Briefträger, ich denke da an den Beamten bei der Eisenbahn im Rangierdienst, die A 4 oder A 5 haben. Es ist wirklich ein Einschnitt für sie, wenn diese Anpassung nicht so wie in anderen Bereichen stattfindet. Wir sagen nicht leichthin, diese Verschiebung sei in Ordnung. Wir haben sie bei uns sehr kritisch diskutiert.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie denken nur an die Beamten!)

    Aber eines kann man nicht machen, das Drama der Staatsverschuldung Tag für Tag als Wahlkampfthema in Hessen und überall sonst benutzen und auf der anderen Seite immer versagen, wenn man konkret gefragt ist, wenn man mitentscheiden muß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Hier will ich etwas von dem aufnehmen, was der Herr Bundesfinanzminister gestern gesagt hat: Es gab keinen Entscheidungsprozeß zu Finanzen, wo der Bundesrat Blockierungsmehrheit gehabt hat, wo nicht der Bundesrat draufgesattelt hat, das heißt mehr Kosten für den Bundesstaat provoziert hat. Das ist die Wahrheit. Jeder, der im Vermittlungsausschuß ist, kennt diese Entscheidungsprozesse und weiß, wovon ich rede.
    Meine Damen und Herren, ich bin dankbar, daß heute mehrfach mehr grundsätzliche Fragen der Wirtschaftspolitik angesprochen wurden. Auch ich glaube, daß es nicht ausreicht, in vordergründiger Auseinandersetzung zu verharren. Lassen Sie mich aber trotzdem ein Wort zum Angriff von Herrn Dregger sagen. Herr Dregger, hier habe ich die neuesten Schätzungen des Internationalen Währungsfonds über die jetzige Lage in der Bundesrepublik Deutschland und in allen anderen westlichen Industriestaaten und über die wahrscheinliche Lage im nächsten Jahr. Diese Zahlen weisen aus, daß die Bundesrepublik Deutschland, wenn man das Wirtschaftswachstum, die Preisentwicklung, die Leistungsbilanz und die Arbeitslosenquote zusammen gewichtet, nach der Schweiz und Japan auf dem dritten Platz in dieser Weltrangliste — im positiven Sinne — steht.

    (Beifall bei der SPD)

    Das steht hier. Und das ist die Lage. Alle anderen großen Industrieländer, USA, Großbritannien, Frankreich, schneiden weit schlechter ab.
    Herr Dregger ist vorhin nun auf die Schweiz ausgewichen. Er hat gesagt, wir sollten es so wie die Schweiz machen. Ich bin gespannt, ob ich demnächst das Matterhorn im Taunus besteigen kann.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie werden von Tag zu Tag geistreicher!)

    Aber mal abgesehen davon ist der Punkt doch der folgende: Die Hochzinsphase hat die Investitionstätigkeit schwer getroffen. Die Zinsen in der Schweiz aber sind langjährig stets weit unterhalb des Zinsniveaus der ganzen übrigen Welt gewesen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Weil die Schweiz niemals an einem Krieg beteiligt war, ist sie das Zielland für viel Spekulationskapital, und deshalb konnten die Zinsen dort untengehalten werden. Das ist die Ursache dieser Differenz. Auf die
    zweite Ursache wurde gerade hingewiesen: Die Bundesrepublik Deutschland als EG-Partner kann die ausländischen Arbeiter in der Phase der Arbeitslosigkeit nicht ausweisen, wie es die Schweiz tut. Das wäre auch auf Grund unserer gesetzlichen Lage innerhalb der EG undenkbar.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Lassen Sie mich eines klar sagen. Es nützt niemandem, wenn wir in der politischen Debatte immer auf andere weisen und über andere reden,

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Auf einmal! Wer macht denn diese Vergleiche?)

    sondern wir müssen ganz genau überlegen, was in unserer Situation mehr, anders und zusätzlich zu tun ist.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Roth für die Wende!)

    Lassen Sie mich die Frage stellen: Was hat eigentlich unsere Lage besser gemacht, worauf können wir
    aufbauen, und worauf sollten wir nicht verzichten?
    Das erste ist: Wir hatten den sozialen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland weit mehr als andere.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist der erste Faktor. Den sozialen Frieden gibt es nicht zum Nulltarif, sondern er beruht auf dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes; es hat diesen Auftrag gegeben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir sind ein sozialer Bundesstaat. Das heißt, wenn es Zuwächse gibt, sollten wir diese fair und gerecht verteilen und nicht alles den Reichen geben. Das heißt aber umgekehrt: Wenn es Lasten gibt, wenn eine Krise da ist, sollten wir die Lasten nicht auf die Kleinen abladen, sondern die Lasten in der Krise fair und gerecht verteilen. Das heißt Sozialstaat.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wer diese Prinzipien des Sozialstaats leichtfertig, sei es nur durch flotte Reden oder flinke Papiere, verletzt, der wird den sozialen Frieden nicht garantieren können.

    (Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Wen meinen Sie denn? — Pfeffermann [CDU/CSU]: War das Lambsdorff, mit dem sozialen Frieden?)

    Sozialer Friede hat eine zweite Bedingung, nämlich die Integration der Arbeitnehmerschaft und ihrer Gewerkschaften in den Entscheidungsprozeß der Wirtschaft, die Gleichbeteiligung.

    (Glos [CDU/CSU]: Pensionsrückstellungen!)

    Wer in Papieren und Reden Wirtschaft sagt und nur Unternehmer meint, der wird den sozialen Frieden in Deutschland jedenfalls nicht garantieren und sichern.

    (Beifall bei der SPD)




    Roth
    Wer diese beiden Prinzipien verletzt, der hat eine andere Republik, und das ist eine Republik des sozialen Unfriedens.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Wie war das bei AEG?)

    Zweitens. Wir Sozialdemokraten haben immer großen Wert auf die Vielfalt in der Wirtschaft gelegt. Da stimme ich völlig mit dem überein, was vorher von mehreren Rednern gesagt wurde. Wir wollten keine Konzernwirtschaft. Wir waren diejenigen, die bei der Kartellgesetzgebung immer die härtesten Forderungen gestellt haben, die dann von Ihnen von der CDU/CSU abgelehnt wurden.

    (Beifall bei der SPD)

    Hier waren wir uns stets einig mit den Liberalen: Vielfalt, kleine und mittlere Wirtschaft, das ist der beste Garant für die Sicherung von Arbeitsplätzen, für die Sicherung der Preisstabilität, und viele andere Faktoren werden günstig beeinflußt. Deshalb muß in dieser Krise jede Maßnahme genau daraufhin abgestimmt werden, ob man sich nicht mehr auf die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen konzentrieren kann.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, ich muß sehr bedauern, daß Sie eine Zwischenfrage meines Kollegen Spöri so leichtfertig behandelt haben. Wir waren doch die letzten Jahre gemeinsam der Meinung, wir sollten die Gewerbesteuerfreibeträge nach oben ziehen, um die ertragsunabhängigen Steuern bei den kleinen Unternehmen möglichst wegzubekommen. Wir wollten diese Konzentration. Das ist eine gute Sache. Aber auch das Spiegelbild des Arguments von Spöri ist richtig: Wenn ich jetzt sparen muß und nicht Geld zu verteilen habe, ist es doch sehr fragwürdig, die heute eher zur Großbetriebssteuer gewordene Gewerbesteuer zuerst abzuschaffen. Ich halte das jetzt, wo die Kassen knapp sind, für einen falschen Weg.

    (Beifall bei der SPD)

    Reden Sie doch einmal mit den Kämmerern, wobei ich zugeben muß, daß in Nordrhein-Westfalen nicht sehr viele Liberale in Kommunalparlamenten sind.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Bei euch nimmt es auch ab! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Paßt mal auf, was euch übrigbleibt!)

    Drittens. Wir haben — auch hier besteht völlige Übereinstimmung mit vielem, was gesagt wurde — zum Welthandel, zur internationalen Integration stets j a gesagt, anders als andere. Wir waren nie der Meinung, daß Protektionismus, Abschirmung irgendeine Funktion im Hinblick auf die weitere Sicherung von Arbeitsplätzen erfüllen könnte. Wir werden diese Politik für einen offenen Welthandel fortsetzen. Wir werden protektionistische Bestrebungen, die es in verschiedenen Lagern gibt — ich gebe zu, auch in manchen Lagern innerhalb der sozialistischen Internationale —, bekämpfen, und zwar auch dort, wo sie erst in Reden anfangen; in der Regel hat das j a spätere Folgen.
    Der vierte Punkt, von dem jedenfalls wir Sozialdemokraten gemeinsam ausgehen können, ist: Wir waren ständig der Meinung, daß Strukturwandel und Modernisierung der Wirtschaft sein müssen und daß man ihn nicht hemmen darf. Nicht zuletzt deshalb haben wir in den letzten Jahren immer wieder mitgeholfen und es durchgesetzt, daß Investitionserleichterungen in der Wirtschaft realisiert wurden. Ich erinnere daran, daß es von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion angestoßen wurde, daß die degressive Abschreibung im letzten Jahr erweitert wurde. Ich möchte alle, die hier zu Wort kommen, einmal bitten, zu überlegen, wer in den letzten zwei Jahren mit welchen Anstößen mitgeholfen hat, die Investitionstätigkeit in der Hochzinsphase zu erleichtern. Aber ich gebe zu, daß das nicht ausgereicht hat, denn meines Erachtens fehlt in der Volkswirtschaft zur Zeit Nachfrage. Auch darüber müßten wir einmal sorgfältiger reden.
    Sie alle auf der CDU/CSU-Seite sagen immer, wir hätten eine Anspruchsgesellschaft, wir verbrauchten viel zuviel. Ich frage einmal zurück: Stimmt das eigentlich? Wir hatten seit den 50er Jahren beim Konsum folgenden langfristigen Trend: Zuwachsrate zwischen 1951 und 1954 4,7 %, Zuwachsrate zwischen 1959 und 1963 2,6 %, Zuwachsrate zwischen 1972 und 1975 1,1 %, Zuwachsrate zwischen damals und heute — also bis 1982, Prognose einbezogen —0,9 %. Das heißt, wir haben eine langfristig sinkende Zuwachsrate beim Konsum. Auf der anderen Seite gibt es relativ stabile Steigerungen der Produktivität. Hier tut sich eine Schere auf, die uns alle wirtschaftspolitisch vor Herausforderungen stellt, die man nicht mit flinken Reden oder dem Abbau des Sozialstaats beantworten kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Warum nicht? Die kleinen Leute, die auf Sozialhilfe und auf Arbeitslosengeld angewiesen sind, sind diejenigen, die ihr Geld natürlich sofort wieder ausgeben. Die beteiligen sich nicht am Geldspiel bei Hochzinsen, das können die nicht machen, das machen andere. Die stabilisieren dadurch auch die Volkswirtschaft. Es ist sehr fragwürdig, in dieser Situation zu sagen: Wir sparen genau an der Stelle am meisten.
    Der durchschnittliche Arbeitslose bekommt zur Zeit bei einer Quote von 68 % Arbeitslosengeld 1 000 Mark. Er bekäme, wenn man die bekannten 18% abzöge, nur noch 50%, d. h. je nach Lage etwa 750 bis 780 Mark. Ich möchte diejenigen, die leichtfertig sagen, 50 % seien genug, wirklich einmal zur Übung ein Jahr auf 780 Mark setzen, damit sie wissen, was das bedeutet.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Sie sprechen in die falsche Richtung!)

    Kein Abgeordneter in diesem Saal könnte das. Wir Sozialdemokraten werden diese Demontage der sozialen Lage der Arbeitslosen nicht zulassen und nie mitmachen.

    (Beifall bei der SPD)




    Roth
    Wir halten das nicht einmal für diskussionsfähig. Darüber gibt es keinen Satz außer dieser öffentlichen Aussage.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Warum reden Sie so erregt über ein Regierungspapier?)

    Warum reden wir zweitens nicht über die Frage: Was hat sich im tertiären Sektor — im Dienstleistungssektor — der Wirtschaft verändert? Wir hatten doch in den 50er Jahren die Situation — — Herr Waigel und ich kommen fast aus demselben Dorf.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Ein bißchen sind wir schon auseinander!)

    — Gut, ich gebe zu, Herr Waigel, daß die bayerische Grenze dazwischenliegt — und das ist eine ganze Menge —, aber in Sichtweite sind wir aufgewachsen; das geben wir ja zu.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Aber wir hatten eine andere Entwicklung!)

    Sie und ich, wir schämen uns des Schwabentums nicht, und ich bin — das nur als Antwort auf das vorher — ein Föderalist.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

    Sie wissen wie ich, daß damals Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft und auch aus der Industrie freigesetzt wurden. Der Dienstleistungssektor, Handel, Verkehr und auch die öffentlichen Dienstleistungsbereiche, wirkte am Arbeitsmarkt wie ein Schwamm. Alle, die freigesetzt worden waren, hatten gar kein Problem, unterzukommen.
    Heute aber hat sich das geändert. Die moderne Computertechnik, die Mikroelektronik haben Produktivitätssteigerungen auch in den Dienstleistungsbereich, ja sogar in den Staat getragen. Der alte Schwamm am Arbeitsmarkt ist nicht mehr da; er saugt die Leute nicht mehr automatisch auf. Kann man denn, wenn das so ist, Arbeitszeitverkürzungen ausschließen, wie der Tabu-Katalog der Arbeitgeberverbände es tut? Kann man das tun? Könnten wir alle in diesem Hause diese Debatte nicht dadurch abschließen, daß aus jeder Fraktion einer hochgeht und sagt: Der Tabu-Katalog der Arbeitgeberverbände gegen Arbeitszeitverkürzung paßt nicht in die Landschaft; er muß weg. Das wäre doch eine Sache!

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: So einfach!)

    Ich drücke mich nicht vor der zweiten Frage, die da hineingehört, nämlich Lohnausgleich. Ich bin der festen Überzeugung, daß sich die Gewerkschaften in der Diskussion der nächsten Monate klar werden müssen und klar werden — ich erinnere an Herrn Döding und einige andere, die das auch schon deutlich gemacht haben —, daß es eine Wechselbeziehung zwischen Arbeitszeit und Lohn gibt und daß man das dann im Kompromiß aushandeln muß. Starre Positionen wie der Tabu-Katalog sind ebenso unmöglich wie starre Haltungen auf der anderen Seite.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wenn so etwas aus diesem Hause käme, wäre das wirklich eine Anregung für die politische Diskussion. Das wäre nützlicher als sich — beide Seiten — zu Lasten der kleinen Leute zu bedienen.
    Das dritte, was ich sagen will: Wir müssen in der wirtschaftspolitischen Diskussion zur Kenntnis nehmen, daß Rohstoffe und Energie knapp sind und daß wir unsere Wirtschaft vor dem Hindergrund dieser neuen Preisverhältnisse umstrukturieren müssen; darum kann man sich nicht herumbetrügen. Wer das nicht zum zentralen Punkt seiner eigenen wirtschaftspolitischen Anstrengungen und Überlegungen macht, geht an der Wirklichkeit vorbei.
    Nach meiner Überzeugung ist das weit mehr Ursache für die jetzige Krise als der vielzitierte Sozialstaat. Wir haben Länder in der Welt, in denen es nicht annähernd einen derart modernen Sozialstaat gibt wie in der Bundesrepublik Deutschland, schauen Sie Amerika an. Da ist doch weit weniger an Sozialstaat, aber die Krise ist größer. Wenn der Sozialstaat die Hauptursache der Krise wäre, dann müßte Amerika blühen und gedeihen und die Bundesrepublik Deutschland am Ende der Weltrangliste stehen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Die haben in zehn Jahren 20 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen!)

    Das Gegenteil ist richtig. Ein funktionierender Sozialstaat hilft zwar mit, aber er ist höchstens notwendige Bedingung, und wir brauchen natürlich noch andere, die wir erfüllen müssen.
    Das vierte, was ich sagen will: Gilt es so uneingeschränkt, daß jede Art von Investitionsförderung gleichzeitig auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen führt?

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ihr Programm z. B. nicht!)

    Wirtschaftspolitisch haben wir zur Zeit eine ganz komplizierte Gemengelage. Früher war es ja so: Wenn die Industrie ihre Produktivität gesteigert hat, sind kapitalintensive Industrieanlagen und Maschinen in großem Umfang bestellt worden. Man konnte sagen: Wenn im Industriebetrieb dort, wo gefertigt wurde, wegen der Steigerung der Produktivität durch die neuen Maschinen ein Arbeitsplatz wegfiel, dann sind im übrigen industriellen Bereich, nämlich in der Fertigung von Investitionsgütern, Maschinen und Anlagen, Arbeitsplätze entstanden. Aber wir haben zur Zeit nicht nur das Problem des absinkenden Konsums, sondern gleichzeitig auch die Tendenz, daß die Kapitalintensität in wichtigen Bereichen sinkt. Das heißt: Es wird weniger Kapital, auch Arbeit, notwendig, um die Maschinen zu fertigen, nicht zuletzt wegen der Mikroelektronik. Sie leistet ungeheuer viel; ihre Leistungsfähigkeit steht in keinem — traditionellen — Verhältnis zu ihren Kosten. Jeder von uns weiß, wie billig ein Chip ist.
    Hier ergibt sich eine weitere Schere, auf die wirtschaftspolitisch nicht mit schlichter Investitionsförderung reagiert werden kann. Wenn wir fördern, gibt es beschleunigte Rationalisierungsprozesse, die man am Arbeitsmarkt gar nicht so schnell auffangen kann. In Gesprächen mit Betriebsräten wird mir



    Roth
    immer gesagt: Du sagst immer ja zur Investitionsförderung, aber bei uns wird, ohne daß etwas als Ersatz da ist, viel wegrasiert. — An dieser Frage, das muß ich ehrlich sagen, kaue ich hart; denn die Antwort „bremsen" ist keine Antwort. Ich nenne das Stichwort internationale Beziehungen. Wer bremst, macht arm. Aber daß hierin Probleme stecken, zumindest auch staatlicherseits zusätzliche Nachfrageanstöße organisiert werden müssen, ergibt sich aus der Analyse. Deshalb ist die schlichte Behauptung, staatlicher Konsum ist schlecht, staatliche Investitionsförderung gut, in dieser einfachen Form heute nicht mehr richtig.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die letzten drei Minuten verwenden, um die grundlegende Strategie unserer Finanzpolitik noch einmal zu verdeutlichen.

    (Kolb [CDU/CSU]: In drei Minuten schaffen Sie das!)

    Erstens. Wir sind dafür und dabei, die strukturellen Defizite im Bundeshaushalt zu beseitigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das heißt, wenn wir sehen, daß ein Sozialsystem oder ein Teilsystem des Bundeshaushalts schneller anwächst als das Sozialprodukt, das j a in geringerem Umfang wächst, so werden wir die mittelfristige Konsolidierungsaufgabe weiterhin konsequent fortsetzen. Darüber gibt es keine Diskussionen.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Was heißt „weiterhin"? Fangen Sie erst einmal an! — Kolb [CDU/CSU]: Wann konsolidieren Sie denn?)

    Wir haben jetzt z. B. schrittweise bis 1986 die Krankenversicherungsbeiträge für Rentner eingeführt, um die Parallelität zwischen Einkommen der Unselbständigen und der Rentner zu bekommen. Diese Maßnahme führt also zu einer Parallelität der Einkommen. Damit wird ein strukturelles Defizit beseitigt. Im Gesundheitswesen müssen wir nach meiner Auffassung jetzt noch mehr tun. Hier haben wir bisher nur auf der Nachfrageseite, nämlich bei den Patienten angesetzt. Hinzu kommen Maßnahmen bezüglich einiger Kurheime. Diese Maßnahmen waren wahrscheinlich ein bißchen zu stark dosiert. Vielleicht muß man hier bis zu einem gewissen Grade noch eine Angleichung vornehmen. Im Grundsatz waren aber auch diese Maßnahmen richtig.
    Nun muß doch einmal die Frage gestellt werden: Warum werden die Anbieter völlig ausgespart?

    (Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wer ist denn das?)

    Warum wird die Frage der Kontrolle bzw. Kontrollierbarkeit von Ärzten nicht angepackt?

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Ach so! — Kittelmann [CDU/CSU]: Noch mehr Kontrolle!)

    Ich bin der Meinung, es ist eine berechtigte Kontrolle, wenn die Arztrechnung auch dem Patienten übermittelt wird, damit dieser merkt, was der Arzt aufgeschrieben hat.

    (Beifall bei allen Fraktionen — Daweke {CDU/CSU]: Was kostet denn ein Bett im Klinikum Aachen?)

    — Wir werden uns am Kampfestage wieder sprechen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Zweitens. Konjunkturelle Defizite werden nicht durch Kaputtsparen beseitigt. Wer dann, wenn im nächsten Jahr weitere Steuerrückgänge oder Mehrausgaben für Arbeitslose zu erwarten sind, weitere Kürzungen in diesem Umfang verlangt, betreibt Parallelpolitik und verschärft die Wirtschaftskrise, bewältigt sie aber nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit Sozialdemokraten wird es keine Parallelpolitik
    geben. Ich war gestern zusammen mit zwei Kollegen
    — einem von der FDP und einem von der CDU — beim „Verein für Socialpolitik". Wir haben festgestellt: Es ist in der deutschen Finanzwissenschaft ein Konsens da, daß jetzt keine Parallelpolitik betrieben werden darf, daß auf neue Löcher, die konjunkturell bedingt sind, nicht mit weiteren Streichungen geantwortet werden darf. Das war gestern das Ergebnis.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Warum haben Sie diese Erkenntnis erst gestern gewonnen?)

    Man sollte einmal versuchen, die Ratschläge der Wissenschaft aufzunehmen.
    Ich komme auf einen dritten Bereich zu sprechen. Wir sind der Meinung, jede Politik muß sozial ausgewogen sein. Zu der notwendigen Kürzung im Sozialbereich, zu der wir uns im Etat 1983 gerechter- und vernünftigerweise entschlossen haben, gehörte auch eine Ergänzungsabgabe für Höherverdienende.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Ich sage das deswegen, weil Herr Waigel auf diese Frage keine Antwort gegeben hat. Sie haben gesagt, alle sollten sparen. Ich nehme jetzt einmal nicht den kleinen Unternehmer — dazu sage ich gleich etwas —, sondern den Zahnarzt mit seinem Einkommen — nach eigener Statistik — in Höhe von 225 000 DM. Der ist im Grunde bisher durch alle Sparrunden ohne jede Zusatzbelastung durchmarschiert. Das ist doch nicht in Ordnung, hat doch mit unserer Investitionsförderung nichts zu tun.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Wollen Sie eine Arztsteuer einführen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Rufen Sie nicht so dazwischen, sondern hören Sie zu. Ich biete Ihnen ja etwas an, und zwar zum Denken und dann zum Handeln. Wir könnten ja folgendes machen — was der SPD-Parteitag von München vorgeschlagen hat —: Ergänzungsabgabe, aber Entlastung bei denen, die investieren. Das wäre doch eine Sache.

    (Beifall bei der SPD)




    Roth
    Damit würden wir aus dieser eingefrorenen Situation herauskommen. Ich bin der Meinung, man hilft der deutschen Finanzwirtschaft, man hilft dem Bundeshaushalt und man hilft den Haushalten von Ländern und Gemeinden mehr, indem man neue Ideen entwickelt und nicht stur an einer Stelle hinein-hackt, nämlich bei den ärmsten Leuten. Das ist die Position der Sozialdemokratie.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Haussmann das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kollegen! Nachdem außer Graf Lambsdorff keiner der Vorredner auf den Haushalt eingegangen ist, möchte ich mich dieser Regel anschließen.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich möchte gern einige ökonomische Grundsätze aus der Sicht der FDP darlegen, und ich möchte auch Herrn Roth eine klare Antwort auf die aufgeworfenen Fragen geben. Bei Herrn Waigel ist es ein bißchen schwieriger.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Er hat sich ja gedrückt; er war etwas müde heute; er hinkt hintendrein. Er war aber der einzige in den letzten zwei Monaten, der überhaupt noch das Sieben-Punkte-Papier der Opposition hier zur Sprache gebracht hat.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Waren Sie am letzten Donnerstag nicht im Plenum?)

    Das ist natürlich bei dem Papier von Graf Lambsdorff etwas anders. — Mich freut es, daß der Oppositionschef selbst so munter wird.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Vorschläge von Graf Lambsdorff haben aus verschiedenen Gründen ein aufgeregtes Echo gefunden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch bei Frau Schuchardt!)

    Ich erinnere mich an manche Vorschläge eines ebenfalls sehr engagierten Liberalen, nämlich Thomas Dehler, der sich ebenfalls als Politiker die Freiheit herausgenommen hat, manchmal auch einseitige, aber im besten Sinne radikale, d. h. an die Wurzel gehende Vorschläge zu machen. Es wäre ein trauriges Parlament, wenn es nicht möglich wäre, solche Vorschläge hier zu diskutieren. Und es wäre eine traurige Gesellschaft und ein sehr schlechtes Zeichen für die Interessenverbände, wenn sie nicht in der Lage wären, sich mit solchen Vorschlägen konkret auseinanderzusetzen.

    (Beifall bei der FDP)

    Lassen Sie mich daher zu den zwei Hauptvorwürfen Stellung nehmen, die sowohl von den Sozialdemokraten — nicht so heute; Herr Roth war ja sehr gemäßigt im Parlament, aber wir lesen auch die Presse —, aber auch von Teilen meiner eigenen Partei erhoben werden. Ich halte sie für wichtig; sie sollten hier einmal im Parlament diskutiert werden.
    Der erste Vorwurf ist, es sei ein einseitiges Konzept, es sei weitgehend eine Übernahme einer Politik von Reagan oder von Frau Thatcher. Das hat auch hier eine Rolle gespielt. Zweitens wird gesagt, ein solches Konzept würde den sozialen Frieden in der Bundesrepublik gefährden. Das ist ein sehr, sehr heftiger Vorwurf, den wir beantworten müssen.
    Zum ersten Vorwurf: Zugegeben, diese Vorschläge betonen sehr stark die Angebotsseite. Das ist aber auch nur konsequent. Denn nur mit einer Verstärkung der Investitionsquote schaffen wir Arbeitsplätze. Es ist richtig: es gab bisher in keinem westlichen Industrieland ein Konzept, das so konsequent Spielraum für Investitionen freigesetzt hätte und das so viele Mittel im Haushalt im sozialen Bereich umverteilen möchte zugunsten von privaten und — ich betone es für unsere Kollegen von den Sozialdemokraten — auch von öffentlichen Investitionen. Es wird Gewaltiges umgeschichtet. Ich kenne bisher kein SPD-Programm, das mehr Mittel zugunsten von arbeitsplatzschaffenden Investitionen mit konkreten Vorschlägen umschichten würde.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, gerade an diesem Punkt ist kein Koalitionsvorwurf angebracht, denn richtig ist, daß das Regierungsprogramm 1980 herausstellt: Dieses Jahrzehnt muß ein Jahrzehnt der Investitionen und nicht des Konsums werden. — Diese starke Betonung der investiven Seite raubt uns aber keinesfalls den Blick für die Nachfrageseite. Es handelt sich also hier nicht um eine Übernahme von Reaganscher Politik oder um eine Politik des Monetarismus.
    Die Begründung lautet — ich will auf das eingehen, was Herr Roth sagte —:
    Erstens. Die konsequente Umschichtung im Staatshaushalt stärkt gerade die investive Nachfrage, die zu Arbeitsplätzen führt.
    Zweitens. Nur die hier erstmals — nicht nur verbal wie im Sieben-Punkte-Programm, Herr Waigel — auch durch Zahlen konkretisierte Begrenzung der Abgaben- und Steuerlast läßt die reale Kaufkraft nicht weiter absinken. Wir sind uns auch mit vielen Betriebsräten darin einig, daß die reale Kaufkraft in der Bundesrepublik Deutschland durch heimliche Steuererhöhungen und durch ständiges Ansteigen der Soziallasten eingeschränkt wurde.

    (Beifall bei der FDP)

    Das ist die heftigste Kompression der privaten Nachfrage.

    (Dr. Spöri [SPD]: Reagansche Politik! Das Ganze ist ein gigantischer Mißerfolg!)

    — Das ist nicht Reagansche Politik. Ich darf noch einmal wiederholen für meinen Kollegen Spöri, den ich sehr schätze: Es werden erstmalig konkrete Vorschläge gemacht, wie es rechnerisch möglich ist, daß die Abgaben- und Steuerquote, die in der Vergangenheit die Hauptursache für die Reduzierung der realen Massenkaufkraft in der Bundesrepublik Deutschland war, zukünftig nicht mehr steigt.
    Drittens. Erst ein lang- oder mittelfristig angelegtes und verbindliches Konzept schafft Vertrauen



    Dr. Haussmann
    und baut Angstsparen ab. Meine Damen und Herren, nur eine Zahl: Der Anstieg der Sparquote um 1 % führt zur Zeit zu einem Nachfrageentzug von 10 Milliarden DM. Diese Größenordnung gilt es zu bewegen.
    Viertens. Es ist kein einseitiges Konzept, weil sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite in unserer Ökonomie nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern enge Zusammenhänge aufweisen. Im Gegenteil, ein gutes, kostengünstigeres Arbeitsangebot schafft sich neue, zusätzliche Nachfrage und damit Arbeitsplätze. Das beste Beispiel sind inzwischen 6 Millionen Schwarzarbeiter in der Bundesrepublik, die parallel über einen regulären Arbeitsplatz verfügen, die aber zeigen, daß es Nachfrage nach einem kostengünstigeren Angebot gibt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das müssen Sie der Regierung weitersagen!)

    Ich möchte zu dem ersten Vorwurf zusammenfassend sagen: Es handelt sich nicht um ein einseitiges angebotsorientiertes Konzept, sondern es ist ein modernes ökonomisches gemischtes Konzept. Liebe Kollegen, es können beim besten Willen auch keinerlei monetaristische Züge à la England entdeckt werden. Im Gegenteil, partiell wird sogar die Geldversorgung für investive Zwecke und die Sorge um die Stabilität — ich erinnere an die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 %, die im Gespräch ist — eindeutig — bisher ist das in der FDP nicht so konsequent verfolgt worden — dem Ziel der Wiedererlangung der Vollbeschäftigung untergeordnet. Wer dieses Konzept als einseitiges kapitalistisches Unternehmerkonzept diffamiert, ist nicht auf der Höhe moderner Ökonomie

    (Beifall bei der FDP)

    und entfernt sich im übrigen auch vom wirtschaftspolitischen Sachverstand geschätzter Sozialdemokraten wie Claus Dieter Arndt, Karl Schiller, Alex Möller oder Manfred Lahnstein.

    (Roth [SPD]: Das Urteil von Alex Möller über bestimmte Papiere wird sicher noch veröffentlicht!)

    — Ich bin auch gern dazu bereit, mich damit auseinanderzusetzen, denn angesichts der Pleiten und der erschreckenden Eigenkapitalbasis unserer mittelständischen Wirtschaft, der wir immerhin über 60 % der Arbeitsplätze und über 70 % der Ausbildungsplätze verdanken, ist die Verbesserung der Investitionsbedingungen nicht gerade Ausdruck klassenkämpferischen Verteilungsdenkens, sondern sie ist arbeitsmarktpolitisch geboten.
    Ich komme zum zweiten Vorwurf, nämlich dieses Konzept gefährde den sozialen Frieden; oder noch drastischer: es sei mit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes nicht vereinbar.

    (Daweke [CDU/CSU]: Wer hat das gesagt?)

    Meine Damen und Herren, ein solcher Vorwurf, der in der Öffentlichkeit wiederholt erhoben wurde, ist aus meiner Sicht unerträglich, wenn er an einzelnen konkreten Vorschlägen festgemacht wird.
    Ich möchte ein Beispiel nennen. Was Wolfgang Roth hier gesagt hat, ist einer von alternativen Vorschlägen, d. h. es soll darüber diskutiert werden, ob kurzfristig und abhängig von der Familienlage das Arbeitslosengeld eventuell am Anfang abgesenkt werden könnte.
    Darüber kann man mit qualifizierten Sozialpolitikern diskutieren. Es geht nicht um diesen Arbeiter, der hier dargestellt wurde.

    (Roth [SPD]: Den interessiert das gar nicht! Von 750 DM kann man nicht leben!)

    Wir machen es von anderen Kriterien abhängig.
    Es geht um zwei Dinge, Herr Roth. Ein Freund von mir, ein qualifizierter Textilingenieur, schrieb mir vor kurzem, er sei durch den Konkurs seines Betriebs arbeitslos geworden. Er habe innerhalb von vier Tagen einen Arbeitsplatz beim größten Konkurrenten gefunden. Er habe sich aber bei dieser Gelegenheit des Arbeitsplatzwechsels erlaubt, ein halbes Jahr Arbeitslosenunterstützung zu beziehen. Er habe in dieser Zeit neben dem Erwerb des Segelscheins A auf dem Bodensee zwei ausgedehnte Sprachkurse absolviert.

    (Lambinus [SPD]: Das erzählen Sie mal in Ihrem Wahlkreis!)

    Gegen diese Weiterqualifizierung ist nichts zu sagen. Es ist aber die Frage, ob ein Mann in dieser Position — —

    (Erneuter Zuruf des Abg. Lambinus [SPD])

    — Ich diskutiere darüber in meinem Wahlkreis. Ich bin sogar bereit, Ihnen Betriebsräte in meinem Wahlkreis zu benennen, mit denen man intern über solche Fragen reden kann. Das muß auch hier möglich sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lambinus [SPD]: Aber nicht so verallgemeinernd! — Gegenrufe von der CDU/ CSU)

    — Ich habe es konkretisiert und differenziert. Ich möchte die Wogen der Aufregung glätten. Es sollte in einem Parlament möglich sein, über Vorschläge zu diskutieren, die alternativ und differenziert gemacht wurden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)